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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Joh. Müller von Uezwyl (Aargau).

(Vom 11. September 1876.)

Tit.!

Durch Urtheil des Kriegsgerichts der V. Division vorn 18.

August 1876 wurde Johann M ü l l e r , Johannes sei., von Uezwyl, Kantons Aargau, Landarbeiter, Rekrut der Infanterie-Rekrutenschule Nr. 15 in Aarau, wegen Diebstahl verurtheilt: a. zu einer Zuchthausstrafe von 12 Monaten; b. zur Kassation ; c. zur Einstellung im Aktivbürgerrecht auf die Dauer von zwei Jahren, von Verbüßung der Strafe an gerechnet; d. zur Bezahlung der Kosten nach Art. 395 des Militärstrafgesezbuches.

Aus den bezüglichen Untersuchungsakten ergibt sich, daß Müller am 28. Juli zur Nachtzeit seinem Kaineraden und Bettnachbar Jakob Weibel von Lausen ein Portemonnaie mit Fr. 71. 90 Inhalt aus einer Tasche der beim Bett aufgehängten Hosen entwendet hat. Am folgenden Morgen wurde der Diebstahl entdekt und zur Anzeige gebracht. Der Verdacht fiel auf Müller, ohne daß besondere Verdachtsgründe angegeben werden konnten. Bei der

580 ersten Befragung läugnete Müller das Verbrechen, legte aber un mittelbar darauf das entwendete Portemonnaie mit Inhalt in das Bett des Bestohlenen und gestand die That in einem förmlich aufgenommenen Verhör unumwunden ein.

Das Kriegsgericht empfiehlt einstimmig den Verurtheilten der h. Bundesversammlung zur theilweisen Begnadigung ,,in Anbetracht der von demselben bewiesenen thätigen Reue und seiner deutlich wahrnehmbaren geistigen Beschränktheit".

Obschon die häufig vorkommenden Diebstähle bei der schweizerischen Armee nicht geeignet sind, gegenüber der Strenge des Gesezes große Milde walten zu lassen, so schlagen wir Ihnen doch vor, im vorliegenden Falle im Wege der B e g n a d i g u n g die a u s g e s p r o c h e n e Zuchthausstrafe auf sechs M o n a t e Gef ä n g n i ß zu r e d u z i r e n . Es geschieht dies, weil das Kriegsgericht, welches den Straffall am besten kennen muß, sich veranlaßt gesehen hat} von Amtes wegen eine Begnadigung zu befürworten, und weil es doch sehr wahrscheinlich ist, daß Müller ohne sein reumüthiges Geständniß der Strafe ganz entgangen wäre, weil im Grunde gar keine Schuldindizien gegen ihn vorgebracht werden konnten. In diesem Falle wäre das Verbrechen ungestraft geblieben und der Damnifikat nicht wieder zu seinem Gelde gekommen. Es ist deßhalb wohl .gerechtfertigt, wenn die thätige Reue des Verurtheilten und seine geistige Beschränktheit in der angegebenen Weise mildernd berüksichtigt wird.

Wir benuzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichernd B e r n , den 11. September 1876.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d espräsi.dent:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Joh. Müller von Uezwyl (Aargau). (Vom 11. September 1876.)

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Jahr

1876

Année Anno Band

3

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42

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.09.1876

Date Data Seite

579-580

Page Pagina Ref. No

10 009 269

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