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Botschaft über eine verstärkte Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten und entsprechende Soforthilfsmassnahmen

vom 22. November 1989

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über einen Rahmenkredit zur verstärkten Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten und für entsprechende Soforthilfsmassnahmen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. November 1989

1989-707

6 Bundesblau. 142. Jahrgang. Bd.I

Im Namen des schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Delamuraz Der Bundeskanzler: Buser

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Übersicht In dieser Botschaft beantragt der Bundesrat einen Rahmenkredit von 250 Millionen Franken für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren zur Finanzierung von Soforthilfsmassnahmen im Rahmen verstärkter Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten. In der Botschaft wird zunächst der innen-, aussen- und sicherheitspolitische Wandlungsprozess in der Sowjetunion und in mit ihr verbündeten Staaten des Warschauer Vertrages, speziell in Polen und Ungarn, dargestellt. Weiter werden Erwägungen über Rückwirkungen auf die Schweiz angestellt und entsprechende Schlussfolgerungen für unsere Aussenpolitik gezogen.

Die Entwicklung in der Sowjetunion, welche durch die zwei Begriffe Glasnost (Offenheit, Öffentlichkeit, Transparenz) und Perestroika (Umbau, Umstrukturierung) symbolisiert wird, steht in Wechselwirkung mit den Reformen in Ungarn und Polen. In diesen beiden, traditionell Mitteleuropa zugerechneten Ländern haben bereits erstaunliche politische und wirtschaftliche Neuorientierungen stattgefunden in Richtung von Demokratisierung und Marktwirtschaft. Beide Länder sehen sich gleichzeitig zu diesem andauernden internen Wandlungsprozess mit grossen Wirtschaftsproblemen konfrontiert. Im Falle Polens kommen dazu verschiedene akute Versorgungsengpässe, nicht zuletzt im Bereich von Nahrungsmitteln.

Die Schweiz hat ein unmittelbares Interesse an einem kontrollierten, die internationale Stabilität nicht gefährdenden Wandel in Richtung auf mehr politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheiten, mehr Pluralismus, mehr Rechtsstaat und Respektierung der Menschenrechte in Osteuropa. Die diesem Interesse entsprechenden Ausrichtungen und konkreten Massnahmen orientieren sich an folgenden Grundsätzen. Ausschlaggebend ist namentlich der Wille der jeweiligen Regierung, Reformen auf institutionellem, politischem und wirtschaftlichem Gebiet einzuleiten. Die Durchführung konkreter Massnahmen geschieht weiter in enger Tuchfühlung mit den Verantwortlichen in den betroffenen Ländern und nichtstaatlichen Projektträgern, was der auslösenden, impulsgebenden Natur unserer Hilfe entspricht. Alle schweizerische Unterstützung wird schliesslich in ein internationales Umfeld eingebettet im Sinne gegenseitiger Information und Koordination mit Massnahmen anderer westlicher Industrieländer.

Konkrete Massnahmen der Schweiz
sind vorgesehen in den Bereichen von Politik, Kultur, technischer Unterstützung, Wirtschaftszusammenarbeit und humanitärer Hilfe. Die Intensivierung der kulturellen Beziehungen und des wissenschaftlichen Austausches soll in pragmatischer Weise so erfolgen, dass primär bestehende Institutionen verstärkt benutzt, und, wo angezeigt, neue Formen geschaffen werden, so beispielsweise kleine, dezentrale Dokumentationszentren, die auch über die schweizerische politische Kultur informieren würden, an einzelnen Orten Osteuropas. Unter den Sammelbegriff technische Unterstützung fallen gezielte schweizerische Massnahmen zur Verbesserung der Strukturen und zur Vermittlung von Knowhow im Umweltschutz, im Ausbildungswesen und in der Lebensmittelversorgung.

Wirtschaftsmassnahmen sind vorgesehen im Bereich der Investitionsförderung, der Handelspolitik und in Form von Finanzhilfe, die als Garantien, Darlehen oder

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nichtrückzahlbare Zuschüsse ausgerichtet werden kann. Humanitäre Hilfe schliesslich umfasst die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Arzneimitteln und andern zur unmittelbaren Behebung von Versorgungsengpässen notwendigen Waren.

Die Schweiz wird sich im bilateralen und vor allem multilateralen Rahmen dafür einsetzen, dass reformwilligen Ländern Osteuropas neue Kooperation- und Teilnahmemöglichkeiten geöffnet werden. Dies gilt sowohl für den Bereich von Politik und Sicherheitspolitik als auch für wirtschaftspolitisch ausgerichtete Organisationen; beides unter der Voraussetzung unveränderter Grundsätze und Kriterien zur Teilnahme.

Mit der Durchführung der Massnahmen werden, unter Koordination durch die politische Direktion des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten, die zuständigen Organe der Bundesverwaltung betraut. Diese werden, nach Ausschöpfung von innerhalb der Verwaltung bestehendem Fachwissen, einzelne Aufgaben an Aussenstehende delegieren. Um Koordination sowie Überwachung und Evaluation einzelner Projekte sicherzustellen, müssen indes zusätzliche personelle Ressourcen innerhalb der Verwaltung bereitgestellt werden.

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Botschaft I

Allgemeiner Teil

II

Die jüngere Entwicklung in Osteuropa und die Perspektiven gesamteuropäischer Zusammenarbeit

III

Die doppelte Herausforderung in Europa

Die Reformbemühungen in der Sowjetunion und in einigen Staaten Osteuropas sowie die Schritte in Richtung auf die Verwirklichung des EG-Binnenmarktes haben im unmittelbaren internationalen Umfeld der Schweiz grundlegende Veränderungen ausgelöst, welche die künftige Stellung unseres Landes in Europa nachhaltig beeinflussen werden. Die Entwicklung in Westeuropa wurde im Bericht vom 24. August 1988 (BB1 1988 III 249) über die Stellung der Schweiz im europäischen Integrationsprozess dargelegt. Seither erleben wir eine neue Dynamik, über welche wir Sie regelmässig auf dem laufenden halten und welche Gegenstand eines weiteren Integrationsberichtes sein wird. In dieser Botschaft geht es darum, dem innen-, aussen- und sicherheitspolitischen Wandlungsprozess in der Sowjetunion und in mit ihr verbündeten Staaten des Warschauer Vertrages, speziell in Polen und Ungarn, Rechnung zu tragen sowie Erwägungen über Rückwirkungen auf die Schweiz anzustellen und entsprechende Schlussfolgerungen für unsere Aussenpolitik zu ziehen.

Der Bundesrat ist sich bei den folgenden Überlegungen und Vorschlägen bewusst, dass der Erfolg der Umgestaltung in Osteuropa nicht gesichert ist und Rückschläge möglich sind. Ein blosses Abwarten scheint uns aber angesichts der Bedeutung der gegenwärtigen Entwicklung für Europa als Ganzes nicht angezeigt. Der Bundesrat ist vielmehr bemüht, den allgemein befürworteten Prozess der Öffnung aus Interesse an friedlichen und stabilen Verhältnissen in Europa zu fördern.

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Die wichtigsten innenpolitischen und aussenpolitischen Veränderungen in der Sowjetunion

Seit nunmehr vier Jahren sind zwei Begriffe der russischen Sprache zum Allgemeingut internationaler politischer Diskussionen geworden; Glasnost (Offenheit, Öffentlichkeit, Transparenz) und Perestroika (Umbau, Umstrukturierung).

Sie stehen für ein vielschichtiges politisches Programm, mit welchem eine ebenso vielfältige Krise, in welcher die Sowjetunion steckt, überwunden werden soll.

Die sichtbarsten Veränderungen der vergangenen Jahre erfolgten im Bereich von Glasnost. Zuerst in Kunst und Wissenschaft, später in der Aufarbeitung der Vergangenheit und schliesslich auch in aktuellen politischen und wirtschaftlichen Fragen setzte sich in der Information der sowjetischen Öffentlichkeit eine realistische Darstellung der Wirklichkeit durch. In der Folge kamen latente Konflikte und Spannungen zum Ausbruch. Als Beispiele seien hier nur die heutige Auseinandersetzung mit dem Stalinismus erwähnt, dessen totalitärer Cha148

rakter nun eingestanden wird und die Gegensätze zwischen den Nationalitäten, welche mehr und mehr zu eigentlichen Zerreissproben für die Sowjetunion führen.

Die Perestroika, das heisst der eigentliche Umbau des Systems, vollzieht sich wesentlich langsamer. Konkrete Schritte wurden zwar im Bereich des institutionellen Aufbaues und der Gesetzgebung unternommen, ohne dass jedoch bisher wesentliche Probleme der erwähnten vielschichtigen Krise gelöst worden wären.

Durch die Revision der Verfassung 1988 und die Wahlen zum Volkskongress und zum Obersten Sowjet im Frühjahr 1989 sollten die staatlichen Institutionen gegenüber der Partei gestärkt werden. Die Debatten in den neuen Gremien zeigten die wachsende Offenheit der Diskussion und die Beschlüsse zeugten vom Bemühen, ansatzweise rechtsstaatliche Prinzipien zu verwirklichen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Revision des Strafgesetzes.

Die Veränderungen im Bereich der Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftsmechanismen haben bisher noch keine für den einzelnen Bürger fühlbare Erfolge gezeitigt. Sie brauchen offensichtlich mehr Zeit als ursprünglich angenommen wurde. Das Gelingen des gesamten Reformprozesses wird aber entscheidend von der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. Der Erfolg der neuen Politik ist damit ebenso unsicher, wie er wünschbar bleibt.

Am konkretesten und für die Schweiz am bedeutungsvollsten sind die Auswirkungen von Glasnost und Perestroika im Bereich der Aussenpolitik und der daraus resultierenden Verbesserung im Verhältnis zwischen Ost und West. Die deutlich spürbaren Veränderungen im Rahmen der KSZE, wo in allen Bereichen - bei der Sicherheit, der Wirtschaft und insbesondere bei den menschlichen Dimensionen - bedeutende Fortschritte erzielt wurden, die bemerkenswerten Resultate in den Abrüstungsverhandlungen, der Rückzug aus Afghanistan oder die Bereitschaft gemeinsam mit den USA zur Lösung einiger Regionalkonflikte beizutragen, bedeuten ein Umdenken in der sowjetischen Aussenpolitik, das man anfangs der 80er Jahre für unmöglich gehalten hätte.

Für die künftige Entwicklung; in Europa von entscheidender Bedeutung ist der offensichtlich erhöhte innen- und aussenpolitische Spielraum, über welchen die Staaten Osteuropas verfügen, betont doch die Sowjetunion heute deren «Freiheit der Wahl». Würde dies bedeuten,
dass nicht nur die «freie Wahl zum Sozialismus» sondern die freie Wahl des Systems an sich möglich wäre, stellte dies einen beachtlichen Gewinn an Handlungsspielraum für osteuropäische Länder dar.

Allen diesen Veränderungen liegt offensichtlich ein Wandel der sowjetischen Aussenpolitik zugrunde, welcher sowohl in den Beziehungen mit dem Westen als auch innerhalb der sozialistischen Staatenwelt zum Tragen kommt, im Sinne von gewachsener Einsicht in die Globalität der Probleme und in weltweite Interdependenzen. Die Beschäftigung mit Problemen wie Kriegsgefahr und Rüstungswettlauf, ökologische Herausforderungen und Entwicklungsproblematik, Terrorismus und AIDS hat heute den Vorrang vor dem Systemgegensatz zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Die Zusammenarbeit mit dem Westen zur Lösung dieser Probleme wird daher als bedeutungsvoller eingestuft als die Konfrontation. Allgemein menschliche Werte treten gegenüber Klassengegensätzen 149

in den Vordergrund. Dies bedeutet auch für uns neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

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Reformen in Osteuropa

Zwischen den Reformen in einigen Ländern Osteuropas und der Entwicklung in der Sowjetunion bestehen Zusammenhänge und Wechselwirkungen. Ihre Ursachen liegen zwar nicht im Wandel der sowjetischen Politik, doch erleichtert dieser die Reformen, erhöht den Handlungsspielraum der betroffenen Staaten und wirkt beschleunigend auf den Gang der Entwicklung. Umgekehrt würde ein Scheitern der Reform in der Sowjetunion wohl auch einen Rückschlag für die Entwicklung in den reformfreudigen Staaten Osteuropas bedeuten. Stärker als in der Sowjetunion ist der Wandel in einzelnen Staaten Osteuropas von breiten Bevölkerungskreisen getragen, mehr an westlich-demokratischen, liberalen oder sozialdemokratischen Zielen ausgerichtet und zusätzlich mit der Frage der nationalen Selbstbestimmung verbunden. Die heutigen Reformprozesse stellen zudem keinen grundlegenden Bruch mit der Vergangenheit dar, weisen doch mehrere osteuropäische Staaten Erfahrungen mit pluralistisch-parlamentarischer Demokratie auf. Die Reformprozesse nehmen weiter frühere Bestrebungen wieder auf, welche Gegenstand der Bewegungen von 1953, 1956, 1968 und 1980 waren.

Bisher stossen insbesondere die Entwicklungen in den beiden traditionell Mitteleuropa zugerechneten Ländern Ungarn und Polen auf unser Interesse, wo politische Reformen umfangreichen Ausmasses bereits realisiert wurden und neue, demokratische und pluralistische Strukturen geschaffen werden. Polen wird seit dem 12. September 1989 von einer Koalition unter Führung der Gewerkschaftsbewegung «Solidarität» regiert. Wenn die kommunistische Vereinigte Arbeiterpartei Polens auch weiterhin einige Schlüsselressorts (z. B. Innen- und Verteidigungsministerium) beibehalten hat und die «Solidarität» der Sowjetunion ihre Treue zum Warschauer Pakt bekundet hat, ist die Tragweite der Umwälzung wohl als ein historisches Ereignis zu werten. Die neue Regierung sucht die Gesundung der Wirtschaft durch den Übergang zur Marktwirtschaft zu erreichen.

Stichworte dazu sind Privatisierung, Gleichstellung des privaten und des öffentlichen Sektors, Schaffung eines Bankensystems und einer Wertschriftenbörse sowie die Umorientierung von der Schwerindustrie auf den Konsumgüter-, Bauund Dienstleistungssektor. Kommunisten und Solidarität scheinen hier am gleichen Strick zu ziehen, da sie bei ihren Versagen in der
Wirtschaftspolitik befürchten müssen, ihre jeweiligen Anhänger zu verlieren.

Das Schicksal der neuen Regierung hängt zweifelsohne davon ab, ob sie die Wirtschaftskrise mit galoppierender Inflation, welche durch die akute Versorgungskrise und hohe Schuldenlast verschärft wird, zu bewältigen vermag.

Mittel- und längerfristig stellt sich allerdings auch die Frage, ob es den demokratischen Kräften in Zukunft gelingen wird, allmählich eine wachsende Kontrolle und Mitsprache über die Geschehnisse im Lande zu erlangen. Von zentraler Bedeutung wird sodann nicht nur das Verhältnis zwischen den verschiedenen Parteien, sondern auch innerhalb der jeweiligen Gruppierung sein. Gerade 150

«Solidarität» wird sich mit dem Problem konfrontiert sehen, einen Ausgleich zwischen ihren Regierungsmitgliedern, der parlamentarischen Gruppe und den gewerkschaftlichen Flügeln zu finden.

Die Reformentwicklung in Ungarn ist gleichermassen bemerkenswert. Mit der Umbenennung der bisherigen kommunistischen Staatspartei am 10. Oktober 1989 wurde gleichzeitig auch die Notwendigkeit eines Mehrparteiensystems anerkannt. Ministerpräsident Nemeth hat freie, demokratische Wahlen bis spätestens Sommer 1990 angesagt, wobei von der Zuteilung fester Sitzquoten für einzelne Gruppierungen, wie sie in Polen vorgenommen wurden, abgesehen werden soll. Die ungarische Regierung ergriff die Initiative, mit den Sowjets über den Abzug der in Ungarn stationierten Truppen zu verhandeln und äusserte wiederholt den Wunsch, Ungarn in eine Brückenrolle zwischen Ost und West zu führen.

Die wirtschaftliche Lage Ungarns ist von jener Polens recht verschieden. Von einem Versorgungsengpass kann keine Rede sein und die Volkswirtschaft kommt ihren internationalen Schuldenverpflichtungen nach. Trotzdem muss davon ausgegangen werden, dass das Land der Unterstützung in Form von Investitionen und sowohl technischem als auch organisatorischem Know-how bedarf, wenn es nicht unter der Last seiner Schulden und wegen der hergebrachten Strukturen seiner Volkswirtschaft in eine Krise geraten soll.

Andere Länder könnten inskünftig ähnliche Wege Richtung politischer Reform einschlagen. Um allerdings längerfristig erfolgreich zu sein, muss der politische Reformprozess auch von entsprechenden Resultaten auf wirtschaftlichem Gebiet unterstützt werden. Dies muss insbesondere durch einschneidende Massnahmen zur Förderung marktwirtschaftlicher Strukturen und durch die Öffnung gegenüber dem Weltmarkt geschehen. Dabei können westliche Investitionen, Schuldenerleichterungen, Unterstützung in der Ausbildung sowie technologisch und wirtschaftliche Zusammenarbeit einen Beitrag leisten. Auch vermehrte politische und kulturelle Kontakte können im gesamten Öffnungsprozess eine wichtige Rolle spielen.

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Gefahren und Möglichkeiten dieser Entwicklungen

Die von Land zu Land sehr unterschiedlichen, teilweise auch gar nicht vorhandenen Reformbemühungen haben die Staatenwelt Osteuropas in Bewegung gebracht. Statt mit einem uniformen Ostblock haben wir es heute mit sehr unterschiedlichen nationalen Entwicklungen zu tun. Die früher verbreitete politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Erstarrung schlägt um in eine gewisse Instabilität. Wachsende Probleme prägen die Beziehungen verschiedener Staaten Osteuropas untereinander. Nationalitätenunruhen, zunehmende politische Auseinandersetzungen und neu aufbrechende soziale Konflikte führen zu innerund zwischenstaatlichen Spannungen.

Gelingt es aber, in der Sowjetunion und in Osteuropa auf dem Weg bisheriger Veränderungen und eines kontrollierten Wandels voranzuschreiten, öffnen sich für Gesamteuropa neue Perspektiven, von welchen auch unser Land mitbetroffen sein wird. Eine neue Stabilität auf dem Kontinent mit bedeutend reduzier151

ten Potentialen könnte dann das bisher prekäre Gleichgewicht ablösen. Während auf militärischer Ebene die Teilung des Kontinentes in zwei Blöcke, wenn auch auf niedrigerem Niveau von Bewaffnung und Streitkräften, noch für einige Zeit bestehen wird, ist eine Internationalisierung der Wirtschaft und eine Öffnung gegenüber dem westeuropäischen Wirtschaftsraum früher denkbar.

Auf politischer Ebene ist eine erhöhte Selbständigkeit in der Aussenpolitik und eine pluralistische Entwicklung im Innern in einigen Ländern schön heute auf dem Wege zur Verwirklichung.

Insgesamt ergeben sich, wenn diese Tendenzen andauern, für die Länder Osteuropas zahlreiche neue Handlungs- und Kontaktmöglichkeiten. An Kontakten mit neutralen Staaten haben sie erhöhtes politisches Interesse.

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Schweizerische Interessen am Wandel in Osteuropa und die Notwendigkeit seiner Unterstützung

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Allgemeines

Die Schweiz hat ein unmittelbares Interesse an einem kontrollierten, die internationale Stabilität nicht gefährdenden Wandel in Richtung auf mehr politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheiten, mehr Pluralismus, mehr Rechtsstaat und Respektierung der Menschenrechte in Osteuropa. Wir erachten einen solchen als Voraussetzung für eine engere gegenseitige Verflechtung zwischen den Staaten und Völkern Europas und damit für einen dauerhaften Frieden. Dazu können wir einen unseren Mitteln entsprechenden Beitrag leisten.

Dieser muss insbesondere darauf abzielen, durch konkrete wirtschaftliche und politische Massnahmen zur Verhinderung sozialer Konflikte beizutragen, da solche den Reformprozess gefährden können. Je stärker zudem die Reformen auf internationaler Ebene in Form bi- und multilateraler, verbindlicher Vereinbarungen abgestützt werden, desto schwerer dürfte es fallen, bisher schon eingetretene positive Veränderungen rückgängig zu machen.

Die Schweiz hat strategische, politische, kulturelle und wirtschaftliche Interessen an einer Intensivierung der Beziehungen und damit an der Unterstützung des Reformprozesses in Osteuropa: Auf politischem Gebiet sind wir als neutraler Staat aufgerufen durch intensivere Kontakte mit reformfreudigen Ländern auf bi- und multilateraler Ebene die schweizerische Position deutlich zu machen und insbesondere den Solidaritätsgedanken unter Beweis zu stellen. Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten der heutigen Entwicklung, müssen wir bestrebt sein, durch eine aktivere Politik die ausgreifende Komponente unserer Sicherheitspolitik, wie sie in den entsprechenden bundesrätlichen Berichten umschrieben ist, zu verstärken. Diese Kontakte werden auch von den Reformkräften in Osteuropa gewünscht, einerseits aus Interesse an den politischen Institutionen der Schweiz, anderseits als Demonstration ihrer Einbindung in ein globales System.

Kunst und Kultur gehören in den meisten osteuropäischen Ländern zu den Vorboten reformwilliger politischer Entwicklungen. Soweit Gewähr für freie Entfaltung besteht, sind Kontakte in diesem Bereich oft unproblematischer als 152

auf anderm Gebieten. Dem kulturellen Austausch kommt im europäischen Kontext eine besondere Rolle der Vermittlung und der Überbrückung von Gräben zu, gehören doch die Länder Osteuropas zum .selben europäischen Kulturkreis.

Intensivere, gegenseitige Kontakte werden nicht nur für das schweizerische Kulturleben eine Bereicherung darstellen. Sie können auch ein idealer erster Schritt sein, Kontakte in andern Gebieten auszuweiten.

Auf wirtschaftlichem Gebiet geht es zum einen darum, einen Beitrag zur wirtschaftlichen und damit auch politischen Stabilisierung der Region zu leisten und damit zum Gelingen des Reformprozesses beizutragen. In Anbetracht der Gefahr, dass sich die wirtschaftlichen Probleme in reformwilligen Ländern akzentuieren und zu Unruhen und Konflikten führen können, ist unser Beitrag von besonderer Bedeutung. Hinsichtlich unserer traditionellen aussenwirtschaftlichen Interessen an diversifizierten und universellen Beziehungen gilt es ausserdem, die Möglichkeiten, welche sich durch eine Öffnung osteuropäischer Volkswirtschaften ergeben, zu nutzen.

Die Schweiz hat keinen entscheidenden Einfluss auf den Gang der Entwicklung. Zudem setzt unser liberales Staatsverständnis allzu weit gesteckten staatlichen Aktivitäten Grenzen. Sie hat aber im Sinne ihrer aussenpolitischen Maximen solidarische Mitverantwortung zu tragen und zum Gelingen des Reformprozesses in Osteuropa, zur Überwindung der europäischen Teilung und zum Aufbau Gesamteuropas einen Beitrag zu leisten. Dies ist als Friedenspolitik im umfassenden Sinne des Wortes zu verstehen.

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Grundsätze schweizerischer Unterstützung

Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ergeben sich einige Leitlinien, an denen sich die im besonderen Teil dieser Botschaft vorgeschlagenen konkreten Aktivitäten und ins Auge gefassten Projekte orientieren.

1. Osteuropa bildet heute immer weniger einen einheitlichen Block. Unsere Politik wird daher inskünftig dem Stand und dem Charakter des Reformprozesses in den einzelnen Ländern Rechnung tragen müssen. Voraussetzung für eine Unterstützung ist der Wille der jeweiligen Regierung, Reformen auf institutionellem, politischem und wirtschaftlichem Gebiet einzuleiten, die den oben erwähnten Grundsätzen schweizerischer Politik und den in den Verschiedenen Schlussdokumenten der KSZE vereinbarten Grundsätzen entsprechen.

2. Die reformwilligen osteuropäischen Länder tragen selber die Verantwortung für den von ihnen eingeleiteten Reformprozess. Unsere Unterstützung muss daher gemeinsam mit den Verantwortlichen der jeweiligen Länder definiert werden. Eine Unterstützung unsererseits wird somit nur gewährt werden, wenn ein entsprechender Wunsch besteht. Damit respektieren wir den Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten.

Dies drängt sich insbesondere auf, um einen Interessenkonflikt zwischen dem Wunsch nach Reformen und jenem nach Stabilität zu vermeiden. Sowohl Polen wie Ungarn haben ihre Wünsche bereits detailliert dargelegt; 153

3.

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5.

6.

die im besonderen Teil der Botschaft vorgeschlagenen Massnahmen tragen diesen Rechnung.

Wo immer möglich sollen die von uns finanziell unterstützten Aktivitäten als Katalysator wirken. In der Regel wird darum bei konkreten Projekten eine finanzielle Beteiligung aus den jeweiligen Ländern und, soweit möglich, von nicht-staatlichen, schweizerischen Partnern erwartet.

Konkrete Projekte und Aktionen werden in der Regel nicht durch die Bundesbehörden durchgeführt, sondern im Auftragsverhältnis weitergegeben.

Für jede Massnahme bleibt aber das zuständige Bundesamt in bezug auf Durchführung und Kontrolle im Sinne des Finanzhaushaltgesetzes verantwortlich.

Es sollen primär Aktivitäten und Projekte unterstützt werden, welche die Selbstverantwortung fördern und eine Abkehr von bürokratischen Schwerfälligkeiten erleichtern. Die von uns unterstützten Projekte sollen von den unmittelbar Betroffenen und am Erfolg Interessierten mitgetragen werden.

Um einen optimalen Effekt zu erzielen und unsere Unterstützung bestmöglich in die jeweilige Reformbewegung zu integrieren, ist eine gegenseitige Abstimmung notwendig. Von isolierten und punktuellen Einzelaktionen ist abzusehen. Dies bedeutet, dass unsere Projekte sowohl auf schweizerischer, als auch internationaler Ebene in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden. Wie dies praktisch aussieht, ist im Kapitel über Rahmen und Form der vorgesehenen Massnahmen (Ziff. 211) ausgeführt. Wir werden dafür besorgt sein, dass die Massnahmen nach der Sicherstellung der Koordination rasch und unbürokratisch eingesetzt werden.

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Besonderer Teil

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Die vorgesehenen Massnahmen

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Rahmen und Form

Den eben dargestellten Grundsätzen schweizerischer Unterstützung wird momentan die Lage in Polen und Ungarn gerecht. Bis zu einem gewissen Grade gilt dies auch für die Sowjetunion, die indes weniger auf direkte westliche Wirtschaftshilfe grösseren Umfangs angewiesen ist, da sie über umfangreiche eigene Ressourcen verfügt. Die von uns vorgeschlagenen Massnahmen sind denn auch schwergewichtig auf Polen und Ungarn zugeschnitten. Dies indes unter zwei Vorbehalten. Einmal sind die Entwicklungen in Osteuropa derart im Fluss, dass eine heute gültige Gewichtung bereits morgen überholt sein kann. Dementsprechend behalten wir uns vor, die Empfänger und Partner schweizerischer Massnahmen im Zeitpunkt konkreter Hilfeerteilung im Lichte der erwähnten Grundsätze zu überprüfen. Weiter gibt es Bereiche - zu denken ist etwa an die Sicherheitspolitik und die kulturellen Beziehungen, gegebenenfalls aber auch an konkrete Projekte in den Bereichen Ausbildung und Umwelt - wo schweizerische Massnahmen zugunsten sorgfältig ausgewählter Empfänger punktuell dort sinnvoll erscheinen könnten, wo das nationale Umfeld, speziell der staatliche Reformwille, nicht allen erwähnten Kriterien gerecht wird.

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Mit Blick auf den ersten dieser beiden Vorbehalte, zugleich aber auch unter Hinweis auf die internationale Koordination von Unterstützungsmassnahmen zugunsten von Osteuropa, möchten wir den vorläufigen Charakter der im folgenden vorgeschlagenen Massnahmen unterstreichen. Gerade im Bereich der Wirtschaftshilfe zugunsten von Polen und Ungarn sind, in der Folge breit angelegter, internationaler Aktionen ausgelöste, zusätzliche Massnahmen der Schweiz durchaus denkbar. Konkret denken wir an Aktionen mit Bezug auf Umschuldung, Währungshilfe und gegebenenfalls weitere Finanzhilfe. Teilweise bestehen hier entsprechende Rechtsgrundlagen. Sollten sie aber im konkreten Fall nicht ausreichen, so werden wir uns vorbehalten, weitergehende Kompetenz von Ihnen einzuholen.

In diesen Zusammenhang gehört schliesslich ein Wort zu Jugoslawien. Dieses der Schweiz in verschiedenen Fora traditionell verbundene Land sieht sich momentan einer gravierenden wirtschaftlichen und politischen Krise gegenüber.

Mit Blick auf die von Polen und Ungarn sehr verschiedene Entwicklung in Jugoslawien sowie auf das zumindest bisher unterschiedliche Verhältnis der Schweiz zu Osteuropa einerseits und Jugoslawien andererseits, klammern wir die entsprechende Problematik in dieser Botschaft bewusst aus. Dies bedeutet aber nicht, dass sich die Schweiz gegenüber Jugoslawien indifferent verhalten würde. Diskussionen über allfällige Unterstützungsmassnahmen an denen sich auch die Schweiz beteiligen könnte, sind im Gange, namentlich im Schosse der EFTA.

Was die Form unserer verstärkten Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten anbelangt, so werden wir bestrebt sein, sowohl auf bilateraler wie multilateraler Ebene entsprechende Akzente zu setzen. Im Bereich von allgemeiner Politik und speziell Sicherheitspolitik stehen neben bilateralen Kontakten die KSZE (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), der Europarat sowie die von der Schweiz angeregte Zusammenarbeit zwischen den europäischen Neutralen im Vordergrund ; wir gehen darauf vertieft im folgenden Kapitel (Ziff. 212) ein.

Für die gegenseitige Information über die von den einzelnen westlichen Industriestaaten ins Auge gefassten konkreten Massnahmen und Projekte, speziell zu Gunsten von Polen und Ungarn, und gegebenenfalls für die Koordination einzelner Aspekte davon, wurde im
vergangenen Sommer die sogenannte Gruppe der 24 (kurz: die 24) geschaffen. Das Sekretariat dieses losen Zusammenschlusses der interessierten westlichen Geberländer wurde der Kommission der Europäischen Gemeinschaft übertragen, welche neben den bilateralen Massnahmen der EG-Mitglieder in eigener Regie ein substantielles Paket von Massnahmen vorgelegt hat. Die Schweiz nimmt an der von uns ausdrücklich begrüssten Zusammenarbeit der 24 aktiv teil.

In den beiden hier relevanten Wirtschaftsgremien, denen die Schweiz als Mitglied angehört, werden wir uns, im angemessenen Rahmen und wo angezeigt, um eine Betonung der ostpolitischen Dimension bemühen. In der OECD werden wir dies tun, ohne damit in irgend einer Weise die Prioritäten der Organisation, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen ihren ausschliesslich westlich-marktwirtschaftlichen Ländern, in Frage zu stellen. Die OECD gewährt 155

keine Finanzhilfe, hat aber eine reiche Erfahrung auf dem Gebiet der Wirtschaftsanalyse und der ökonomischen Beratung. Ihr Sekretariat ist von Polen und Ungarn bereits entsprechend angefragt worden.

Im Schosse der EFTA wird zu prüfen sein, ob sich nicht die Möglichkeit bietet, auf handelspolitischem Gebiet, gegebenenfalls auch im weiteren wirtschaftsund finanzpolitischen Umfeld, gemeinsam Massnahmen zugunsten osteuropäischer Länder zu ergreifen; dies unter Berücksichtigung allfälliger Vorkehrungen der Europäischen Gemeinschaft. Das Anliegen, einzelne osteuropäische Staaten zwecks Annäherung an den Westen in ein institutionelles Nahverhältnis mit der EFTA zu bringen, wird aufmerksam zu prüfen sein; indes ist hier auf die nach wie vor bestehenden, fundamentalen Unterschiede in den wirtschaftlichen und politischen Systemen hinzuweisen.

Jenseits etablierter Strukturen wird der Bundesrat schliesslich, wo immer sich dies als nützlich erweist, verstärkte Kontakte, Gedankenaustausche und eine intensivere Kooperation auf subregionaler Ebene aufnehmen. Kontakte, welche zu bestimmten Sachbereichen jeweils einzelne interessierte Neutrale sowie Staaten der NATO und des Warschauer Vertrages versammeln, tragen zur Überwindung traditionellen Blockdenkens bei.

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Politik und Sicherheitspolitik

Auf bilateraler, politischer Ebene wird der Bundesrat den Dialog und die Beziehungen zu reformwilligen Ländern Osteuropas auf verschiedenen Ebenen intensivieren. Die Reihe von Besuchen, die mit der Reise von Bundesrat Felber nach Warschau und Bundesrat Villiger nach Moskau eingeleitet worden ist, wird fortgesetzt werden.

Die KSZE, die als einziges politisches Forum 35 Teilnehmerstaaten Ost- und Westeuropas sowie Nordamerikas als gleichberechtigte souveräne Partner vereinigt, hat sich als nützliches Instrument erwiesen. Auf den Gebieten der Sicherheit, der Wirtschaft und der menschlichen Kontakte ist es ihr gelungen, ein Gerippe von Grundsätzen zu erarbeiten, die, weiterentwickelt, gewissermassen einen Kodex für das Zusammenleben auf dem Kontinent bilden können. Sie wird auch weiterhin ein geeignetes Forum sein, um multilateral Minimalstandards im Innern und nach aussen festzulegen; wir werden auch zukünftig im Bereich der vertrauensbildenden Massnahmen einschliesslich der Verifikation - nicht nur für den militärischen Bereich sondern auch im Bereich der Menschenrechte besonders aktiv sein. Was die Form der Verhandlungen betrifft, wird die Rolle der Neutralen und Nichtpaktgebundenen (N + N) angesichts der Entspannung im Ost-West-Verhältnis nicht mehr dieselbe sein können. War die Schweiz bisher schwergewichtig über die N + N-Gruppe aktiv, so werden wir künftig auch andere geeignete Wege suchen, um den KSZE-Prozess voranzubringen. Vorstellbar wäre, vermehrt auch Initiativen von blockübergreifenden Staatengruppen zu unterbreiten.

Was die praktische Ausgestaltung von blockübergreifenden Initiativen vorab auf wirtschaftlichem Gebiet angeht, eignet sich hiezu die Europäische Wirtschaftskommission der UNO (ECE). Die ECE stellt ein stabilisierendes Ele156

ment in den Ost/West-Beziehungen dar, indem sie als permanentes intergouvernementales Forum für die Behandlung von sehr unterschiedlichen Anliegen zur Verfügung steht. Ihre Tätigkeit konzentriert sich gegenwärtig auf Fragen, welche Gegenstand von Korb II (Wirtschaft) des KSZE-Prozesses bilden.

Der Europarat ist für seine Mitglieder, damit auch die Schweiz, ein geeignetes Forum, urri grundlegende Werte wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratieverständnis zu fördern und um in gemeinsam interessierenden Bereichen, beispielsweise durch Rechtsharmonisierung zusammenzuarbeiten. Wir unterstützen die Anstrengungen reformwilliger osteuropäischer Staaten, sich dem Europarat auf der Grundlage von dessen Werten anzunähern. Wir werden uns dementsprechend für eine Öffnung und einen Ausbau der Zusammenarbeit gegenüber solchen Ländern einsetzend Deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Eüroparat wird wichtiger Anhaltspunkt sein bei der Prüfung anderer Kooperationsformen, beispielsweise im wirtschaftlichen Gebiet. Staatspräsident Gorbatschow hat in seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats angeregt, Gesetze und Gerichtspraxis der einzelnen Länder Westund Osteuropas auf dem Gebiet der Menschenrechte zu vergleichen und die Möglichkeiten zu:prüfen, universell anerkannte und angewandte Regeln herauszuarbeiten. Die Schweiz könnte auf diesem Gebiet einen intellektuellen, aber auch einen aus dem Rahmenkredit zu finanzierenden, infrastrukturellen Beitrag leisten, damit diese Aufgabe systematisch und in Übereinstimmung unserer Auffassung der Menschenrechte an die Hand genommen werden kann. Der Einschluss von Staaten Osteuropas in die Darlehenstätigkeit des Fonds für Sozialentwicklung des Europarates (ehemaliger Fonds für Wiedereingliederung) erscheint mittelfristig denkbar. Voraussetzung wäre eine Assoziierung der Empfängerländer an den Fonds sowie eine Aufstockung der verschiedenen Ressourcen durch seine Mitglieder.

Die neuerdings von der Schweiz aktivierte Zusammenarbeit der neutralen Staaten erfasst auch die Beziehungen zu Osteuropa und die Überwindung der europäischen Teilung. Eine Vertiefung der Zusammenarbeit der neutralen Staaten mit Bezug lauf Osteuropa kann, je nach Sachlage, sowohl im Sinne einer «Arbeitsteilung» erfolgen als auch in Form konzertierten Aktivitäten.
Schliesslich wird der Dialog mit Osteuropa auch die Sicherheitspolitik mit einbeziehen müssen, gerade in Anbetracht des beschleunigten Wandels und möglicher destabilisierender Tendenzen.

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Kultur und Wissenschaft

Im Kulturbereich ist von einer breiten Definition auszugehen, die nicht nur die klassischen künstlerischen Bereiche wie Theater und Tanz, Musik, Literatur, bildende Kunst, Filme usw. umfasst, sondern die Bedingungen, Strukturen und Verhaltensweisen des täglichen Lebens miteinbezieht. In diesem Sinne eröffnet sich der Schweiz ein weites Tätigkeitsfeld, im Sinne eines Dialoges, der verstärkten Darstellung unserer politischen Kultur und der Pflege des gemeinsamen europäischen kulturellen Erbes. Dies stellt auch für das schweizerische Kulturleben eine Bereicherung dar. Dazu kommt, dass Kulturbeziehungen oft 157

eine erste Gelegenheit bieten, um Kontakte auch auf anderen Gebieten zu knüpfen.

Um die von uns geplante Intensivierung der kulturellen Beziehungen mit den osteuropäischen Ländern zu realisieren, beabsichtigen wir, die Kontakte auf Stufe der Regierungen zu verstärken. In der Regel möchten wir auch weiterhin auf den Abschluss eigentlicher Kulturabkommen verzichten, Ausnahmen könnten punktuell angebracht sein zur Lösung spezifischer Probleme wie beispielsweise zur Erleichterung der Arbeitsbedingungen für schweizerische Kulturschaffende in diesen Ländern. Zu den konkreten Massnahmen, die wir anstreben, gehören die Einrichtung kleiner, dezentraler Dokumentations- und Begegnungszentren an einzelnen Orten in Osteuropa, die den Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung und deren Verständnis für unsere Kultur, einschliesslich unserer politischen Kultur, mehren sollen. Wir möchten weiter den oft mit Vortragstätigkeit verbundenen Austausch von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens intensivieren. Schliesslich liegt uns daran, die Entfaltungsmöglichkeiten von Kulturschaffenden in beiden Richtungen zu erleichtern und zu verstärken.

Zur Verwirklichung dieser Massnahmen, wofür wir einen Teil des beantragten Rahmenkredits vorgesehen haben, ist eine enge Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Helvetia angezeigt.

Was den wissenschaftlichen Austausch betrifft, so stellen wir ein grosses Bedürfnis der osteuropäischen Staaten zur Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Industriestaaten fest. Dies manifestiert sich in zahlreichen europäischen Institutionen. Die Kontakte unter Wissenschaftlern sollten deshalb gefördert werden, wobei jedoch technologisch sensible Bereiche von dieser Zusammenarbeit auszunehmen sind. Als ein geeignetes multilaterales Instrument könnte sich dazu die COST (Coopération européenne dans le domaine scientifique et technique) anbieten, der bereits 19 europäische Länder (insbesondere die EG- und fast alle EFTA-Länder) angehören. Die bereits erfolgte Öffnung der COST für die ad hoc-Zusammenarbeit mit Instituten aus osteuropäischen Ländern stellt denn auch einen wichtigen Durchbruch dar. Die Schweiz beabsichtigt sich dafür einzusetzen, dass die COST vermehrt in den Dienst der Zusammenarbeit mit Instituten aus osteuropäischen Staaten gestellt wird. Wichtig ist aber auch, dass auf bilateraler Ebene
die Möglichkeit einer verstärkten wissenschaftlichen Zusammenarbeit geschaffen wird. Dabei dürfte sich der Abschluss bilateraler Rahmenabkommen empfehlen, wie sie teilweise bereits mit Ländern ausschliesslich staatlicher Forschungsstruktur bestehen. Diese Rahmenabkommen bezwecken die Förderung der direkten Kontakte zwischen Forschern und wissenschaftlichen Institutionen. Allerdings sind die wissenschaftlichen Beziehungen mit Osteuropa sehr personalaufwendig und zur Zeit haben unsere Universitäten gewisse Probleme, ihre wissenschaftlichen Beziehungen mit den osteuropäischen Ländern voll auszunutzen.

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Technische Unterstützung

Es scheint uns unerlässlich, über ein Instrument zu verfügen, das geeignet ist, in jedem reformwilligen Land ganz gezielt einzelne für den Reformprozess zen158

traie Massnahmen zu unterstützen. Wir sehen daher vor, im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur und in den für die Besserstellung der breiten Bevölkerung zentralen Bereichen technische Unterstützung zu leisten.

Unter technischer Unterstützung verstehen wir das Zurverfügungstellen von qualifiziertem Personal, das wissenschaftliche und technische Kenntnisse oder praktisches Know-how vermittelt, ausbildet und bei der Planung und Durchführung ganz, bestimmter Aufgaben mitwirken soll.

Die Vermittlung von technischem Wissen ist oft mit der Verwendung neuer Ausrüstungsgüter verknüpft, welche vom Bund auch geschenkweise zu Verfügung gestellt werden können. Das Empfängerland seinerseits verpflichtet sich zur langfristigen Finanzierung der laufenden lokalen Kosten solcher Vorhaben.

Die im folgenden ausgeführten Bereiche enthalten mögliche Beispiele einer solchen Unterstützung.

214.1

Ausbildung

Dem Ausbildungsbereich kommt im Rahmen schweizerischer Unterstützungsmassnahmen grosse Bedeutung zu. Der Übergang von einer zentral gelenkten Planwirtschaft zu einer vermehrt nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeitenden Volkswirtschaft setzt auf allen Unternehmensstufen ein geändertes Verhalten voraus. Kamen die für die Führung eines Unternehmens entscheidenden Signale bis anhin vom zentralen Führungsorgan, gilt es nun, sich diese Informationen vom Markt zu beschaffen. Auch die Wettbewerbssituation dürfte sich für die einzelnen Unternehmen grundlegend ändernd Lieferanten und Kunden werden nicht mehr zentral zugeteilt, sondern müssen in einer Wettbewerbssituation ausgewählt und erarbeitet werden. All dies setzt Kenntnisse voraus, welche heute in diesen Ländern nicht in ausreichendem Masse vorhanden sind.

Hier verfügt die Schweiz über entsprechende Erfahrung, sei es nun in der universitären Ausbildung verschiedenster Fachrichtungen, in diversen spezialisierten Ausbildungsinstitutionen, in den zahlreichen höheren Berufsschulen oder in der innerbetrieblichen Ausbildung im Sinne des «on-the-job-training». Gleichzeitig profitiert auch die Schweiz von solchen Unterstützungsmassnahmen in Osteuropa: Kontakte werden geknüpft, gegenseitiges Kennenlernen wird ermöglicht sowie künftige Zusammenarbeit in allen Bereichen gefördert und erleichtert.

Konkrete Anfragen im Ausbildungsbereich liegen vor. Erste Kontakte mit schweizerischen Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, Universitäten und Ausbildungsinstitutionen haben gezeigt, dass eine grosse Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten vorhanden ist. Das Schwergewicht soll dabei' nicht auf eine akademische Ausbildung für die obersten Führungskräfte gelegt werden, sondern auf ein möglichst pragmatisches, problembezogenes Vorgehen, das primär auf die Ausbildung von Ausbildnern und auf die mittlere und untere Führungsebene ausgerichtet sein soll.

Vom Vorgehen her ist ausgeschlossen, dass der Bund selber Ausbildungsprojekte realisiert. Vielmehr geht es darum, interessierte Kreise der schweizerischen Volkswirtschaft und im Ausbildungswesen mit möglichst gleichwertigen Part159

nern aus osteuropäischen Ländern in Kontakt zu bringen. Die Realisierung der Projekte soll von diesen Stellen übernommen werden und so dem Grundsatz von der «Hilfe zur Selbsthilfe» gerecht werden. Um den ganzen Prozess in Gang zu bringen, erscheint eine beschränkte finanzielle Beteiligung des Bundes angezeigt.

, Was die Auswahl der verschiedenen Ausbildungsprojekte anbelangt wurde mit den erwähnten interessierten Kreisen bereits eine Palette von praxisorientierten Pilotprojekten zusammengestellt, die unterschiedliche Branchen und Sachgebiete abdeckt, wie die Maschinenindustrie, den Bankensektor, die chemische Industrie, den Tourismusbereich, Führungsprobleme genossenschaftlicher Betriebe, Rechnungswesen, Ausbildungskurse für Jungunternehmer zur Gründung von Betrieben sowie Sprachausbildung. Als Ausbildungsorte kommen sowohl die Schweiz als auch die Länder Osteuropas in Frage; einzelne Projekte sind in Ausbildungsblöcke unterteilt, welche zuerst vor Ort in Osteuropa stattfinden und mit einem illustrierenden Teil in der Schweiz abschliessen. Mit den für die Pilotphase ausgewählten Ländern, Polen, Ungarn und eventuell der Sowjetunion, wird zur Zeit abgeklärt, welche Projekte den Ausbildungsbedürfnissen dieser Länder am besten entsprechen. Der Evaluation dieser Pilotprojekte kommt grosse Bedeutung zu, sie soll längerfristig eine klare und sorgfältige Bedarfsermittlung in den verschiedenen Ausbildungsfeldern ermöglichen.

Für Weiterbildung ganz allgemein wird die Möglichkeit zu einem Einsatz von Praktikanten in der Schweiz geschaffen. Ziel dieser Massnahme ist ein auf maximal vier Monate begrenzter Einsatz in Betrieben verschiedener Branchen, vor allem der Industrie und der Dienstleistung. Dies würde es jüngeren Arbeitskräften und Personen in Ausbildung gestatten, in Schweizer Betrieben wirtschaftliche Erfahrungen und Impulse zu sammeln, um unternehmerisches Verhalten und ökonomisches Denken zu fördern und dieses in den Herkunftsländern umsetzen zu können.

Aus arbeitsmarktlicher Sicht lässt sich eine solche Massnahme vertreten. Die kantonalen Arbeitsmarktbehörden müssten die ordentlichen Voraussetzungen (Art. 13 Bst. d der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer; SR 823.21) zu einer Erwerbstätigkeit prüfen und ihre Zustimmung erteilen, bevor die kantonale Fremdenpolizei
eine entsprechende Bewilligung auf Ersuchen des Betriebes ausstellen kann. Da diese auf längstens vier Monate pro Jahr befristet ist, wird der Aufenthalt bewilligungs- und meldepflichtig, jedoch nicht kontingentspflichtig.

Schliesslich verfügt die Schweiz über beträchtliches Know-how in den Bereichen Arbeitsrecht und Arbeitsorganisation. Entsprechend sehen wir vor, via Internationales Arbeitsamt (ILO, BIT) Projekte vorzuschlagen mit Bezug beispielsweise auf Personalplanung, Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz.

214.2

Umweltschutz

Mit Massnahmen zum Umweltschutz lassen sich die Lebensbedingungen für den einzelnen Menschen unmittelbar verbessern. Dies haben auch die Verant160

wortlicheniin den osteuropäischen Ländern erkannt; sie sind sich der Notwendigkeit von energischen Massnahmen zur Behebung und Verminderung der zum Teil katastrophalen Gefährdung und Zerstörung von Natur und Umwelt bewusst. Vertreter dieser Staaten weisen jedoch immer wieder darauf hin, dass ihnen sowohl das Know-how zur Reduzierung und Verhinderung von Schäden an Luft, Wasser, Boden und Ökosystemen wie auch die nötigen Mittel zur Realisierung der erforderlichen Massnahmen fehlen.

Der Schweiz bieten sich verschiedene Möglichkeiten an zur Intensivierung der multilateralen und bilateralen Zusammenarbeit mit Staaten Osteuropas. Polen liess uns wissen, dass es die Zusammenarbeit mit der Schweiz unter anderem bei der Kontrolle der Luftverschmutzung, bei der Abfallentsorgung, beim Gewässerschutz und der Abwasserreinigung, beim Bodenschutz und bei der Überwachung von Bodenentwicklungen sucht. Ungarn ist an der Zusammenarbeit mit der Schweiz namentlich beim Ausbau von nationalen Überwachungssystemen nach dem Muster unseres nationalen Bodenüberwachungsnetzes NABO und unseres nationalen Beobachtungsnetzes für Luftschadstoffe NABEL interessiert. Weiter haben diese beiden Länder im Rahmen genereller Wunschkataloge an alle Mitglieder der 24 eine Reihe von Umweltschutzmassnahmen aufgezählt, für deren Realisierung sie westliche Hilfe wünschen.

Unsere Unterstützung wird sich auf jene Sektoren konzentrieren müssen, wo die Schweiz über weitentwickelte Kenntnisse verfügt und wo die technischen Voraussetzungen in Osteuropa keine aufwendige Anpassung notwendig machen.

Entsprechend sehen wir Projekte vor in den Bereichen Abfallverbrennung, Aufbereitung von Schlamm und Industrieabwässer, Messung und Überwachung der Umwelt und von Umweltschutzmassnahmen sowie schliesslich Projekte zur Verbesserung industrieller Fertigungsprozesse im Sinne einer Verminderung dabei anfallender Abfälle.

Zusammen mit der Industrie sind im Sinne von Pilotprojekten zwei Veranstaltungen über den betrieblichen Umweltschutz sowie Umwelttechnologie geplant.

Sie sind primär darauf ausgerichtet, mit diesen Ländern in einen eigentlichen Dialog über die Umweltpolitik einzutreten und ihre dringendsteh Bedürfnisse zu erfassen. Dies soll uns ermöglichen, in einer zweiten Phase ihre Bemühungen sowohl auf der Ebene der Politikformulierung als auch der
Realisierung konkreter Projekte effizient zu unterstützen.

Längerfristig sehen wir Massnahmen in den erwähnten Sektoren vor in der Form von: - Erfahrungsaustausch und Ausbildung, - Ingenieurleistungen zur Identifikation von Umweltbelastungen, sowie von Massnahmen zu deren Verminderung oder Beseitigung, - Erleichterung des Erwerbs von Ausrüstungen, Förderung von Joint-Ventures und Investitionen zur lokalen Produktion der erforderlichen Ausrüstungen.

Wie im Bereich Ausbildung kommt einer engen Zusammenarbeit zwischen Bund und interessieren Institutionen der Privatwirtschaft für die Planung und Koordination der weiteren Massnahmen eine Schlüsselrolle zu. Durch ein Vorgehen, das auf die Lösung der Probleme auf Stufe einzelner Betriebe und Selbstverwaltungs-Körperschaften ausgerichtet ist, kann der Reformprozess zu161

sätzlich unterstützt werden. Gerade im Umweltbereich kommt jedoch dem Dialog auf Stufe der Regierungen ebenfalls Bedeutung zu, weshalb der Abschluss bilateraler Abkommen sinnvoll sein kann. Ein typisches Anwendungsbeispiel ist das zwischen der Sowjetunion und der Schweiz abgeschlossene, am 24. November 1989 in Bern unterzeichnete Rahmenabkommen. Es sieht eine verstärkte Zusammenarbeit und einen intensiveren Informations- und Erfahrungsaustausch im Bereich des Umweltschutzes vor. Ähnliche Abkommen mit Tölen und Ungarn werden in Aussicht genommen.

Der Schweiz bieten sich schliesslich verschiedene Möglichkeiten an zur Intensivierung auch der multilateralen Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas.

So werden beispielsweise im Rahme|n des Internationalen Registers des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen für potentiell gefährliche Chemikalien und des Sekretariates der Basler Konvention über Sonderabfälle Programmpakete entwickelt, die es diesen Organen ermöglichen werden, auf Gesuche um technische Unterstützung in diesen Bereichen rasch und effizient einzugehen.

214.3

Lebensmittelversorgung

Nahrungsmittelhilfe, auf die wir im Rahmen von Ziffer 216 eingehen, ist Sofortmassnahme zur Milderung unmittelbarer Engpässe. Massnahmen zur Korrektur der tieferliegenden Ursachen solcher Versorgungsschwierigkeiten, insbesondere mit Bezug auf die Verteilungskanäle von Nahrungsmitteln, sind unerlässlich.

Die langen schweizerischen Erfahrungen mit Kooperativen legen entsprechende Projekte nahe, mit Bezug entweder auf Versorgung in einzelnen Sektoren oder auf Verteilung in einzelnen Regionen, beispielsweise Berggebieten.

Im November 1989 nimmt eine schweizerische Sachverständigermission in Polen Abklärungen vor und arbeitet entsprechende Vorschläge aus. Mit Blick auf die Dringlichkeit dieses Vorhabens wurden die Kosten dieser Abklärungen, 100000 Franken, aus einem ersten Paket von 5 Millionen Franken für Nahrungsmittelhilfe finanziert (s. Ziff. 216).

Die Finanzierung aller weiterer Massnahmen im vorliegenden Bereich fällt unter den vorliegenden Rahmenkredit. Was Form und Art ihrer Durchführung anbelangt, gelten sinngemäss die entsprechenden Ausführungen im Kapitel über Umweltschutz.

215

Wirtschaft

Das Gelingen des gesamten Reformprozesses in den osteuropäischen Ländern wird entscheidend von der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung in diesen Ländern abhängen. Die mittel- bis längerfristige Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung setzt jedoch umfassende Restmkturierungs- und Anpassungsmassnahmen voraus, die Zeit erfordern und in der Übergangsphase unvermeidbare soziale Härten mit sich bringen werden. Die sozialen Kosten können mit Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft gemildert werden. Die Unterstützung kann aber nur dann Früchte tragen, wenn von den 162

Empfängern das erforderliche Umfeld geschaffen wird. Andernfalls birgt die Hilfe von aussen die Gefahr einer Verschleppung tatsächlicher Reformmassnahmen in sich. Der Einsatz der nachstehend erwähnten wirtschaftlichen Massnahmen im Bereich der Investitionen, der Finanzen und des Handels sind in diesen Gesamtzusammenhang zu stellen. Ebenso wird Einsatz und Form der wirtschaftlichen Massnahmen unter dem Aspekt der internationalen Zusammenarbeit und Lastenverteilung zu beurteilen sein.

215.1

Investitionsförderung

Ausländische Direktinvestitionen, allenfalls auch verbunden mit Schuldenumwandlungen können einen wichtigen Beitrag zur Rehabilitation der osteuropäischen Wirtschaften leisten. Neben dem Kapitalzufluss werden gleichzeitig technisches Know-how und unternehmerische Kenntnisse vermittelt. Oft ist damit auch der Zugang zu Exportmärkten yerbunden. Das Interesse osteuropäischer Staaten an Direktinvestitionen ist entsprechend in letzter Zeit stark gestiegen.

Direktinvestitionen werden aber nur getätigt, wenn das wirtschaftliche Umfeld einen Anreiz zu vermitteln vermag und die Rechtssicherheit gewährleistet ist.

Bis anhin war das Interesse der potentiellen Investoren eher beschränkt. Selbst in jenen Staaten Osteuropas, welche verhältnismässig liberale Investitionsgesetze kennen und unter anderem auch Mehrheitsbeteiligungen zulassen, konnte bislang kein echter Durchbruch erzielt werden. Die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen müssen sich aufgrund der Reformmassnahmen weiter verbessern.

Die Möglichkeit von Seiten des Staates, Direktinvestitionen in den osteuropäischen Staaten anzuregen, beschränkt sich auf flankierende Massnahmen. Solche bestehen beispielsweise in den mit verschiedenen osteuropäischen Ländern ausgehandelten Irivestitionsschutzabkommen, welche, wie die Erfahrung zeigt, Investitionsentscheide durchaus positiv zu beeinflussen vermögen. Sie tragen zur Klärung und Verbesserung der Rechtsstellung des Investors bei. Der Wille zur Unterzeichnung solcher Abkommen weist zudem darauf hin, dass die betreffenden Staaten bereit sind, ausländischen Investoren befriedigende Bedingungen zu gewähren. Auch wird das Risiko, dass ein Vertragsstaat akzeptable Investitionsbedingungen im Nachhinein verschlechtert, beträchtlich herabgesetzt. Mit Ungarn ist ein Investitionsschutzabkommen bereits in Kraft, mit Polen sind die Verhandlungen abgeschlossen, mit Bulgarien und der Sowjetunion dauern sie noch an. Demnächst wird auch mit der Tschechoslowakei eine Verhandlungsrunde beginnen.

Das Instrument der Investitionsrisikogarantie (IRG) kann ebenfalls zur Erleichterung von Investitionen beitragen. Mit dem Bundesgesetz vom 20. März 1970 über die Investitionsrisikogarantie (SR 977.0) und dem dazugehörenden Bundesbeschluss vom 9. Oktober 1970 (SR 977.07) betreffend die Gesamtverpflichtung im Rahmen der IRG
wurde der Bund ermächtigt, die Vornahme von Investitionen im Ausland durch Garantien gegen besondere Risiken zu erleichtern.

In der Botschaft vom 10. September 1969 betreffend ein Bundesgesetz über die IRG wurde ausgeführt, dass die Garantiegewährung grundsätzlich auf Entwick163

lungsländer beschränkt werden solle, jedoch auch auf Investitionen in zurückgebliebenen Regionen relativ entwickelter Länder ausgedehnt werden könne.

Die IRG ist deshalb auch Investoren in Osteuropa zugänglich, wobei die zu garantierenden Risiken mit dem im Gesetz festgelegten Eigenwirtschaftlichkeitsgrundsatz vereinbar bleiben müssen.

Das Instrument der 1988 gegründeten Multilateralen Investitionsrisikoagentur (MIGA) verfolgt die gleichen Ziele wie die IRG, wobei der Versicherungsschutz umfassender ist. Wie die Schweiz sind auch Polen und Ungarn Vertragsparteien der MIGA. Schweizerische Investoren steht deshalb grundsätzlich für die Absicherung ihrer Investitionen der Weg über die MIGA offen.

Auch der Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen ist geeignet, den gegenseitigen Wirtschaftsverkehr und das Investitionsklima zu fördern. Im Gegensatz zu den von der Schweiz üblicherweise abgeschlossenen umfassenden Doppelbesteuerungsabkommen beschränken sich entsprechende Vereinbarungen mit osteuropäischen Ländern in der Regel auf Steuerfragen, die von beiderseitiger Bedeutung sind. Mit Ungarn und der Sowjetunion sind bereits Doppelbesteuerungsabkommen in Kraft, mit Bulgarien und Polen werden demnächst Gespräche geführt.

Schliesslich besteht die Möglichkeit, Neuinvestitionen mit Schuldenumwandlungen zu verbinden (debt equity swaps). Voraussetzung ist neben dem Interesse des Schuldnerlandes, dass sich Angebot und Nachfrage mit Bezug auf Kauf und Verkauf von kommerziellen Guthaben und Exportkreditguthaben zur Dekkung bringen lassen.

Neben diesen generellen Instrumenten, welche die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessern können, schlagen wir zusätzliche konkrete Massnahmen zur Investitionsförderung vor. Diese sollen dazu dienen, die Bedingungen für Investitionen weiter zu verbessern. So bedarf eine Investition vorgängig umfangreicher Kontakte, Abklärungen und Wirtschaftlichkeitsstudien. Vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen, welche in der Schweiz zahlenmässig sehr stark vertreten sind, fehlen oft die dazu notwendigen personellen und finanziellen Mittel. Es erweist sich deshalb als zweckmässig, eine Möglichkeit zu eröffnen, um Unternehmen und Organisationen aus osteuropäischen Ländern, bei der Suche nach Investitions- und Zusammenarbeitspartnern behilflich zu sein und einen finanziellen
Beitrag als Zuschuss oder Darlehen an die Investitionspartner auszurichten. Dieses Instrument der Investitionsförderung wird heute für Entwicklungsländer bereits eingesetzt.

215.2

Finanzhilfe

Polen werden seit Jahren Rückzahlungserleichterungen gewährt, die im Rahmen des Pariser Clubs international ausgehandelt werden. Die mit Polen umgeschuldeten Guthaben der schweizerischen Exportrisikogarantie (ERG) betrugen Ende 1988 335 Millionen Franken. Von den gesamten Zahlungsrückständen (Kapital und Zins) von über einem Jahr im Rahmen der ERG, die rund 130 Millionen Franken betragen, entfallen 80 Millionen Franken allein auf Polen.

Die Umschuldungsabkommen mit den offiziellen Gläubigern werden von Po164

len, im Gegensatz zu jenen mit den Banken, seit rund zwei Jahren nicht mehr eingehalten. Eine umfassende Neustrukturierung der polnischen Schulden ist im Pariser Club nach Abschluss eines Abkommens des Landes mit dem Währungsfonds vorgesehen.

Neben den Erleichterungen an der Schuldenfront besteht zur Anpassung der Wirtschaft ein Bedürfnis an zusätzlichen neuen Finanzmitteln. Da die Risiken jedoch sehr hoch sind, findet eine Kreditvergabe an Polen praktisch nicht mehr statt. So steht auch die schweizerische Exportrisikogarantie seit Jahren für dieses Land nicht mehr zur Verfügung. International werden zurzeit verschiedene Initiativen diskutiert; das Resultat dieser Beratungen wird gegebenenfalls Auswirkungen haben auf die Form unserer finanziellen Unterstützung an Polen. Im Moment stehen indes noch finanzielle Unterstützungen in der Form kommerzieller, staatlich garantierter Exportkredite im Vordergrund.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sehen wir vor, im vorliegenden Rahmenkredit die Möglichkeit zu eröffnen, zugunsten von Polen einen Kredit mit Staatsgarantie vorzusehen. Dieser Kredit mit Laufzeiten von bis zu zehn Jahren setzt sich zusammen aus einem Bankenkredit und einem Garantierahmen des Bundes bis maximal 150 Millionen Franken, welcher die Rückzahlung des Kapitals und die Zahlung der laufenden Zinsen zu 90 Prozent absichert.

Ein solcher Kredit, obwohl zu kommerziellen Bedingung gewährt, enthält eine echte Unterstützungskomponente, indem die Garantie des Bundes einen Mittelzufluss erst möglich macht und aufgrund des vorgesehenen hohen Deckungssatzes die Risikoprämien (Zinssatz und Versicherungsprämie) verringert.

Polen hat besondere Bedürfnisse zur Finanzierung von Gütern wie Ersatzteile, Rohstoff- und Vormaterialien, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse usw. Diese Geschäfte werden in der Regel zu kurzfristigen Bedingungen von 180 bis zu 360 Tagen über Handelskredite abgewickelt. Ein Teil des Kredites für Polen wäre deshalb mit kürzeren Laufzeiten auszustatten. Eine solche Handelsfazilität könnte Polen auf revolvierender Basis zur Verfügung stehen. Mit der Begleichung der Rechnung nach 180 Tagen oder 360 Tagen würde der ursprüngliche Betrag wieder zur Verfügung stehen. Damit wären Mittel für längere Zeit bereitgestellt, ohne dass sich das Garantievolumen erhöht.

Die gesamten
vorgesehenen Mittel stehen Polen zum Kauf schweizerischer Güter für die Verwirklichung prioritärer Projekte in allen Sektoren zur Verfügung.

Dabei geniessen Rehabilitationen von bestehenden Anlagen Priorität.

Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation des Landes ist nicht auszuschliessen, dass es notwendig werden wird, Polen konzessionelle Darlehensbedingungen zu gewähren. Wir sehen deshalb vor, dass innerhalb des erwähnten Rahmens von 150 Millionen Franken bis zu maximal 100 Millionen Franken entweder für zinsgünstige Darlehen mit längeren Rückzahlungsfristen oder für nichtrückzahlbare Zuschüsse verwendet werden können, wenn sich auf dieser Basis eine international konzertierte Aktion zugunsten Polens abzeichnen sollte. Sollte zudem in deren Rahmen die Vergabe von ungebundenen Mitteln (nicht an Güterlieferungen aus einem bestimmten Land gebunden) beschlossen werden, würden wir einen schweizerischen Anteil entsprechend ausstatten.

165

Obwohl seine Pro-Kopf-Verschuldung höher liegt als jene Polens, kommt Ungarn zur Zeit seinen finanziellen Verpflichtungen nach; ein Mittelzufluss auf kommerzieller Basis findet weiter statt. Ungarn hat entsprechend bislang keine staatlichen oder direkt vom Staat garantierten Kredite beansprucht.

Für Warenlieferungen in den Bereichen Umweltschutz und Lebensmittelversorgung sehen wir zusätzliche 40 Millionen Franken in Form von nichtrückzahlbaren Zuschüssen vor. Auf die Rahmenbedingungen und Empfänger dieser Hilfe sind wir in den entsprechenden Kapiteln (s. Ziff. 214.2 resp. 214.3) eingegangen.

215.3

Handelspolitik

Der wirtschaftliche Rückstand der osteuropäischen Länder zeigt sich auch in ihren Exporten nach dem Westen. Nur diejenigen Länder, die über Rohstoffe und eine starke Landwirtschaft verfügen, können gewisse Exporterfolge aufweisen. Im industriellen Sektor ist dagegen ihre Wettbewerbsfähigkeit eher beschränkt. Ein Abbau der Handelsschranken (Zölle und mengenmässige Beschränkungen) würde die Wettbewerbsfähigkeit etwas verbessern und könnte helfen, die Exporte zu steigern und zu diversifizieren. Eine Steigerung der Exporterlöse ist für eine Verbesserung der Wirtschaftslage unerlässlich.

Die Schweiz hat den Ostländern seit langem die Meistbegünstigung eingeräumt und dies auch in den bilateralen Handelsverträgen, die sie anfangs der siebziger Jahre abgeschlossen hat, vertraglich zugesichert. Die Ostländer kamen dadurch in den Genuss unseres liberalen Importregimes für Industrieprodukte, das im internationalen Vergleich äusserst niedrige Zollbelastungen auferlegt und keine mengenmässigen Beschränkungen vorsieht. Lediglich für Textilien wurden gegenüber einzelnen Ländern Massnahmen getroffen, die eine starke Zunahme unterpreisiger Importe verhindern sollen. Andere Länder wenden nicht nur für Textilien sondern auch für eine Reihe von weiteren Industrieprodukten mengenmässige Einfuhrbeschränkungen an.

Die westlichen Länder prüfen gegenwärtig, wie sie namentlich Polen und Ungarn durch die Erleichterung der Einfuhren helfen können. Unter anderem zeichnet sich die Gewährung von Zollvergünstigungen ab, wie sie etwa den Entwicklungsländern autonom in Form der allgemeinen Zollpräferenzen eingeräumt wurden.

Auch wir erwägen die Möglichkeit, einzelnen Ostländern im Zollbereich entgegenzukommen, um so mehr, als wir ja heute schon die für Entwicklungsländer bestimmten Zollpräferenzen auch Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien zugestehen. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen würden sich Polen und Ungarn als Präferenzempfänger qualifizieren. Im GATT, das die Zollpräferenzen als Abweichung von der Meistbegünstigung zu genehmigen hat, werden sie bis jetzt noch nicht als Entwicklungsländer eingestuft. Allfällige Zollermässigungen der Schweiz würden wir, gestützt auf den Zollpräferenzenbeschluss vom 9. Oktober 1981 (SR 632.91) nach der in diesem Beschluss vorgeschriebenen Anhörung der Zollexpertenkommission festsetzen und diese im halbjährlichen Bericht über zolltarifarische Massnahmen den Räten unterbreiten. Jedenfalls wäre die Mass166

nähme entsprechend der Befristung des Zollpräferenzenbeschlusses zeitlich zu begrenzen.

Weiter besteht die Möglichkeit, dass die schweizerische Zentrale für Handelsförderung die Informationsdienste, welche sie für Entwicklungsländer zur Anbahnung von Exporten nach der Schweiz aufgebaut hat, in geeigneter Weise auch osteuropäischen Ländern zugänglich macht. Die Zentrale ist für ihre Aufwendungen dafür aus dem Rahmenkredit zu entschädigen.

216

Humanitäre Hilfe

Humanitäre Hilfe umfasst die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Arzneimitteln und weiteren zur unmittelbaren Behebung von Versorgungsengpässen notwendigen Waren.

Der Bundesrat beschloss am 2. Oktober 1989 aufgrund eines Gesuchs der polnischen Regierung und als schweizerischer Beitrag an eine im Rahmen der 24 breit abgestützte Aktion internationaler Solidarität mit Polen als Sofortmassnahme Nahrungsmittelhilfe im Wert von 5 Millionen Franken zu gewähren, welche dem laufenden Rahmenkredit über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft belastet wurde. Nach Abklärung der dringendsten Bedürfnisse und Versorgungsengpässe, die zum Teil im Zusammenhang mit der Freigabe der Lebensmittelpreise besonders akut geworden waren, wurde folgende Hilfe geleistet. 2,9 Millionen Franken in Form von schweizerischen Milchprodukten (je zur Hälfte Säuglingsmilch und Emmentaler Käse), für 2 Millionen Franken Weizen aus Ungarn (rund 8000t). Durch den Kauf des Weizens zu Weltmarktpreisen in Ungarn zog auch dieses Land einen Nutzen aus der Hilfsaktion. Die Nahrungsmittel wurden der polnischen Regierung übergeben und zu Marktpreisen verkauft. Mit dem Verkaufserlös werden Projekte zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Verarbeits- und Vermarktungsstrukturen mitfinanziert. Während Weizen und Emmentaler Käse bereits im Oktober 1989 geliefert werden konnten, erfolgt der Versand des Säuglingsmilchpulvers über zwei bis drei Monate gestaffelt; die erforderliche Menge an Überschussmilch war im Oktober 1989 nicht vorhanden.

Weitere solche Aktionen, die in der Regel im Rahmen koordinierter NothilfeAktionen westlicher Industrieländer erfolgen, sind nicht auszuschliessen. Gegebenenfalls werden die zuständigen Stellen unter Berücksichtigung der besonderen Situation Osteuropas die Entscheide treffen.

Im Gegensatz zu allen anderen in dieser Botschaft, enthaltenen Massnahmen verfügen wir bereits über eine Rechtsgrundlage, auf welche sich die zugunsten Polens ausgerichtete Nahrungsmittelhilfe stützte. Entsprechend ist vorgesehen, die Mittel für zukünftige solche Beiträge ebenfalls dem laufenden Rahmenkredit über die Weiterführung der internationalen humanitären Hilfe der Eidgenossenschaft zu belasten.

167

22

Betrag und Verwendung des Rahmenkredites

Der beantragte Rahmenkredit von 250 Millionen Franken wird es uns ermöglichen, Verpflichtungen während einer Mindestdauer von drei Jahren einzugehen. Er soll ab dem Datum der Inkraftsetzung des entsprechenden Buhdesbeschlusses gelten.

Wohl sind schweizerische Unterstützungsmassnahmen zugunsten einzelner Länder grundsätzlich nichts Neues. Indes handelt es sich bei dieser Vorlage von der Begründung, den Adressaten und der Art der Massnahmen her um Aufgaben, die nur sehr bedingt mit jenen in anderen Bereichen, etwa der Entwicklungszusammenarbeit, wo Erfahrungswerte vorliegen, verglichen werden können. Entsprechend schwierig sind genaue Zuteilungen der benötigten Mittel. Vor diesem Hintergrund, der gegebenenfalls interne Verschiebungen notwendig machen wird, sieht die Verteilung der Mittel auf die von uns beschriebenen Kategorien von Massnahmen für die drei Jahre wie folgt aus : Mio. Fr.

Politik und Kultur Wissenschaft Ausbildung Umweltschutz Lebensmittelversorgung Investitionsförderung Finanzhilfe Handelspolitik Total

i L 30 j 30 (davon 20 Mio. Fr. für Güterliefemngen) 30 (davon 20 Mio. Fr. für Güterlieferungen) l L 160 J 250

In den Ausführungen zu den einzelnen Massnahmen haben wir dargelegt, dass deren Realisierung schwergewichtig ausserhalb der Bundesverwaltung geschehen wird. Entsprechende Aufwendungen sind im vorliegenden Kredit enthalten., Damit kann der zusätzliche Bedarf an Mitarbeitern in den entsprechend ihren Kompetenzen für die Durchführung der geplanten Massnahmen zuständigen Bundesstellen auf ein Minimum beschränkt werden. Zur Ermittlung, Überwachung und Evaluation einzelner Projekte sowie zur Gesamtkoordination unter der politischen Direktion des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten ist allerdings die Bereitstellung von zusätzlichen personellen Ressourcen innerhalb der Verwaltung unerlässlich, wobei wir nach Möglichkeit auf bestehendes Erfahrungspotential zurückgreifen werden.

3

Auswirkungen

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Finanzielle Auswirkungen

Die auf Grund des beantragten Rahmenkredites von 250 Millionen Franken eingegangenen Verpflichtungen werden Ausgaben erstmals zulasten der Rech168

nung 1990 zur Folge haben und sich über mehrere Jahre erstecken. Die Aufwendungen im Rahmen des Budget 1990 werden wir im für Nachtragskredite vorgesehenen Verfahren unterbreiten.

32

Personelle Auswirkungen

Für die dargelegten Massnahmen werden namentlich das Departement für auswärtige Angelegenheiten sowie das Bundesamt für Aussenwirtschaft einige zusätzliche Personaleinheiten benötigen.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1987-1991 nicht angekündigt. Will die Schweiz ihren Beitrag leisten im Rahmen der internationalen Aktionen zur Unterstützung der Reformmassnahmen in Osteuropa, so müssen die vorgeschlagenen Massnahmen rasch verwirklicht werden. Aus diesem Grund ist die Vorlage dringlich.

5

Rechtliche Grundlagen

51

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die verfassungsmässige Grundlage für die vorgesehene finanzielle Unterstützung findet sich in der allgemeinen aussenpolitischen Kompetenz des Bundes und mit Bezug auf die Zuständigkeit des Bundesrates zur Gewährung der einzelnen Unterstützungen in Artikel 102 Ziffer 8 der Bundesverfassung. Die Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten stellt in der Tat einen wichtigen Aspekt unserer auswärtigen Beziehungen dar.

52

Rechtsform des Erlasses

In Übereinstimmung mit der Praxis (vgl. BB1 1989 I 609 1245, 19871 816, 1984 l 1205) schlägt Ihnen der Bundesrat vor, den Rahmenkredit für die in der vorliegenden Botschaft umschriebene finanzielle Unterstützung in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses gemäss Artikel 8 des Geschäftsverkehrsgesetzes (SR 171.11) zu eröffnen. Die Zuständigkeit der eidgenössischen Räte ergibt sich aus deren allgemeiner Budgetkompetenz nach Artikel 85 Ziffer 10 der Bundesverfassung. Der Bundesbeschluss unterliegt nicht dem fakultativen Referendum.

3588

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Bundesbeschluss Entwurf über einen Rahmenkredit zur verstärkten Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten und für entsprechende Soforthilfsmassnahmen vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 10 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 22. November 1989l\ beschliesst:

Art. l 1

Für die Unterstützung von Aktionen zugunsten des Reformprozesses in Osteuropa wird ein Rahmenkredit von 250 Millionen Franken für eine Mindestdauer von drei Jahren bewilligt.

2 Die jährlichen Zahlungskredite werden in den Voranschlag aufgenommen.

Art. 2

Die in Artikel l erwähnten Mittel können insbesondere in folgenden Formen verwendet werden: a. nichtrückzahlbare Zuschüsse; b. Darlehen; c. Garantien.

Art. 3

Dieser Bundesbeschluss ist nicht allgemeinverbindlich; er untersteht nicht dem Referendum.

3588

» BB1 1990 l 145 170

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über eine verstärkte Zusammenarbeit mit osteuropäischen Staaten und entsprechende Soforthilfsmassnahmen vom 22. November 1989

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Jahr

1990

Année Anno Band

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03

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23.01.1990

Date Data Seite

145-170

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