00.066 Botschaft über das Zusatzprotokoll Nr. 6 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 23. August 2000

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung des Zusatzprotokolls Nr. 6 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte, das am 21. Oktober 1999 in Strassburg unterzeichnet wurde.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2000

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Adolf Ogi Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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2000-1104

Botschaft 1

Allgemeiner Teil: Die schweizerische Rheinschifffahrt

Die völkerrechtliche Ordnung der Rheinschifffahrt beruht auf der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (Mannheimer Akte) vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 (SR 0.747.224.10). Die Akte enthält als wichtigste Grundprinzipien die Schifffahrtsfreiheit (einschliesslich des Verbots von Abgaben, die lediglich auf der Beschiffung gründen) sowie die Einheit des Rheinregimes. Die Mannheimer Akte garantiert damit den Schiffen der Mitgliedstaaten die freie Durchfahrt zum Meer.

Der Geltungsbereich der Mannheimer Akte erstreckt sich von der Mittleren Brücke in Basel bis ins offene Meer.

Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR), eine internationale Organisation mit Sitz in Strassburg, wacht über die Einhaltung der Prinzipien der Mannheimer Akte und über die Weiterentwicklung des Rheinregimes. Sie erlässt namentlich polizeiliche und technische Vorschriften, die der Aufrechterhaltung der Sicherheit der Rheinschifffahrt dienen. Seit einiger Zeit legiferiert die ZKR vermehrt auch im Bereich Umweltschutz.

Das Rheinregime regelt Zuwiderhandlungen gegen schifffahrtspolizeiliche Vorschriften und deren Sanktion unabhängig vom jeweiligen Landesrecht. So wird der Verstoss eines schweizerischen Schiffers gegen schifffahrtspolizeiliche Vorschriften in Köln durch ein Kölner Gericht exklusiv nach den Vorschriften der ZKR beurteilt.

Mitgliedstaaten der ZKR sind Deutschland, Belgien, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz. Mit Ausnahme der Schweiz gehören somit alle ZKR-Mitglieder der EU an. Dank des Einstimmigkeitsprinzips in der ZKR kann die Schweiz in dieser ältesten heute tätigen europäischen Organisation gleichberechtigt mitentscheiden. Das Interesse der Schweiz an einer einflussreichen ZKR ist augenfällig.

Die Interessen der Schweiz werden in der ZKR durch das EDA (Direktion für Völkerrecht) und das UVEK (Bundesamt für Wasser und Geologie) vertreten.

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Besonderer Teil

2.1

Das Zusatzprotokoll Nr. 6 zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte

Das Zusatzprotokoll Nr. 6 wurde anlässlich der Herbstsitzung der ZKR am 21. Oktober 1999 in Strassburg durch die Vertreter der Mitgliedstaaten unterzeichnet.

Mit dem Protokoll wird der Wortlaut des bestehenden Artikels 32 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte, in der Fassung vom 17. Oktober 1979, geändert.

Die einleitende Erwägung stellt klar, dass mit dem Zusatzprotokoll der Entwicklung des Sanktionsregimes in den einzelnen Staaten Rechnung getragen werden muss. So

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sollen insbesondere Zuwiderhandlungen gegen Umweltschutzvorschriften, in Annäherung an die entsprechenden nationalen Normen, strenger bestraft werden können.

Gerade im Umweltschutzbereich wurden die nationalen Sanktionsregimes in den letzten Jahren verschärft. Weil auf dem Rhein jedoch einzig die ZKR-Vorschriften anwendbar sind, hatten diese Entwicklungen keine Auswirkungen auf die Rheinschifffahrt. Entsprechend dem Wunsch der Mitgliedstaaten, verschärft das Zusatzprotokoll Nr. 6 die Sanktionen gegen Verstösse schifffahrtspolizeilicher Vorschriften. Der Begriff des Verstosses gegen schifffahrtspolizeiliche Vorschriften ist dabei weit zu verstehen, er umfasst Verstösse gegen jegliche Vorschriften der ZKR.

In Artikel 1 wird demzufolge der bestehende Artikel 32 der Mannheimer Akte ersetzt.

Artikel 32 fixiert ein einheitliches Sanktionsregime für Zuwiderhandlungen gegen die gemeinsam erlassenen schifffahrtspolizeilichen Vorschriften. In der geltenden Fassung1 ist die Höchstbusse auf 2500 Sonderziehungsrechte (SZR) beschränkt.

Dies entspricht, bei einem Durchschnittskurs von 2 Franken, einem Höchstbetrag von 5000 Franken.

Dieser Betrag wird heute als zu niedrig betrachtet. Verstösse gegen Vorschriften müssen adäquat geahndet werden. Dies gilt nicht nur für Verstösse gegen Bestimmungen zum Schutz der Umwelt und zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit der Rheinschifffahrt, sondern z.B. auch für Verstösse gegen die Besatzungsvorschriften. Wenn ein Schiffseigentümer durch Nichteinhaltung dieser Vorschriften eine grössere Einsparung erzielen kann als eine mögliche Busse ihn belasten würde, erfüllt die Sanktion ihre Aufgabe nicht mehr. Die ZKR-Mitgliedstaaten haben deshalb beschlossen, das Bussenmaximum wesentlich zu erhöhen.

Dabei haben sie sich auf 25 000 Euro oder ihrem Gegenwert in der Landeswährung des Staates, dessen Verwaltung die Strafe verhängt oder dessen Gericht angerufen wird, geeinigt.

Der Kurs des Euro wird, wie Devisenkurse, täglich festgelegt und unterliegt gewissen Schwankungen. Zurzeit entspricht der mittlere Kurs für 1 Euro ca. 1.60 Franken.

Das bedeutet, dass das neue Bussenmaximum bei 40 000 Franken liegt.

Die mit dem Zusatzprotokoll beabsichtigte Annäherung des «rheinischen» Sanktionsrechts an dasjenige der Mitgliedstaaten wird damit erreicht. Zudem dürften durch die
Erhöhung des Bussgeldrahmens die schweren Verstösse gegen die Rheinschifffahrtsvorschriften zurückgehen.

Schliesslich wird im neuen Artikel 32 auf eine Mindestbussenhöhe und auf Umrechnungshilfen für die Konvertierung der Landeswährung verzichtet. Angaben über die Konvertierung der Landeswährung sind überflüssig, weil der Kurs des Euro täglich wie derjenige anderer Devisen festgelegt und publiziert wird.

In Artikel 2 des Zusatzprotokolls wird festgehalten, dass es der Ratifikation bedarf.

Deren Modalitäten werden geregelt und der Generalsekretär der ZKR als Verwahrer bezeichnet.

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Artikel 32 der Mannheimer Akte wurde bereits mittels Zusatzprotokoll Nr. 3 vom 17. Oktober 1979 geändert (AS 1982 1811). Damals wurde der Goldfranken als Rechnungseinheit durch Sonderziehungsrechte (SZR) abgelöst und gleichzeitig der Höchstbetrag von damals (umgerechnet) etwa 800 Franken auf ca. 5300 Franken erhöht.

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Artikel 3 bestimmt, dass das Zusatzprotokoll am ersten Tag des Monats nach der Hinterlegung der fünften Ratifikationsurkunde in Kraft tritt.

Schliesslich hält Artikel 4 fest, dass das Zusatzprotokoll in einer Urschrift in deutscher, französischer und niederländischer Sprache abgefasst ist, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.

2.2

Würdigung der Änderung

Die mit dem Zusatzprotokoll Nr. 6 eingeführte Änderung berührt die wesentlichen Grundsätze der Mannheimer Akte nicht. Die Mannheimer Akte wird an die seit der letzten Anpassung erfolgte Entwicklung im Sanktionsregime der Mitgliedstaaten angenähert.

Verstösse gegen Vorschriften zum Schutz der Umwelt können damit auch auf dem Rhein, vergleichbar mit den jeweiligen nationalen Sanktionsregimes, streng geahndet werden. Das mit dem Zusatzprotokoll Nr. 6 speziell angestrebte Ziel dürfte somit erreicht werden.

2.3

Ergebnis des Vorverfahrens

Die betroffenen Uferkantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Aargau sowie die Schweizerische Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft (SVS), als Branchenverband der Reedereien und Umschlagsbetriebe, befürworten das Zusatzprotokoll Nr. 6.

3

Auswirkungen

Die Annahme des Zusatzprotokolls Nr. 6 bringt weder finanzielle noch personelle Belastungen des Bundes mit sich. Sie hat auch keine volkswirtschaftlichen oder anderen Auswirkungen auf Bund und Kantone.

Die Bussen werden wie bisher, gestützt auf Verzeigungen der Rheinschifffahrtsdirektion Basel, durch die Gerichte der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und allenfalls Aargau ausgesprochen und einkassiert.

4

Legislaturplanung

Die Botschaft zum vorliegenden Zusatzprotokoll ist im Bericht über die Legislaturplanung nicht vorgesehen. Die Vorlage wurde nicht in die Legislaturplanung aufgenommen, weil noch nicht klar war, ob sie allenfalls durch den Bundesrat im vereinfachten Verfahren hätte verabschiedet werden können.

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5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Mannheimer Akte ist die Basis des internationalen Rheinregimes. Das Zusatzprotokoll Nr. 6 beinhaltet eine nötige Änderung dieses Regimes.

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Rechtliche Grundlagen

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung steht es dem Bund zu, Staatsverträge mit dem Ausland abzuschliessen. Die Genehmigung erfolgt nach Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung durch die Bundesversammlung.

Da das Zusatzprotokoll Nr. 6 weder befristet noch einseitig kündbar ist, erfüllt es die Voraussetzungen von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 1 der Bundesverfassung und unterliegt damit dem fakultativen Staatsvertragsreferendum.

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