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Schweizerisches Bundesblatt.

28. Jahrgang.

IV.

Nr. 55.

16. Dezember 1876.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

E i n r ü k u n g s g e b ü h r per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bericht der

Mehrheit der ständeräthlichen Commission zur Vorberathung des Fabrikgesetzes.

(Vom 30. November 1876.)

Tit.!

In Ergänzung des Berichtes Ihrer Kommission vom 11. November haben wir die Gesichtspunkte zu erörtern, welche die Kommissionsmehrheit leiten in denjenigen Bestimmungen, in welchen keine Einigung erzielt wurde.

Es betrifft im Wesentlichen die Aufrechthaltung der vom Nationalrath aufgestellten Bestimmungen : 1) Ueber den Erlaß der Fabrikordnungen, die Bedingungen des Ein- und Austrittes der Arbeiter, die Ausbezahlung des Lohnes und die Bußen (§§ 7--10).

2) Ueber die Aufstellung eines sog. Normalarbeitstages für Erwachsene und die damit zusammenhängenden Vorschriften über Nachtarbeit und die Arbeitszeit der Frauen und Minderjährigen (§§ 11, 12, 13 und 15).

1. Die Fabrikordnung.

Allseitig will man den Fabrikbesitzer verpflichten, über die gesammte Arbeitsordnung und die Polizei in seiner Fabrik ein Reglement, eine sogenannte Fabrikordnung zu erlassen (§ 7). Wir halten Bundesblatt. 28. Jahrg. Bd. IV.

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690 nun mit dem Nationalrath, es liege im wohlverstandenen Interesso des Fabrikbesizers und diene zur Erhaltung des für den erfolgreichen Betrieb eines industriellen Etablissements so wohlthätigen einträchtigen Zusammenwirkens aller Kräfte, wenn der von der Fabrikleitung ausgehende Entwurf vor seiner Genehmigung durch die Kantonsregierung auch der Besprechung der Arbeiter unterstellt werde. Ohne dem Besitzer der Fabrik das Recht streitig machen zu wollen, in gewissen Richtungen Vorschriften zu erlassen, welche der Anschauung eines Theiles seiner Arbeiter nicht konveniren, beweist doch die Erfahrung hinlänglich, daß eine Besprechung wie die vorgeschriebene mancherlei Taktlosigkeiten und störenden Mißverständnissen vorzubeugen im Stande ist. Und wenn zugegeben ist, ein vernünftiger und humaner Fabrikant werde diese Berathung der Arbeiter ohne Vorschrift von sich aus veranstalten, so erscheint uns das als ein Grund zur Aufnahme der Bestimmung in's Gesetz.

Von wesentlicher Bedeutung erscheint uns aber die gesetzliche Regulirung des Verhältnisses zwischen Fabrikbesitzer und Arbeiter betreffend den A r b e i t s a u s t r i t t in allen Fällen, in welchen dieser Punkt nicht durch schriftliche Uebereinkunft zum Voraus geordnet ist.

Der Angestellte bedarf des Schutzes gegen willkürliche Behandlung von Seite des Arbeitgebers, und dieser wird gesichert vor Schädigungen durch plötzliches und launenhaftes Aufgeben der Arbeit.

Die Aufstellung gesetzlicher Normen, welche in allen Fabrikordnungen gleichmäßig wiederkehren, wird viele Umtriebe, Reibungen und Prozesse verhüten und der steten ruhigen Produktion förderlich sein, ohne irgendwie berechtigte Interessen zu verletzen.

Die Bestimmungen über Lohnzahlung (§ 10) verlangen die Löhnungen in baarern Geld, als den einzigen Weg, welcher vor Uebervortheilung schützt, und der auch fast allgemein eingeschlagen wird. Der 14tägige Zahltag wird dazu beitragen, daß sich der Arbeiter des wichtigen Vortheiles der Baarzahlung bedienen kann beim Einkauf seiner Lebensbedürfnisse. Darin liegt ein nicht zu unterschätzendes Mittel zur Förderung der Oekonomie, des geordneten Haushaltes und der Unabhängigkeit.

o'ö" Wenn ohne gegenseitiges Einverständniß keine Lohnabzüge zu Spezialzwecken zurückgehalten werden können (§ 10), so fällt das in einzelnen Gegenden bestehende, nicht
selten demoralisirende Verfahren dahin, wonach Kreditoren sich einen solchen Bruchthcil des täglichen Erwerbes zum Voraus sichern können, daß der Arbeiter bei der größten Anstrengung und Einschränkung außer Stand

691 ist, seine und seiner Familie unentbehrlichen Lebensbedürfnisse zu beschaffen.

Man ist allseitig einverstanden, daß in den Fabriken nur Bußen verhängt werden dürfen, welche in der Fabrikordnung angedroht sind. Dieselben sind im Interesse der Arbeiter, namentlich für Unterstützungszwecke zu verwenden.

Ueberdieß beschränkt der B.eschluß des Höhe einer Buße auf die Hälfte des Taglohnes durch wird der Zweck, welchen die Bußen reicht, und gleichzeitig ist der Arbeiter vor geschützt.

Nationalrathes die des Gebüßten. Daerzielen sollen, erharter Behandlung

2. Der Normalarbeitstag.

Die wichtigste Differenz bezieht sich auf die Vorschriften des § 11 des nationalräthlichen Beschlusses und einiger damit zusammenhängender Bestimmungen : ,,Die Dauer der regelmäßigen Arbeit eines Tages darf nicht mehr als 11 Stunden, an den Vorabenden von Sonn- und Festtagen nicht mehr als 10 Stunden betragen, und muß in die Zeit zwischen 6 Uhr Morgens und 8 Uhr Abends verlegt werden.tt Die Kompetenz zur Aufstellung dieser -- und zwar ,, e i n h e i t l i c h e n " - -- Vorschriften kann nicht bestritten werden. Sie ist in Art. 34 der Bunderverfassung ausdrücklich dem Bunde gewahrt.

Zahlreiche Arbeitergruppen, worunter der Grütliverein und der schweizerische Arbeiterbund allein die Vereinigung von mehr als 16,000 repräsentiren, petitioniren mit dringenden Vorstellungen für die Bestimmungen.

In den industriellen Gegenden fast aller Länder wird für ähnliche Gesetze agitirt.

Die Bundesgesetzgebung in den Vereinigten Staaten N o r d a m e r i k a ' ^ fixirt seit 1866 die Arbeitszeit in allen staatlichen Werkstätten und an allen direkten Unternehmungen des Bundes auf 8 Stunden täglich.

In F r a n k r e i c h besteht seit mehr als 25 Jahren die Vorschrift eines Maximalarbeitstages für erwachsene ouvriers ,,dans les manufactures et usines", wenn auch, frühem Uebungen entsprechend, mit einer Fixirung der Arbeitszeit auf 12 Stunden.

In E n g l a n d ist durch die seit etwa 70 Jahren in steter Entwicklung begriffene Gesetzgebung zur Regulirung der Arbeit der

692 Kinder, jungen Leute und Frauen in den Fabriken ein Zustand geschaffen worden, bei welchen zwar keine positiven Vorschriften die Arbeitszeit der Männer reguliren, aber faktisch doch einen wirklichen Normalarbeitstag auch für die Erwachsenen bedingen.

,,Die 10-Stundenakte von 1847, welche eigentlich nur die weiblichen und jugendlichen Arbeiter schützen will, ist faktisch gleichbedeutend mit der S a n k t i o n i r u n g e i n e r a l l g e m e i n e n z e h n s t ü n d i g e n A r b e i t s z e i t . Die Arbeitszeit der Männer beträgt in England gleichfalls zehn Stunden. Dieser Zusammenhang rührt vom Stand der Technik her. Die Männer bedienen in den meisten Industriezweigen Maschinen und besorgen Verrichtungen, für welche das Arbeitsmaterial durch die weiblichen und jugendlichen Arbeiter geliefert werden muß. Wenn d i e s e nicht arbeiten, so k ö n n e n jene nicht arbeiten! Es greift der ganze Mechanismus eng ineinander, und die männliche, schwerere Arbeit hat zur leichtern stetsfort und ununterbrochene Wechselbeziehungen, so daß nur ein gemeinsames und gleichzeitiges Arbeiten in der schwerern und in deleichtern Form möglieh ist" (vergi. A. Steiumann, die Fabrikgesetzr gebung und die Arbeiterfrage, pag. 24).

Die schweizerische kantonale Gesetzgebung hat in neuerer Zeit gleichfalls dem Zuge der Zeit nachgeben müssen.

Tessin hat im Jahr 1873, einen Normalarbeitstag von 12 Stunden eingeführt.

Baselstadt that dieses schon 1869, und es ist festgestellt, daß in der wichtigsten industriellen Branche, der Seidenindustrie, seither faktisch der zwölfstündige dem elfstündigen Arbeitstag hat weichen müssen.

Glarus, welches 1864 einen 12-Stundentag einführte, hat durch den Landsgemeindebeschluß vom 29. September 1872 denselben auf 11 Stunden heruntergesetzt. Die Folgen dieses Gesetzes worden allseitig als wohlthätig anerkannt, so daß Niemand daran denkt, diese Errungenschaft wieder aufzugeben. Die Standeskommission und Handelskommission, sowie die Fabrikanten sprechen sich einstimmig für den einheitlichen schweizerischen Normalarbeitstag von 11 Stunden aus, während die Arbeiter in wiederholten Eingaben für die Zehnstundenarbeitszeit petitioniren.

Die Gegner der gesetzlichen Normirung des Arbeitstages steifen sich auf den theoretischen Satz der Manchesterschule : Der Staat dürfe die Leistungsfähigkeit
des mündigen Individuums nicht bevormunden, man dürfe dem freien Manne das Recht an die Arbeit nicht rauben, ihm nicht verbieten, länger als 11 Stunden zu arbeiten.

693 Darauf antwortet Erziehungsrath Dr. Zehnder in Zürich (Aerztliche Glossen zum Fabrikgesetz, pag. 14) : ,,Wem ist es je eingefallen, dem Arbeiter, nachdem er eine gewisse Zeit des Tages im D i e n s t e s e i n e s A r b e i t g e b e r s zugebracht, zu verbieten, daß er zu Hause noch arbeite, Holz hacke, den Garten besorge, überhaupt f ü r sich und in seinem Interesse arbeite, so v i e l und was er nur w o l l e ?

,,Wahrhaftig nicht die Arbeitslust, nicht die Arbeitskraft des freien Mannes will irgend Jemand beschränken; was vielmehr der Staat beschränken will und soll, das ist die A u s b e u t u n g d i e ser A r b e i t s l u s t , d i e s e r A r b e i t s k r a f t zu Gunsten eines Andern, der sich dieser ,,,,freie Mann att eben doch sehr oft nicht, wenistens nicht ohne Gefahr für seine ökonomische Existenz entziehen kann. a Man bestreitet die Zweckmäßigkeit der s t a a t l i c h e n E i n m i s c h u n g in die Verhältnisse. ,,Was heißt Einmischung ?a fragt der berühmte Nationalökonom Lujo Brentano in seiner Geschichte der englischen Gewerksvereine und antwortet darauf: ,,Offenbar ein unberechtigtes Eingreifen eines Fremden in die Angelegenheiten eines Andern. Was ist aber der Staat und die Regierung, oder was sollen sie vielmehr sein ? D e r S t a a t ist die O r g a n i s a t i o n des V o l k e s und die Regierung nichts als der natürliche Brennpunkt des Volkslebens. Alles, worin sich das Volksleben äußert, kann ihnen nicht fremd sein. Das Volksleben äußert sich aber keineswegs nur in dem gemeinsamen Bedürfnisse nach Rechtsschutz. Die G e m e i n s a m k e i t s e i n e r B e d ü r f n i s s e e r s t r e c k t sich v i e l m e h r a u f sein g a n z e s K u l t u r l e b e n und n i m m t mit fortschreitender Civilisation fortwähr e n d zu. -Wo immer eine derartige Gemeinsamkeit stattfindet, kann es unmöglich dem Zwecke der größten gemeinsamen Organisation des Volkes widersprechen, daß man sich ihrer zu deren Förderung bediene.a ,,Ich gebe .nicht zu" ·-- sagt der schweizerische Staatsrechtslehrer, Ständerath und Professor Dr. Rüttimann -- ,,ich gebe nicht zu, daß der Staat hier kein Recht zur vorsorglichen Intervention für die Arbeiter habe. Es ist unbestritten, daß ein Uebermaß dieser Art von Thätigkeit auf den physischen und geistigen Zustand der Menschen nachtheilig wirkt.

,,Es i
s t e i n g r o ß e s ö f f e n t l i c h e s I n t e r e s s e i m S p i e l , w e n n es sic h um das p h y s i s c h e und geis t i g e W o h l g a n z e r A r b e i t e r k l a s s e n h a n d e l t . Der S t a a t i s t b e r e c h t i g t u n d verpflichtet, d i e s e I n t e r e s s e n

694 i n d e r G e s e t z g e b u n g z u w a h r e n . t t (Verhandlungen d e r züricherischen Fabrikkommission 1857 und 1859.)

,,Salus populi suprema lexa galt schon den alten Römern als Rechtsgrundsatz. Auch in der schweizerischen Republik soll das, was des Volkes Wohl bedingt, höchstes Gesetz sein.

Trotz der vielfach als mangelhaft und unvollständig bezeichneten Enquete geht doch aus den Akten unbestreitbar hervor, daß ausschliessliche und langdauernde Fabrikarbeit einen nachtheiligen Einfluß auf die Entwicklungsperiode, wie auf die Gesundheit Erwachsener ausübt. Es kann dießfalls verwiesen werden auf die Statistik von Bezirksarzt Dr. Müller über Lungenschwindsucht, die Schrift ,,das eidgen. Fabrikgesez, von einem Glarner" aus der Feder von Dr. Schuler in Mollis, und ,,ärztliche Glossen zum FabrikgesezEntwurf von Dr. C. Zehnder. In dieser Richtung sind die Ergebnisse der Enquêtes in England und Deutschland auch für uns beweisgültig, soweit sie gleiche Industrien unter ähnlichen Betriebsverhältnissen betreffen.

Es ist selbstverständlich, daß der Arbeiter für sein physisches und geistiges Wohl besser sorgen, den Bedürfnissen der Familie vollkommener genügen und die Erziehung seiner Kinder erfolgreicher leiten kann , wenn ihm die zu verwendende Zeit verdoppelt wird, und eine Reduktion der Arbeitszeit von 12 auf 11 Stunden täglich hat für den Arbeiter diesen Effekt. ,,Diese eine Stunde Gewinnst ist hoch anzuschlagen; denn wenn der Arbeiter 12 Stunden arbeitet, 2 Stunden für seine 3 Mahlzeiten verwendet, und eine Stunde vielleicht für den Weg, den er zur Arbeit zu machen hat, was bleibt ihm für sich, für sein häusliches Leben? Vielleicht ein Stündchen, -- der 11 Stunden-Normalarbeitstae; hat ihm die MösJichkeit O O seiner Ausbildung und des Umgangs mit den Seinen verdoppelt.

(Schuler pag. 9). Wenn es aber noch eines positiven Beweises bedarf, daß die Arbeitsreduktion diesen für das physische und moralische Wohl des Arbeiters so förderlichen Erfolg in That und Wahrheit bedingt, so finden wir denselben in den Erfahrungen im Kanton Glarus und in den Berichten der englischen Fabrikinspektoren.

Der Bericht der Handelskommission des Kantons Glarus vom 30. Juli 1874 erwähnt ausdrücklich des unverkennbaren günstigen Einflusses des elfstündigen Normalarbeitstages auf das physische und geistige Wohlbefinden
der Arbeiter : ,,Man bemerkt mit Befriedigung, daß das eilige Hin- und Herrennen zum Essen aufgehört hat, die Bereitung der Speisen, mit weit mehr Muße vorgenommen, eine ordentlichere geworden ist. Gar

695 oft sieht man die Arbeiter nach dem Essen im Hausgärtchen sich mit Holzspalten beschäftigen, überhaupt sich mehr Bewegung im Freien geben.

,,Das Gleiche ist auch Abends oder Morgens eher möglich als früher, je nach der Eintheilung der reducirten Stunde.

,,Die Folgen davon für die Gesundheit der Arbeiter liegen klar vor, und bedürfen keiner weitern Auseinandersetzung.

,,Aber auch in intellektueller Hinsicht ist die Verminderung der Arbeitszeit von wesentlichem Nutzen. Geselliger Verkehr in den Freistunden ist eher möglich geworden, indem nicht mehr jeder Augenblick außer der Schlafenszeit auf die dringendsten Hausgeschäfte verwendet werden muß. Der Geist ist bei 11 stündiger Arbeitszeit reger als früher und spornt Knaben wie Jünglinge mehr an, die so nützlichen Fortbildur;gs- und Abendschulen zu besuchen.

,,Es versteht sich von selbst, daß auch das Familienleben dadurch gewonnen hat, daß den Eltern nunmehr die Möglichkeit eher gegeben ist, sich um die Zucht der Kinder zu kümmern, und durch bessere Ordnung in ihrem Hauswesen mehr den Geist der' Ordnung auch in ihre Kinder zu pflanzen."

Der eklatanteste Beweis über die Wirkung der englischen Zehnstundenbill auf das physische und moralische Wohl der Arbeiter findet sich in den Berichten der englischen Fabrikinspektoren.

(Vergleiche die Zusammenstellung der Hauptresultate derselben in J. M. Ludlow
Es dürfte genügen, den Anspruch eines Fabrikiuspektoren, Redgrave, hier anzudeuten : ,,Die Fabrikherren acceptiren jetzt meistentheils von ganzem Herzen die gesetzgeberische Dazwischenkunft, nachdem sie scharfe Opponenten derselben waren, und sind jetzt im Allgemeinen die vernehmlichsten Fürsprecher des Fortschrittes.

,,Es ist k a u m zu viel gesagt, daß der niedrige Fabrikarbeiter durch seine Beharrlichkeit in Erz w i n g u n g einer g e r e c h t e n G e s e t z g e b u n g der große Civilisator und Moralisirer seines Arbeitgebers gew e s e n ist."

Der g e w i c h t i g s t e E i n w a n d gegen die gesetzliche Fixirung der Arbeitszeit in den Fabriken besteht in der Behauptung, daß die damit verbundene Arbeitsreduktion entweder eine Lohnherabsetzung zur Folge haben, oder dann die Produktion vertheuern

696 müsse. Im erstem Fall würde die Existenzfähigkeit vieler Arbeiter verschlimmert, und im letztern müßte die Konkurrenzfähigkeit manches Industriezweiges mit dem Auslande bedroht werden.

Das eine wäre so schlimm wie das andere. Wir anerkennen für unser Land, dessen Bodenerzeugnisse bei weitem nicht zur Ernährung seiner Bewohner ausreichen, in vollem Umfange die Nothwendigkeit der Industrie für den Export und die Pflicht des Staates, ihr Gedeihen zu fördern und ihre Konkurrenzfähigkeit zu heben.

Die Absicht liegt uns eben so fern, durch die Fabrikgesetzgebung die einheimische Industrie zu erschweren, als diejenige, die Existenzfähigkeit der Arbeiter zu beeinträchtigen.

Glücklicherweise aber widersprechen alle E r f a h r u n g e n , welche je und überall in dieser Richtung gemacht worden sind, diesen Befürchtungen. Es bedarf nur eines unbefangenen Blikes, zu erkennen, daß sowohl die Industrie als ihre Arbeiter besser gedeihen in den Ländern mit reducirter Arbeitszeit. Ja man darf dreist behaupten, ohne ein Dementi zu befürchten, daß] die I n d u s t r i e gerade d e r j e n i g e n Zweige u n d d e r L ä n d e r , w e l c h e u n controlirt die ausgedehnteste Arbeitszeit verwendet, v o r w a l t e n d im Ni ed er gang ist. Auf fa l l e n d e r W eise w i r d ihre Konkurrenzfähigkeit bedroht gerade, durch die Produktion der Länder mit reducirter Arbeitszeit.

Wir haben eben nachgewiesen, wie in England durch die Gesetzgebung von 1847 die Arbeitszeit auf täglich 10 Stunden rcducirt wurde. Es war das in einer Zeit industrieller Krisis, und vor allen Andern fürchteten die Besitzer von Baum\vollenh.b'iken eine Verschlimmerung ihrer Verhältnisse. Sie machten auch ihren Arbeitern in der ersten Zeit Lohnabzüge, und zwar solche mit Rücksicht auf den schlechten Gang der Industrie überhaupt, und gleichzeitig solche für die reducirte Arbeitszeit. Aber es kam anders. Von Produktionsabnahme war keine Spur; die Löhne stiegen bald wieder über den frühern Ansatz, und die Baumwollenindustrie nahm einen nicht geahnten Aufschwung.

,,Die Löhne der Fabrikarbeiter stiegen (nach Mr. David Chadwick, zitirt von Dr. John Watts in seinem Werk über die Baumwollennoth) in den Jahren zwischen 1844 und 1860 von 10--20 Prozent. Die Anzahl der in Thätigkeit sich befindenden Spindeln erhöhte sich in den 15 Jahren zwischen 1850
und 1865 von 17,099,231 in den ersten Jahren, auf 30,387,267 in den letztem.11 ,,Im Jahr 1850 war die bewegende Kraft in der englischen Baumwollenmanufaktur der von 50,286 Pferden gleich, im Jahr 1860 glich sie der Kraft von 205,827 Pferden; das ist eine Zunahme von 300 Prozent."

697 Das Gleiche zeigte sich in Glarus. Alle bei den Akten liegenden Schriftstücke aus diesem Kanton, sowie eine in den letzten Tagen zugegangene Eingnbe des kantonalen Arbeiterbundes bestätigen dieses. ,,Es wurde seinerzeit11 -- bemerkt Dr. Schuler in seinem schon erwähnten Schriftchen -- ,,in Glarus dem Experiment mit dem Elfstunden-Normalarbeitstag eine schlechte Prognose gestellt. Hervorragende Industrielle sprachen von der Unmöglichkeit, neue Etablissemente im Kanton zu erstellen, von der Wahrscheinlichkeit des Auswanderns der Fabrikanten in andere Kantone oder in's Ausland. Heute können wir konstatiren, daß die große Firma Heinrich "Kunz in Lintthal durch die Einführung der Elfstundenarbeit sich nicht hat abhalten lassen, ein neues, großes Etablissement unter ungünstigen lokalen Umständen einzurichten, daß die HH. Eliderli und Jenny, die a u ß e r den K a n t o n s - u n d S e h w e i z e r g r e n z e n E t a b l i s s e m e n t s b e s i t z e n , ihre Weberei in den letzten Jahren in höchst bedeutendem Maße vergrößert haben, daß auch mehrere andere Firmen dasselbe gethan . . .a ,,Aus diesen Thatsachen läßt sich der Schluß ziehen, daß die Glarner Baumwollenindustrie die gefürchtete Schädigung durch den Elfstunden-Normalarbeitstag nicht erlitten. Und in der That sprachen sich auch die Handelskommission und der Börsenverein von Glarus in ihren Eingaben an den Bundesrath für den Elfstundenarbeitstag aus. . . .

,,Aus mir vorliegenden, ausführlichen Zahlenzusammenstellungen, sowie aus übereinstimmenden begleitenden Berichten geht Folgendes hervor : ,,Der V e r d i e n s t d e r A r b e i t e r i s t s e i t E i n f ü h r u n g der E l f s t u n d e n a r b e i t a l l g e m e i n größer geworden."1 ,,Vermindert wurde er nirgends" . . . . ,,Auch bei den Akkordarbeiten sind die Löhne gestiegen."

Nach Anführung einer Reihe von Zahlen betreffend Löhnung und Produktion, kommt Di-. Schuler zu folgendem Resultat: ,,Der Verlust der Produktion beträgt somit (im ersten Jahre, 1873) in den Etablissementen, bei sonst gleichbleibenden Bedingungen und nach möglichster Ausmerzung aller Fehlerquellen in der Berechnung, in einem bloß l °/o, im andern nicht ganz 2 °/0, und es wird zudem bemerkt, daß die Jahre 1874 und 1875 eher noch etwelchen weitern Fortschritt in Produktion und Löhnung ergeben.

,,Ueber die
Faktoren, welche bewirken, daß der Verlust nicht 8 -- 9 ° n, entsprechend der Verkürzung des Normalarbeitstages, beträgt, wird gesagt: ,,Die Arbeiter sind frischer und leistungsfähiger bis zum Schluß des Tagewerkes; sie arbeiten auch verhältnißmäßig

698 exakter. Sie werden aber auch zu genauerm Beginn und Schluß der Arbeit zur vorgeschriebenen Zeit angehalten.aa Die zitivten Beobachtungen werden unter gleichen Verhältnissen überall gemacht. Sie sind in der Natur der Sache begründet. Fällt es wohl einem Zürcher Baumwollenfabrikanten ein, je wieder zu dem in den letzten Jahren verlassenen 13-Stundenbetrieb zurückzukehren? Oder hat der Industrie die mit Verkürzung der Arbeitszeit erfolgte Lohnerhöhung Nachtheile gebracht ? Wir glauben nicht.

M a r x , der bedeutende Sozialökonom, gibt für die Wirkung der Reduktion der Arbeitszeit in seinem Werke ,,Das Kapital11 (zweite Auflage, Bd. I, pag. 430) folgende Erklärung : ,,Die erste Wirkung des verkürzten Arbeitstages beruht auf dem selbstverständlichen Gesetz, daß die Wirkungsfähigkeit der Arbeitskraft im umgekehrten Verhältniß zu ihrer Wirkungszeit steht. Es wird daher, innerhalb gewisser Grenzen, am Grad der Kraftanstrengung gewonnen, was an ihrer Dauer verloren geht.

Daß der Arbeiter aber auch wirklich mehr Arbeitskraft flüssig macht, dafür sorgt das Kapital durch die Methode der Zahlung (namentlich durch den S t ü c k l o h n ) .

,,Die intensivere Stunde des zehnstündigen Arbeitstages (in England) erhält jetzt soviel, oder mehr Arbeit, d. h. verausgabte Arbeitskraft, als die porösere Stunde des zwölfstündigen Arbeitstages.

Ihr Produkt hat daher soviel oder mehr Werth, als das der porösen H/5 Stunden/1 In dieser Erklärung liegt nicht unpraktische Theorie, sondern die Konstatirung einer Thatsache, deren Konsequenzen sich auf dem Weltmärkte geltend machen und nicht ungestraft übersehen werden.

Wie dieselbe in neurer Zeit an der Weltausstellung in Philadelphia zur lebendigen Anschauung gelangte, beweist unter Anderem folgende Stelle eines Schriftchens von Eduard Bally (Ein freies Wort etc.) : ,,Der europäische Fabrikant arbeitet so lang es geht; ist es nothwendig, so dehnt er aus, in schlechten Zeiten schrankt er sich ein. Droht die Konkurrenz, so verbessert er seine Einrichtungen der Zeit gemäß, jeder so gut er kann, und so weit er muß ; sind die Arbeiterlöhne in der Stadt zu theuei-, so sucht er sich auf dem Lande einzurichten, womöglich wo noch keine Industrie ist.

,,Weit anders der Amerikaner ; er etablirt sich, so bald er kann, richtet sich ein und vergrößert seine Produktion, ohne' sich
auszudehnen, d. h. er stellt immer größere Anforderungen an sein Personal, an seine Maschinen. Lange bevor ihn die Konkurrenz zwingt, wirft er seine Einrichtungen bei Seite, wenn er mit andern Zeit und Geld sparen kann. T h e u r e und hohe A r b e i t s l ö h n e g e n i r en i h n n i c h t s e h r ; er sucht den Ausfall derselben zu

699 decken durch seine praktischen Einrichtungen. N i c h t nur die M a s c h i n e n , welche das Resultat der theuren Lebensverhältnisse und frühern Arbeitermangels sind, m a c h e n den a m e r i k a n i s c h e n F a b r i k a n t e n leistungsfähig, sondern weit mehr die . Bedienung derselben." 1 Wer will nach diesen Beobachtungen, oder wer kann den Schweiz. Arbeiterbund wiederlegen, wenn derselbe in seiner Eingabe Cpag. 8 und 9) sagt: ,,Man hat den Schweiz. Arbeitern schon oft vorgeworfen, sie seien weniger leistungsfähig als die englischen Arbeiter. Die Thatsache ist richtig. Aber w a r u m sind wir weniger leistungsfähig als die englischen Arbeiter? W e i l wir l ä n g e r e Z e i t a r b e i t e n m ü s s e n und s c h l e c h t e r leb en als die e n g l i s c h e n A r b e i t er, und weil wir ü b e r h a u p t in unsern Ansprüchen an das Leben auf einer niedrigem Stufe stehen als u n s e r e englischen Standesgenossen.tt Wenn es nach dem Angeführten noch eines weitern Beweises O bedarf, da,ß kürzere Arbeitszeit und größerer Lohn die Leistungsfähigkeit des Arbeiters steigern, so ist derselbe erbracht durch Brassey's Works and Wages (Arbeiten und Löhne). Darin weist der Verfasser, gestützt auf die Geschäftsbücher seines Vaters, des weltbekannten Eisenbahnbauunternehmers, nach, daß die bestbezahlte Arbeit bei kürzerer Arbeitszeit auch die billigste ist. Brassey hat neben einander Gruppen von Engländern, Italienern, Franzosen und Deutschen beschäftigt. Trotzdem nun die Engländer kürzere Zeit arbeiteten und auch größern Lohn bezogen, kamen die durch sie erstellten Strecken doch billiger und profitabler für den Unternehmer, als die durch die schlechter bezahlten und länger schaffenden Arbeiter der andern Nationalitäten.

Nach der Tagespresse hat der englische Fabrikant Forster jüngst in einem öffentlichen Vortrag ähnliche Erfahrungen mitgetheilt.

Es ergiebt sich hieraus, daß die Qualität des Arbeiters eine erste Rolle spielt unter den Faktoren, welche die Konkurrenzfähigkeit der Industrie bedingen.

Wenn die schweizerische Export-Industrie der drohenden Ueberflügelung des Auslandes Stand halten will, so wird sie sich der gleichen Mittel bedienen müssen, welche zur Hebung der Leistungsfähigkeit anderwärts mitgewirkt haben. Das Mittel liegt wahrlich nicht in einer übermäßigen Ausnutzung der
Arbeitskräfte, sondern vielmehr in einer weisen Oekonomie und zweckmäßigen Verwendung derselben, nicht in der zeitlichen Ueberanstrengung, sondern vielmehr in der Hebung der Intelligenz und Mehrung der Spannkraft und

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Intensität. Dafür ist eine mäßige Reduktion der Arbeitszeit durch Einführung des Normalarbeitstages die erste Bedingung. Denn es wird, wie auch Maccaulay betont, stets das intelligentere und energischere Volk im Kulturkampf das schwächere und ungebildetere besiegen.

O In richtiger Würdigung dieser Thatsachen ist dann auch eine erhebliche Anzahl einsichtiger schweizerischer Fabrikanten, ohne gesetzlichen Zwang, mit mehr oder weniger entsprechender Reduktion der Arbeitszeit vorangegangen. Eine gesetzliche Vorschrift wird aber zum Bedürfniß mit Rücksicht auf solche Fabrikanten, welche, weit entfernt den Wertli dieses humanen Fortschrittes anzuerkennen, ihren Vortheil in möglichst andauernder zeitlicher Ausnutzung ihrer Arbeiter zu finden glauben.

Die Minderheit der Kommission will dem hieraus für die Arbeiterbevölkerung resultirenden Nachtheil vorbeugen durch Beschränkung der täglichen Arbeitszeit für Kinder zwischen dem angetretenen fünfzehnten bis und mit dem vollendeten sechszehnten Jahre auf täglich 10 Stunden.

Gewiß ist die Fürsorge des Gesetzgebers für die gesunde Entwicklung der künftigen Generationen besonders auf diesem Gebiete vollberechtigt. Die Kommissionsmehrheit ist auch weit davon entfernt, die gute Absicht dieses Vorschlages zu verkennen. Wir haben aber allen Grund, die strikte Durchführung desselben in der Praxis zu bezweifeln.

Die Erfahrungen Englands und unsere eigenen zeigen nur zu deutlich, daß gerade in denjenigen Industrien, für welche die Vorschriften der Arbeitsbegrenzung am nothwendigsten sind, die Kinderarbeit in ausgiebigster Weise benutzt wird. Da unsere Textilindustrie aber nach den Behauptungen von verschiedenen gewichtigen Seiten die lOstündige Arbeitszeit gegenwärtig nicht verträgt, so befürchten wir, der Vorschlag der Minderheit bleibe todter Buchstabe und führe zu einer die gesunde Entwicklung des kommenden Geschlechtes störenden Ueberanstrengung der Kinder auf 12 und selbst mehrStunden, stattzu einer Reduktion unter elf. Aberauch diegewisseuhafte Durchführung dieser Beschränkung angenommen, glauben wir der Industrie mit dem für alle Arbeiter gleichmäßig vorgeschriebenen Elfstundentag einen besseren Dienst zu erweisen, und hoffen auf eine annähernde Ausgleichung des den 15- und 16jährigen Personen zugernutheten Opfers in der Verkürzung des Fabrikaufenthaltes für
alle Familienglieder.

Wenn wir nun im Interesse der Industrie selbst für den Normalarbeilstag sind, so müssen wir demselben noch ganz besonders das Wort reden vom Standpunkt der W e h r k r a f t und der p o l i t i schen Lebensfähigkeit der Republik.

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Der ungünstige Einfluß' der Fabrikarbeit auf die Hohe der Ziffer der Militärdiensttauglichen kann nicht mehr bestritten werden, nachdem ihn die Statistik festgestellt hat. Wollen wir der Abschwächung unserer Wehrfähigkeit Halt gebieten, so müssen wir eine Schranke setzen, über welche hinaus die Arbeitskraft des Volkes nicht ausgenutzt werden darf.

Die männliche Arbeitsbevölkerung ist durch unsere demokratischen Verfassungen auch berufen, mitzusvirken bei der Gesetzgebung und der politischen Entwicklung des Staates. Es ist deßhalb für unsere Republik ein Lebensinteresse, dem Arbeiter Zeit zu gewähren, daß er sich seiner staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bewußt werde. Ein gesundes Volksbewußtsein bildet die höchste Garantie für die Entwicklung der zwischen mächtigen Militärmonarchien eingekeilten helvetischen Demokratie.

Man beklagt sich über Indolenz und engherzige Auffassung staatlicher Fragen von Seite zahlreicher Arbeitergruppen. Wie könnte es anders sein bei einer Bevölkerung, deren eintöniges Leben sozusagen nur zwischen Fabrikarbeit, Essen und Schlafen abwechselt.

Wie viel praktischer Sinn, patriotische Hingebung und Hochherzigkeit durch diesen Druck erstirbt und an der Entfaltung gehindert wird, das lehrt uns das lebendige Beispiel Englands : Die Arbeiterbevölkerung der Textilindustrie bot vor Entwicklung der Fabrikgesetzgebung ein trauriges Bild der Indolenz und Verkommenheit dar. Auf welche Stufe des Selbstbewußtseins sich die Baumwollenfabrikbevölkerung seither, namentlich seit Erlaß der Zehnstundenbill, gehoben hat, zeigt uns, neben vielen andern, ein Beispiel, das in die Annalen der Geschichte geschrieben ist. Man kann dabei von den arbeitenden Klassen sagen, daß sie in einem wichtigen Fall die Politik Englands entschieden haben.

,,Zu der Zeit, in der jeder üble Einfluß sich zu vereinigen schien, England in eine Vorschubleistung der Sécession der Sclavenhalter hineinzutreiben, in welcher die Baurnwollennoth und die Gewinne der Blokadebrecher, der französische Despot und die Times.

die Landparthei und die Schiffseigenthümer, Mr. Carlyle und die halbe Pietistenparthei England in einen Weg hineintrieben, von dem jetzt alle fühlen, daß er einer von unbesonnener und halsbrecherischer Thorheit gewesen sein würde, s t a n d e n die Arbeiter von L a n c a s h i r e fest und u n b e
w e g l i c h zu dem h e i l i g e n P r i n z i p der m e n s c h l i c h e n F r e i h e i t . In begeisterter Weise geduldig, w e i t e r s e h e n d als S p e k u l a n t e n und S t a a t s m ä n n e r , konnten sie in Mitte ihrer eigenen tiefen Trauer, die verursacht war durch die Fortdauer des Krieges, ein Meeting halten, um Abraham Lincoln zu seiner Proklamation für Sclavenbefreiung zu beglückwünschen; und als jeder Ausdruck von Sym-

702 pathie mit der Sache der Union sicher war, heftigem Spott oder selbstgefälligem Lächeln in dem Hause der Gemeinen zu begegnen, s c h w a n k t e n s i e n i e m a l s i n i h r e m festen G l a u b e n a n i h r e n e n d l i c h e n T r i u m p h . " (Ludlow and Jones, die arbeitende Klasse Englands, pag. 76.)

Angesichts solcher Erscheinungen dürfen wir es begrüßen, wenn gerade von den Kreisen unserer arbeitenden Bevölkerung, welche am öffentlichen Leben Antheil nehmen, der Normalarbeitstag angestrebt wird. Daß dieses Begehren ein ernstes ist und daß seine Abweisung Verstimmung erwecken müßte, ergibt sich aus folgenden Mittheilungen in der Eingabe der Handelskommission in Glarus : ,,Um den Werth zu bezeichnen, den unsere Fabrikbevölkerung der Ilstündigen Arbeitszeit beilegt, bedarf es kaum etwas Weiteres, als die Erwähnung folgender Thatsachen: Vor der Abstimmung über die Bundesrevision wurde von vielen Seiten den Arbeitern vorgegeben, es werde durch die eidg. Gesetzgebung die 12stündige Arbeitszeit festgesetzt und dadurch unser kantonales Gesetz aufgehoben.

,,Erst die Versicherung, von kompetentester Seite ertheilt, daß es sich nur um die Feststellung des Maximums der Arbeitszeit handle, brachte die Leute vom Vorsatz ab, aus diesem e i n z i g e n Grunde mit ,, N e i n " zu stimmen. -- Auch die öffentliche Meinung außerhalb der Fabrikkreise ist der Feststellung der Ilstündigen Arbeitszeit sehr günstig, zumal Hand in Hand mit der Reduktion von 12 auf 11 Stunden eine Erhöhung der Arbeitslöhne eintrat, was hinwiederum in mehr als einer Richtung die Existenz der arbeitenden Klassen wesentlich verbessert.

,,Nach den bis dato mit unscvm Fabrikgesetz gemachten Erfahrungen halten wir dafür, daß die F a b r i k b e v ö l k e r u n g in der Schweiz ein Bundesgesetz mit Freuden begrüßen würde, welches das Maximum der A r b e i t s z e i t in den F a b r i k e n auf 11 S t u n d e n p e r Tag festsetzt."Z ü r i c h , den 30. November 1876.

Im Auftrag der Mehrheit : Der Berichterstatter : Zangger.

Mitglieder der Kommissionsmehrheit: Jenny, Gengel, Zangger.

Theiler.

703

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Veröffentlichung der Verhandlungen der Bundesversammlung.

(Vom 24. November 1876.)

Tit. !

Am 4. Juli dieses Jahres haben die eidgenössischen gesezgebenden Räthe folgendes Postulat angenommen : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, die Frage zu untersuchen ,,und darüber Bericht zu erstatten, ob eine regelmäßige amtliche ,,Veröffentlichung der Verhandlungen in beiden Räthen zu veran,,stalten sei und bejahendenfalls, in welcher Form dieses geschehen ,,soll."

Zunächst beauftragt, dieses Postulat zu begutachten, hat der Herr Kanzler der Eidgenossenschaft dem eidg. Departement des Innern einen sehr interessanten Bericht erstattet, in welchem er die zahlreichen Vorschläge und Versuche in Erinnerung bringt, die seit 1848 zu demselben Zweke gemacht worden sind. Wir verweisen auf diesen Bericht, dessen Druk wir angeordnet haben, indem derselbe ausführliche Nachweisungen über die ganze Frage gibt.

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Bericht der Mehrheit der ständeräthlichen Commission zur Vorberathung des Fabrikgesetzes. (Vom 30. November 1876.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1876

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

55

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.12.1876

Date Data Seite

689-703

Page Pagina Ref. No

10 009 369

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