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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 8. September 1876.)

Der Bundesrath hat den Hrn. Oberst Gingins- la Sarraz, Kommandant der VIII. Armeedivision, von seinem Kommando enthoben.

Die Fortführung der administrativen Geschäfte der VIII. Armeedivision bis zur definitiven Wiederbesezung der obgedachten Stelle wurde dem Hrn. Oberst A r n o l d , Kommandanten der I. Brigade der VIII. Division übertragen.

(Vom 18. September 1876.)

Veranlaßt durch das Bestreben einer anonymen Gesellschaft in Bordeaux, auch Schweizer für Auswanderung nach B o l i v a r zu gewinnen, erließ der Bundesrath das nachstehende Kreisschreiben, an sämmtliche eidgenössische Stände.

,,Getreue, liebe Eidgenossen !

,,Kürzlich ist unsere Aufmerksamkeit auf die Thätigkeit eines Auswanderungsagenten R. Seijas gelenkt worden, welcher in Bordeaux unter i der Firma ,,Société anonyme franco-vénézuélienne" eine Gesellschaft zur Beförderung der Auswanderung nach dem Staate Bolivar gegründet hat.

,,Das Terrain von 500 Hektaren, welches Seijas der Gesellschaft in diesem Staate abgetreten hat, scheint für Kaffeepflanzungen

592 sich zu eignen. Da dort aber auch Cacao gebaut wird, so läßt sich mit Grund an der Zuträglichkeit des Klimas, namentlich für europäische Ansiedler, zweifeln. Zudem scheinen nach den uns vorliegenden Berichten die Verbindungen nach Außen nicht leicht zu sein.

,,Aber selbst, wenn in diesen verschiedenen Beziehungen die Kolonie für Auswanderer günstig wäre, so enthält der Prospekt der Agentur (gedrukt in Bordeaux, A. Bellier Nro. 16, rue cabriol) Versprechungen, welche geeignet sind, das schweizerische Publikum ernstlich zur Vorsicht gegenüber den Offerten der franco-venezuelischen Gesellschaft zu mahnen. Nicht nur eröffnet er die brillante Aussicht, daß jede Familie von 4--5 Personen durch den Anbau des Kaffees es binnen drei Jahren zu einem Kapital von Fr. 30,000 bringen kann; was für den Auswanderer, der sich fangen läßt, ganz besonders gefährlich ist, ist folgende Bestimmung des Auswanderungsvertrages : ,,Le colon est obligé de donner à la Compagnie 52 journées par an pour soigner et entretenir la propriété acquise par elle, ramasser la récolte et faire, en un mot, le travail commandé. Le colon recevra pour chaque journée do travail la somme de fr. 2. 50.a ,,Würde der Vertrag dahin lauten, daß j e d e r Ansiedler w ö c h e n t l i c h einen Tag für Rechnung der Gesellschaft zu arbeiten hat, so wäre dies noch nicht so hart für ihn. Aber es scheint unzweifelhaft, daß die Gesellschaft die 52 Tage nach ihrem Belieben auswählen wird, ohne sich um die Interessen der Kolonisten zu bekümmern, der seine eigenen Pflanzungen wird vernachläßigen müssen, um diejenigen der Gesellschaft zu besorgen, der daher mehr und mehr verarmen und in gänzliche Abhängigkeit von jener gerathen wird, ohne auch nur auf eine Verwendung seiner heimathlichen Regierung zählen zu können, da er in jenem Lande wie ein Venezuelaner behandelt werden wird.

,,Nach einem Schreiben des R. Seijas, abgedrukt in Diario de Avisos, einer Zeitung in Caracas (Venezuela) d. d. London 30. Juli, hat derselbe kürzlich einen ersten Transport von Emigranten aus Tyrol (44 Familien und 120 Ledige) nach Venezuela abgehen lassen; er gedenkt nun das Feld seiner Thätigkeit auch auf die Schweiz auszudehnen. Die sonderbaren Schilderungen, welche er von Tyrol, von der Bevölkerung, der Industrie u. s. w. dieses Landes entwirft, lassen vermuthen, daß er den
von ihm angeworbenen Auswanderern Venezuela nicht in viel korrekterer Weise darstellen wird.

,,Auf Grund von Art. 34 der Bundesverfassung laden wir Sie ein, die Bevölkerung Ihres Kantons vor Werbungen, die mittelbar

593 oder unmittelbar von dieser Agentur ausgehen, zu warnen und zu diesem Behufe gegenwärtigem Kreisschreiben genügende Verbreitung zu verschaffen.a

Mit Schreiben vom 15. dies hat Hr. Nationalrath Dr. J. J. Z e m p in Entlebuch dem Bundesrathe angezeigt, daß er mit Küksicht auf die Ausübung seines Advokatenberufes sich genöthigt sehe, seinen Austritt aus dem Nationalrathe zu erklären.

Hr. Oberst Ludwig D e n z l e r , von Zürich, seit 1. Oktober 1867 eidg. Oberkriegskommissär und gleichzeitig Oberst der Verwaltungstruppen, hat mit Schreiben vom 18. dies die Entlassung von beiden Stellen nachgesucht, worauf der Bundesrath beschloß, den Hrn. Oberst Denzler auf Ende Oktober nächstkünftig als Oberkriegskommissär und auf Ende 1876 als Oberst der Verwaltungstruppen in allen Ehren und unter Verdankung der langjährigen guten Dienste zu entlassen.

(Vom 20. September 1876.)

Auf das Gesuch des Hrn. Clément M a r a i n i , in Lugano, Inhaber der Konzession für die schmalspurige Eisenbahn L u g a n o F o r n a s e t t e - L u i n o , hat der Bundesrath die Frist zur Einreiehung der technischen und finanziellen Vorlagen, nebst den Statuten der Gesellschaft für die genannte Bahn, bis Ende des laufenden Jahres verlängert.

Das schweizerische Zolldepartement hat die im Zollgesez und im Zolltarif, in der Vollziehungsverordnung zum Zollgesez und in der Instruktion über die Vollziehung des Zollgesezes sich findenden Maße und Gewichte in m e t r i s c h e umgerechnet und die Umrechnung dem Bundesrathe vorgelegt, welcher dann dieser Reduktion die Genehmigung ertheilte.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. III.

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594 Auf eingelangte Anfragen über die Vollziehung des Art. 57 des Civilstandsgesczes hat der Bundesrath beschlossen, an sämmtliche Kantonsregierungen ein Kreisschreiben zu erlassen, folgenden Inhalts : ,,Getreue, liebe Eidgenossen !

,,Da mehrere Tit. Kantonsregierungen in den Fall gekommen sind, unsere Wegleitung betreffend die Vollziehung von Art. 57 des Bundesgesezes über Civilstand und Ehe einzuholen, erachten wir es für angemessen, die bei diesem Anlaß geäußerten Zweifel durch ein allgemeines Kreisschreiben zu beantworten.

,,Art. 57 bestimmt: ,,,,Alle Urtheile betreffend Ehescheidungen oder die Nichtigkeit ,,einer Ehe sind von den Gerichten, welche dieselben ausgesprochen ,,haben, den Civilstandsbeamten des Wohnortes und der Heimat,,gemeinde sofort mitzutheilen und von diesen am Rande des ent,,sprechenden Traueintrags im Eheregister vorzumerken."

,,Wir sind nun angefragt worden : ,,1. Was unter ,,Wohnort" zu verstehen sei, ob der Wohnort der Ehegatten im Zeitpunkt der Urtheilsfällung oder derjenige zur Zeit der Eheschließung und ob für den Fall, daß die Ehe nicht am Wohnort des Gatten abgeschlossen worden, das Urtheil auch dem Civilstandsbeamten dieses Wohnorts mitzutheilen sei?

,,2. Ob die Mittheilung des Urtheils an den Civilstandsbeamten des Heimatortes auch bei solchen Ehen stattzufinden habe, welche vor dem Ì. Januar 1876 (als an welchem Tage das Gesez in Kraft getreten} abgeschlossen worden und auch dann, wenn diese Ehen nicht in die Civilstandsregister des Heimathsorts eingetragen sind ?

,,Wir sind im Falle, hierauf folgenden Bescheid zu ertheilen: ,,Zwek der im Art. 57 des Gesezes vorgeschriebenen Mittheilung ist die Vormerkung a m R a n d des entsprechenden Traueintrags in den verschiedenen Registern, in denen dieser dem Geseze gemäß enthalten ist. Unter Wohnort ist daher zunächst der Ort zu verstehen, wo die Ehe abgeschlossen worden und in dessen Registern sonach die Trauung eingetragen ist. Ist der Eheabschluß nicht am Wohnort des Ehegatten erfolgt, so ist dem Civilstandsbeamten dieses Orts das "Urtheil gleichwohl mitzutheilen, weil nach Art. 37, 3. Absaz, dieser Beamte einen Eintrag in seinen Registern hat vornehmen müssen (Eheregister B).

,,Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Wohnort der Ehegatten im Z e i t p u n k t d e r U r t h e i l s f ä l l u u g im Art. 57

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des Gesezes nur dann gemeint ist, wenn in den Registern dieses Orts die Ehe eingetragen ist.

,,Was die vor dem 1. Januar 1876 abgeschlossenen Ehen betrifft, so hat die Mittheilung des Urtheils an den Civilstaudsbeamten des Heimatorts stattzufinden, wie das Gesez dies bestimmt. Dieser kann indessen selbstverständlich eine R a n d b e m e r k u n g nur in dem Falle vornehmen, wenn die Ehe in seinen Registern eingetragen ist.

,,Wir ersuchen Sie, vorstehende Weisungen den Gerichtsbehörden und den Civilstandsbeamten Ihres Kantons zur Kenntniß zu bringen und sie einzuladen, Unterlassungen, die bis jezt in derartigen Mittheilungen etwa stattgefunden haben mögen, unverzüglich gut zu machen.tt

(Vom 22. September 1876.)

Der Bundesrath ernannte zu Hauptleuten im Generalstabe: Hrn. David P e r r e t , von Locle, in Neuenburg, bisher InfanterieHauptmann ; ,, Albert S a rasi n, von und in Genf, bisher Oberlieutenant der Infanterie ; ,, Albert von T s c h a r n e r , von und in Bern, bisher ArtillerieOberlieutenant; ,, Rudolf G e i l i n g e r , von und in Winterthur, bisher Oberlieutenant der Infanterie.

Das Post- und Telegraphendepartement ist vom Bundesrathe ermächtigt worden, mit der Regierung des Kantons Zürich über Errichtung eines eidg. Telegraphenbüreau in B i r m e n s t o r f einen Vertrag abzuschließen.

Der Bundesrath hat gewählt : (am 20. September 1876) als Posthalter in Granges : Hrn. Franz Ludwig Daniel Nobs, Friedensgerichtsschreiber, von Seedorf (Bern), in Granges (Waadt) ;

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als Postkommis in Lausanne : Hm. Gottlieb Rohr, Postaspirant, von Hunzenschwyl (Aarg), in PontsMartel (Neuenburg) ; ,, y, ,, Basel : ,, Adolf Merz, Postaspirant, von Menziken (Aargau), in Reinach (Aargau); (am 22. September 1876) als Postkommis in Chaux-de-Fonds : Hrn. François Beuret, Postaspirant, von Enfers (Bern), in Pr un trat; ,, Telegraphist in Rafz: Hrn. Konrad Sigrist, Uhrenmacher, von und in Rafz (Zürich).

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23.09.1876

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