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Bericht der

Kommission des Nationalrathes betreffend den Entwurf zu einem Gesetze über die Arbeit in den Fabriken.

(Vom 24. Mai 1876.)

Tit.

Die von Ihnen unterm 11. Dezember vorigen Jahres zur Prüfung des vom Bundesrathe vorgelegten Entwurfes zu einem Bundesgesetze über die Arbeit in den Fabriken bestellte Kommission beehrt sich anmit, Ihnen über Vollziehung dieses Auftrages nachfolgenden Bericht zu unterbreiten.

,, Die staatsrechtliche Frage, ob die eidgenössischen Räthe im Allgemeinen die Kompetenz zur Regelung der Arbeit in Fabriken haben, ist durch Art. 34 der Bundesverfassung entschieden und bedarf hier keiner weitern Erörterung.

Es kann sich nur darum handeln, ob der Bund von der ihm im allegirten Verfassungsartikel gegebenen Befugniß nunmehr Gebrauch machen soll.

Wir nehmen keinen Anstand, uns in dieser Beziehung in Uebereinstimmung mit dem Bundesrathe in bejahendem Sinne auszusprechen. Wir halten es geradezu für eine Pflicht, ohne Aufschub solche einheitliche Vorschriften aufzustellen, um den größten Uebelständen, wie sie da und dort bei dieser Arbeit zu Tage treten, abzuhelfen und billigen Forderungen der Arbeiterklasse gerecht zu werden.

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Es ist zwar richtig, daß fast in allen Kantonen, in welchen die Fabrikarbeit größere Ausdehnung genommen hat, Gesetze und Verordnungen im Sinne des fraglichen Artikels der Bundesverfassung erlassen worden sind und in Kraft bestehen, manche sogar seit vielen Jahren.

Aber ebenso unzweifelhaft ist es, daß man sich bei diesen vereinzelten kantonalen Vorschriften nicht beruhigen kann.

Es giebt immerhin einzelne Kantone, in welchen Fabriken bestehen, ohne daß bis zur Stunde auf dem Wege der Gesetzgebung Bestimmungen, wie sie der Art. 34 der Bundesverfassung im Auge hat, aufgestellt worden wären.

Sodann ist der Umstand, daß die in einzelnen Kantonen bestehenden bezüglichen Vorschriften wesentlich divergiren, auf diesem · Gebiete mit manchen Inkonvenienzen begleitet.

Indem wir der Notwendigkeit eines einheitlichen Fabrikgesotzes das Wort reden, sind wir weit davon entfernt, die civilisatorische Mission der Industrie auch nur im mindesten zu verkennen und dem Gedeihen derselben ein Hinderniß in den Weg legen zu wollen. Es ist uns ferner vollständig klar, daß das Prinzip der Freiheit, wie es in der Gewerbefreiheit, Handelsfreiheit u. s. w.

seinen Ausdruck findet, auch den Lebensnerv der großen Industrie bildet, der ohne empfindlichen Schaden für das Ganze nicht unterbunden oder verletzt werden darf. Ein maßvoll gehaltenes Fabrikgesetz verstoßt gegen dieses Prinzip nicht. Es verbessert die Stellung der Fabrikbevölkerung und hat nichts Störendes und Hemmendes gegenüber dem Strome der Industrie, sondern wirkt auf denselben in der Weise einer K o r r e k t i o n . An seinem Laufe und in seiner Nutzen spendenden Kraft soll derselbe nicht schädlich beeinträchtigt werden.

Die Lösung dieser Aufgabe ist eine eminent wichtige, und eine ebenso schwierige. Es handelt sich darum, die Interessen der Arbeiter mit denjenigen der Arbeitgeber zu vermitteln, das Gebäude des Staates für die Arbeiterbevölkerung wohnlich einzurichten, ohne dabei an den Fundamenten zu rütteln, auf denen im Großen und Ganzen die Industrie beruht.

Bevor wir an unsere Arbeit der Prüfung des vorliegenden Gesetzesentwurfes giengen, besuchten wir in den Kantonen Zürich, St. Gallen, Glarus, Appenzell, Baselstadt, Baselland, Aargau, Solothurn, Bern, Neuenburg und Freiburg Etablissemente verschiedener Industriebranchen und zwar: Lokomotiv- und Maschinenfabriken, Seidenstoff- und Seidenbandwebereien, Baumwoll- und Leinenspinnereien und Webereien,

788 mechanische Stickereien, Druckereien, AppreturfabrikeD, chemische Fabriken und Färbereien, Papier- und Holzstofffabriken, Strohwaarenfabriken, Cigarenfabriken, Glashütten, Musikdosen- und Uhrenfabriken etc.

Wir richteten dabei unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich auf folgende Verhältnisse: ob die Arbeitslokale den sanitarischen Anforderungen entsprechen und zwar hinsichtlich ihrer Einrichtung, Ventilation, der Abwendung der Einflüsse gesundheitschädlicher Arbeitstoffe, ob die nöthigen Vorrichtungen, Einfriedungen zum Schutz gegen Körperverletzungen durch Maschinen, Triebriemen etc.

angebracht seien; welches die Arbeitszeit der Erwachsenen und der Kinder sei; von welchem Alter an Kinder in die Fabrik aufgenommen werden; wie es sich mit Nachtarbeit, mit der Arbeit an Sonn- und Festtagen, und sodann mit den Lohn- und Zahlungsverhältnissen verhalte; welches der Inhalt der Fabrikordnungen sei; ob für Selbstversicherung der Arbeiter mit Hülfe von Krankenkassen, Alters-, Wittwen- und Waisenkassen, Ersparnißkassen gesorgt werde u. s. w.

Nachdem wir uns durch eigene Anschauung über die in diesen Richtungen wirklich bestehenden Verhältnisse überzeugt, gingen wir zur artikelweisen Berathung über, welche z e h n Sitzungen in Anspruch nahm.

Bei dieser Berathung einigte sich die Kommission auf dem Wege gegenseitigen Entgegenkommens zu nachstehenden Anträgen, die wir der Wichtigkeit der Sache wegen mit einläßlichen Motiven begleiten.

I. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Der Bundesrath giebt hier in seinem Entwurfe eine Definition darüber, was unter Fabrik zu verstehen sei und demnach unter die Herrschaft des Gesetzes fallen soll. Es hält schwer, eine zutreffende Definition aufzustellen. Der Bundesrath hat dies auch wohl eingesehen, und schlägt deßhalb vor, daß, wenn Zweifel walte, ob eine gewerbliche Anstalt als Fabrik zu betrachten sei, darüber der endgültige Entscheid ihm zustehe.

Wir beantragen Streichung der Worte: ,,in §eschlossenen Räumen".

Im Uebrigen sind wir mit Art. l einverstanden.

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Uebelstände, welche durch das Gesetz beseitigt werden sollen, ganz ebenso sehr bei Gewerben in offenen Räumen, wie bei Bauten, in Steinbrüchen u. s. w. vorkommen können. Das am 3. Juni 1874 promulghete

789 französische Gesetz über die Arbeit der Kinder und minorennen Mädchen sagt denn auch ausdrücklich, daß dieselben nur unter den im Gesetze näher angegebenen Bedingungen in den ,,manufactures, fabriques, usies, mines, chantiers et ateliers" zur Arbeit verwendet werden dürfen.

Der § 136 der deutschen Gewerbeordnung sagt, daß unter Arbeitern, auf welche die betreffenden Bestimmungen Anwendung finden sollen, auch diejenigen verstanden seien, welche außerhalb der Fa.brikstätten für Fabrikinhaber oder für die ihnen gleichgestellten Personen, die zu deren Gewerbebetriebe nöthigen Ganz.oder Halbfabrikate anfertigen.

Unsere Fabrikgesetze der Schweiz enthalten dagegen die Bestimmung ,,in geschlossenen Räumen" als Criterium, ob eine gewerbliche Anstalt unter die Herrschaft des Gesetzes falle oder nicht; so die Fabrikgesetze von Glarus, Aargau, Baselstadt, Baselland und Schaffhausen.

Wir halten es für durchaus wünschenswerth, daß hier ein Schritt weiter gegangen wird, und die Wohlthaten des Gesetz.es im Sinne unseres Antrages auch auf die Arbeiter in nicht geschlossenen Räumen ausgedehnt werden. Die Gefährdung von Gesundheit und Leben beschränkt sich keineswegs auf den fabrikmäßigen Betrieb in geschlossenen Räumen.

Mit unserm Antrage wird erreicht, daß die in Art. 2 niedergelegte und für das Wohl der arbeitenden Klasse so eminent wichtige Bestimmung nicht nur einem Bruchtheile der Arbeiter zu gut kommt.

Wir beantragen bei diesem Artikel zwei Abänderungen. Die erste besteht darin, die Worte ,,in keiner Weise gefährdet" durch die Worte ,,bestmöglichst gesichert" zu ersetzen.

Es gibt keine Gewerbsthätigkeit, bei welcher Gesundheit und Leben ,,in keiner Weise" gefährdet würde. Die im Entwürfe enthaltene Vorschrift ist eine durchaus unerfüllbare Forderung. Die Botschaft des Bundesrathes sagt zwar, daß sich jene Worte nicht auf das Maß der Gefährdung beziehen, sondern auf die verschiedene Art und Weise, in welcher Gefährdung möglich sei, und welche in den beiden folgenden Alineas berührt werde, nämlich hinsichtlich der Beleuchtung, Ventilation, Staub, Entwicklung schädlicher Stoffe, Einfriedung von Maschinentheilen und Triebriemen. -- Wir ziehen vor, im Gesetze selbst deutlieh zu bestimmen, wie weit die Verpflichtung für diesen Schutz gehen soll, um dadurch einer zu weit gehenden und nicht in der Absicht des Gesetzgebers liegenden.

Interpretation vorzubeugen.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. II.

S3

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Die zweite Modifikation, welche wir Ihnen vorschlagen, besteht darin, im 3. Alinea die Stelle: ,,überhaupt sollen alle erfahrungsgemäß und nach dem jeweiligen Stand der Technik ermöglichten Schutzmittel gegen Verletzungen angewendet werden11 zu streichen, dagegen folgende Bestimmung als 4. Alinea aufzunehmen: ,,Zum Schütze der Gesundheit und zur Sicherheit gegen Verletzungen sollen überhaupt alle erfahrungsgemäß und nach dem jeweiligen Stand der Technik ermöglichten Schutzmittel angewendet werden."

Formelle und materielle Gründe veranlaßea uns zu diesem Antrage.

Nachdem in den vorhergehenden Bestimmungen dieses Artikels angegeben ist, in welchen Richtungen hauptsächlich der Gefähr-, ' düng der Arbeiter vorzubeugen ist,, würde mit Rücksicht daraufdaß die vorhergehende Aufzählung keineswegs als eine erschöpfende betrachtet werden kann, die angegebene allgemeine Schlußbestim mung folgen.

Diese geht in materieller Beziehung weiter als die Vorschrift im Entwurfe des Bundesrathes, die nach unserm Antrag gestrichen würde. Während letztere nur auf Schutzmittel gegen Verletzungen sich bezieht, dehnt sich die als viertes Alinea beantragte Bestimmung auf die Schutzmittel für G e s u n d h e i t und gegen Verletzungen aus. Der vernünftige und einsichtige Fabrikbesitzer wird in dieser Vorschrift sein Interesse wie dasjenige des Arbeiters sehen und sich an derselben keineswegs stoßen. Vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege aus legen wir auf diese weitergehende Bestimmung wesentliches Gewicht. Die vorgenommenen Fabrikbesuche zeigten, daß in Bezug auf Abwendung gesundheitschädlicher Einflüsse da und dort noch Manches zu wünschen übrig bleibt.

Wir sahen Bänder wie Erwachsene in einer Temperatur von 28 und 32° R. arbeiten. Bei den Akten finden wir Berichte, in welch' gewissenloser Weise in Zündhölzchenfabriken die menschliche Kraft ausgebeutet wird. Wir werden hierauf noch an anderer Stelle zurückkommen.

Artikel 3 unterstellt die vorzunehmenden Neubauten einer amtlichen Kontrole. Es kann hier allerdings die Frage aufgeworfen werden, ob diese Kontrole nicht eine Beeinträchtigung der Fabrikindustrie involvire. Wir finden, daß der Artikel 3 eine auch für den Fabrikanten, der bauen oder ein bestehendes Gebäude umgestalten will, ganz zweckmäßige Bestimmung ist, die ihn in keiner Weise schädigen könnte. Im Gegentheil, es ist für ihn viel besser, wenn er zum vorneherein, und bevor die Bauten stattgefunden,

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Gewißheit hat, ob das Bauprojekt, wenn einmal verwirklicht, auch den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Bestände diese Kontrole nicht, so würde der Fabrikant i-iskiren, daß ihm die kompetenten Behörden, nachdem die Baute erstellt ist, erklärten, daß dieselbe den Anforderungen des Art. 2 nicht entspreche. Es wird durch den Art. 3 Mißverständnissen und Schaden vorgebeugt.

Daß dem zur Genehmigung eingereichten Plane nähere Angaben über Bau und innere Einrichtung , sowie über die zur Verwendung kommenden Stoffe gemacht werden, ist nothwendig, um darnach beurtheilen zu können, ob das Etablissement den Anforderungen der Sicherheit für Gesundheit und Leben der darin zu beschäftigenden Arbeiter, sowie auch der Nachbarschaft, entspricht.

Dagegen dürfte unseres Dafürhaltens die Bestimmung des Entwurfes , daß auch über die Zahl der zu beschäftigenden Arbeiter nähere Angaben schon bei Vorlage des Bauplanes gemacht werden sollen, fallen gelassen werden. In vielen Fällen kann man diese Zahl zum Voraus nicht genau bestimmen. Auch ist in einer Fabrik in Bezug auf Gesundheit nicht die Zahl der Arbeiter, sondern vielmehr die gute Luft von Bedeutung. In einem kleinen Räume, in welchem die Luft beständig erneuert wird, befinden sich die Arbeiter eben so gut oder noch besser, als in einem großen Räume mit wenig Luftwechsel oder mit Luft, die gesundheitschädliche Beimischungen enthält.

Wenn im Entwurf eine Bestimmung enthalten wäre oder eine solche aufgenommen werden wollte, wonach für jeden Arbeiter ein Minimum des Luftraumes verlangt würde, so wäre die im Entwurf enthaltene Vorschrift betreffend die Zahl der Arbeiter eine nothwendige Folge. Man ist aber davon abgegangen, solche Vorschriften aufzustellen. Die Frage nach dem genügenden Rauminhalt läßt sich nicht für alle Fabriketablissemente gleich beantworten; auch abgesehen hievon ist sie eine bestrittene: Pettenkofer verlangt zirka 2000, Leblanc nur etwa 500 Kubikfuß. Wenn man von solchen Bestimmungen abstrahirt, womit wir vollständig einverstanden sind, so erscheint auch die Angabe der Zahl der Arbeiter nicht mehr als erforderlich und wäre nur geeignet, dem Fabrikanten, welcher einen Neubau aufführen will, unnötigerweise Verlegenheiten zu bereiten.

Das letzte Alinea des Art. 3 gibt dem Bundesrathe nach dem Entwurfe die Befugniß, allgemeine Vorschriften über
einzelne in demselben berührte Verhältnisse aufzustellen.

Wir betrachten die Vollziehung dieses Artikels für äußerst wesentlich und möchten daher die Aufstellung solcher Vorschriften nicht vom Ermessen des Bundesrathes abhängig machen, sondern

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ihm dazu gesetzlich die Pflicht auferlegen und beantragen deßhalb folgende Bestimmung : ,,Der Bundesrath erläßt die zur genauen Nachachtung dieses Artikels nöthigen Réglemente."1 Artikel 4 enthält die Grundsätze betreffend die Haftpflicht, wenn ein Fabrikarbeiter durch den Betrieb einer Fabrik verletzt oder getödtet wird.

Die Bedenken, welche namentlich von schweizerischen Industriellen gegen besondere, vom gemeinen Rechte wenigstens theilweise abweichende Grundsätze geltend gemacht worden sind, dürfen wir wohl als bekannt voraussetzen.

Wir können denselben nicht zustimmen.

In den stets wiederkehrenden Unglücksfällen im Fabrikbetriebe erkennen wir die Mahnung, durch Aufnahme von Bestimmungen in das vorliegende Gesetz dem Arbeiter Beruhigung und Schutz zu verleihen. Der legislative Grund, welcher darauf hinführt, abweichend von dem gemeinen Rechte die Verantwortlichkeit zu erhöhen, trifft jedenfalls bei denjenigen Fabriken zu, welche Naturkräfte in ihren Dienst nehmen , die nur zu leicht eine von dem Arbeiter nicht vorzusehende oder abzuwendende zerstörende Wirkung ausüben.

Angesichts der Ausdehnung, welche die Anwendung der Dampfkraft im industriellen Betriebe erlangt hat, wird mau nicht einwenden können, daß es in der Hand des Arbeiters liege, in minder gefährlichen Unternehmungen Beschäftigung zu suchen, noch auch wird sich im Allgemeinen behaupten lassen, daß schon der Arbeitslohn eine Prämie für die Uebernahme der Gefahren enthalte. Da der Arbeiter in Fabriken bezüglich der Sicherheit seiner Person den Einrichtungen und Vorkehrungen des Unternehmers vertrauen und denselben oftmals willenlos sich überlassen muß, so wird die Forderung nicht abzuweisen sein, daß auch Incider Größe der Gefahr die Verantwortlichkeit des Unternehmers entsprechen müsse. Eine Ersatzpflicht des letztern ist jedenfalls anzunehmen, wenn die für den Fabrikbetrieb erlassenen Vorschriften nicht eingehalten werden und die vorgekommene Körperverletzung damit in kausalem Zusammenhang stehen konnte, sowie auch beim Nichtvorhandensein der zwar nicht speziell vorgeschriebenen, doch erfahrungsgemäß erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen etc. Bei unsern Fabrikbesuchen haben wir uns überzeugt, daß es Etablissemente giebt. die hinsichtlich der Einfriedung von Maschinen, Triebriemen u. s. w. die Vorsichtsmaßregeln, welche billigerweise verlangt werden dürfen und sollen, nicht getroffen haben.

793 Die Verschärfung der Haftbarkeit des Unternehmers wird vor Allem auch darin bestehen müssen, daß er die Verschuldung seiner Angestellten zu vertreten habe.

Hinsichtlich der Bestimmung des Entwurfes, daß der Fabrikbesitzer haftbar sei, sofern er nicht den Beweis leisten könne, daß der Unfall durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Verletzten erfolgt sei, wird in der Botschaft des Bundesrathes zur Erläuterung bemerkt, daß sich der Fabrikbesitzer gegenüber dem Verletzten oder gegenüber den Rechtsnachfolgern des Getödteten nicht liberiren könne durch die Berufung darauf, daß ihm der Zustand des Dampfkessels unbekannt gewesen sei, daß der oder jener Angestellte seine Pflicht nicht erfüllt habe, sondern ausschließlich durch den Nachweis eigenen Verschuldens von Seite des Getödteten oder Verletzten.

Der gesetzgeberische Gedanke ist allerdings berechtigt, daß, wer um eines Erwerbes willen N a t u r k r ä f t e in seinen Dienst nimmt, auch für den Schaden eintreten müsse, welchen dieselben anrichten; daß dies insbesondere dann gelte, wenn Menschenleben vernichtet oder die menschliche Gesundheit zerstört werden; vornehmlich aber gegenüber denen, die von ihrer Hände Arbeit leben und deren Hinterbliebene durch den Unfall in das bitterste Elend gerathen.

Die Fabriken hinwieder können durch Versicherung für solche Unfälle den entstehenden Schaden sich ersetzen lassen oder wenigstens" mildern.

Nach dem Entwurfe würden bis zur Erlassung allgemein eidgenössischer Bestimmungen über Schadenersatz die im Bundesgesetze über die Verbindlichkeit der Eisenbahnen und anderen vom Bunde konzedirten Transportanstalten für die beim Bau und Betrieb herbeigeführten Tödtungen und Verlezungen aufgestellten Grundsätze in analoge Andwendung kommen (v. A. S. Neue Folge I, p. 787 ff.)

In seiner Eingabe an den Bundesrath vom 27. November 1875 bemerkt hierüber der Ausschuß des schweizerischen Handels- und Industrievereins: ,,Mit Befriedigung haben wir ersehen, daß das Verlangen der Delegirten-Versammlung nach Aufstellung besonderer gesetzlicher Bestimmungen über das Maß der Schadenersatzleistung bei nicht selbstverschuldeter Körperverletzung oder Tödtung eines Arbeiters insoweit berücksichtigt worden ist, als die Grundsätze des Bundesgesetzes über die Verbindlichkeit der Transportanstalten in solchen Fällen nur bis zur
Erfassung allgemein eidgenössischer Bestimmungen hierüber in Anwendung kommen sollen. In Betracht aber, daß es unter Umständen bis zu dem Erlaß solcher Bestimmungen sehr

794 lange gehen kann, während bei der Anwendung der Grundsätze des genannten Bundesgesetzes auf die Privatindustrie vorzüglich die kleinem Industriellen so zu sagen stündlich in der Gefahr schweben würden, durch die Folgen eines unberechenbaren Unglückfalles (wie z. B. das Springen eines Dampfkessels und dergleichen) halb oder ganz zu Grunde gerichtet zu werden, -- in Betracht dieser Verhältnisse müssen wir dringend ersuchen, auch nur die provisorische Anwendung jener für die öffentlichen Verkehrsanstalten aufgestellten Grundsätze auf die Privatindustrie preiszugeben und entweder unmittelbar dem Entwurfe selbst einen eigenen Gesetzesvorschlag über die Schadenersatzleistung beizugeben, oder aber provisorisch die in den kantonalen Gesetzen bei Körperverletzungen und unabsichtlichen Tödtungen überhaupt vorgesehenen Entschädigungen als maßgebend zu erklären."

Wir schlagen Ihnen vor, die Wünsche des Handels- und Industrievereins zu berücksichtigen und an die Stelle des zweiten Alinea des Entwurfes folgende Bestimmung zu setzen: ,,Ueber die Schadenersatzleistung entscheidet im Streitfalle das zuständige Gericht, letztinstanzlich das Bundesgericht nach Maßgabe eines zu erlassenden Bundesgesetzes.tt Dadurch, daß das Bundesgericht letztinstanzlich entscheidet, wird eine einheitliche Rechtsprechung erzielt.

Ein wesentliches Moment spricht gegen den Entwurf dos Bundesrathes, bei in Frage liegender Haftpflicht .alle.- Gewerbe, welche unter die Herrschaft des Fabrikgesetzes-''failen, den Eisenbahnen und andern vom Bunde konzedirten Transportgesellschaften gleichzustellen. Die Eisenbahnen z. B. nehmen das Privilegium der Expropriation von Privatrechten in Anspruch, Fabriken nicht; jene sind in den Händen von anonymen Aktiengesellschaften mit allen ihnen gesetzlich eingeräumten Vortheilen; diese sind, in der Regel wenigstens, in den Händen eines Einzelnen oder einer Compagnie, die solidarisch für alle Verbindlichkeiten haften, während der Aktionär nur für den Betrag seines Papiers einzustehen hat.

Es scheint uns, daß diese kurz angedeuteten Verschiedenheiten es rechtfertigen, wenn die Haftpflicht der Fabrikunternehmer nicht nach dem allegirten Gesetze beurtheilt, sondern durch ein eigenes Gesetz geregelt wird.

Mit Artikel 5 des Entwurfes, welcher das Verfahren bei vorgekommener Tödtung oder erheblicher
Körperverletzung vorschreibt, sind wir einverstanden. Ebenso mit Artikel 6, wonach die Fabrikbesitzer über die in ihren Anstalten beschäftigten Arbeiter ein Verzeichniß zu führen haben.

795 Es sind hierunter die Arbeiter, Arbeiterinnen und die in der Fabrik beschäftigten Kinder verstanden.

In Artikel 7 beantragen wir Streichung der Bestimmung: ,,Körperliche und Freiheitsstrafen, sowie alle das Ehrgefühl verletzende Ahndungen sind verboten."

Die Ratio dieser Bestimmung ist uns nicht verständlich, und die Botschaft des Bundesrathes gibt darüber keinen Aufschluß.

Die körperlichen Strafen sind schon durch die Bundesverfassung (Art. 65) untersagt. Würde ein Fabrikant Freiheitsstrafe:! verhängen, so wäre dies nach dem Strafgesetze des Staates eine strafbare Handlung. Es ist hienach die bezeichnete Bestimmung durchaus überflüssig. Was das Verbot ,,Ehrgefühl verletzender Ahndungena betrifft, so ist dasselbe ebenfalls Sache der Strafgesetzgebung.

Im Uebrigen haben wir noch eine Aenderung beschlossen, die mehr von formeller als materieller Bedeutung ist und einer Erörterung nicht bedarf.

In Artikel 8 beantragen wir, daß die Fabrikordnung, bevor derselben die Genehmigung ertheilt wird, nicht nur den Arbeitern, wie der Entwurf will, sondern auch den erwachsenen Arbeiterinnen vorgelegt werden soll, um sich darüber aussprechen zu können.

Letztere haben an derselben eia nicht geringeres Interesse als die männlichen Arbeiter.

Artikel 9 des Entwurfes enthält die Bestimmung, daß bei stattgefundener Kündigung seitens des Arbeitgebers oder des Arbeiters bei Stücklohn jedenfalls die angefangene Arbeit vollendet werden müsse.

Wir beantragen Streichung dieser Bestimmung. Der Bundesrath geht bei derselben von der irrigen Voraussetzung aus, daß es zu wesentlichen Inkonvenienzen führen würde, wenn ein Arbeiter auf Stück vor Vollendung desselben austreten würde.

Das Lohnbetreffniß bei theilweiser Arbeit läßt sich in den meisten Fällen ohne irgendwelche Schwierigkeit berechne a. Bei der Weberei, wo der Arbeiter zwei bis drei Stühle gleichzeitig bedient, und wobei in der Regel die Arbeiten nicht gleichzeitig, sondern nach einander vollendet werden, würde die Annahme des Entwurfes zu der Inkonvenienz führen, daß, wenn ein Stück vollendet wäre, der betreffende Stuhl unbenutzt bleiben müßte, bis auch die Stücke der beiden andern vollendet wären, worauf erst der Arbeiter entlassen werden und an dessen Stelle ein anderer eintreten kötfnte. Es gibt auch Fälle, wo es durchaus nicht mehr thunlich

796 wäre, daß der Arbeiter länger in der Fabrik bliebe, wie bei Drohungen, Thätlichkeiten, Vergehen gegen die Sittlichkeit etc.

Art. 10. Wir sind mit dem Vorschlage einverstanden, daß die Arbeiter spätestens alle zwei Wochen auszubezahlen sind, und daß am Zahltage nicht mehr als der letzte Wochenlohn ausstehen bleiben darf. Dagegen halten wir dafür, für Arbeiten auf Stück passe diese Bestimmung nicht, und schlagen deßhalb vor, daß bei diesen die ZahlungsVerhältnisse zwischen den Betheiligten bis zur Vollendung des Stückes ihrer gegenseitigen Vereinbarung überlassen werden. Es gibt Stückarbeiten, die länger als 14 Tage Zeit in Anspruch nehmen; andere erfordern kürzere Zeit. Da scheint es uns zweckmäßig, die Zahlungsverhältnisse den Betheiligten zu überlassen.

Der Entwurf des Bundesrathes sagt, daß kein Lohnbetreffniß zu Spezialzwecken zurückbehalten werden dürfe.

Man sollte meinen, daß hierin ein ganz kategorisches Verbot liege. Die Botschaft dagegen gibt hierüber eine Erläuterung, wonach diese Bestimmung den Sinn haben soll, daß nicht willkürlich, ohne Zustimmung des Arbeiters, solche Lohnbetreffnisse zurückbehalten werden dürfen. Wir sind damit einverstanden, glauben aber, um Mißverständnissen vorzubeugen, es sollte die Bestimmung lauten : ,,Ohne gegenseitiges Einverständniß dürfen keine Lohnbetreffnisse zu Spezialzwecken zurückbehalten werden" und beantragen, diesen Wortlaut an die Stelle des im Entwurfe enthaltenen zu setzen.

Wir beantragen sodann Aufnahme eines Art. 10 bis, lautend : ,,Die Zahl der Feiertage, außer den Sonntagen, an welchen das Arbeiten in den Fabriken verboten werden kann, darf sechs nicht übersteigen.

Wer aber an weiteren kirchlichen Feiertagen nicht arbeiten will, soll wegen Verweigerung der Arbeit nicht gebüßt werden dürfen."

Der vom Handelsdepartemente dem Bundesrathe unterbreitete und bei den Akterf liegende Entwurf enthielt die im ersten Alinea unseres Antrages enthaltene Bestimmung. Im Entwurfe des Bundesrathes befindet sich dieselbe nicht. Ueber die Motive der Streichung gibt die Botschaft, die sich überhaupt auf die Erläuterung der vom Bundesrathe festgestellten Bestimmungen des Entwurfes beschränkt, keinen Aufschluß.

Eine am 11. Juni 1874 stattgefundene Versammlung von 29 Inhabern und Vertretern industrieller Etablissemente der Centralschweiz petitionnirt dafür, daß in das vorliegende Gesetz eine Be-

797 Stimmung aufgenommen werde, nach welcher kein Kanton mehr als vier Feiertage außer den Sonntagen die Arbeit bei Strafe verbieten dürfe.

Eine solche Bestimmung sei, wird in dem Petitum bemerkt, für die Industriellen mehrerer Kantone der Mittelschweiz höchst nothwendig, weil in den betreifenden Kantonen die Arbeit an einer unverhältnißmäßig großen Anzahl von Feiertagen gesetzlich verboten sei (z. B. in den Kantonen Luzern und Zug an 12, im Kauton Schwyz gar an 18 Feiertagen) und die Behörden diese Verbote nicht etwa als antiquirt betrachten, sondern sich je länger desto eifriger bemühen, ihnen Nachachtung zu verschaffen und Zuwiderhandelnde zur gerichtlichen Bestrafung zu ziehen. Die Industriellen der Centralschweiz, wird im Weitern bemerkt, haben begründeten Anspruch, mit denjenigen anderer Gegenden gleiche Rechte zu haben, besonders da auch die Pflichten, welche das zu erlassende eidgenössische Fabrikgesetz in Betreff der Verwendung von Kindern, Dauer der Arbeitszeit etc. statuiren dürfte, allen Fabrikanten der Schweiz in gleicher Weise auferlegt werden, denen der Centralschweiz so gut wie den andern. -- Der Ausschuß des schweizerischen Handels- und Industrievereins bemerkt in seiner bereits erwähnten Eingabe vom 27. November 1875, er habe mit Befremden wahrgenommen, daß die im ExpertenEntwurfe enthaltene Bestimmung über die Beschränkung der Anzahl der Feiertage neben den Sonntagen auf jährlich sechs aus dem "Entwurfe des Bundesrathes gänzlich verschwunden sei. Es könne dieses Verschwinden wohl nur einem Versehen zugeschrieben werden; denn wenn e i n e Bestimmungdes Gesetzesdem Sinn und Geist der neuen Bundesverfassung entspreche, so sei es doch gewi der Schutz der bürgerlichen Arbeit gegen kirchliche Uebergriffe.

Der Ausschuß glaubt, diesen sehr mäßig gehaltenen Schutz entschieden von einem eidgenössischen Fabrikgesetze verlangen zu dürfen. -- Wir sind ebenfalls damit nicht einverstanden, daß der Bundesrath die in dem ihm vorgelegten Entwurfe enthaltene ähnliche Bestimmung gestrichen hat, während doch gerade über diesen Punkt vor Jahren schon internationale Konferenzen stattgefunden haben und einheitliche Bestimmungen dringend gewünscht worden sind.

Mit unserm Antrage glauben wir die Interessen der Gesammtheit in billiger Weise zu berücksichtigen. Es wird nach Alinea 2 demjenigen, welcher noch an andern als den 6 Feiertagen nicht arbeiten will, kein Zwang angethan.

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Der Art. 11 gehört unbestreitbar zu den wichtigsten des ganzen Gesetzesentwurfes.

Es handelt sich hier zunächst um die Frage, ob ein N o r m ala r b e i t s t a g gesetzlich festgestellt werden, sodann bejahenden Falls um die weitere Frage, welches das Maximum der täglichen Arbeitszeit sein soll.

In Staaten in und außerhalb Europa, in denen die Fabrikarbeit von Bedeutung ist, wurde seit Jahren diese Frage diskutirt. Sie bildete in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in England, Deutschland Gegenstand ernster Untersuchungen. Die Arbeiter rufen laut nach gesetzlicher Regelung dieser Frage.

Werfen wir vorab einen Blick auf die Verhältnisse der Arbeitszeit einiger der wichtigsten Staaten Europa's.

In E n g l a n d ist der Kampf um die Einschränkung der Arbeitszeit ältesten Datums und bildet seit 1802 Gegenstand der Gesetzgebung. In diesem Lande ward der gesetzliche Normalarbeitstag zur Thatsache 1833 und fußte damals wie auch noch heutigen Tags auf der Beschränkung der Kinderarbeit und der Arbeit der jungen Personen unter 18 Jahren. Der gesetzliche Fabrikarbeitstag von 1833 begann um 5 Uhr Morgens und endete um 9 Uhr Abends; innerhalb dieser 16 Stunden konnten Personen von 13--19 Jahren zu 10 stündiger wirklicher Arbeitszeit verwendet werden. Kinder unter 9 Jahren durften, mit einigen Ausnahmen, nicht in Fabriken arbeiten , während die Arbeitszeit von Kindern zwischen 9--13 · Jahren täglich 8 Stunden betrug. Nachtarbeit ward für alle Personen unter 18 Jahren Diese Akte von 1833, zu deren Ueberwachung Fabrikinspektoren ernannt wurden, bezog sich nur auf die Baumwoll-, Schafwoll-, Kammwoll-, Hanf-, Flachs-, Heede-, Leinen- oder Seiden-Mühlen oder -Fabriken, und zwar auf solche, worin Dampf, Wasser oder irgend eine andere mechanische Kraft Anwendung fand. Im Jahre 1844 wurde das Gesetz von 1833 ergänzt, indem man sämmtliche weibliche Arbeiter über 18 Jahren in jeder Beziehung gleichstellte, außerdem auch die Arbeitszeit der Kinder von 9--13 Jahren auf 6*/2 Stunden und in einigen Fällen auf 7 Stunden täglich herabsetzte. Im Jahre 1847 wurde das Zehnstundengesetz für die jungen Personen und Frauen erlassen, welches 1850 dahin geändert wurde, daß während der ersten 5 Wochentage 10 Stunden, mit Mahlzeiten 12 Stunden, am Sonnabend jedoch nur 71/2 Stunden, also in der ganzen Woche nur 60 Stunden,
ausschließlich der Mahlzeiten, zu arbeiten erlaubt war. Diese Arbeit mußte von Morgens 6 Uhr bis Abends 6 Uhr, an Sonnabenden bis 2 Uhr Nachmittags, erfolgen. Nachdem nun einmal in längeren

799 Zügen die Wohlthaten einer solchen Gesetzgebung gekostet worden waren, ging es auf der betretenen Bahn immer weiter. Der Fabrikakt von 1864 brachte neue und erweiterte Gesundheitsvorschriften, sowie die Ausdehnung des Normalarbeitstages auf die Thonwaaren-, Zündhölzchen-, Perkussionszündhütchen-, Patronen- und Tapetenfabriken, endlich auch die Barchentschneidereien. Eine neue Ausdehnung der Fabrikgesetze fand am 15. August 1867 statt und zwar auf alle Fabriken, welche 50 oder mehr Personen beschäftigten, auf alle Schmelzöfen, Kupferhämmer, Mühlen, Schmieden, Hüttenwerke, Maschinenfabriken, Gummi-, Guttapercha-, Papier-, Glasund Tabakfabriken, Buchdruckereien und Buchbindereien. Sodann wurden durch eine später erlassene Werkstätten - Regulirungsakte die Fabrikgesetze auf alle Werkstätten ausgedehnt, worin ein Kind, eine junge Person unter 18 Jahren oder eine Frau arbeitet. Das im Jahr 1874 erlassene Gesetz enthält ebenfalls keine Bestimmungen betreffend die Arbeitszeit der erwachsenen Arbeiter, sondern beschränkt sich auf die Normirung der Arbeitszeit der Kinder und jungen Personen. Wir werden auf dieses Gesetz später zurükkommen.

Wenn nun auch in England nirgends ein gesetzlicher Arbeitstag für Männer über 18 Jahre existirt, so hat sich thatsächlich doch deren Arbeitstag nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Arbeit der Frauen und jungen Personen geregelt. Die meisten Arbeitsprozesse stellen letztere mit den Männern in eine Abtheilung und bedingen, daß beide Kategorien von Arbitern gemeinschaftlich thätig sind ; andernfalls entstehende Lücken durch das .Ausscheiden eines Theils der Arbeiter (junge Personen und Frauen), welche dieWeiterarbeit derr Männer weniger lohnend machen. Mail hat sich darum auch theilweise durch Einführung derschichtweisen männlichen^ Tag- und Nachtarbeit gänzlich von der Arbeit derFrauen, jungen Personen' und Kinder losgesagt, um die Arbeitsmittel in steter Bewegung halten zu können.

F r a n k r e i c h . Das unterm 9. September 1848 erlassene Dekret betreffend die Arbeitstunden in den Fabriken setzt fest, daß die tägliche Arbeitszeit in den Fabriken nicht mehr als 12 Stunden betragen dürfe.

Ein Dekret vom 17. Mai 1851 macht verschiedene Ausnahmen von der im Dekret vom 9. September 1848 aufgestellten Vorschrift und zwar für : Beaufsichtigung und Leitung der Oefen,
der Trockenstuben, der Trockenhäuser, der Kessel zum Beuchen, Auslaugen und Aviviren ; Heizung der Dampfmaschinen, Heizung der Arbeitsäle vor Beginn der Arbeitszeit, Nachtwache;

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Decatir-Arbeiten ; Fabrikation und Austrocknung von Leim; Heizung in den Seifensiedereien; Getreide-Mühlen ; Typographien und Lithographien ; Schmelzen, Affiniren, Verzinnen, Galvanisiren von Metallen Fabrikation von Geschossen; Ferner sind ausgenommen: das Reinigen der Maschinen nach beendigter Arbeit; die Arbeiten, welche in Folge Beschädigung eines Motors, Kessels, von Werkgeräthschaften oder des Fabrikgebäudes, sowie in jedem Fall höherer Gewalt, unverzüglich vorgenommen werden müssen.

Die Dauer der Arbeit kann über die gewöhnliche bestehende Zeit verlängert werden: um a. eine Stunde am Ende des Arbeitstages für das Waschen und Strecken der Stoffe in den Färbereien, Bleichereien und in den Kattunfabriken; b. zwei Stunden in den Zuckerfabriken und Raffinerien und den Fabriken von chemischen Produkten; c. zwei Stunden, in 120 Arbeitstagen p e J a h r , nach Wahl deses Etablissementsvorstehersin den Färbereien,n, DruckereieundìAppreturen.

/ Mittelst Dekret vom 31. Jännner 1866" wurde eine weitere Ausnahme aufgestellt und zwar für die Seidenspinnereien. Es wurde gestattet, daß in diesen die Arbeitszeit während 60 Tagen jeweilen zwischen dem 1. Mai und 1. September um e i n e Stunde täglich verlängert werden dürfe.

I t a l i e n hat keine bezüglichen Bestimmungen.

D e u t s c h l a n d . Die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes, vom 21. Juni 1869, enthält über die ,,Verhältnisse der Fabrikarbeiter" einen eigenen Abschnitt (§ 127--139). In derselben sind über die Arbeitszeit der Erwachsenen keine Normen enthalten.

Untersuchungen, ob und welche einheitlichen Vorschriften auch in dieser wie noch in anderen Beziehungen über die Arbeit in den Fabriken aufzustellen seien, sind im Gange.

S c h w e i z . Wir verweisen hier auf die Botschaft des Bundesrathes, welche bezüglich der Arbeitszeit in der schweizerischen Industrie die nöthigen Mittheilungen enthält.

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Wir stimmen dem Entwurfe des Bundesrathes bei, daß ein Maximum der täglichen Arbeitszeit in's Gesetz aufzunehmen sei und daß dies in 11 Stunden bestehen soll.

Beim Besuche von Fabriken hat sich herausgestellt, daß es industrielle Etablissement gibt, in denen die Arbeitszeit 12 und selbst 13 Stunden beträgt, und daß überdieß häufig noch Ueberzeitarbeit dazu kommt.

Wir erachten es als eine Pflicht des Staates, hier gesetzliche Normen aufzustellen. Die physischen Kräfte des Volkes sind auch ein Nationalvermögen, an dem nicht nach Belieben und zum Schaden des Allgemeinen gezehrt werden darf.

Dem Arbeiter soll die Möglichkeit gegeben werden, auch seine Pflichten gegenüber Familie und Staat zu erfüllen. Dies ist bei allzu langer Arbeit nicht möglich. Selbst bei dem besten Willen werden die Pflege der häuslichen Verhältnisse, die Pflichten eines Familienvaters vernachläßigt. Davon, ob dem Arbeiter auch noch Zeit und Stimmung bleibt, den Kindern ein Erzieher, der Familie Haupt und Stütze zu sein, hängt großentheils auch der Segen ab, welchen die Fabriken dem Lande bringen.

Es muß dem humanen Fabrikherrn Herzensbedürfniß sein, sein Etablissement auf Grundlagen zu stellen, welche die Wohlfahrt der Bevölkerung befestigen helfen.

Man weise, um das gesetzliche Maximum zu bekämpfen, nicht etwa auf den Bauer und Handwerker hin, daß diese oft im Schweiße ihres Angesichts noch viel länger arbeiten müßten. Der große Unterschied ist eben der, daß der Landmann beständig in frischer Luft sich aufhält, Gottes freie Natur zu seiner Werkstätte hat, und der Handwerker dem Fabrikarbeiter gegenüber insofern freier ist, als er nach Bedürfniß Pausen machen kann.

Es wird auch da und dort zur Bekämpfung des Normalarbeitstages bemerkt, der Staat dürfe seine Bürger in der Leistungsfähigkeit, im Recht zur Arbeit nicht beschränken.

Von diesem Standpunkte aus könnte man auch die Verpflichtung zum Militärdienste u. s. w. mit dem gleichen Rechte bekämpfen.

Da wo die Rechte des Bürgers in Collision mit dem öffentlichen Rechte kommen, müssen jene nach allgemein geltenden Grundsätzen zurücktreten.

Uebrigens wird es Niemand einfallen, dem Arbeiter, nachdem er eine gewisse Zeit des Tages im Dienste der Fabrik zugebracht, zu verbieten, daß er zu Hause noch arbeite, Holz hacke, den Garten besorge, überhaupt für sich und in seinem Interesse noch arbeite.

802 Ein staatliches Einschreiten gegen übermäßige Dauer der Arbeit muß indessen jedenfalls mit Vorsicht geschehen, damit nicht deiIndustrie ein Schaden zugefügt werde, ohne daß die Arbeiter es nur wünschen oder ihnen wenigstens ein Vortheil dadurch zuginge.

Wir halten dafür, daß der Entwurf des Bundesrathes, wonach das gesetzliche Maximum in 11 Stunden bestünde, das richtige Maß treffe. Diese Arbeitsdauer ist bekanntlich im Kanton Glarus das gesetzlich zuläßige Maximum, und wird auch in manchen Etablissementen anderer Kantone ohne gesetzliche Vorschrift eingehalten.

Die Annahme, daß mehr als eine Arbeit von 11 Stunden in Fabriken ohne allmäligen Schaden der Gesundheit nicht geleistet werden könne, und daß selbst eine Beschränkung auf diese Dauer nur wenig Zeit und Stimmung zur Beschäftigung mit der Familie oder zu einer körperlich abwechselnden oder zu einer den Geist bildenden Arbeit übrig lasse, wird im Ernste wohl kaum bestritten werden können. Da aber in manchen Etablissementen, wie bereits bemerkt, mehr, selbst bis auf 13 Stunden Arbeit verlangt werden, so ist nicht einzusehen, warum nicht durch ein allgemein verbindliches Gesetz eine solche Zeitbestimmung aufgestellt werden kann und soll. Es liegt auch im Interesse der Fabrikanten, billigen Forderungen ,der Arbeiter gerecht zu werden.

Im Uebrigen soll immerhin im Gesetze die Möglichkeit gegeben werden, in Ausnahmsfällen von der Regel abzuweichen, einen Spielraum für die nicht zum Voraus zu bemessenden Vorfälle einzuräumen. Der Entwurf enthält in dieser Beziehung die nöthigen Bestimmungen. Ist es doch nicht darum zu thun, die Fabrikthätigkeit zu schädigen, oder den Arbeitern gegen ihren eigenen Willen eine Erleichterung zu verschaffen, sondern nur darum, Schutzbedürftigen und Schutzverlangenden in billiger Weise und im Interesse derselben, der Fabrikanten und überhaupt des allgemeinen Wohls, entgegenzukommen.

Die Abänderungen, welche wir bei Artikel 11 beantragen, sind nicht wesentlich. Zunächst schlagen wir vor, daß die Arbeitszeit zwischen 6 statt 5 Uhr Morgens und 8 Uhr Abends verlegt werden soll. Es geschieht dies namentlich mit Rücksicht auf solche Arbeiter, die entfernt vom Arbeitslokale wohnen.

Mit der Aenderung im zweiten Alinea beabsichtigen wir, es nicht ins Ermessen des Bundesrathes zu legen, sondern es ihm zur Pflicht zu machen,
die Arbeit nach Bedürfniß zu reduziren, wenn durch eine tägliche llstündige Arbeit, durch bestehende Einrichtungen oder vorkommendes Verfahren Gesundheit und. Leben gefährdet sind.

803

Nach der im 3. Alinea beantragten Modifikation können die Bezirksbehörden eine ausnahmsweise Verlängerung der Arbeitszeit in dem Falle bewilligen, wenn die Verlängerung nicht über eine Woche gehen soll; für längere Dauer ist die Bewilligung bei der Kantonsregierung nachzusuchen.

Die im 4. Alinea vorgeschlagene Aenderung hat nur eine redaktionelle Bedeutung.

Artikel 12. Die Bestimmung der Zeit betreffend die Nachtarbeit wird hier in Uebereinstirnmung mit Alinea l des Artikel 11 gesetzt, und im dritten Alinea Streichung des Wortes ,,fortgesetzte"1 beantragt.

Artikel 13 enthält eine Ausnahme von den in den zwei vorhergehenden Artikeln aufgestellten Bestimmungen. Diese sollen auf Hülfsarbeiten, die von männlichen Arbeitern über 18 Jahre verrichtet werden, keine Anwendung finden.

Bei Annahme des vorgeschlagenen Normalarbeitstages halten wir diese Ausnahme für durchaus nothwendig. Wenn sie aber nur auf erwachsene männliche Arbeiter erstreckt würde, so wäre sie für eine Anzahl von Industriezweigen, bei denen die Hülfsarbeiten, welche der eigentlichen Fabrikation vor- und nachgehen müssen, durch Arbeiterinnen verrichtet werden, vollständig bedeutungslos.

Bei der Seidenbandweberei z. B. beschäftigen die Hülfsarbeiten : Winden, Zetteln, Einziehen, Appretiren und Aufziehen, die gleiche Anzahl von Händen, wie die eigentliche Weberei, und eignen sich sämmtlich besonders für Arbeiterinnen.

Mit Rüksicht auf diese Verhältnisse beantragen wir, die erwähnte Ausnahme auch auf Arbeiterinnen über 18 Jahren auszudehnen.

II. Beschäftigung von Frauen in Fabriken.

Artikel 14. Zu den wichtigen Fragen, welche auf die Arbeit in den Fabriken Bezug haben, gehört die Frage betreffend die Arbeit der Frauen. Sie bezieht sich nicht allein auf das persönliche Interesse der Arbeiter, sondern auch auf das Interesse der allgemeinen Wohlfahrt des Volkes. Von ihr hängt die Erhaltung, die Verbesserung oder Degeneration eines Volkes ab, oder mit andern Worten sein moralischer, ökonomischer und physischer Zustand.

Die Schwierigkeit der Lösung dieser Frage ist so groß als ihre Wichtigkeit. Wohl wäre es am besten, wenn Hausmütter überhaupt nicht mit Arbeit in Fabriken beschäftigt würden. Allein den bestehenden Uebelständen wäre keineswegs geholfen, wenn

804

man die Mütter von der Fabiikarbeit gänzlich fern hielte und ihren Kindern damit auch den Lohn der Arbeit derselben entzöge.

Der Bundesrath schlägt vor, daß Frauenspersonen unter keinen Umständen weder zu Sonntags- noch zu Nachtarbeit verwendet werden dürfen.

Wir betrachten diese Bestimmung als eine durchaus zweckmäßige und stimmen derselben vollständig zu.

Die Bestimmung im zweiten Alinea betreffend Schonung der Wöchnerinnen dürfte dagegen in dem Sinne modifizirt werden, daß 8 statt 10 Wochen als Frist, während welcher Wöchnerinnen in der Fabrik überhaupt nicht beschäftigt werden dürfen, festgestellt und daß noch ein Zusatz aufgenommen wird, wonach die Frist von 6 Wochen nach der Niederkunft abgekürzt werden kann, wenn durch ärztliches Zeugniß bescheinigt wird, daß damit keine Gefahr für Mutter oder Kind verbunden ist.

Wir verkennen keineswegs, daß dies das Minimum ist, was der Staat in dieser Beziehung thun kann und soll. Es ist eine statistisch nachgewiesene Thatsache, daß seit Jahrzehnten schon eine fortschreitend immer geringer werdende Zahl von Kindern in England, Frankreich, Deutschland, der Schweiz u. s. w. Aussicht hat, das erste, zweite, dritte Lebensjahr etc. zu überschreiten. Unter den Ursachen dieser Erscheinung wird als die erheblichste bezeichnet, daß im Laufe der neuern Zeit die Frau immer mehr ein nothwendiger Faktor zum Unterhalt der Arbeiterfamilie geworden ist, und dadurch der Mutter mehr als früher die erforderliche Zeit zur Pflege ihrer selbst und zur Ernährung und Pflege ihres Kindes gekürzt wird.

Als das Geschäft von Jean üollfuß in Mühlhausen, welches in den sechsziger Jahren 11--1200 weibliche Arbeiter beschäftigte, Anordnung traf, daß die Schwangern und Wöchnerinnen unter denselben im Ganzen 6 Wochen vor und nach ihrer Niederkunft ihren Lohn ausbezahlt erhielten, ohne in dieser Zeit zu arbeiten, sank die Kindersterblichkeit der Art, daß von je 100 Kindern jener Arbeiterinnen etwa 75. statt wie bisher nur etwa 62--64, das erste.

Lebensjahr überschritten.

Aehnliche Erfahrungen sind an andern Orten gemacht worden.

Die Bestimmung des Entwurfes ,,Der Bundesrath wird diejenigen Fabrikationszweige bezeichnen, in welchen schwangere Frauen überhaupt nicht arbeiten dürfen" -- halten wir für durchaus geboten.

Es ist nun einmal eine ärztlich konstatirte Thatsache, daß gewisse Gewerbbetriebe, daß die Beschäftigung mit gewissen Giften (Quecksilber, Blei, Phosphor) die Schwangerschaft zu unterbrechen, das

805 Kind im Mutterleibe zu zerstören geeignet ist. Nach Hirt ,,Die gewerbliche Thätigkeit der Frauentt pflegen von 100 Kindern von Fabrikarbeiterinnen, die sich mit giftigen Stoffen beschäftigen, im ersten Lebensjahre 40 °/o, bis zum dritten sogar 70 ° ',, zu sterben.

Schwangeren Frauen soll daher der Besuch von Fabriken, in welchen sie mit solchen Stoffen in Berührung kommen, unbedingt untersagt werden.

Die ratio des letzten Alinea, betreffend das Reinigen im Gange befindlicher Motoren u. s. w., ist so einleuchtend, daß die Botschaft des Bundesrathes mit Stillschweigen darüber hinweg geht, und daß wir uns ebenfalls zu keinen Bemerkungen veranlaßt sehen.

III. Beschäftigung von minderjährigen Arbeitern in Fabriken.

Art. 15. Wir stehen hier vor dem wichtigsten Abschnitte des ganzen Gesetzes. Wenn irgend etwas noththut, so ist es die Verhinderung der Ausbeutung der Kinder durch die Fabrikarbeit, die ihnen wenigstens bis zu einem gewissen Alter physisch und geistig in so hohem Grade nachtheilig ist. In manchen Staaten mit namhafter Industrie sind denn auch zum Schutz der Kinder längst gesetzliche Normen aufgestellt worden.

England ist in dieser Beziehung vorangegangen. Eine Reihe von Gesetzen sind bezüglich der Arbeit der Kinder in Fabriken erlassen worden ; das älteste ist vom Jahre 1802, das neueste vom Jahre 1874 ; man zählt im Ganzen nicht weniger als 15. Die hauptsächlichsten und heute noch in Kraft bestehenden altern Erlasse sind der ,,Factory Acta von Wilhelm IV., vom 29. August 1833, und der ,,Factory Régulation Acttt der Königin Victoria , vom 6. Juni 1844. Durch eine Reihe anderer Erlasse wurden jene theilweise modifizirt.

Aus dem neuesten Gesetze vom Jahr 1874 , welches sich auf Kinder, junge Personen (vom zurückgelegten 13, Jahre an) und Frauen bezieht, mögen hier folgende Bestimmungen hervorgehoben werden : Die Zeit, während welcher ein Kind, junge Person oder Frau in einer Fabrik beschäftigt werden darf, soll entweder die Zeit zwischen den Stunden von 6 Uhr Morgens und 6 Uhr Nachmittags^ oder die Zeit zwischen den Stunden von 7 Uhr Morgens und 7 Uhr Abends sein.

Im erstem Falle (6--6 Uhr) soll ein Kind, junge Person oder Frau nicht außer dieser Zeit beschäftigt und nicht unausgesetzt Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. II.

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mehr als 4'/2 Stunden, ohne eine Zwischenzeit von wenigstens 1/3 Stunde für eine Mahlzeit, beschäftigt werden.

Es sollen zwischen den Stunden 6 Uhr Morgens und 6 Uhr Nachmittags an jedem Tag, ausgenommen Samstags, zwei Stunden für Mahlzeiten und von dieser Zeit wenigstens eine Stunde vor 3 Uhr Nachmittags gestattet sein.

Ein Kind, eine junge Person oder Frau soll am Samstag: a. wenn nicht weniger als eine Stunde für Mahlzeiten an jenem Tage gestattet ist, zu keiner Fabrikarbeit nach l Uhr Nachmittags, oder zu irgend einer andern Arbeit nach halb 2 Uhr Nachmittags verwendet werden, und b. wenn weniger als eine Stunde für Mahlzeiten an jenem Tage gestattet ist, zu keiner Fabrikarbeit nach halb i Uhr nach Mittag, oder zu irgend welcher Beschäftigung nach l Uhr Nachmittags verwendet werden.

In jeder Fabrik, in welcher die Arbeitszeit zwischen den Stunden 7 Uhr Morgens und 7 Uhr Nachmittags ist, sollen folgende Vorschriften beobachtet werden : Ein Kind, junge Person oder Frau soll nicht außer dieser Zeit und nicht ununterbrochen während mehr als 4y2 Stunden, ohne eine Pause von wenigstens 1/2 Stunde für eine Mahlzeit, beschäftigt werden.

Es sollen zwischen den Stunden 7 Uhr Morgens und 7 Uhr Nachmittags an jedem Tage, ausgenommen Samstags, zwei Stunden für Mahlzeiten und von dieser Zeit wenigstens eine Stunde vor 3 Uhr Nachmittags gestattet sein.

Am Samstag sollen sie zu keiner Fabrikarbeit nach halb 2 Uhr Nachmittags, oder zu irgend einer Beschäftigung nach 2 Uhr Nachmittags verwendet werden.

In einer Fabrik können die Kinder entweder in Vormittagsoder Nachmittagsabtheilungen oder an abwechselnden Tagen den ganzen Tag beschäftigt werden, und es sollen folgende Vorschriften beobachtet werden: 1) Wo die Kinder in Vormittags- und Nachmittagsabtheilungen beschäftigt sind: a. Ein Kind, das an irgend einem Tag, ausgenommen Samstag, am Vormittag beschäftigt ist, soll nicht an demselben Tag nach l Uhr Nachmittags, oder wenn die Mittagessensstunde vor l Uhr ist, nicht nach dieser Mittagessensstunde beschäftigt werden ;

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b. ein Kind soll am Samstag nicht in zwei auf einander folgenden Wochen beschäftigt werden, noch an einem Samstag in einer Woche, wenn es an einem andern Tage in derselben Woche mehr als 5 Stunden beschäftigt gewesen ist, und c. ein in der Fabrik beschäftigtes Kind soll in gesetzlich vorgeschriebener Weise die Schule besuchen.

2) Wo die Kinder an abwechselnden Tagen beschäftigt werden : a. Bin Kind kann während denselben Stunden wie junge Leute und Frauen beschäftigt werden und hat die nämliche Zeit, wie diese, für die Mahlzeiten; b. ein Kind soll in keinerlei Weise an zwei auf einander folgenden Tagen beschäftigt werden, und c. ein in einer Fabrik beschäftigtes Kind soll in gesetzlich vorgeschriebener Weise die Schule besuchen.

In einer Fabrik sollen alle Kinder, jungen Leute und Frauen in der Fabrik die ihnen zu Mahlzeiten gestattete Frist zur selben Tageszeit haben, wenn nicht eine Aenderung aus besonderm Grund schriftlich durch einen Inspektor gestattet ist.

Kein Kind, junge Person oder Frau soll während irgend einem Theil der Zeit, die für Mahlzeiten gestattet ist, in der Fabrik beschäftigt werden, oder ihnen gestattet werden, in einem Raum zu verbleiben, wo irgend eine Fabrikarbeit betrieben wird, und jedes Kind, junge Person oder Frau , die so beschäftigt wird, oder der zu bleiben erlaubt wird, soll als entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes beschäftigt angesehen werden.

Betreffend das A l t e r schreibt sodann dieses Gesetz vor : In einer Fabrik, auf welche dieses Gesetz Anwendung findet, soll ein Kind nicht beschäftigt werden : a, während des Jahres 1875, wenn es unter 9 Jahren ist, oder b. nach Verlauf jenes Jahres, wenn es unter 10 Jahren ist.

Wenn ein Kind vor dem Beginn des Jahres 1875 gesetzlich in einer solchen Fabrik als ein Kind unter 9 Jahren, sowie wenn ein Kind vor dem Beginn des Jahres 1876 gesetzlich in einer solchen Fabrik als ein Kind unter 10 Jahren beschäftigt worden ist, so kann dasselbe auch fernerhin in einer Fabrik in gleicher Weise beschäftigt werden, als ob dieser Abschnitt nicht beschlossen worden wäre.

F r a n k r e i c h . Laut dem bereits erwähnten am 3. Juni 1874 promulgirten Gesetze dürfen Kinder vor zurückgelegtem 12. Altersjahr in Fabriken, Werkstätten u. dgl. nicht aufgenommen werden.

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Bis zum zurückgelegten 16. Altersjahr dürfen sie zur Nachtarbeit nicht verwendet werden. Diese Bestimmung gilt auch für Mädchen von 16 bis 21 Jahren. Bis zum zurückgelegten 15. Jahre darf dio Arbeit nicht über 6 Stunden per Tag betragen, wenn nicht der Ausweis geleistet wird, daß das Kind den Primarschulunterricht erhalten hat.

In Vollziehung dieses Gesetzes sind folgende Réglemente erlassen worden : 1) Reglement vom 27. März 1875, welches Ausnahmen von der im Gesetze aufgestellten Regel, daß bis zum zurückgelegten 12. Altersjahr in Fabriken, Werkstätten etc. Kinder nicht beschäftigt werden dürfen, gestattet.

Nach diesem Réglemente können schon vom 10. Jahre an Kinder verwendet werden: zum Abhaspeln der Cocons, in Gallettseidenspinnereien, Baumwollspinnereien, Wollenspinnereien, Leiuenspinnereien, Seid enspinnereien, zum Handdruck auf Gewebe, zum Zwirnen der Seide, in Papiermühlen (die Kinder von 10--12 Jahren dürfen nicht zum Sortiren der Hadern verwendet werden), zum Zwirnen der Baumwolle, in mechanischen Tüll- und Spitzenfabriken, in Glashütten.

2) Reglement vom 22. Mai 1875, welches ebenfalls von der im Gesetze enthaltenen Regel Ausnahmen betreffend Nachtarbeit vom 12. bis 16. Jahre enthält, und zwar für Papier-, Zucker-, Glas- und metallurgische Fabriken mit fortwährender Feuerung.

3) Reglement vom 12. Mai 1875 betreffend die Arbeit der Kinder in Minen.

4) Reglement vom 13. Mai 1875 , welches die ermüdenden und gefährlichen Arbeiten feststellt, welche durch Kinder überhaupt nicht verrichtet werden dürfen.

5. Reglement vom 14. Mai. Dasselbe zählt die Industrien auf, bei welchen Kinder aus sanitarischen Rücksichten nicht beschäftigt werden dürfen.

D e u t s c h l a n d . Die Gewerbeordnung des deutschen Reichs vom 21. Juni 1869 enthält bezüglich der Kinderarbeit folgende Bestimmungen :

809 Kinder unter zwölf Jahren dürfen in Fabriken zu einer regelmäßigen Beschäftigung nicht angenommen werden. Vor vollendetem vierzehnten Lebensjahre dürfen sie in Fabriken nur dann beschäftigt werden, wenn sie täglich einen mindestens dreistündigen Schulunterricht in einer von der höhern Verwaltungsbehörde genehmigten Schule erhalten. Ihre Beschäftigung darf sechs Stunden täglich nicht übersteigen.

Junge Leute, welche das vierzehnte Lebensjahr zurückgelegt haben, dürfen vor vollendetem sechszehnten Lebensjahre in Fabriken nicht über zehn Stunden täglich beschäftigt werden. Auch für diese jugendlichen Arbeiter kann durch die Centralbehörde die zuläßige Arbeitsdauer bis auf sechs Stunden täglich für den Fall eingeschränkt werden, daß dieselben nach den besonderen in einzelnen Theilen des Bundesgebietes bestehenden Schuleinrichtungen noch im schulpflichtigen Alter sich befinden.

Zwischen den Arbeitstunden muß den jugendlichen Arbeitern Vor- und Nachmittags eine Pause von einer halben Stunde und Mittags eine ganze Freistunde, und zwar jedesmal auch Bewegung in der freien Luft, gewährt werden.

Die Arbeitstunden dürfen nicht vor 5 a /2 Uhr Morgens beginnen und nicht über 81/2 Uhr Abends dauern.

Ah Sonn- und Feiertagen, sowie während der für den Katechumenen- und Konfirmanden-Unterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden.

Wer jugendliehe Arbeiter in einer Fabrik zu einer regelmäßigen Beschäftigung annehmen will, hat davon der Ortspolizei-Behörde zuvor Anzeige zu machen.

Die Annahme jugendlicher Arbeiter zu einer regelmäßigen Beschäftigung darf nicht erfolgen, bevor der Vater oder Vormund derselben dem Arbeitgeber ein Arbeitsbuch eingehändigt hat.

O e s t e r r e i c h hat über die Kinderarbeit im Jahre 1839 Vorschriften aufgestellt; sodann wieder im Jahr 1859 (20. Dezember).

Kinder unter 10 Jahren dürfen in Fabriken nicht beschäftigt werden.

I t a l i e n kennt bis jetzt noch keine einheitliche Vorschriften über die Kinderarbeit. Die schonungslose Ausbeutung der Kinder schon in ihrem zarten Alter ist notorisch.

S c h w e d e n . Das Kind muß das zwölfte Altersjahr zurückgelegt haben, bevor es in eine Fabrik oder in eine Werkstatt aufgenommen werden darf. Eine Verordnung vom 22. Mai 1852 setzt fest, daß junge Leute unter 18 Jahren zu Nachtarbeiten nicht verwendet werden dürfen.

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D ä n e m a r k hat im Jahr 1873 gesetzliche Vorschriften aufgestellt, und dabei im Wesentlichen die Bestimmungen des französischen Entwurfes zu dem erwähnten im Jahre 1874 von Frankreich erlassenen Gesetze acceptirt.

In Belgien bestehen keine bezüglichen gesetzlichen Normen.

Dagegen hat sich eine Privatgesellschaft gebildet, um der Ausbeutung der Kinder-Arbeit entgegenzuwirken. Laut ihren Statuten vom 16. October 1869 soll ein Kind vor zurückgelegtem zwölften Altersjahr bei der Industrie nicht beschäftigt werden. Den Kindern vom zwölften Altersjahr an soll gestattet werden, die Hälfte des Tages bei der Industrie sich zu beschäftigen, in der Voraussetzung jedoch, daß die andereHälfte für den Schulunterricht benutzt wird.

R u ß l a n d . Im Jahr 1874 wurde ein Ukas erlassen, welcher zum Schütze der Kinder eine Reihe von Maßregeln aufstellt; dieselben stimmen im Wesentlichen mit dem französischen Gesetze überein.

Bezüglich der in den Kantonen der S c h w e i z betreffend die Kinderarbeit erlassenen Vorschriften verweisen wir auf B o h m e r t: Die Arbeiterhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz, I pag. 72 ff., und auf die Botschaft des Bundesrathes zum vorliegenden Gesetzesentwurfe.

Der Bundesrath geht in der Beschränkung der Kinderarbeit viel weiter als alle allegirten Gesetzgebungen. Wir fügen sofort bei, daß wir mit seinem Vorschlage, wonach Kinder, welche das vierzehnte Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, zur Arbeit in den Fabriken nicht verwendet werden dürfen, ganz und voll einverstanden sind.

Die Jugend soll so lange als möglich von der Fabrik ferne gehalten werden. Die Republik darf nicht dulden, daß Kinder in zartem Alter in die Fabriken eingesperrt und in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung beeinträchtigt werden. Bei unsern Fabrikbesuchen haben wir Kinder von 10 Jahren an in einer Temperatur von 28° R arbeiten gesehen. Es kommt vor, wie uns mitgetheilt worden ist, daß sie selbst in einer Temperatur bis auf 35 ° R arbeiten müssen. Da ist es Pflicht des Staates, einzuschreiten und solcher gewissenlosen Ausbeutung einen gesetzlichen Damm entgegen zu setzen. Der Staat darf nicht müßig zusehen, wenn er nicht der Mitschuldige bei solchem Mißbrauche sein will. Es wäre ein Hohn auf unsere Verfassung, wenn nicht solche Hindernisse beseitigt würden, welche der Heranbildung
von Bürgern entgegenstehen, die mit Verständniß die Aufgaben des Staates erfassen und zu deren Durchführung mit jener Energie, welche die Ueberzeugung giebt, stehen.

Der Staat hat die Zukunft ins Auge zu fassen und darf nicht,

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zusehen, wie den augenblicklichen und dazu bloß scheinbaren Vortheilen Einzelner die Zukunft und die wahre Wohlfahrt ganzer Volksklassen geopfert werden.

In dem Vorschlage des Bundesrathes sieht auch der schweizerische Handels- und Industrieverein keine so störende und von anderer Seite urgirte Dissonanz mit den Interessen der Industrie; er bemerkt in seiner Eingabe vom 27. November, daß er bezüglich der Interessen der Industrie dem um ein Jahr frühern oder spätem Eintritt der Kinder in die Fabrik ein übermäßiges Gewicht nicht beilege. Das Hauptgewicht legt derselbe in die Bestimmung des Entwurfes, wonach Kinder zwischen dem 14. und dem vollendeten 16. Jahre höchstens 8 Stunden in der Fabrik arbeiten dürfen. -- Es ist richtig, daß in den meisten Industrien theilweise, in einigen der bedeutendsten aber durchgehends, die Arbeit der Kiuder mit derjenigen der erwachsenen Arbeiter unzertrennlich verbunden, während der Arbeitszeit Eines auf das Andere angewiesen ist.

Wir beantragen, das Verlangen jenes Vereins zu berücksichtigen und die bezeichnete Bestimmung zu streichen; es geschieht dies aber in der bestimmten Voraussetzung, daß das Altersjahr, vor welchem Kinder in der Fabrik überhaupt nicht beschäftigt werden dürfen, nicht herabgesetzt wird. Es ist alsdann um so mehr Pflicht, einerseits mit dem Normalarbeitstag nicht über 11 Stunden hinaufzugehen, andererseits die Jugend möglichst lange, wenigstens bis zum 14. Altersjahr, von der Fabrik ferne zu halten.

Die Verhältnisse einzelner Industriebranchen veranlaßen uns, von dem vom Bundesrathe beantragten Verbote der Sonntags- und Nachtarbeit von jungen Leuten unter 18 Jahren eine Ausnahme vorzuschlagen und zwar für Fabriken mit ununterbrochener Feuerung.

Es würde überflüssig sein, hier die Notwendigkeit der fortwährenden Feuerung, wie z. B. bei der Glasfabrikation, näher auseinanderzusetzen. Sie liegen in der großen Temperatur des Schmelzofens.

Damit hängt dann die ununterbrochene Arbeit zusammen. Detaillirte Vorschriften hierüber aufzustellen, wird Sache einer Vollziehungsverordnung sein müssen.

Wir acceptiren die Bestimmung des Entwurfes, mit welcher dem Bundesrathe die Ermächtigung ertheilt wird, diejenigen Fabrikzweige zu bezeichnen, in welchen Kinder (vom 14.--16. Jahre) überhaupt nicht beschäftigt werden dürfen. Man hat hier in erster Linie
die Zündhölzchenfabrik im Auge. Bei den Akten liegt eine Zuschrift der medizinisch-chirurgischen Gesellschaft des Kantons Bern vom 5. März 1876, welcher wir bezüglich der Gefährlichkeit dieser Industrie folgende Stelle entnehmen:

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,,Im Amtsbezirk Frutigen, sowie in einzelnen Gemeinden der Amtsbezirke Niedersimmenthal und Schwarzenburg, besteht die Hauptbeschäftigung eines Theiles der Bevölkerung in der Fabrikation von Phosphorzündhölzchen. Ein kleiner Theil der dazu nöthigen Arbeiten, nämlich die Anfertigung des Holzdrahtes, der Schachteln^ das Einlegen der Hölzchen in die Tunkrahmen wird theilweise als Hausindustrie betrieben, zum größern Theile aber in eigenen Fabriken, wie alle übrigen Fabrikationszweige (Bereitung der Zündmasse, Schaufeln , Tunken, Trocknen, Einfüllen der Hölzchen in Schachteln und Verpacken der letztern). In den Fabriken arbeiten wenige Männer, viel Frauen und Mädchen, und das Einlegen wird hauptsächlich von Kindern betrieben.

Die mit dieser Industrie verbundene Schädigung dör Gesundheit macht sich vorzüglich nach zwei Richtungen hin geltend : 1) Zunächst wirkt der aus der Zündmasse und den fertigen Hölzchen sich fortwährend entwickelnde Phosphordampf giftig auf den Organismus. Er vermischt sich mit der Atmosphäre des Fabriklokals und gelangt durch die Athmung direkt in die Lungen; zugleich kann auch durch Beschmutzung mit Zündmasse Phosphor durch die Poren der Haut dringen, und so vom Blute aufgenommen werden. Die schlimmste Wirkung der Phosphordämpfe besteht in einer chronischen Entzündung der Kieferknochen, welche zum gänzlichen oder theilweisen Verluste nicht nur der Zähne, sondern auch der Kieferknochen selbst und schließlich nach traurigem Siechthum oft zum Tode führt. Fast alljährlich finden einige dieser Unglücklichen Aufnahme in dem Kantonsspital oder in Bezirkskrankenanstalten, und die meisten unter denen, welche bis zu einem gewissen Grade gebessert wieder entlassen werden, fallen, weil sie arbeitsunfähig geworden, schon in ihren jungen Jahren ihren Wohnsitzgemeinden zur Last.

2) Nebst dieser direkten Einwirkung des Phosphors auf den menschlichen Organismus ist es vorzüglich noch die Arbeit im zarten Alter in überfüllten, schlecht gelüfteten Räumen, sei es in den Fabriken, sei es in den Privathäusern, welche mit einer bedeutenden Schädigung der Gesundheit der damit Beschäftigten verbunden ist. Nach dem übereinstimmenden Zeugnisse mehrerer in jenen Gegenden praktizirenden Aerzte müssen nicht nur die Frauen, sondern auch die Kinder oft bis tief in die Nacht arbeiten, so daß sie niemals zu der für ihr zartes Alter so notwendigen Nachtruhe kommen.u

813 Das bereits erwähnte französische Reglement vom 14. Mai 1875 zählt nicht weniger als 98 verschiedene Industriezweige auf, bei denen Kinder überhaupt nicht beschäftigt werden dürfen. Die Gründe sind bei jedem Fabrikzweige angegeben.

IV. Vollziehungs- und Strafbestimmnngen.

Wir sind mit den bezüglichen Bestimmungen des Entwurfes (Art. 16--20) einverstanden, mit Ausnahme bei Art. 18. Die hier angedrohten Strafen sind unseres Erachtens zu streng ; wir beantragen daher Ermäßigung der Geldbußen bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Gesetzes oder gegen die Anweisungen der zuständigen Aufsichtsbehörden auf 5--500 Franken, und der für den Wiederholungsfall angedrohten Gefängnißstrafe auf 3 Monate.

Das 3. Alinea des Entwurfs dürfte doch wohl einem Bundesgesetz kaum wohl anstehen, abgesehen davon, ob die Bestimmung, wonach eventuell das kantonale Gesetz zur Anwendung kommen sollte, überhaupt rechtlich zuläßig ist. Wir beantragen Streichung dieses, sowie des letzten Alinea, welches wir für vollständig überflüssig erachten.

Indem wir hiemit unsern Bericht schließen, fügen wir noch bei, daß bei einem Theile der Industriellen der Schweiz die meisten im vorliegenden Entwurfe enthaltenen Bestimmungen bereits praktisch beobachtet werden. So wird also ein eidgenössisches Fabrikgesetz wesentlich die Wirkung haben, das vereinzelte Gute und Zweckmäßige zu verallgemeinern. Diejenigen Fabrikanten, welche aus freiem Antriebe solche Einrichtungen schon getroffen, kann es nur freuen, wenn diese normgebend werden für die ganze Schweiz.

B e r n , den 24. Mai 1876.

Namens der Kommission, Der Präsident: A. Ki'mzli, Nationalrath.

Der Sekretär: Dr. Willi, eidg. Handelssekretär.

814 Entwurf des Bundesrathes.

(Vom 2. November 1875.)

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenoßensohaft, mit Hinsicht auf Art. 34 der BundesverFaßung, beschließt:

I. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1.

Als Fabrik, auf welche gegenwärtiges Gesez Anwendung findet, ist jede gewerbliche Anstalt zu betrachten, in welcher gleichzeitig und regelmäßig eine Mehrzahl von Arbeitern außerhalb ihrer Wohnungen in gesohloßenen Räumen beschäftigt wird.

Wenn Zweifel waltet, ob eine gewerbliche Anstalt als Fabrik zu betrachten sei, so steht darüber der endgiltige Entscheid dem Bundesrathe zu.

Art. 2.

In jeder Fabrik sind die Arbeitsräume, Maschinen und Werkgeräthschaften so herzustellen und zu unterhalten, daß dadurch Gesundheit und Leben der Arbeiter in keiner Weise gefährdet werden.

Es ist namentlich dafür zu sorgen, daß die Arbeitsräume während der ganzen Arbeitszeit gut beleuchtet, die Luft von Staub möglichst befreit und die Luftveränderung immer eine der Zahl der Arbeiter und der Beleuchtungsapparate sowie der Entwiklung schädlicher Stoffe entsprechende sei.

815 Anträge der Kommission des Nationalrathes.

(Vom 4. Mai 1876.)

NB. Wo nichts bemerkt ist, sind die bundesräthlichen Vorschläge angenommen.

Art. 1.

Erstes Alinea, Schluß: Streichung der Worte ,,in geschlossenen Räumen".

Art. 2.

Erstes Alinea: . . . . daß dadurch Gesundheit und Leben der Arbeiter bestmöglichst gesichert werden.

816

Entwurf des Bundesrathes.

Diejenigen Maschinentheile und Triebriemen, welche eine beständige Gefahrdung der Arbeiter bilden, sind sorgfaltig einzufriedigen; überhaupt sollen alle erfahrungsgemäß nnd nach dem jeweiligen Stand der Technik ermöglichten Sehuzmittel gegen Verlezungen angewendet werden.

Art. 3.

Wer eine Fabrik zu erstellen und zu betreiben beabsichtigt, oder eine schon bestehende Fabrik umgestalten will, hat hievon der Regierung des Kantons Kenntnis zu geben und sich durch Vorlage des Planes über Bau und innere Einrichtung, über die Zahl der zu beschäftigenden Arbeiter, über die zur Verwendung kommenden Stoße auszuweisen, daß die Fabrikanlage den gesezlichen Anforderungen in allen Theilen Genüge leiste.

Die Eröffnung der Fabrik, beziehungsweise des neuen Betriebes, darf erst auf förmliche Ermächtigung der Regierung hin stattfinden, welche bei Fabrikanlagen, deren Betrieb ihrer Natur nach mit besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben der Arbeiter und der Bevölkerung der Umgebung verbunden ist, die Bewilligung an besondere Vorbehalte zu knüpfen hat.

Erzeigen sich im Verlaufe des Betriebes einer erstellten Fabrik wesentliche Uebelstände, welche nachweisbar Gesundheit und Leben der Arbeiter gefährden, so ist die Behörde, der ertheilten Betriebsbewilligung unbeschadet, gehalten, von dem Fabrikbesizer Abstellung jener Uebelstände

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Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Streichung im dritten Alinea des Sazes ,, überhaupt sollen u. s. w. angewendet werden"; dagegen ist Folgendes als Alinea 4 aufzunehmen : Zum Schuze der Gesundheit und zur Sicherheit gegen Verlezungen sollen überhaupt alle erfahrungsgemäß und nach dem jeweiligen Stand der Technik ermöglichten Schuzmittel angewendet werden.

Art. 3.

Erstes Alinea: Streichung der Worte ,,über die Zahl der zu beschäftigenden Arbeiter *.

818 Entwurf des Bundesrathes.

zu verlangen und unter Würdigung aller Verhältnisse eine bestimmte Frist anzusezen, innerhalb welcher der Fabrikbesizer verpflichtet ist, die verlangten Verbeßerungen auszuführen.

Anstände, welche sich bei Ausführung dieses Artikels zwischen kantonalen Behörden und Fabrikinhabern ergeben, entscheidet auf Klage hin der Bundesrath.

Derselbe ist überdieß berechtigt, über einzelne in diesem Artikel berührte Verhältnisse allgemeine Vorschriften aufzustellen.

Art. 4.

Wenn durch den Betrieb einer Fabrik die Körperverlezung oder der Tod eines Arbeiters herbeigeführt wird, so haftet der Fabrikbesizer für den dadurch entstandenen Schaden, sofern er nicht den Beweis leisten kann, daß der Unfall durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Vnrlezten erfolgt ist.

Ueber die Schadenersazleistung entscheidet im Streitfälle das Gericht, wobei bis zur Erlaßung allgemein eidgenößischer Bestimmungen über Schadenersaz die im Bundesgeseze über die Verbindlichkeit der Eisenbahnen und anderer vom Bunde konzedirter Transportanstalten für die beim Bau und Betrieb herbeigeführten Tödtungen und Verlezungen aufgestellten Grundsäze zur Anwendung kommen.

Auf Verlangen muß der Kläger von der Bezahlung von Gerichtsgebühren befreit und demselben da, wo eine solche Vertretung zuläßig ist, ein Anwalt zur unentgeltlichen Geschäftsführung von dem Gerichte beigegeben werden.

819 Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Das lezte Alinea soll lauten : Der Bundesrath erläßt die zur genauen Nachachtung dieses Artikels nöthigen Réglemente.

Art. 4.

Das zweite Alinea soll lauten: Ueber die Schadenersazleistung entscheidet im Streitfalle das zuständige Gericht, leztinstanzlich das Bundesgericht nach Maßgabe eines zu erlassenden Bundesgesezes.

820

Entwurf des Bundesrathes.

Art. 5.

Jeder Fabrikbesizer ist verpflichtet, von einer beim Betrieb seiner Anstalt vorgekommenen Tödtung oder erheblichen Körperverlezuug sofort der kompetenten Lokalbehörde Anzeige zu machen, welche die Untersuchung anheben und der Kantonsregierung Kenntnis geben soll.

Leztere wird, wenn die Verlezung oder Tödtung von fehlerhaften Einrichtungen der Fabrik herrührte, im Sinn von Art. 3 das Erforderliche anordnen und, wenn Anzeichen von gesezwidrigem Verhalten vorliegen, gerichtliche Untersuchung, beziehungsweise Bestrafung (Art. 18) veranlaßen.

Art. 6.

Die Fabrikbesizer haben über die in ihren Anstalten beschäftigten Arbeiter ein Verzeichnis nach einem vom Bundesrath aufzustellenden Formular zu führen.

Art. 7.

Der Fabrikbesizer ist verpflichtet, über die gesammte Arbeitsordnung, die Fabrikpolizei, die Bedingungen des Einund Austritts und die Ausbezalung des Lohnes eine Fabrikordnung zu erlassen, in welcher auf Uebertretungen derselben durch die Arbeiter angemessene Bußen gesezt werden können.

Eine Buße darf den vierten Theil des durchschnittlichen Tagelohnes nicht übersteigen. Bußen, die in der Fabrik·ordnung nicht vorgesehen sind, dürfen nicht auferlegt werden.

Die verhängten Bußen sind im Interesse der Arbeiter, namentlich für Kranken- und Unterstüzungskassen zu verwenden.

Körperliche und Freiheitsstrafen, sowie alle das Ehrgefühl verlezende Ahndungen sind verboten.

. '

821

Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Art.

5.

Angenommen.

Art. 6.

Angenommen.

Art. 7.

Der Fabrikbesizer ist verpflichtet, über die gesammte Arbeitsordnung, die Fabrikpolizei, die Bedingungen des Einund Austrittes und die Ausbezahlung des Lohnes eine Fabrikordnung zu erlassen.

Wenn in einer Fabrikordnung Bußen angedroht werden, so dürfen dieselben den vierten Theil des durchschnittlichen Taglohnes nicht übersteigen.

Die verhängten Bußen sind im Interesse der Arbeiter, namentlich für Unterstüzungskassen, zu verwenden.

(Das vierte Alinea des bundesräthlichen Entwurfs gestrichen.)

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. II.

55

822

Entwurf des Bundesrathes.

Art. 8.

Die Fabrikordnungen sowie deren Abänderungen sind der Genehmigung der Regierung des betreffenden Kantons zu unterstellen. Diese wird die Genehmigung nur ertheilen, wenn dieselben nichts enthalten, was gegen die gesezlichen Bestimmungen verstößt.

· Bevor die Genehmigung ertheilt wird, soll den Arbeitern Gelegenheit gegeben worden sein, sich über die sie betreffende Verordnung auszusprechen.

Die genehmigte Fabrikordnung ist für den Fabrikbesizer verbindlich. Zuwiderhandlungen seitens desselben fallen unter Art. 18 des Gesezes.

Wenn sich bei der Anwendung der Fabrikorduung Uebelstände herausstellen, so kann die Kantonsregierung die Revision derselben anordnen.

Die Fabrikordnung ist, mit der Genehmigung der Kantonsregierung versehen, in großem Druk und an auffalliger Stelle in der Fabrik anzuschlagen und jedem Arbeiter bei seinem Dienstantr'tt besonders zu behändigen.

Art. 9.

Wo nicht durch schriftliche Uebereinkunft etwas Anderes bestimmt wird, kann das Verhältnis zwischen dem Fabrikbesizer und Arbeiter durch eine, jedem Theile freistehende, mindestens vierzehn Tage vorher erklärte Kündigung aufgelöst werden und zwar jeweilen am Zahltag oder am Samstag. Bei Stüklohn soll jedenfalls die angefangene Arbeit vollendet werden. Innerhalb obiger Frist darf einseitig das Verhältnis von dem Fabrikbesizer nur dann aufgelöst werden, wenn sich der Arbeiter einer bedeutenden

823

Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Art. 8.

Zweites Alinea: Bevor die Genehmigung ertheilt wird, soll den erwachsenen Arbeitern und Arbeiterinnen u. s. w.

Art. 9.

Streichung1 des Sazes : ,,Bei Stüklohn soll jedenfalls die angefangene Arbeit vollendet werden."

824 Entwurf des Bundesrathes.

Verlezung der Fabrikordnung schuldig gemacht hat, und der Arbeiter ist nur dann zu einseitigem sofortigem Austritt befugt, wenn der Fabrikbesizer die bedungene Verpflichtung nicht erfüllt oder eine ungesezliche oder vertragswidrige Behandlung des Arbeiters verschuldet oder zugelaßen hat.

Streitigkeiten über die gegenseitige Kündigung und alle übrigen Vertragsverhältnisse entscheidet der zuständige Richter.

Art. 10.

Die Fabrikbesizer sind verpflichtet, die Arbeiter spätestens alle zwei Wochen in Bar und in gesezlichen Münzsorten auszuzahlen.

Am Zahltage darf nicht mehr als der lezte Wochenlohn ausstehen bleiben. Arbeiter auf Stük können bis zur Vollendung desselben Abschlags-Zahlungen beziehen.

Es dürfen keine Lohnbetreffnisse zu Spezialzweken zurükbehalten werden.

825

Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Art. 10.

Zweites und drittes Alinea : Am Zahltage darf nicht mehr als der lezte Wochenlohn ausstehen bleiben. Bei Arbeiten auf Stük werden die Zahlungsverhältnisse zwischen den Betheiligten bis zur Vollendung des Stükes ihrer gegenseitigen Vereinbarung überlassen.

Ohne gegenseitiges Einverständniß dürfen keine Lohnbetreffnisse zu Spezialzweken zurükbehalten werden.

Art. IO«».

Die Zahl der Feiertage, außer den Sonntagen, an welchen das Arbeiten in den Fabriken verboten werden kann, darf sechs nicht übersteigen.

Wer aber an weitern kirchlichen Feiertagen nicht arbeiten will, soll wegen Verweigerung der Arbeit nicht gebüßt werden dürfen.

826 Entwurf des Bundesrathes.

Art. 11.

Die Dauer der regelmäßigen Arbeit eines Tages darf nicht mehr als 11 Stunden, an den Vorabenden von Sonnund Festtagen nicht mehr als 10 Stunden betragen und muß in die Zeit zwischen 5 Uhr Morgens und 8 Uhr Abends verlegt werden.

Bei gesundheitschädlichen und auch bei andern Gewerben, bei denen durch bestehende Einrichtungen oder vorkommendes Verfahren Gesundheit und Leben der Arbeiter durch eine tägliche eilfstündige Arbeitszeit gefährdet werden, ist der Bundesrath berechtigt, dieselbe nach Bedürfnis zu reduziren, immerhin nur bis die Beseitigung der vorhandenen Gesundheitsgefährde nachgewiesen ist.

Zu einer ausnahmsweisen Verlängerung der Arbeitszeit, welche von einzelnen Fabriken wegen baulicher oder anderer Vorrichtungen verlangt wird, ist die Bewilligung der Kantonsregierung einzuholen.

Für das Mittagessen ist um die Mitte der Arbeitszeit wenigstens eine Stunde frei zu geben. Wenn es aus sanitarischeu Rüksichten als unzwekmäßig erscheint, daß die Arbeiter über die Mittagszeit im Arbeitslokale bleiben, so haben sie dasselbe zu verlaßen und es ist das Lokal geschlossen zu halten. Arbeitern, welche ihr Mittagsmahl mit sich nehmen, oder sich dasselbe bringen laßen, sollen, sofern die Arbeitsräume über Mittag geschloßen oder für Einnahme des Mittagsmahles ungeeignet sind, angemeßene, im Winter gewärmte Lokalitäten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

Die Arbeitstunden sind nach der öffentlichen Uhr zu richten und der Ortsbehörde anzuzeigen.

827

Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Art. 11.

Die Dauer der regelmäßigen Arbeit eines Tages darf nicht mehr als eilf Stunden, an den Vorabenden von Sonnund Festtagen nicht mehr als zehn Stunden betragen und muß in die Zeit zwischen 6 Uhr Morgen's und 8 Uhr Abends verlegt werden.

Bei gesundheitsschädlichen und auch bei andern Gewerben, bei denen durch bestehende Einrichtungen oder vorkommendes Verfahren Gesundheit und Leben der Arbeiter durch eine tägliche eilfstündige Arbeitszeit gefährdet sind, wird der Bundesrath dieselbe nach Bedürfniß reduxiren, immerhin nur bis die Beseitigung der vorhandenen Gesundheitsgefährde nachgewiesen ist.

Zu einer ausnahmsweisen Verlängerung der Arbeitszeit, -welche von einzelnen Fabriken wegen baulicher oder anderer Vorrichtungen verlangt wird, ist, sofern das Verlangen die Zeitdauer einer Woche nicht übersteigt, von den zuständigen Bezirksbehörden, sonst aber von der Kantonsregierung die Bewilligung einzuholen.

Für das Mittagessen ist um die Mitte der Arbeitszeit wenigstens l Stunde frei zu geben. Arbeitern, welche ihr Mittagsmahl mitbringen, oder dasselbe sich bringen lassen, sollen außerhalb den gewohnten Arbeitsräumen angemessene, im Winter geheizte Lokalitäten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

Die Arbeitsstunden sind nach der öffentlichen Uhr zu richten und der Ortsbehörde anzuzeigen.

828

Entwurf des Bundesrathes.

Art. 12.

Nachtarbeit, d. h. Arbeit zwischen 8 Uhr Abends und 5 Uhr Morgens, und Arbeit an Sonn- und Festtagen (Art. 11) ist bloß ausnahmsweise in Nothfällen zuläßig und es können die Arbeiter nur mit ihrer Zustimmung dazu verwendet werden.

In jedem Falle, wo es sich nicht um dringende, nur einmalige Nachtarbeit erheischende Reparaturen handelt, ist die amtliche Bewilligung einzuholen, welche, wenn die Nachtarbeit länger als eine Woche dauern soll, nur von der Kantonsregierung ertheilt werden kann.

Bei Fabrikationszweigen, die ihrer Natur nach einen ununterbrochenen Betrieb erfordern, kann fortgesezte Nachtarbeit stattfinden.

Unternehmungen, welche diese Bestimmung für sich ansprechen, haben sich bei dem Bundesrath über die Nothwendigkeit ununterbrochenen Betriebes auszuweisen und mit ihrer Eingabe gleichzeitig ein Reglement vorzulegen, aus welchem die Arbeitsordnung und die auf die Arbeiter entfallende Arbeitszeit, welche unter keinen Umständen für den Einzelnen 11 Stunden während 24 Stunden überschreiten darf, ersichtlich ist.

Die Bewilligung wird für eine bestimmte Zeit ertheilt und kann bei veränderten Verhältnissen der Fabrikation zurükgezogen oder abgeändert werden.

Art. 13.

Die Bestimmungen der Artikel 11 und 12 finden keine Anwendung auf Arbeiten, welche der eigentlichen Fabrikation als Hilfsarbeiten vor- oder nachgehen müßen und die von männlichen Arbeitern über 18 Jahren verrichtet werden.

829

Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Art. 12.

Im ersten Alinea soll es heißen ^6a statt ,,5 Uhr Morgens.

Im dritten Alinea ist das Wort ,,fortgesezte" zu streichen.

Art. 13.

Nach dem Worte ,,Arbeitern" soll hinzugesezt werden : ,,oder unverheiratheten Frauenspersonenl'.

830

Entwurf des Bundesrathes.

II. Beschäftigung TOD Frauen in Fabriken.

Art. 14.

Frauenspersonen sollen unter keinen Umständen weder zu Sonntags- noch zu Nachtarbeit verwendet werden.

Wenn dieselben ein Hauswesen zu besorgen haben, so sind sie auf ihr Verlangen eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlaßen. Vor und nach ihrer Niederkunft dürfen Wöchnerinnen im Ganzen während zehn Wochen nicht in der Fabrik beschäftigt werden. Ihr Wiedereintritt in dieselbe ist an den Ausweis geknüpft, daß seit ihrer Niederkunft wenigstens sechs Wochen verfloßen sind.

Der Bundesrath wird diejenigen Fabrikationszweige bezeichnen, in welchen schwangere Frauen überhaupt nicht arbeiten dürfen.

Zur Reinigung im Gange befindlicher Motoren, Transmissionen und gefahrdrohender Maschinen dürfen Frauenspersonen nicht verwendet werden.

III. Beschäftigung von minderjährigen Arbeitern in Fabriken.

Art. 15.

Kinder, welche das vierzehnte Altersjahr noch nicht zurükgelegt haben, dürfen nicht zur Arbeit in Fabriken verwendet werden.

831

Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Art. 14.

Acht statt zehn Wochen.

Aufnahme folgenden Zusazes: ,,Diese Frist von sechs Wochen kann abgekürzt werden, wenn durch ärztliches Zeugniß bescheinigt wird, daß damit keine Gefahr für Mutter oder Kind verbunden ist.

Art. 15.

Kinder, welche das vierzehnte Altersjahr noch nicht zurükgelegt haben, dürfen nicht zur Arbeit in Fabriken verwendet werden.

832

Entwurf des Bundesrathes.

Kinder zwischen dem 14. und dem vollendeten 16. Jahre sollen höchstens 8 Stunden in der Fabrik arbeiten. Der Schulunterricht und die Arbeit in der Fabrik sollen jedoch zusammen zehn Stunden nicht übersteigen. Der Schulunterricht darf durch die Fabrikarbeit nicht beeinträchtigt werden, namentlich die leztere dem erstem nie vorgehen.

Alle Sonntags- und Nachtarbeit von jungen Leuten unter achtzehn Jahren ist ausnahmslos untersagt.

Der Bundesrath ist ermächtigt, diejenigen Fabrikzweige zu bezeichnen, in welchen Kinder überhaupt nicht beschäftigt werden dürfen.

Ein Fabrikbesizer kann sich nicht mit Unkenntnis des Alters seiner Arbeiter entschuldigen.

IV. Vollziehung und Strafbestimmnngen.

Art. 16.

Die Durchführung dieses G-esezes, welches sowohl auf bereits bestehende als auf neu entstehende Fabriken Anwendung finden soll, und die Vollziehung der in Gemäßheit des Gesezes vom Bundesrath ausgehenden Verordnungen und Weisungen liegt den Regierungen der Kantone ob, welche hiefür geeignete Organe bezeichnen werden.

833 Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Für Kinder zwischen dem 14. und dem vollendeten 16. Jahre sollen der Schulunterricht und die Arbeit in der Fabrik zusammen eilf Stunden nicht übersteigen. Der Schulunterricht darf durch die Fabrikarbeit nicht beeinträchtigt werden.

Alle Sonntags- und Nachtarbeit von jungen Leuten unter 18 Jahren ist untersagt.

In Fabriken mit ununterbrochener Feuerung, die Glashütten inbegriffen, dürfen indessen Kinder nach zurükgelegtem 14. Altersjahr bei den unvermeidlichen Arbeiten des Nachts oder an Sonn- und Festtagen (Art. IO11") beschäftigt werden.

Ueber diese zuläßigen Arbeiten und über die Zeit, in welcher sie' verrichtet werden sollen, wird der Bundesrath Vollziehungsvorschriften aufstellen.

Der Bundesrath ist ermächtigt, diejenigen Fabrikzweige .zu bezeichnen, in welchen Kinder überhaupt nicht beschäftigt werden dürfen.

Ein Fabrikbesizer kann sich nicht mit Unkenntm'ß des Alters seiner Arbeiter entschuldigen.

Art. 16.

Angenommen.

834

Entwurf des Bundesrathes.

Die Kantonsregierungen haben dem Bundesrathe Verzeichnisse der auf ihrem Gebiete bestehenden, sowie später der neu entstehenden und der eingehenden Fabriken einzusenden und über deren Verhältnisse, so weit sie von dem gegenwärtigen Geseze berührt werden, nach den vom Bundesrath hiefür aufgestellten Vorschriften die nöthigen statistischen Angaben zu machen.

Die Regierungen erstatten dem Bundesrathe am Schluße jedes Jahres über ihre Thätigkeit behufs Vollziehung des Gesezes, über die dabei zu Tage getretenen Erscheinungen, über die Wirkung des Gesezes u. s. w., einen ausführlichen Bericht, über dessen Anordnung vom Bundesrath das Nähere festgestellt wird.

o Ebenso geben sie ihm, beziehungsweise dem hiefür bezeichneten Departement oder andern gesezlich aufgestellten Organen in der Zwischenzeit jede wünschenswerthe sachbezügliche Auskunft.

Art. 17.

Der Bundesrath, dem die Kontrole über die Durchführung des Gesezes zusteht, ernennt für das ganze Gebiet der Eidgenoßenschaft je nach Bedürfniß zwei bis vier Fabrikinspektoren mit einer Jahresbesoldung von 5000 bis 6000 Franken.

Dieselben sind dem Eisenbahn- und Handelsdepartement unterstellt.

Der Bundesrath sezt die Pflichten und Befugnisse der Inspektoren fest.

835

Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Art. 17.

Angenommen.

836

Entwurf des Bundesrathes.

Art. 18.

Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Gesezes oder gegen die schriftlich zu ertheilenden Anweisungen der zuständigen Aufsichtsbehörden sind, abgesehen von den civilrechtlichen Folgen, mit Bußen von 20 bis 1000 Franken durch die Gerichte zu belegen.

Im Wiederholungsfall darf das Gericht außer angemeßener Geldbuße auch Gefängnis bis auf 6 Monate verhängen.

Wenn der Thatbestand, welcher nach diesem Geseze den Gegenstand einer Buße oder Gefängnißstrafe bildet, durch die kantonalen Strafgeseze mit einer höhern Strafe bedroht wird, so kommt diese leztere zur Anwendung.

Civilrechtliche Streitigkeiten, welche aus dem Verlragsverhältnisse zwischen dem Fabrikbesizer und Arbeitern ent stehen (Art. 9) können keine Strafen zur Folge haben.

V. Schlussbestimmungen.

Art. 19.

Die Bestimmungen kantonaler Geseze und Verordnungen, welche dem gegenwärtigen Geseze widersprechen, sind aufgehoben.

Art. 20.

Der Bundesralh wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Brachmonat 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse (A. S., neue Folge I, S. 116), die Bekanntmachung dieses Gesezes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit der einzelnen Bestimmungen desselben festzusezen.

837 Anträge der Kommission des Nationalrathes.

Art. 18.

. . . mit Bußen von 5 bis 500 Franken.

. . . . Gefängniß bis auf 3 Monate verhängen.

Streichung des dritten und vierten Alinea.

Art. 19.

Angenommen.

Art. 20.

Angenommen.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. II.

36

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Nationalrathes betreffend den Entwurf zu einem Gesetze über die Arbeit in den Fabriken. (Vom 24. mai 1876.)

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1876

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25

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

03.06.1876

Date Data Seite

786-837

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