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Umgearbeiteter (II.) Entwurf der ständeräthlichen Kommission, vom 10. Februar und 4. März 1876.

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Bundesgesez betreffend

die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 24 der Bundes Verfassung 5 nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 3. Dezember 1875, beschließt: I. Oberaufsicht des Bundes und eidgenössisches Forstgebiet.

Art. 1. Der Bund hat das Oberaufsichtsrecht über die Forstpolizei im Hochgebirg.

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Art. 2. Diese Oberaufsicht erstrekt sich: t) auf das Gesammtgebiet der Kantoae Uri, Schwyz, Unterwaiden, ob und nid dem Wald, Glarus, Appenzell Inner- und Außer-Rhoden, Graubünden, Tessin und Wallis; 2) auf den gebirgigen Theil des Gebietes der Kantone Zürich, Bern, Luzern, Zug, Freiburg, St. Gallen und Waadt.

Der Bundesrath wird die Grenzen der unter eidgenössische Oberaufsicht zu stellenden Gebirgsgegenden in den leztgenannten Kantonen im Einverständnis mit den betreffenden Regierungen festsezen.

In Fällen, wo der Bundesrath und eine Kantonsregierung sich über die forstliche Abgrenzung nicht vereinigen können, entscheidet die Bundesversammlung.

Art. 3. Innerhalb des eidgenössischen Forstgebietes fallen sämmtliche ö f f e n t l i c h e W a l d u n g e n , als: Kantons-, Gemeinds-, Korporations-, Genossenschafts-, Stifts- und Klosterwaldungen, sowie sämmtliche Privatwaldungen, welche als S c h u z w a l d u n g e n zu betrachten sind, nach Maßgabe gegenwärtigen Gesezes, unter die eidgenössische Oberaufsicht.

Art. 4. Unter S c h u z w a l d u n g e n sind alle diejenigen Waldungen verstanden, welche vermöge ihrer bedeutenden Höhelage oder durch ihre Lage an steilen Gebirgshängen, auf Anhöhen, Gräten, Rüken, Vorsprüngen, oder in Quellgebieten, Engpässen, an Rufen, Bach- und Flußufern, oder wegen zu geringer Waldfläche einer Gegend, zum Schuze gegen schädliche klimatische Einflüsse, Windschaden, Lawinen, Stein- und Eisschläge, Erdabsizungen, Unterwaschungen, Verrüfungen oder Ueberschwemmungen dienen.

Art. 5. Die PrivatschuzWaldungen sind durch die Kantone beförderlichst, von den übrigen Privatwaldungen auszuscheiden.

Die stattgefundene Ausscheidung unterliegt der bundesräthlichen Prüfung und Genehmigung.

Den Kantonen bleibt unbenommen, die Vorschriften über Schuzwaldungen auf sämmtliche im eidgenössischen Forstgebiet gelegenen Privatwaldungen auszudehnen.

596 Art. 6. Der Bund überwacht die Ausführung gegenwärtigen Gesezes sowie der hierauf bezüglichen kantonalen-.

Geseze, Dekrete und Verordnungen.

Zu diesem Behufe stellt der Bundesrath einen Forstinspektor an und ordnet demselben das weiter erforderliche Personal bei.

II. Forstliche Eintheilung und Forstpersonal.

Art. 7, Die Kantone und Kantonstheile, die dem eidgenössischen Forstgebiet angehören, sind behufs Organisation der Forstwirtschaft und Forstpolizei zwekmäßig einzutheilen.

Art. 8. Die Kantone haben zur Durchführung und Handhabung ihrer Forstgeseze die erforderliche Anzahl für die verschiedenen dienstlichen Grade hinreichend gebildeter Förster anzustellen und zu besolden.

Zur Bewerbung um die Stellen derjenigen kantonalen Beamtungen, welchen die forstliche Oberaufsicht und die Leitung der Forstwirtschaft übertragen wird, ist eine wissenschaftliche Bildung erforderlich, welche derjenigen zur Erlangung eines Diploms an der forstlichen Abtheilung des eidgenössischen Polytechnikums zu entsprechen hat.

Der Bundesrath wird hierüber reglementarische Bestimmungen treffen.

Art. 9. Die Kantone haben die Obliegenheit, durch Abhaltung von Forstkursen die Unterbeamten für den Forstdienst heranzubilden.

III. Bestimmungen über die Erhaltung und die Besizverhältnisse der Waldungen.

Art. 10. Sämmtliche der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellte Waldungen (Art. 3) sollen längstens binnen einer Frist von 10 Jahren vermarkt werden.

Bei zusammenhängenden Privatschuzwaldungen genügt die Vermarkung der äußeren Grenzlinie der betreffenden Walddistrikte.

Art. 11. Inner den festgesezten Grenzen darf ohne kantonale Bewilligung das Areal der öffentlichen und Privatschuz-Waldungen nicht vermindert werden.

597 Reutungen in denselben dürfen nur dann bewilligt werden, wenn durch dieselben keine Gefahren im Sinne des Art. 4 zu befürchten sind.

Art. 12. Eine Realtheilung öffentlicher Waldungen ist weder zur Nuzoießung noch zum Eigenthum statthaft, mit Ausnahme außerordentlicher Verhältnisse, worüber die kantonale Regierung zu entscheiden hat.

Art. 13. Oeffentliche Waldungen dürfen ohne Bewilligung der Kantonsregierung nicht veräußert werden.

Art. 14. Wenn auf Schuzwaldunspen (Art. 4) Weid-, Streue- oder andere Dienstbarkeiten haften, so sind dieselben abzulösen, falls sie mit dem Zweke, welchem diese Waldungen dienen, unvereinbar sind.

Beholzungsrechte in Waldungen, welche der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellt sind, können vom Grundeigenthümer abgelöst werden. Die Entschädigung kann durch Geld oder, wenn solches der Verhältnisse halber unthunlich, durch Abtretung eines entsprechenden Areals geleistet werden..

Den Modus der Ablösung und das gerichtliche Verfahren beim Loskauf obiger Dienstbarkeiten hat die kantonale Gesezgebung festzusezen.

Die Belastung der Waldungen mit neuen derartigen Dienstbarkeiten ist untersagt.

IV. Forstwirtschaftliche Bestimmungen.

Art. 15. Die öffentlichen Waldungen sind zu vermessen, ihr Betrieb zu regeln und für dieselben Wirthschaftspläne einzuführen.

Der festgesezte Abgabesaz darf ohne Bewilligung der Kantonsregierung nicht überschritten werden. Sofern hiezu eine Bewilligung ertheilt wird oder eine Uebernuzung unerlaubterweise stattgefunden hat, muß die übernuzte Holzmasse in den nächsten Jahren wieder eingespart werden.

Bei der Betriebsregulirung sind diejenigen Walddistrikte, welche Schuzwaldungen im Sinne des Art. 4 enthalten, als S c h u z di s t r i k t e auszuscheiden und als solche zwekentsprechend zu behandeln.

Art. 16. Für diejenigen Waldungen, für welche vorläufig noch keine Wirthschaftspläne in obigem Sinne ein-

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geführt werden können, ist inner dea ersten 5 Jahren nach Inkrafttreten gegenwärtigen Gesezes durch einen provisorischen Wirthschaftsplan der jährliche Abgabesaz festzustellen und die Benuzung, Verjüngung und Pflege der Waldungen zu ordnen.

Art. 17. Holznuzungen in Privatschuz\yaldungen dürfen ·vom Eigenthümer bis zu einer vom Kanton zu bestimmenden kleineren Holzmasse, im Einverständniß mit dem betreffenden Wirthschaftsbeamten, stattfinden ; zu größeren Abholzungen dagegen hat der Waldeigenthümer die Bewilligung der Kantonsregierung einzuholen.

Sofern eine Abholzung bewilligt wird, so sind an dieselbe diejenigen wirtschaftlichen und Sicherheitsvorschrifteo -zu knüpfen, welche Orts- und Bestandes Verhältnisse verlangen,.

Art. 18. Die Kantonsregierungen sind verpflichtet, auch abgesehen von einer Abholzungsbewilligung, zur Erhaltung ·der Schuzwaldungen (Art. 4) und Sicherung ihres Zwekes jederzeit die erforderlichen wirtschaftlichen und Sicherheitsmaßnahmen abzuordnen.

Art. 19. Alle Blößen und Schläge in Waldungen, welche der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellt sind, müssen beförderlichst wieder aufgeforstet werden.

Art. 20. In diesen Waldungen sind die üblichen Nebennuzungen, welche die Waldwirtschaft beeinträchtigen, wie namentlich der Weidgang jeglicher Viehgattung und das Streuesammeln, auf bestimmte Flächen zu begrenzen oder zeitweilig einzustellen oder ganz aufzuheben.

Die ganz oder bedingt zuläßigen Nebennuzungen sind dem Interesse einer guten Waldwirtschaft entsprechend zu regeln.

V. Anlage neuer Waldungen.

Art. 21. Grundstüke, welche gegenwärtig nicht zum Waldboden gehören, durch deren Aufforstung aber wichtige Sehuzwaldungen im Sinne des Artikels 4 gewonnen werden können, sind auf Verlangen einer Kantonsregierung oder des Bundesrathes aufzuforsten.

Die Kosten der erstmaligen Aufforstung hat auf Verlangen des Grundbesizers der Kanton unter Mithülfe des Bundes zu übernehmen.

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Art. 22. Gehört der aufzuforstende Boden einem Privaten, so ist derselbe berechtigt, vom Kanton zu verlangen, daß derselbe das Grundstük gegen vollen Werthersaz übernehme.

Gleichermaßen ist auch der Kanton berechtigt, Abtretung des Grundstüks zu verlangen.

Ist in dem einen oder andern Falle eine Vereinbarung zwischen beiden Theilen über den Werthersaz nicht möglich, so kommt das Expropriationsverfahren nach Maßgabe des Bundesgesezes betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten vom 1. Mai 1850 in Anwendung.

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VI. Bundesfoeiträge.

Art. 23. Der Bund unterstüzt die laut Art. 9 abzuhaltenden kantonalen Forstkurse durch Beiträge.

Art. 24. Der Bund unterstüzt ferner durch Beiträge auf Gesuch der Regierung desjenigen Kantons, in welchem die Waldungen liegen : 1) Alle neuen Waldanlagen (Art. 21 und 22}; 2) Aufforstungen in Schuzvvaldungen (Art. 4), sofern dieselben : a. für den Schuz gegen Terraingefahren von großer Wichtigkeit sind, ganz besonders wenn sie mit Verbauungen in Verbindung stehen; b. bedeutende Schwierigkeiten in der Ausführung bieten : c. aus andern Gründen der Unterstüzung bedürfen.

Art. 25. Die eidgenössischen Beiträge werden nur für die erstmalige Aufforstung und nach Ermessen des Bundesrathes an diejenigen Nachbesserungen verabreicht, welche binnen 4 Jahren nach erfolgter erster Anlage und ohne Verschulden des Waldbesizers nothwendig geworden.

Art. 26. Der Bundesrath sezt die Beiträge mit Berüksichtigung des Biidgetansazes und innerhalb folgender Minima und Maxima fest: 1) 50=70 °/o des Kostenbetrages für neue Waldanlagen, laut Art. 24, Ziff. 1; 2) 40--50% für die unter Ziff. 2 desselben Artikels bezeichneten Aufforstungen.

Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. I.

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Die Beiträge sind vom Bundesrath erst dann an die Kantonsregierungen zu verabfolgen, nachdem er sieh durch Berichte des eidgenössischen Forstinspektors versichert hat,, daß die Arbeiten vorschriftsgemäß ausgeführt und richtig berechnet worden seien.

Art. 27. Mit dem Bezug der Beiträge verpflichtet sich der betreffende Kanton gegenüber dem Bunde, für Schuz und Pflege der Aufforstungen und für die erforderlichen Nachbesserungen zu sorgen.

"VIL Strafbestiminungen.

Art. 28. Uebertretungen gegenwärtigen Gesezes ziehen^ nebst Verpflichtung zum vollen Schadenersaz, folgende Bußen nach sich : 1) Unterlassung der Waldvermarkung inner gegebenem Termin oder Verzögerung derselben (Art. 10) Fr. 5 bis 50.

2) Verminderung des Waldareals ohne kantonale Bewilligung (Art. 11) Fr. 100 bis Fr. 200 für jede Hektar.

Die betreffende Fläche ist inner Jahresfrist wieder aufzuforsten.

3) Ohne kantonale Bewilligung vorgenommene Waldtheilungen oder Waldveräußerungen (Art. 12 und 13) Fr. 10 bis Fr. 100 für jede Hektar. Die Theilung oder Veräußerung ist ungültig.

4) Bestellung neuer Dienstbarkeiten (Art. 14) Fr. 10 bis Fr. 100. Dieselben sind ungültig.

5) Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften eines definitiven oder provisorischen Wirthschaftsplanes, für welche keine besonderen Bußen festgesezt sind (Art. 15 und 16):.

Fr. 20 bis Fr. 300.

6) Gesezwidrige Abholzungen in sämmtlichen der eidgenössischen Oberaufsicht unterstellten Waldungen (Art. 15, 16, 17 und 18) Fr. l bis Fr. 10 für jeden Festmeter.

7) Nichtbeachtung der übrigen in Art. 17 und 18 mit Bezug auf Schuzwaldungen enthaltenen Vorschriften : Fr. 10 bis Fr. 100.

8) Unterlassung vorgeschriebener Aufforstungen in eben genannten Waldungen (Art. 19 und 21) Fr. 20 bis Fr. 100 für jeden Hektar.

9) Vornahme von Nebennuzungen in Uebertretung eines Verbots oder diesfälliger Vorschriften (Art. 20) : Fr. 5 bis Fr. 500.

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Die Untersuchung und Beurtheilung dieser Straffälle findet durch die Kantonsbehörden nach Anleitung des Art. 74 des Bundesstrafrechtes statt.

Art. 29. Bei fortgesezter Renitenz desWaldeigenthümers kann auf Kosten desselben die betreffende Arbeit von der Kantonsregierung angeordnet werden.

Art 30. Die Kantone werden gegen Forstfrevel und zur Verhütung von Waldbrand, Insekten- und Windschaden etc.

die erforderlichen Bestimmungen erlassen.

VIII. Uebergangs- und Schlussbestinimungen.

Art. 31. So lange dieses Gesez in einzelnen Kantonen nicht zur vollen Durchführung gelangt ist und namentlich die darin vorgesehenen Beamtungen nicht besezt sind, wird der Bundesrath je nach Dringlichkeit der Sachlage für Erhaltung und Pflege der unter eidgenössische Aufsicht gestellten Waldungen besorgt sein, und zwar, so lange Art. 5 nicht vollzogen ist, mit Inbegriff sämmtlicher Privatwaldungen.

Bei hiedurch dem Bunde erwachsenden außerordentlichen Kosten kann der betreffende Kanton zu deren Erstattung angehalten werden.

Der Bundesrath wird festsezen, wann in den einzelnen Kantonen diese Uebergangsbestimmungen aufhören sollen.

Unterdessen bleiben die kantonalen Gesezesbestimmungen über Abholzungen unter Vorbehalt bundesräthlicher Genehmigung in Kraft.

Art. 32. Die Kantone haben zur Ausführung gegenwärtigen Gesezes die erforderlichen Dekrete und Verordnungen zu erlassen und dem Bundesrath zur Prüfung und Genehmigung einzusenden.

Art. 33. Der Bundesrath wird die weiter erforderlichen Vollzugsverordnungen erlassen.

Art. 34. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze.

und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesezes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusezen.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und dem Grossherzogthum Luxemburg.

(Vom 25. Februar 1876.)

Tit.!

Nachdem die Regierung des Großherzogthums Luxemburg dem Bundesrathe gegenüber den Wunsch ausgesprochen hatte, einen Auslieferungsvertrag abzuschließen, haben wir unsern Gesandten in Paris, Herrn Dr. Kern, mit den dießfälligen Verhandlungen und Vertragsabschluß beauftragt. Von Seite der luxemburgischen Regierung wurde Herr Jonas, Staatsrath und luxemburgischer Geschäftsträger in Paris, bevollmächtigt. Die beiden Unterhändler unterzeichneten den Vertragsentwurf den 10. Februar 1876 in Paris.

Auf dem Gebiete des Großherzogthums Luxemburg besteht zur Stunde noch das alte französische Strafgesezbuch von 1810 in Kraft; es wird aber in nächster Zukunft und beinahe textuell das belgische Strafgesez eingeführt werden. Aus diesem Grunde wurde für die Vertragsabfassung der Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Belgien vom 13. Mai 1874 als wesentliches Vorbild benüzt. Einige Modifikationen wurden den neuern Verträgen der Schweiz mit Portugal, Großbritannien, Frankreich und dem Deutschen Reiche entlehnt.

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Bundesgesez betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge.

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1876

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11

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18.03.1876

Date Data Seite

594-602

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