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Schweizerisches Bundesblatt.

28. Jahrgang. III.

Nr. 45.

14. Oktober 1876.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden Drnk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidg. Stände, betreffend einige Civilstandsfragen.

(Vom 6. Oktober 1876.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

In der Anwendung des Bundesgesezes vom 24. Dezember 1874, betreffend Feststellung und Beurkundung des Civilstandes und der Ehe, haben sich einige schwierige Punkte von ziemlicher Wichtigkeit gezeigt, betreffs deren Regelung man sich fragen mußte, ob es am Plaze sei, die einschlägige Bundesgesezgebung zu ergänzen.

Nach Prüfung dieser Schwierigkeiten sind wir zu dem Schlüsse gelangt, daß es möglich sei, dieselben zu lösen, ohne zu zusäzlichen Bestimmungen die Zuflucht zu nehmen.

Diese verschiedenen Fragen, sowie die Lösung, welche wir ihnen gegeben, sind folgende : I. Art. 16 des Gesezes schreibt vor, daß die Eintragung in das Geburtsregister unter Anderm angeben soll: Familien- und Personennamen, Beruf, Heimat- und Wohnort . . . . der M u t t e r a l l e i n , w e n n d a s K i n d a u ß e r e h e l i c h g e b o r e n i s t . Eine Kantonsregierung hat uns bemerklich gemacht, daß, da es in einer großen Anzahl von Gemeinden nur zwei oder drei Familiennamen gebe und die üblichen Personennamen dort ebenfalls wenig zahlreich seien, dies zur Folge habe, daß in vielen Fällen die einfache Eintragung der Namen und Vornamen der Mutter nicht hinreichen Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. III.

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werde, um später die Identität lezterer feststellen zu lassen ; die betreffende Regierung fragt daher an, ob man nicht als Regel gestatten sollte, daß die Eintragung künftig gleichfalls die Namen und Vornamen der Eltern der Mutter enthalte.

Da die Institution des Civilstandes zum Zweke hat, die Identität der Individuen festzustellen, so kann die nachträgliche Erwähnung des Namens der Eltern der Mutter eines unehelichen Kindes ohne Nachtheil in allen den Fällen geschehen, wo dies zur Erreichung jenes Zwekes nöthig ist. Das Gesez soll hinsichtlich dieses Punktes, der ein ganz untergeordneter ist, nicht in einem beschränkenden Sinne interpretirt werden, sondern weit eher gemäß dem von ihm beabsichtigten Zweke. Demzufolge sind die Kantonsregierungen eingeladen, vorzuschreiben, daß in den Fällen, wo die Identität der Mutter nicht genügend aus der Angabe ihrer Namen und Vornamen hervorgehen sollte, die Civilstandsbeamten gehalten sind, denselben diejenigen ihres Vaters und ihrer Mutter beizufügen.

II. Eine Kantonsregierung hat uns auf eine Luke aufmerksam gemacht, die, nach ihrer Ansicht, in Betreff der E i n t r a g u n g des T o d e s f a l l e s von P e r s o n e n besteht, welche in Folge von Unfällen oder Katastrophen, wie Feuersbriiuste, Ueberschwemmungen u. s. w., v e r s c h w u n d e n , oder in u n k e n n t l i c h e m Z u s t a n d e w i e d e r g e f u n d e n w o r d e n s i n d , wenn man gleichwohl die moralische und beinahe materielle Gewißheit hat, daß der Todesfall unter den gegebenen Umständen gewaltsamer Weise hat stattfinden müssen, und daß die aufgefundenen Ueberreste wirklich diejenigen der verschwundenen Person sind. Soll man, im lezteru Fallo, eine Eintragung machen, wie wenn diese Uebevreste die einer unbekannten Person wären (Art. 23 des Gesezes), und soll man, in den beiden Fällen, gemäß den Bestimmungen der kantonalen Gesezgebung, betreffend die gewöhnlichen Todes- und Verschollenheitserklärungeu, verfahren (Art. 24)?

Jene Regierung macht darauf aufmerksam, daß das Interesse der Familien sich schwer gefährdet finden kann, wenn man in solchen Fällen stets die Zuflucht nehmen muß zu den Förmlichkeiten und Langsamkeiten des rechtlichen Verfahrens, welche bei den gewöhnlichen Verschollenheitserklärungen regelmäßig vorkommen. Dieselbe verlangt demzufolge, daß der Bund eine
Regel in dieser Hinsicht vorschreibe.

Der Bundesrath verkennt nicht, wie viel Begründetes obige Erwägungen haben ; er hält dafür, daß, wenn die sozusagen absolute Gewißheit des Todesfalls vorhanden ist (z. B. wenn man, nachdem in einer Feuersbrunst eine Person verschwunden ist, menschliche Ueberreste in den Trümmern auffindet), die Eintragung

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des Todesfalls dieser Person, in Gemäßheit des Art. 22, unbeanstandet unter ihren Namen, Vornamen u. s. w. stattfinden soll.

Aber er zieht auch in Betrachtung, daß es beinahe unmöglich ist, eine allgemeine Regel aufzustellen, weil einerseits die Verumständungen des Verschwindens und die Gründe, welche an den Todesfall glauben lassen, wesentlich wechseln können, und weil man andererseits damit auf eine mehr oder weniger empfindliche Weise ein Kapitel des bisher den Kantonen vorbehaltenen Civilrechts berühren würde. Es ist daher zwekmäßig, denselben die Würdigung dessen zu überlassen, was in dieser Hinsicht gethan werden soll, ohne daß man an den Bestimmungen der Art. 23 und 24 des Bundesgesezes etwas ändert oder beifügt.

III. Zu wiederholten Malen ist die Frage erhoben worden, o b ein Civilstandsbeamter das Recht habe, die Verkünd u n g v o n Ehe v e r s p r e c h e n zu v e r w e i g e r n auf Grund von Einsprachsgründen, die ihm bekannt sind, oder ob er zuvor verkünden und hernach die Einsprache gemäß den gesezlichen Formen geltend machen solle (Art. 34 und ?5).

Eine Ergänzung der Gesezgebung ist nicht nöthig, um diese Frage zu erledigen. Nach Art. 30 soll der Civilstandsbeamte sich in erster Linie die Geburtsscheine der Brautleute vorweisen lassen.

Wenn aus diesen Akten hervorgeht, daß die Brautleute (die eine oder die andere Person) nicht das gesezliche Alter haben (Art. 27, erstes Alinea) oder noch unter der väterlichen Gewalt stehen ohne dennoch die erforderliche Einwilligung vorzuweisen (Art. 27, zweites Alinea), so soll der Beamte die Verkündung einfach und ohne Weiteres verweigern. Das nämliche Verfahren ist einzuhalten, falls die Brautleute in einem verbotenen Grade "verwandt sind (Art. 28), falls die eine Person von ihnen (oder beide zusammen), nachdem sie schon früher verheiratet gewesen, nicht den Todesakt des vorherigen Ehegatten oder ein Urtheil über Scheidung oder Nichtigkeit der Ehe vorweisen (ebenderselbe Artikel), falls eine Frau sich vor Ablauf von dreihundert Tagen nach Auflösung der frühern Ehe vorstellt (gleicher Artikel), endlich falls beim Unterbleiben des persönlichen Erscheinens beider Brautleute der Civilstandsbeamte den durch Art. 30, Litt, c geforderten Akt nicht in Händen hat.

Es handelt sich hier um Fragen von Thatsachen, von welchen dc.r Beamte sichere Kenntniß
haben muß. Das Recht, g*'geu diese Verweigerungen bei der Oberbehörde zu rekurriren, ist übrigens vorbehalten.

Hinwider ist es nicht zuläßig, daß der Beamte die Verkündung aus andern Gründen verweigern könne, sondern man soll im Gegentheil den zukünftigen Eheleuten die Gewähr zusichern,

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daß jede andere Einsprache (welche aus irrthümlicher oder übelwollender Beurtheilung erfolgen kann), insbesondere die Einsprache auf Grund von Geisteskrankheit oder von Blödsinn, gemäß den Formen des Rechts vor dem kompetenten Richter wird behandelt werden.

Die Frage, ob der Civilstandsbeamte von sich aus die Einsprache erheben oder darüber an die mit der Ueberwachung des Civilstands beauftragte Behörde Bericht erstatten soll, bleibt den Kantonen zu erledigen überlassen.

IV. In welchen Fällen s o l l der Civilstandsbeamte sich vert r e t e n lassen?

Wiewohl das Bundesgesez die Ernennung von Stellvertretern der Civilbeamten nicht anordnet, haben wir geglaubt, diese Maßregel den Kantonsregierungen durch unser Kreisschreiben vom 17. September 1875 empfehlen zu sollen, und unseres Wissens ist die Einsezung von Stellvertretern gegenwärtig allgemein.

Nach unserer Ansicht ist es nicht zwekmäßig, daß ein Civilstandsakt von einem Beamten behändigt werde, der darin in eigener Person als Partei erscheint und der sonach verpflichtet wäre, denselben zweimal, als Beamter und als Privatperson, zu unterschreiben; desgleichen, wenn der Beamte persönlich Einsprache gegen eine Heirat macht, scheint es uns, daß er dieselbe bei seinem Stellvertreter ankündigen soll. Diese Punkte können durch kantonale Verordnungen leicht geregelt werden. Dies ist bereits mit mehr oder weniger Ausdehnung in einer gewissen Anzahl von Kantonen geschehen, und es ist wünschenswerth, daß das Nämliche überall geschehe.

V. Die Untersagung der Ehe auf G r ü n d von G e i s t e s k r a n k heit o d e r B l ö d s i n n muß nothwendig mit ernsten Garantien umgeben werden, welche so viel als möglich der Willkür keinen Spielraum lassen. Die Einschränkungen der bürgerlichen Fälligkeit der Volljährigen können, insoweit sie auf die Ehe angewendet werden, nicht vollständig in der kantonalen Kompetenz belassen werden, weil die Bundesverfassung das Recht zur Ehe unter den Schuz des Bundes stellt; aber auch hierin bedarf das Bundesgesez über Civilstand und Ehe nicht einer Ergänzung, um den beabsichtigten Zwek zu erreichen.

In der That haben wir weiter oben gesagt, daß der Civilstandsbeamte sich nicht weigern kann, Eheversprechen zu verkünden, weil die eine Person der Verlobten augeblich mit Geisteskrankheit oder Blödsinn behaftet ist. Es ist daher Sache der interessirten Personen oder der Behörden, ihre Einsprache in den durch das

669 Gesez bestimmten Fristen, nach der Verkündung der Heiratsversprechen geltend zu machen. Der kompetente Richter wird sodann über diese Einsprache zu entscheiden haben, und der Rekurs an das Bundesgericht bleibt vorbehalten, gemäß den Artikeln 29 und 30 des Gesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege.

VI. Da das A l t e r der V o l l j ä h r i g k e i t der Z e u g e n die zur Vollziehung der Trauungen nothwendig sind (Art. 38), durch das Bundesgesez nicht bestimmt ist, so ist es statthaft, diesen Punkt in der kantonalen Kompetenz zu belassen, bis die bürgerliche Fähigkeit in einheitlicher Weise durch die Bundesgesezgebung geregelt sein wird.

Dieses sind die Erläuterungen, welche wir Ihnen, in Antwort auf zahlreiche Fragen, die an uns in Bezug auf diese verschiedenen Punkte gerichtet worden sind, glaubten geben zu sollen.

Wir erwarten von den Kantonen, daß sie obigen Weisungen gefälligst Rechnung tragen wollen, und wir benuzen diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschuz zu empfehlen.

B e r n , den 6. Oktober 1876.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Kreisschreiben des

eidg. Departements des Innern an sammtliche Kantonsregierungen, betreffend die alljährlichen Inspektionen über die Amtsführung der Civilstandsbeamten.

(Vom 6. Oktober 1876.)

Hochgeachtete Herren!

Mit Bezug auf Art. 12 des Bundesgesezes über Civilstand und Ehe, wonach die Kantonsregierungen verpflichtet sind, über die Amtsführung der Civilstandsbeamten alljährliche Inspektionen anzuordnen und über deren Ergebnisse. dem Bundesrathe Bericht zu erstatten, wurden wir von einer Kantonsregierung gefragt, ob behufs gleichmäßiger Inspektion und Berichtgabe von unserm Departement eine Instruktion für die Inspektoren erlassen würde.

Vollständige Gleichmäßigkeit ist nun in der Sache nicht möglich, weil die kantonalen Vollziehungsverordnungen zu verschieden sind. Dagegen glauben wir Ihnen mittheilen zu sollen, welche Aufgaben, nach unserer Ansicht, auf Grund des Bundesgesezes und der Vorschriften vom 17. September 1875 den Inspektoren zukommen. Es muß Ihnen überlassen werden, diesen Entwurf mit Rüksicht auf Ihre kantonalen Verordnungen und Geseze zu ergänzen. Immerhin bleibt es sehr wünsehenswerth, daß zur Erleichterung der Prüfung und Vergleichung Ihrer Berichte die nachfolgenden, insbesondere die durch große Buchstaben bezeichneten Ein-

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14.10.1876

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