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Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 22. November 1989

Sehr geehrte Herren Präsidenten, Sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. November 1989

1989-717

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Delamuraz Der Bundeskanzler: Buser

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Übersicht Anlass für die vorliegende Revision gibt der neue Artikel 4 Absatz 2 der Bundesverfassung «Gleiche Rechte für Mann und Frau». Der abgeleitete Unterstützungswohnsitz der Ehefrau im Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger ist nämlich mit dem Gleichstellungsgebot nicht mehr zu vereinbaren. Im Bericht über das Rechtsetzungsprogramm «Gleiche Rechte für Mann und Frau» wurde deshalb beantragt, den entsprechenden Artikel im Bundesgesetz aufzuheben. Zur Präzisierung schlägt der Bundesrat nun eine deklaratorische Bestimmung vor, wonach Ehegatten je eigenen Unterstützungswohnsitz haben sollen.

Neben der verfassungsrechtlichen Anpassung sieht der vorliegende Entwurf vor, den Unterstützungswohnsitz für unmündige Kinder neu zu regeln, der in der Praxis immer wieder zu Unklarheiten geführt hat.

Eine Umfrage bei den Kantonsregierungen hat gezeigt, dass die Zeit noch nicht reif ist, im Fürsorgewesen zum reinen Wohnsitzprinzip überzugehen, wie es in Artikel 48 der Bundesverfassung vorgesehen ist. Besonders die Zuwanderungskantone wünschen, an der Ersatzpflicht des Heimatkantons festzuhalten. In Annäherung an das Wohnsitzprinzip schlägt der Bundesrat eine zweijährige heimatliche Rückerstattungspflicht vor.

Es ist ausserdem vorgesehen, dass die Unterstützung Bedürftiger ohne Unterstützungswohnsitz künftig in der Kompetenz des Aufenthaltskantons liege. Dieser soll sich nicht wie bis anhin auf das absolut Notwendige beschränken müssen, sondern das Recht zu einer weitergehenden Hilfeleistung haben. Mit der geltenden Regelung ergeben sich vor allem Probleme bei der Betreuung von Suchtkranken und Aids-Patienten, denen mit einer minimalen Notfallhilfe vielfach nicht1 gedient ist.

Dazu kommt, dass der zuständige Heimatkanton mit dem Einzelfall zu wenig vertraut ist, um adäquate Massnahmen anordnen zu können.

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Botschaft I

Allgemeiner Teil

II

Ausgangslage

III

Das Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 24. Juni 1977

Am 24. Juni 1977 wurde als Folge der Revision von Artikel 45 und 48 der Bundesverfassung (BV) das Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (Zuständigkeitsgesetz, SR 851.1) erlassen. Mit Beschluss vom 16. Januar 1978 setzte der Bundesrat das Gesetz auf den 1. Januar 1979 in Kraft.

Damit konnten die seinerzeit formulierten Ziele (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 17.Nov. 1976; BB1 1976 III 1199 Ziff. 122), nämlich,die nähere Ausführung der in Artikel 48 Absatz l BV verwendeten Begriffe, die Einführung der in Artikel 48 Absatz 2 BV vorgesehenen Kosteriersatzpflicht sowie die Gewährleistung dés reibungslosen Übergangs vom Konkordat über die wohnörtliche Unterstützung zur bundesrechtlichen Ordnung grundsätzlich erfüllt werden.

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Gleiche Rechte für Mann und Frau in Artikel 4 Absatz 2

Volk und Stände haben in der Volksabstimmung vom 14. Juni 1981 eine Ergänzung von Artikel 4 BV gutgeheissen und sich damit zum Grundsatz «Gleiche Rechte für Mann und Frau» bekannt. Die im Anschluss daran veranlasste Überprüfung der Bundesgesetzgebung auf ihre Vereinbarkeit mit dem neugeschaffenen Gleichberechtigungsgebot (Art. 4 Abs. 2 BV) ergab, dass auch das Zuständigkeitsgesetz zu revidieren sei. Nach dem geltenden Recht teilt die Ehefrau, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, grundsätzlich den Unterstützungswohnsitz des Ehemannes. Einen selbständigen Unterstützungswohnsitz kann sie nur begründen, wenn sie nicht die gleiche Staatsangehörigkeit wie ihr Ehemann hat oder wenn sie dauernd von ihm getrennt lebt. Im Bericht dés Bundesrates vom 26. Februar 1986 über das Rechtsetzungsprogramm «Gleiche Rechte für Mann und Frau» (BB1 1986 I 1144) wird nun gefordert, dass der Ehefrau entsprechend dem revidierten Eherecht und dem Bundesgesetz über das internationale Privatrecht ein selbständiger Wohnsitz zuerkannt werde. Es wird vorgeschlagen, Artikel 6 des Bundesgesetzes aufzuheben.

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Anstehende Probleme

Die nun zehnjährige Praxis des Gesetzes hat gezeigt, dass einige Unklarkeiten des Gesetzestextes immer wieder zu Unsicherheiten in der Anwendung geführt haben. Hinsichtlich der Zuständigkeit zeigte sich dies in der Frage des Unterstützungswohnsitzes des unmündigen Kindes, das dauernd nicht bei den Eltern wohnt (BGE vom 21. Nov. 1983 in Sachen Unterstützungsangelegenheit Katia Eigenmann). Nach geltendem Recht wird am Sitz der Vormundschaftsbehörde angeknüpft, unter deren Vormundschaft das Kind stehen würde, wenn es dau51

ernd nicht bei den Eltern lebte (Art. 7 Abs. 2 Bst. c). Da die zuständige Vormundschaftsbehörde in Artikel 315 ZGB aber nicht eindeutig festgelegt ist, kommt es immer wieder zu Zuständigkeitszwisten zwischen Aufenthalts- und Wohnsitzkanton. Diese Zweideutigkeit im ZGB könnte mit einer klaren Regelung im Zuständigkeitsgesetz bereinigt werden.

Von verschiedener Seite wird die Ersatzpflicht des Heimatkantons und der dadurch bedingte grosse administrative Aufwand in Frage gestellt. Die Forderung, zum Wohnsitzprinzip überzugehen, entspricht auch einer soziologischen Veränderung, indem immer weniger Bürger Kontakt zu den Kantonen haben, deren Bürgerrecht sie besitzen. In diesem Sinn wurde bereits mit der Revision von Artikel 48 BV das reine Wohnsitzprinzip eingeführt. Bei Erlass des Zuständigkeitsgesetzes hat sich jedoch noch ein Grossteil der Kantone einer konsequent wohnörtlichen Lösung widersetzt und die Rückgriffsmöglichkeit auf den Heimatkanton gewünscht, wie er in Artikel 48 Absatz 3 BV vorgesehen ist. Es bleibt nun von neuem zu prüfen, ob sich die Interessen gewandelt haben und die Zeit gekommen ist, zur reinen wohnörtlichen Zuständigkeit überzugehen.

Die Anwendung des Unterstützungsbegriffs (Art. 3) scheint in der Praxis gelegentlich Schwierigkeiten zu bereiten. Insbesondere der Ausnahmekatalog in Absatz 2 wird als mangelhaft empfunden, so hinsichtlich obligatorischer Krankenkassenbeiträge, Alimentenbevorschussung oder Frauenrenten (vgl. Ziff. 123).

Auch wird immer wieder die Frage gestellt, ob Heimdefizite als «Beiträge mit Subventionscharakter» unter den Ausnahmekatalog zu subsumieren seien.

Diese Frage ist in der Heimvereinbarung vom 2. Februar 1984 geregelt worden, die bis heute von 23 Kantonen unterzeichnet wurde. Sie ist somit zwar nicht für alle Kantone verbindlich, nach dem BGE vom 26. Juni 1987 in Sachen Rückerstattung von Heimdefizitbeiträgen jedoch als «authentische Interpretation» von Artikel 3 Zuständigkeitgesetz anwendbar.

Grosse Probleme ergeben sich immer wieder aus der Tatsache, dass die Fristen zur Unterstützungsanzeige und Abrechnung im Gesetz als Verwirkungsfristen konzipiert sind. Somit verlieren nicht geltend gemachte Forderungen nach Ablauf der gesetzlichen Frist ihre Anspruchsberechtigung. Um Härtefälle zu vermeiden, forderte deshalb in der Vergangenheit die Schweizerische
Konferenz für öffentliche Fürsorge die Kantone auf, die fragliche Bestimmung grosszügig auszulegen. Mit der vorliegenden Revision könnte nun eine der Praxis angemessene Fristenregelung ins Gesetz aufgenommen werden.

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Ergebnisse des Vorverfahrens

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Expertenkommission für die Revision des Bundesgesetzes

Als Folge der Untersuchungsergebnisse im Bericht über das Rechtsetzungsprogramm «Gleiche Rechte für Mann und Frau» erteilte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement einer verwaltungsexternen Expertenkommission den Auftrag, das geltende Bundesgesetz unter dem Blickwinkel der neuen Verfassungsbestimmung zu überprüfen und Vorschläge zur Eliminierung von Ungereimtheiten auszuarbeiten. Die Expertenkommission setzte sich zum Grossteil 52

aus kantonalen Fürsorgespezialisten zusammen. Sie hielt zwischen April 1986 und März 1989 insgesamt 17 Sitzungen ab.

Im Rahmen ihres Auftrages hat die Expertenkommission das Zuständigkeitsgesetz einer umfassenden Durchsicht unterzogen mit der Absicht, einzelne Gesetzesbestimmungen zu präzisieren oder zu eliminieren, welche in der heutigen fürsorgerischen Praxis Schwierigkeiten verursachen.

Zui Beginn ihrer Arbeit hat die Expertenkommission einen Katalog der revisionsbedürftigen Bestimmungen erstellt und diesen den kantonalen Fürsorgedepartementen zur Stellungnahme und allfälligen Ergänzung unterbreitet. Ausserdem erwog die Kommission in der Eintretensdebatte die Abschaffung der heimatlichen Kostenersatzpflicht (Art. 15 und 16). Die politische Tragweite der anvisierten Annäherung an Artikel 48 Absatz l BV liess es gerechtfertigt erscheinen, den genannten Themenkreis als Vorfrage zu behandeln und dazu eine Umfrage bei den Kantonsregierungen durchzuführen. Die Resultate der eingegangenen Vernehmlassungen sind bei der Überarbeitung des entsprechenden Gesetzesabschnittes berücksichtigt worden; sie dürften einer gänzlichen Abkehr von der heimatlichen Zuständigkeit entgegenstehen (vgl. Ziff. 222.2).

Auf ein Begehren nach gleichzeitiger punktueller Revision des Bundesgesetzes über Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer (ASFG; SR 852.1), durch welche in der Frage des jeweiligen örtlichen Anwendungsbereichs des Zuständigkeitsgesetzes und ASFG Klarheit hätte geschaffen werden sollen, konnte aus gesetzgebungstechnischen Gründen nicht näher eingetreten werden.

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Vorentwurf der Expertenkommission

Um dem Gleichstellungsgebot der Bundesverfassung (Art. 4 Abs. 2) gerecht zu werden, erkannte die Kommission im neuen Artikel 6 des Vorentwurfs den Ehegatten je eigenen Unterstützungswohnsitz zu. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder war der Meinung, dass die Aufnahme einer deklaratorischen Bestimmung die korrekte Anwendung des Gesetzes erleichtern würde. Die Kommissionsminderheit trat für ersatzlose Streichung ein. Man war sich aber einig, dass eine explizite Erwähnung der Familieneinheit, wie sie bisher in Artikel 6 verankert war, im Zuständigkeitsgesetz nicht nötig sei. Der Forderung, dass die Familie abrechnungstechnisch auch in Zukunft als Einheit behandelt werden sollte, wurde durch die Schaffung eines neuen Absatz 3 des Artikels 32 Rechnung getragen. Ausserdem wirkte sich der eigene Unterstützungswohnsitz der Ehefrau auf zwei weitere Artikel unmittelbar aus, nämlich auf die Artikel 7 und 8 (vgl. die Ziff.213.32 und 213.33).

In der Frage der heimatlichen Kostenersatzpflicht wäre aus fürsorgerischen Überlegungen der Übergang zum reinen Wohnsitzprinzip wünschenswert gewesen. Da diese Lösung sich aus politischen Überlegungen als nicht realisierbar erwies, einigte sich die Kommission auf einen Kompromissvorschlag, nämlich ein zweijähriges Rückgriffsrecht auf den Heimatkanton (vgl. Ziff. 222.2).

Bei unmündigen Kindern - Artikel 7 - sollte auch künftig der Grundsatz gelten, wonach sich der Unterstützungswohnsitz des unmündigen Kindes unabhängig 53

von seinem Aufenthaltsort von demjenigen seiner Eltern bzw. seinem Elternteil ableitet, unter deren respektive dessen elterlicher Gewalt es steht. Die Expertenkommission hat versucht, für alle bei der Festlegung des Unterstützungswohnsitzes unmündiger Kinder denkbaren Konstellationen rechtlich korrekte und praktikable Lösungen zu finden. Kompetenzkonflikte, wie sie bisher infolge eines unglücklich gewählten Verweises auf das Zivilrecht bei der Anwendung von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c vorgekommen sind, sollten inskünftig nicht mehr auftreten.

Die nicht befriedigende Fristenregelung in den Artikeln 31 und 32 des Gesetzes wurde von der Expertenkommission neu überdacht. Sie wandelte die vorgegebenen Fristen für die Unterstützungsanzeige und die Abrechnungen in Ordnungsfristen um, indem sie diese durch den Ausdruck «in der Regel» relativierte.

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Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im September 1988 wurde der Vorentwurf der Expertenkommission mit einem Begleitbericht den Kantonen, politischen Parteien sowie interessierten Verbänden und Organisationen zur Vernehmlassung zugeschickt. Insgesamt sind 43 Stellungnahmen eingegangen, 26 von Kantonen, acht von politischen Parteien und neun von interessierten Organisationen und Verbänden. Die Vernehmlassungen wurden in einem Bericht zusammengestellt, der im Oktober 1989 vorlag.

Die vorgeschlagene Revision wurde in allen Vernehmlassungen begrüsst. Von keiner Seite wurde bestritten, dass das Zuständigkeitsgesetz an das Gleichberechtigungsgebot der Bundesverfassung angeglichen werden müsse. Auch die vorgeschlagenen Anpassungen an die Bedürfnisse der interkantonalen Fürsorgepraxis wurden grundsätzlich unterstützt.

Nicht überraschend kam der Vorschlag, dass in Artikel 3 die Heimrestdefizite, die Alimentenbevorschussung und die Mutterschaftsbeiträge geregelt werden sollten. Explizit führte der Kanton St. Gallen aus, dass die geltende Regelung zu Rechtsungleichheiten im Bereich der Ersatzpflicht führe, da nicht alle Kantone einen Rechtsanspruch auf derartige Leistungen garantierten. Von 13 Kantonen, zwei Parteien und zwei Fachverbänden wurde ausserdem gefordert, dass Mindestbeiträge an obligatorische Krankenkassenversicherungen als Unterstützungen im Sinne des Gesetzes definiert werden sollten.

Ein weiterer Problemkreis, der im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens hervorgehoben wurde, und dem die Kommission offensichtlich zu wenig Rechnung getragen hatte, betraf die immer bedeutender werdende Kategorie der Suchtkranken, der Drogenabhängigen und der Aids-Patienten. Es waren denn auch bezeichnenderweise die Kantone mit grossen städtischen Agglomerationen und die Fachorganisationen, die darauf hinwiesen, dass mit dem geltenden Gesetz die Betreuung solcher Personen zu wenig berücksichtigt werde.1 Es wurde vor allem argumentiert, dass gerade bei dieser Bedürftigenkategorie, die eine besonders intensive Betreuung mit entsprechend hohen Kosten nötig hätte, oft kein Wohnsitz feststellbar sei. Deshalb gäbe es Schwierigkeiten mit .dem Hei54

matkanton, weil der sich oft auf den Notfallartikel 13 berufe und somit nur die dringendste Hilfe abgedeckt sei.

Sehr kontrovers abgehandelt wurde auch die Frage der Kostenersatzpflicht des Heimatkantons. Auffallend waren die immer noch stark auseinanderklaffenden Standpunkte der Abwanderungskantone gegenüber denjenigen der Zuwanderungskantone. 13 Kantone und zwei Fachgremien bedauerten, dass die Gelegenheit zur Überleitung zum verfassungsrechtlichen Wohnsitzprinzip nicht genutzt worden sei.

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Überarbeitung des Vorentwurfs der Expertenkommission

Das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens machte es notwendig, den Vorentwurf noch einmal zu überprüfen und - wo nötig - zu überarbeiten. Diese Bereinigung wurde von der Expertenkommission vorgenommen. Nach eingehender Diskussion hielt die Kommission an ihrem Vorschlag fest, den Unterstützungsbegriff (Art. 3) nicht zu ändern. Absatz l dieses Artikels sage klar, dass als Unterstützung nur Geld- und Naturalleistungen gelten, die nach den individuellen Bedürfnissen bemessen werden. Die erwähnten Sozialleistungen (Krankenkassenbeiträge, Alimentenbevorschussung, Frauenrente) erfüllten diese Voraussetzungen nicht.

Neben einer Neuformulierung des Unterstützungswohnsitzes unmündiger Kinder wurde insbesondere die Unterstützung Bedürftiger ohne Unterstützungswohnsitz neu geregelt. Unter solchen Umständen sollte der Aufenthaltskanton künftig nicht nur die unaufschiebbare, sondern eine weitergehende Hilfeleistung bieten und dadurch die unbefriedigende Kurzbetreuung durch Notfallhilfe unterbinden können.

Auch nach Auswertung der Vernehmlassungen war die Kommission der Meinung, dass die Zeit nicht reif sei, zur reinen wohnörtlichen Zuständigkeit überzugehen. Sie hielt am Kompromissvofschlag des Vorentwurfs fest.

Der Bundesrat stützt sich in dieser Botschaft auf den überarbeiteten Entwurf der Expertenkommission. Den erarbeiteten Revisionsvorschlägen liegt dieselbe Systematik: wie dem geltenden Zuständigkeitsgesetz zugrunde. Auch in materieller Hinsicht sind keine Modifikationen vorgenommen worden, die als eigentliche Systemänderung bezeichnet werden müssten. Der infolge des Gleichberechtigungsgebots zwingend einzuführende selbständige Wohnsitz der Ehefrau bildet die einzige Ausnahme.

Der Gesetzestitel soll mit dem bereits gebräuchlichen1 Kurztitel «Zuständigkeitsgesetz» und der Abkürzung «ZUG» ergänzt werden.

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Besonderer Teil: Erläuterungen des Entwurfs

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Allgemeine Bestimmungen

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Zweck und Geltungsbereich (Art. 1)

Zweck und Geltungsbereich des Zuständigkeitsgesetzes sollen durch die Revision nicht tangiert werden. Die in Absatz 3 vorgesehene Änderung stellt lediglich eine Angleichung an die Terminologie des Bundesgesetzes über Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer (ASFG) dar.

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Begriffe

212.1

Bedürftigkeit (Art. 2)

Von Bedürftigkeit wird im geltenden Gesetz dann gesprochen, wenn eine Person ihren eigenen sowie den Lebensunterhalt ihrer Familienangehörigen (Ehefrau und Kinder) mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Der Bedürftigkeitsbegriff (Art. 2) bestimmt sich bis anhin nach dem abgeleiteten Wohnsitz, der nun aus verfassungsrechtlichen Gründen hinsichtlich der Beziehung zwischen Ehegatten eliminiert werden muss (vgl. Ziff.213.31). Bei der Suche nach einer angepassten Bedürftigkeitsdefinition, die dem Gleichberechtigungsgebot und somit dem neuen Artikel 6 gerecht würde, stellte sich heraus, dass: - eine Streichung des in Artikel 2 vorgenommenen Klammerverweises auf die bisherigen Artikel 6 und 7 zwar eine geschlechtsneutrale Begriffsumschreibung ergeben würde, andererseits aber auch die Unterstützungseinheit für nicht im gleichen Haushalt lebende Ehegatten zuliesse. In der Terminologie des Zuständigkeitsgesetzes liegt nämlich ein «gleicher Wohnsitz» auch dann vor, wenn Eheleute sich mit der Absicht dauernden Verbleibens je für sich im gleichen Kanton aufhalten (Art. 4); - das Kriterium des gemeinsamen Wohnsitzes unbrauchbar ist, solange in der Bedürftigkeitsdefinition von «Familienangehörigen» und somit von Kindern und Ehepartnern die Rede ist; - nach der bisher gültigen Regelung, die auf den abgeleiteten Unterstützungswohnsitz abstellt, der Bezug auf die Familienangehörigen in der Bedürftigkeitsdefinition berechtigt gewesen sein mag; inskünftig sollte aber, darauf verzichtet werden, wie auch auf das Kriterium des gleichen Wohnsitzes.

Die Neufassung von Artikel 2 trägt den vorstehenden Überlegungen Rechnung.

Familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge gemäss ZGB sind nach wie vor zu den «eigenen Mitteln» zu zählen (vgl. dazu Werner Thomet, das Bundesgesetz vom 24. Juni 1977 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger, Einführung und Erläuterung, herausgegeben von der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge, Bern 1979, Rz.69). Somit ist eine präzisierende Formulierung des Begriffs «eigene Mittel» im Gesetz nicht erforderlich, wie es von verschiedenen Kantonen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens gewünscht wurde. Auch die Unterhaltspflicht der Ehegatten ist we56

der durch den Verfassungsgrundsatz von Artikel 4 Absatz 2 BV noch durch das neue Eherecht eingeschränkt worden. Im übrigen bleibt der angepasste Bedürftigkeitsbegriff ohne Einfluss auf den Grundsatz der Unterstützungs-XFamilieneinheit (vgl. Ziff.213.31). Wir erachten deshalb die explizite Erwähnung des Grundsatzes der Unterstützungs- und Familieneinheit, wie sie vom Kanton St.

Gallen gefordert wurde, als nicht opportun. Dieses Prinzip wird im Zusammenhang mit konkreten Bemessungsfragen angerufen, die in den Kompetenzbereich der Kantone fallen.

212.2

Unterstützungen (Art. 3)

Die Überprüfung des Unterstützungsbegriffs (Art. 3) hat ergeben, dass an der heute geltenden Systematik (positive Unterstützungsdefmition in Abs. l, abschliessender Negativkatalog in Abs. 2) festgehalten werden kann. In materieller Hinsicht gelangte die Expertenkommission zur Überzeugung, dass: - die positive Umschreibung der Unterstützungen (Abs. 1) den Anforderungen der aktuellen Fürsorgepraxis genüge und deshalb unverändert übernommen werden sollte; - die Ergänzung des Negativkataloges (Abs. 2) die Flexibilität der Bestimmung , reduzieren würde; - insbesondere ein Ausbau der Aufzählung in Absatz 2 Buchstabe a nicht angezeigt sei, weil die für eine Ergänzung in Frage kommenden Leistungskategorien (Kosten von Beschäftigungsprogrammen für ausgesteuerte Arbeitslose, Auslagen, öffentlicher Alimentenbevorschussung, Mutterschaftsbeiträge und andere Sonderleistungen) ihrem Zweck nach nicht zum Sachbereich Fürsorge gehörten und im Normalfall ausserhalb der Fürsorgegesetzgebung verankert seien. Demgegenüber kritisierte der Kanton St. Gallen in seiner Vernehmlassung, dass der Verzicht auf die erwähnten Leistungskategorien Rechtsun. gleichheiten im Bereich der Ersatzpflicht zur Folge hätten.

Erörtert wurde sodann die Frage, ob Leistungen an die Bestreitung von Heimrestdefiziten als «Beiträge mit Subventionscharakter» im Sinne von Absatz 2 Buchstabe a zu qualifizieren seien. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat sich in einem Beschwerdeentscheid, der vom Bundesgericht geschützt wurde (BGE vom 26. Juni 1987 in Sachen Rückerstattung von Heimdefizitbeiträgen), zu diesem Problemkreis auf den Standpunkt gestellt, dass von einer .fürsorgerechtlichen Unterstützung nur dann gesprochen werden könne, wenn eine finanzielle Leistung nach den Bedürfnissen bemessen sei. Dieser Anforderung vermöge die Kategorie der Heimrestdefizitbeiträge nicht zu genügen, weil die Aufteilung des Betriebsdefizites auf die einzelnen Heiminsassen schematisch erfolge und keine Rückschlüsse auf das Mass der Bedürftigkeit der un-terstützten Person zulasse.

Die Expertenkommission hat es im weiteren abgelehnt, die Prämien für die obr ligatorische. Krankenversicherung aus der Leistungskategorie von Absatz 2 Buchstabe b auszugliedern. Entscheidend war dabei die Erkenntnis, dass eine Streichung die unerwünschte Folge hätte, dass allfällig ersatzpflichtige Kantone 57

sich indirekt an der Durchsetzung und Finanzierung von Krankenversicherungsobligatorien anderer Kantone zu beteiligen hätten. Demgegenüber verlangen verschiedene Kantone, Parteien und Fachgremien im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens, Mindestbeiträge an obligatorische Krankenversicherungen als Unterstützungen im Sinne des Gesetzes zu anerkennen. Als'Begründung werden neben verwaltungspraktischen Überlegungen inhaltliche Überlegungen vorgebracht. Einerseits habe das ersatzpflichtige Gemeinwesen alles Interesse an einer umfassenden Kranken- und Unfallversicherung der Unterstützten, anderseits komme die Nichtverrechenbarkeit von Krankenkassenprämien einer Benachteiligung der Kantone mit entsprechendem Obligatorium gleich.

Der Bundesrat unterstützt den Kommissionsvorschlag aus der Überlegung, dass nicht andere Kantone indirekt zur Finanzierung eines Obligatoriums herangezogen werden sollten.

Die geltenden Formulierungen der übrigen Ausnahmekategorien (Abs. 2 Bst.

c-d) ergeben in der Praxis keine Schwierigkeiten. Sie sollen daher in unveränderter Form in die revidierte Fassung des Zuständigkeitsgesetzes übernommen werden.

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Unterstützungswohnsitz

Bei der Überarbeitung der Wohnsitzbestimmungen (Art. 4-10) ist die Grundsatzfrage erörtert worden, inwieweit eine begriffliche Annäherung des unterstützungsrechtlichen an den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff sinnvoll sein könnte.

Entsprechende Vorstösse wurden unter Hinweis auf die Tatsache begründet, dass die Umschreibung des Unterstützungswohnsitzes (Art. 4 Abs. 1) inhaltlich bereits weitgehend mit den Definitionsmerkmalen des zivilrechtlichen Wohnsitzes übereinstimme und es abgesehen davon einem allgemein anerkannten Grundsatz entspreche, möglichst begriffseinheitlich zu legiferieren. Der Bundesrat kommt in seiner Beurteilung allerdings zum Schluss, dass an einem eigenständigen unterstützungsrechtlichen Wohnsitzbegriff festgehalten ' werden müsse. Ausschlaggebend ist dabei primär die Befürchtung, dass durch eine Angleichung an das Zivilrecht und der damit verbundenen Übernahme der neueren wohnsitzrechtlichen Praxis des Bundesgerichts die Schutzfunktion für die Heimstandortkantone gemäss Artikel 5 Zuständigkeitsgesetz preisgegeben werden müsste. Diese zeigt sich darin, dass die Behörden des bisherigen Wohnortes oder der von ihnen instruierte Vormund gehindert werden können, durch Unterbringung des Bedürftigen in einem ausserkantonalen Pflegeplatz den Wohnsitz zu verlegen und damit die Unterstützungspflicht des bisherigen Wohnkantons zu beenden (vgl. Thomet, a.a.O., Rz. 103). Als Argument gegen eine Angleichung ist im weiteren auf den Grundsatz verwiesen, dass im Fürsorgerecht Konstellationen denkbar sind, bei denen eine Person keinen Wohnsitz aufweist, was nach zivilrechtlicher Konzeption nicht möglich ist.

Im übrigen trifft es jedoch zu, dass das Zuständigkeitsgesetz den Begriff des Unterstützungswohnsitzes so weit mit demjenigen des zivilrechtlichen Wohnsitzes übereinstimmen lässt, als es mit seinem Zweck vereinbar ist (vgl. Thomet, a.a.O., Rz.91).

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213.1

Begründung im allgemeinen (Art. 4)

Der Grundsatz, dass sich der Unterstützungswohnsitz eines Bedürftigen in der Regel, das heisst unter Vorbehalt der im Zuständigkeitsgesetz selbst genannten Ausnahmen, in jenem Kanton befindet, in welchem er sich «mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält» (Art. 4 Abs. 1), gilt als allgemein anerkannt.

Seine Anwendung verursacht in der Praxis kaum Schwierigkeiten. Es rechtfertigt sich deshalb, am geltenden Prinzip festzuhalten und die heutige Fassung von Artikel 4 zu übernehmen. Ausdrücklich verworfen wurde ein Antrag auf Einführung einer speziellen Wohnsitzbestimmung für Entmündigte. Die vorgeschlagene Anknüpfung am Sitz der zuständigen Vormundschaftsbehörde stiess insbesondere deshalb auf Ablehnung, weil sie die zuständigen Behörden dazu veranlassen könnte, die Einleitung eines Bevormundungsverfahrens zu verzögern oder zu verweigern, um keine eigene fürsorgerechtliche Zuständigkeit (und damit keine eigene Zahlungspflicht für den Fürsorgefall) zu begründen.

213.2

Heim- und Anstaltsinsassen; Familienpfleglinge -

(Art. 5)

In unveränderter Form sollen auch die in Artikel 5 vorgesehenen Ausnahmen übernommen werden. Die Expertenkommission hat mit Rücksicht auf den Einfluss, welcher von der genannten Bestimmung auf die Heimpolitik der Kantone ausgeht (vgl. die in Ziff. 213 erläuterte Schutzfunktion), jegliche Lockerung des Prinzips abgelehnt, wonach der Aufenthalt in einem Heim, einem Spital oder einer andern Anstalt sowie die behördliche oder vormundschaftliche Versorgung einer.Person in Familienpflege keinen Unterstützungswohnsitz zu begründen vermögen. Verworfen wurde insbesondere ein Antrag, wonach bei freiwilligem Heimeintritt ein Unterstützungswohnsitz begründet und damit eine Angleichung an die Tendenzen der zivilrechtlichen Rechtsprechung vollzogen werden könne.

; Erörtert wurden im weiteren die Fragen, unter welchen Voraussetzungen therapeutische Wohngemeinschaften und vergleichbare ändere Wohnformen als Heime im Sinne von Artikel 5 zu betrachten seien und ob die ausdrückliche Erwähnung dieser Wohnformen im Gesetz nötig sei. Die Beratungen ergaben, dass die gesetzgeberische Erfassung heute bekannter, trotz gleicher Bezeichnung sehr unterschiedlich ausgestalteter Wohn- und Therapieformen nicht möglich und in Anbetracht der sich rasch wandelnden Verhältnisse nicht zweckmässig sei.

Daraus ergibt sich, dass die Anwendung von Artikel 5 immer mit Bezug auf den zur Diskussion stehenden Sachverhalt zu prüfen ist, um einer zeitgemässen Interpretation des Heimbegriffs doch gerecht zu werden. Als Beurteilungskriterien kommen etwa die Art und das Mass der angebotenen Dienstleistungen, der Grad der feststellbaren Fremdbestimmung sowie der Abhängigkeitsgrad der betroffenen Person in Frage.

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213.3

Familienangehörige

213.31

Ehefrau (Art. 6)

Der Unterstützungswohnsitz von Ehegatten muss aufgrund der Verfassungswidrigkeit des abgeleiteten Unterstützungswohnsitzes von verheirateten Frauen (Art. 6) neu geregelt werden. Von einer Kommissionsminderheit wurde die ersatzlose Streichung dieser Bestimmung beantragt mit der Begründung, Ehefrauen würden bei Abschaffung des abgeleiteten Unterstützungswohnsitzes automatisch den ordentlichen Wohnsitzregeln unterworfen. Die Kommissionsmehrheit war demgegenüber der Ansicht, dass durch die Umwandlung von Artikel 6 in eine deklaratorische Bestimmung, wonach Ehegatten je einen eigenen Unterstützungswohnsitz haben, der Fürsorgepraxis eine wertvolle Hilfe1 für die korrekte Handhabung des revidierten Zuständigkeitsgesetzes geleistet werden könne. Die vorgeschlagene Neuformulierung von Artikel 6 trägt diesem Kommissionsbeschluss Rechnung; Artikel 6 Absatz 2 wird dadurch überflüssig.

Als sehr umstritten erwies sich die Frage, ob neben der erwähnten deklaratorischen Aussage in Artikel 6 auch ein Hinweis aufzunehmen sei, wonach Eheleute im Falle gemeinsamer Haushaltführung als Unterstützungseinheit zu behandeln seien. Die durchgeführten Erhebungen ergaben, dass: - sich das Prinzip der Unterstützungseinheit zwar indirekt aus den Wohnsitzbestimmungen des geltenden Zuständigkeitsgesetzes ableiten lässt (Thomet, a.a.O., Rz.93), begrifflich aber keineswegs mit diesen verknüpft ist; - der genannte Grundsatz nicht an das System abgeleiteten Wohnsitzes gebunden ist, sondern sich in erster Linie und unabhängig vom Wohnsitzkonzept des Zuständigkeitsgesetzes aus dem Zivilrecht ergibt; - insbesondere die Tatsache, dass zusammen lebende Ehegatten auch im Bedürftigkeitsfall eine wirtschaftliche Schicksalsgemeinschaft bilden, sich ohne weiteres aus der familienrechtlichen Beistandspflicht ableiten lässt; - eine explizite Erwähnung der Familieneinheit im Zuständigkeitsgesetz auch weiterhin nicht nötig ist, vermutlich gar unzulässig wäre, soweit dadurch Bemessungsfragen und damit Bereiche berührt würden, welche in den Kompetenzbereich der Kantone fallen.

Der Bundesrat lehnt einerseits aus Gründen gesetzgeberischer Logik die Formulierung der Unterstützungseinheit ab und vertritt andererseits die Auffassung, dass das Kapitel über die Wohnsitzbestimmungen von Aspekten bemessungstechnischer Art freizuhalten sei (vgl. für abrechnungstechnische Fragen Ziff. 252).

213.32

Unmündige Kinder (Art. 7)

Mit der Neugestaltung von Artikel 7 (Unterstützungswohnsitz unmündiger Kinder) sollen - immer im Interesse der Betroffenen - die Unsicherheiten bei der Festlegung der Zuständigkeit ausgemerzt werden, welche unter der heute geltenden Regelung auftreten. Die vorgeschlagene Revision bietet zudem Gelegen60

heit, die Kriterien Bürgerrecht/Staatsangehörigkeit (Abs. 2 Bst. a und b) zu eliminieren, mit welchen der seinerzeitige Gesetzgeber indirekt einen Bezug hergestellt hat, der weder systematisch noch logisch in eine wohnsitzrechtliche Gesetzesbestimmung gehört.

Die Expertenkommission hat sich auch bei der Überprüfung von Artikel 7 die Frage gestellt, inwieweit eine Übernahme des :zivilrechtlichen Wohnsitzkonzeptes (Art. 25 (neu) ZGB) zweckdienlich sein könnte. Neben Überlegungen prinzipieller Art (vgl. Ziff. 13) sprachen vor allem Praktikabilitätsgründe (umstrittene Interpretation des Obhutsbegriffes, fehlende Regelung für erwerbstätige unmündige Kinder, Folge für Heimstandorte bei Anknüpfung am Aufenthaltsort als wohnsitzrechtlichem Auffangtatbestand) gegen eine solche Übernahme.

Die vorgeschlagene Fassung trägt diesem Entscheid Rechnung und hält in der Grundaussage von Absatz l fest, dass sich der Unterstützungswohnsitz des unmündigen Kindes grundsätzlich und unabhängig von seinem Aufenthaltsort von demjenigen seiner Eltern bzw. des Elternteils ableitet, unter deren respektive dessen elterlicher Gewalt es steht. Erfasst werden durch diese Aussage neben dem Regelfall (Eltern wohnen zusammen und üben die elterliche Gewalt gemeinsam aus) auch jene Sachverhalte, in denen von Gesetzes wegen oder durch richterliches Urteil- einem Elternteil allein die elterliche Gewalt zusteht (unverheiratete Mütter, Witwen/Witwer, geschiedene Alleinerzieher und andere).

Auf das Zusammenleben soll somit nur noch dann abgestellt werden, wenn die Eltern, denen die elterliche Gewalt gemeinsam zusteht, nicht den gleichen zivilrechtlichen Wohnsitz haben und das Kind bei einem der Elternteile wohnt (Art. 7 Abs. 2).

Nicht geregelt werden durch Absatz l und 2 jene Fälle, in denen Eltern ohne gemeinsamen zivilrechtlichen Wohnsitz trotz Fremdplazierung ihres Kindes beide Träger der elterlichen Gewalt bleiben. Sie werden durch Absatz 3 Buchstabe c erfasst.

In Absatz 3 werden die Konstellationen, in denen das unmündige Kind einen selbständigen Unterstützungswohnsitz zu begründen vermag, abschliessend aufgezählt; es sind dies: Buchstabe a: die Bevormundungsfälle. Hier erscheint es zweckdienlich und sachgerecht, den Unterstützungswohnsitz mit dem Ort übereinstimmen zu lassen, an welchem die Vormundschaftsbehörde ihren Sitz hat;
Buchstabe b: die Sonderfälle, in denen sich ein Kind durch eigene Erwerbstätigkeit bis jetzt selber durchgebracht hat. Für diese Fälle soll die heute geltende Regelung (Art. 7 Abs. 2 Bst. d) übernommen werden - mit einer sprachlichen Präzisierung.

Buchstabe c: die Fremdplazierungssachverhalte, bei denen nicht zusammenlebende Eltern beide Träger der elterlichen Gewalt bleiben. Mit der ins Auge gefassten Regelung sollen die Schwierigkeiten eliminiert werden, welche infolge eines indirekten Verweises auf das Zivilrecht (Art. 315 ZGB) im geltenden Absatz 2 Buchstabe c entstanden sind. Erfasst werden durch die neue Bestimmung freiwillige und behördliche Fremdplazierungen ohne Entzug der elterlichen Gewalt. Eine spezielle Regelung drängt sich auf, weil in diesen Fällen durch die 61

Absätze l und 2 keine eindeutige Bestimmung des Unterstützungswohnsitzes möglich ist. Zu denken ist,an Situationen, in denen Eltern ein nicht bevormundetes Kind fremdplazieren und ihrem Zusammenleben ohne behördliche Mitwirkung ein Ende setzen. Die Auflösung ihres gemeinsamen Haushaltes kann auch durch ein richterliches Verfahren entschieden werden, in welchem die Frage nach der Zuteilung der elterlichen Gewalt üblicherweise ausgeklammert bleibt (beispielsweise im Eheschutzverfahren gemäss Art. 172 ff. ZGB). Soll sich der Unterstützungswohnsitz des Kindes nun von demjenigen der Mutter oder von demjenigen des Vaters ableiten? Die Expertenkommission kam beim Versuch, diese Frage zu beantworten, aus verfassungsrechtlichen Gründen zum Schluss, dass im Zuständigkeitsgesetz keiner der erwähnten Varianten der Vorzug gegeben werden darf, da durch die eine wie die andere Anknüpfung unweigerlich das Gleichberechtigungsgebot verletzt würde.

Als Alternative wurde deshalb die Begründung eines Unterstützungswohnsitzes am Aufenthaltsort des fremdplazierten Kindes oder am letzten zivilrechtlichen Wohnsitz der Eltern vor Auflösung ihres gemeinsamen Haushaltes geprüft. Eine Gegenüberstellung ergab einerseits, dass die Anknüpfung am Aufenthaltsort des Kindes für die Standorte von Kinderheimen untragbare finanzielle Mehrbelastungen zur Folge hätte und mit unerwünschten Auswirkungen auf die heimpolitischen Entscheide der Kantone verbunden wäre. Die von der Expertenkommission vorgeschlagene Anknüpfung am letzten gemeinsamen zivilrechtlichen Wohnsitz wurde im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens als willkürlich und praxisfremd kritisiert.

Der Bundesrat schlägt nun - dem Vorschlag St. Gallens folgend - vor,, am letzten abgeleiteten Unterstützungswohnsitz anzuknüpfen, um dadurch Finanzierung und Gestaltung von alifälligen Kinderschutzmassnahmen möglichst zu vereinheitlichen.

Buchstabe d: alle nicht anderweitig geregelten Sachverhalte, welche nach Ansicht der Praktiker überwiegend «Übergangsfälle» darstellen dürften und deshalb für die betroffenen Aufenthaltsorte keine unzumutbaren Mehrbelastungen zur Folge haben sollten (Beispiel: Vater des betroffenen Kindes gestorben, Mutter unbekannten Aufenthalts).

213.33

Anrechnung der Wohndauer beim Übergang zum eigenen Unterstützungswohnsitz (Art. 8)

Die Modifikation und Erweiterung von Artikel 8 steht in direktem Zusammenhang mit dem Systemwechsel, der bei der Wohnsitzregelung für Ehefrauen (Art. 6) vorgenommen worden ist.

Einen Übergang zum eigenen Unterstützungswohnsitz wird es für Ehefrauen inskünftig nicht mehr geben. Trotzdem müssen - gewissermassen als logische Folge der in Artikel 32 Absatz 3 des Gesetzesentwurfes vorgesehenen Bestimmung, dass in Hausgemeinschaft lebende Ehegatten mit gleichem Unterstützungswohnsitz rechnerisch als ein Unterstützungsfall zu behandeln sind - hin62

sichtlich der Festlegung der Kostenersatzpflicht folgende Regelungsbereiche neu erfasst werden: a. Wohndauerberechnung bei Begründung und während eines gemeinsamen Haushaltes ; b. Wohndauerberechnung bei Auflösung eines gemeinsamen Haushaltes.

Für die Wohndauerberechnung bei Begründung und während eines gemeinsamen: Haushaltes sieht der Entwurf in Artikel 8 Buchstabe a eine Meistbegünstigung vor, das heisst bei unterschiedlicher Wohnsitzdauer ist für die Festlegung der Kostenersatzpflicht in jedem Fall die längere massgebend. Dies gilt auch bei Auflösung des gemeinsamen Haushaltes, sofern der betreffende Ehegatte den Wohnsitzkanton nicht verlässt (Art. 8 Bst.b). Die Regelung für unmündige Kinder, die einen eigenen Unterstützungswohnsitz begründen (Art. 8 Bstc), bringt im Vergleich zu der heute geltenden Regelung keine materiellen Änderungen.

., 213.4

Beendigung (Art. 9)

Die Beendigung eines Unterstützungswohnsitzes (Art. 9) soll inskünftig nur noch an das Kriterium des Wegzuges aus dem Kanton geknüpft werden. Auf die Absichten des Bedürftigen soll nicht mehr abgestellt werden, da sich deren Überprüfung als faktisch unmöglich erwiesen hat.

Die Beendigung eines Unterstützungswohnsitzes wird aber auch in Zukunft ohne die Begründung eines neuen möglich sein. Im Gegensatz zum Zivilrecht wird es im Fürsorgewesen auch weiterhin keinen fiktiven Wohnsitz geben. Eine Abweichung vom Zivilrecht ist vertretbar, weil das Zuständigkeitsgesetz künftig in Artikel 12 Absatz 2 den Aufenthaltskanton zur Leistung von Unterstützung verpflichten soll, wenn der Bedürftige keinen Unterstützungswohnsitz hat.

Der Bundesrat unterstützt im weiteren den Vorschlag der Expertenkommission.

Diese hat sich gegen die zeitliche Begrenzung eines bestehenden Unterstützungswohnsitzes für jene Fälle ausgesprochen, ini denen der Wegzug nicht eindeutig feststeht. Zweifelsfälle werden daher weiterhin durch eine dem Einzelfall angepasste Rechtsprechung entschieden werden müssen, wobei die einschlägigen Kommentierungen (Thomet, a.a.O., Rz. 132), insbesondere die willkürliche Festlegung einer Jahresfrist als Faustregel, nach Meinung der Praktiker nicht ohne Vorbehalt übernommen werden sollten. Die Absätze 2 und 3 sollen nicht verändert werden.

22

Die Unterstützung von Schweizer Bürgern

221

Zuständigkeit

Im Titel über die Unterstützung von Schweizer Bürgern (Art. 12-19) sollen was die Unterstützung Bedürftiger ohne Unterstützungswohnsitz betrifft grundsätzliche Änderungen vorgenommen werden.

63

221.1

Grundsatz (Art. 12)

In Absatz l von Artikel 12 wird der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass die Fürsorge für bedürftige Schweizer Bürger dem Wohnkanton obliegt, nochmals erwähnt.

Nun wird in Absatz 2 eine Zuständigkeit des Aufenthaltskantons für diejenigen Bedürftigen begründet, die keinen Unterstützungswohnsitz haben. Die Hilfeleistung des Aufenthaltskantons soll in diesen Fällen umfassend sein und sich nicht lediglich auf die ein Minimum umfassende Notfallhilfe im Sinne des bisherigen Artikel 13 beschränken. Bei dieser Neuregelung .wurde vor allem an Sucht- und Aids-Patienten gedacht, denen mit einer notdürftigen Unterstützung im allgemeinen nicht geholfen ist.

Auf diese grosse Problematik, von der vor allem Kantone mit grossen Agglomerationen betroffen sind, wurde im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens wiederholt aufmerksam gemacht (Kantone Zürich und St. Gallen). Da im Vorentwurf keine Lösungsvorschläge vorlagen, nahm sich die Expertenkommission nochmals dieser zweifellos notwendigen Verbesserung der geltenden Regelung an. Sie erwog grundsätzlich drei Lösungsvorschläge: - die Schaffung eines fiktiven Unterstützungswohnsitzes; - differenzierte Definition der Notfallhilfe in Artikel 13; - klare Verantwortlichkeit des Aufenthaltskantons für Personen ohne Unterstützungswohnsitz.

Der Bundesrat unterstützt die von der Kommission gewählte letzte Lösung, wonach, wie bereits erwähnt, in einem neuen Absatz 2 des Artikels 12 festgehalten wird, dass für Bedürftige ohne Unterstützungswohnsitz der Aufenthaltskanton zuständig ist. Dies wird dem Aufenthaltskanton erlauben, dem Einzelfall entsprechend adäquate Unterstützungs- und Betreuungsmassnahmen unabhängig der notwendigen Dauer anzuordnen. Eine entsprechende Lösung wurde im Vernehmlas'sungsverfahren von sieben Kantonen und zwei Fachverbänden aus der Überlegung her beantragt, dass dadurch der Verwaltungsaufwand reduziert werden könnte und die Behörden des Heimatkantons den Bedürftigen in aller Regel gar nicht kennen.

221.2

Notfälle (Art. 13)

Mit der Neuregelung von Artikel 12 wird es die Notfallunterstützung im Sinne von Artikel 13 nur noch für Bedürftige geben, die einen Unterstützungswohnsitz haben. Dementsprechend wird in Absatz 2 der Passus gestrichen, wonach ein Bedürftiger nach Erhalt der unbedingt notwendigen Hilfe in den Heimatkanton verlegt werden kann, was verfassungsrechtlich ohnehin nicht mehr zulässig ist.

Im übrigen soll es in Zukunft dem notfallhilfeleistenden Kanton überlassen bleiben, was er als unaufschiebbare Hilfe betrachtet und was nicht. Dasselbe gilt für die Hilfe an Ausländer in den Artikeln 20 und 21 des Gesetzes.

64

222

Kostenersatzpflicht

222.1

Ersatzpflicht des Wohnkantons (Art. 1 4 ) ' · "

,

'

,

Dem Aufenthaltskanton, der einen Bedürftigen im Notfall unterstützt, steht das Recht zu, dem Wohnkanton nebst den Kosten der notwendigen auch die Auslagen der im Auftrag des Wohnkantons ausgerichteten weitern Unterstützungen zu überbinden (Art. 14 Abs. 1). Diese Regelung bewahrt den Aufenthaltskanton davor, die finanziellen Konsequenzen der Notfallunterstützung selber tragen zu müssen, wodurch ein rascher Entscheid im Sinne einer sach- und zeitgerechten Hilfeleistung erleichtert wird.

222.2

Ersatzpflicht des Heimatkantons

Die Diskussion über eine mögliche Abschaffung der heimatlichen Kostenersatzpflicht (Art. 15-17) ist in der Expertenkommission von den gegensätzlichen Interessen der Abwanderungs- und der Zuwanderungskantone dominiert worden und hat zum Teil an politische Argumentationen angeknüpft, die schon bei Erlass des Zuständigkeitsgesetzes vorgebracht worden sind (vgl. 801 1976111 1207, Ziff. 232.2). Eingehende Meinungsaustausche haben ergeben, dass die geltende Regelung für den Unterstützten diskriminierende Auswirkungen haben kann, und dass der im Melde- und Abrechnungswesen betriebene Verwaltungsaufwand kaum mehr zu rechtfertigen ist. Eine Kommissionsmehrheit setzte sich denn auch für eine Überleitung zum vorbehaltlosen Prinzip der wohnörtlichen Unterstützungszuständigkeit ein. Die politische Tragweite eines möglichen Systemwechsels liess es allerdings angezeigt erscheinen, zum Problemkreis der heimatlichen Ersatzpflicht eine Umfrage bei den Kantonsregierungen durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Sondierung lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen: - insgesamt neun Kantone würden eine vollständige Abschaffung der heimatlichen Ersatzpfiicht begrüssen; - fünf (bevölkerungsstarke) Kantone lehnen hingegen jegliche Änderung des geltenden Systems ab; - die Mehrheit der Vernehmlasser tritt für eine differenzierte Neugestaltung ein: Beibehalt von Artikel 15 und möglichst weitgehende Eliminierung der Verpflichtung gemäss Artikel 16.

222.21

Anspruch des Aufenthaltskantons (Art. 15)

Die Expertenkommission ist bei ihrer Analyse zur Überzeugung gekommen, dass die Streichung von Artikel 15 nicht erwogen werden darf. Im Vordergrund stand dabei die Annahme, dass ein Streichungsentscheid die Position der Aufenthaltskantone verschlechtern würde und Abschiebungstendenzen fördern könnte.

3 Bundesblatt. 142. Jahrgang. Bd.I

65

In Anpassung an den neuen Artikel 12 Absatz 2 soll die Vergütung des Aufenthaltskantons eine umfassende sein und nicht nur die eingeschränkte Notfallhilfe umfassen. Mit dem neuen Vorschlag geht jedoch eine Aufforderung an die Aufenthaltskantone, Wohnsitzbegründung zu ermöglichen. Die Heimatkantone sollen mit der Neuregelung, nicht übermässig belastet werden. Es wird an die interkantonale Solidarität appelliert.

222.22

Anspruch des Wohnkantons (Art. 16)

Wesentlich anders gestaltet sich die Ausgangslage bei Artikel 16: Zwar kann auch hier eine vollständige und ersatzlose Streichung der Ersatzpflicht des Heimatkantons nicht erworgen werden, weil die Zeit für einen endgültigen Bruch mit dem historischen Heimatprinzip selbst über 70 Jahre nach Abschluss des ersten Konkordates über die wohnörtliche Unterstützung und trotz der Revision von Artikel 48 BV im Jahre 1975 politisch nicht reif zu sein scheint. Die überwiegende Mehrheit der kantonalen Stellungnahmen enthält aber doch den Wunsch nach entschiedener Annäherung an das reine Wohnortsprinzip, was auch im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens nochmals unterstrichen wurde. Drei Zuwanderungskantone mit grossen Agglomerationen wollen jedoch an der bisherigen Lösung festhalten. Aufgrund der divergierenden Interessen kommt auch der Bundesrat zur Überzeugung, dass die Zeit noch nicht reif ist, zur reinen wohnörtlichen Zuständigkeit überzugehen. Er unterstützt den Vorschlag der Expertenkommission, wonach sich die Ersatzpflicht auf die zwei ersten Wohnsitzjahre beschränken sollte. Dadurch kann nicht zuletzt dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Fluktuation von potentiellen Fürsorgeklienten über dem üblichen Durchschnitt liegt. Der Umfang der Ersatzpflicht soll während dieser Zeit wie bis anhin 100 Prozent betragen. In Absatz l erübrigen sich somit redaktionelle Änderungen. Der Gmndsatzentscheid, auf eine hälftige Ersatzpflicht für das dritte bis zehnte Wohnsitzjahr zu verzichten, hat zur Folge, dass Absatz 2 ersatzlos aufgehoben werden kann. Auf einen angepassten (deklaratorischen) Hinweis in Absatz 3 kann ebenfalls verzichtet werden.

222.23

Kostenersatzpflicht bei mehreren Kantonsbürgerrechten (Art. 17)

Mit der Eherechtsrevision haben sich die Bürgerrechtsverhältnisse entscheidend verändert: Doppel- und Mehrfachbürgerrechte von Ehefrauen bewirken eine Komplizierung des fürsorgerechtlichen Abrechnungswesens. Aus diesem Grunde wurde im Vernehmlassungsverfahren von verschiedener Seite gewünscht, Artikel 17 Absatz 2 aufzuheben. Der Bundesrat unterstützt diese Forderung. Heimatkanton im Sinne des Gesetzes soll somit lediglich der Kanton sein, dessen Bürgerrecht der Unterstützte oder seine Vorfahren zuletzt erworben haben.

66

Für die Interpretation von Artikel 17 ist nun wichtig zu wissen, dass die Erlangung des einstigen Bürgerrechts durch Abgabe einer Erklärung im Sinne von Artikel 86 SchlT ZGB keine Neubegründung, sondern die Wiedereinsetzung in eine vorbestandene Rechtsposition zur Folge hat. Es rechtfertigt sich deshalb, bei solchen Konstellationen entgegen der Chronologie dasjenige Bürgerrecht als das zuletzt,erworbene zu betrachten, welches durch die Eheschliessung begründet wurde.

23

Unterstützung von Ausländern (Art. 20 und 21)

Die Notfallhilfe für Ausländer wird entsprechend derjenigen für Schweizer Bürger geändert (vgl. die Ziff.23.l und 23.2).

24

Verschiedene Bestimmungen

Die Expertenkommission hat bei der Durchsicht des vierten Titels (Verschiedene Bestimmungen, Art. 24-28) die Gelegenheit zur Vornahme sprachlicher Präzisierungen sowie praxisorientierter Änderungen und Ergänzungen ergriffen.

241

Familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsanzeigen (Art. 25)

In Artikel 25 wird durch die Neufassung Von Absatz l (Ersetzung des Wortes «muss» durch den Ausdruck «ist zuständig») verdeutlicht, dass sich die Frage, ob und in welchem Umfang eine Behörde verpflichtet ist, den auf das wohnörtliche Gemeinwesen übergegangenen Beitragsanspruch geltend zu machen, nach kantonalen Fürsorgerecht beurteilt.

Mit der Streichung des zweiten Halbsatzes von Absatz 2 sollen die Kompetenzen der heimatlichen Behörden im Interesse einer einheitlichen Fallführung eingeschränkt werden. Der Heimatkanton wird nach dem Vorschlag der Expertenkommission inskünftig nur noch dann zur Geltendmachung von Unterhaltsoder Unterstützungsbeiträgen legitimiert sein, wenn er dem Aufenthaltskanton die Kosten erstattet hat oder erstatten muss. Das aus Absatz 3 fliessende Recht auf (anteilmässige) Beteiligung an den vom Wohnkanton eingenommenen Beiträgen soll demgegenüber nicht tangiert werden.

242

Rückerstattungen (Art. 26)

Durch einen neugeschaffenen Absatz 4 soll in Artikel 26 für die Beteiligung des Heimatkantons an eingenommenen Rückerstattungen das gleiche Prinzip wie für die familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge (Art. 25 Abs. 3) verankert werden. Artikel 27 wird dadurch überflüssig und soll ersatzlos aufgehoben werden.

67

25

Zuständigkeit, Verfahren und Rechtspflege

251

Unterstützungsanzeige

Die Überarbeitung des fünften Titels (Zuständigkeit, Verfahren und Rechtspflege, Art. 29-34) war primär von der Diskussion über die Rechtsnatur der Fristnormen geprägt. In den nachstehenden Ausführungen sollen nur jene Bestimmungen erläutert werden, die nach Meinung der Expertenkommission abgeändert und/oder ergänzt werden müssen. Einige Bemerkungen gelten den Rechtspflegebestimmungen.

251.1

In Notfällen (Art. 30)

In Anpassung an die Artikel 13 und 15 wird Artikel 30 präziser formuliert.

251.2

In den übrigen Fällen (Art. 31)

Nach der geltenden Fassung von Artikel 31 hat der Wohnkanton, der vom Heimatkanton die Erstattung von Unterstützungskosten verlangt, diesem den Unterstützungsfall binnen 60 Tagen schriftlich anzuzeigen (Abs. 1). Die genannte Frist stösst in der Praxis seit Jahren auf Kritik, da ihre Nichteinhaltung Verwirkungsfolgen nach sich zieht. Aufgrund einer entsprechenden Empfehlung der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF) wird die Frist jedoch von den Kantonen als Ordnungsfrist betrachtet. Diese Diskrepanz zwischen massgebendem Gesetzestext und faktischer Auslegung soll nunmehr behoben werden. Mit der für Absatz l vorgeschlagenen Wortwahl kann die umstrittene und offenbar praxisfremde Verwirkungsfrist in eine Ordnungsfrist umgewandelt werden. Die mangelnde Verbindlichkeit wurde im Vernehmlassungsverfahren kritisiert. Dadurch würden Nachlässigkeiten gefördert und eine vernünftige Budgetplanung auf Seiten der ersatzpflichtigen Gemeinwesen verhindert. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, in einem Schlussatz eine endgültige Frist von einem Jahr festzulegen.

252

Abrechnung (Art. 32)

In analoger Weise soll die Rechtsnatur der Abrechnungsfrist (Art. 32) geändert werden. Die Expertenkommission sieht in Absatz l vor, dass der anspruchsberechtigte Kanton dem ersatzpflichtigen Kanton die geschuldeten Unterstützungskosten inskünftig «in der Regel» binnen 60 Tagen nach Ablauf jedes Quartals in Rechnung stellen wird.

Der neugeschaffene Absatz 3 stellt klar, dass Familienangehörige, welche in Hausgemeinschaft leben, abrechnungstechnisch auch weiterhin als einheitlicher 68

Unterstützungsfall erfasst werden sollen (vgl. für bemessungstechnische Fragen Ziff.213.13). Der bisherige Absatz 3 wird in unveränderter Form zu Absatz 4.

253

Rechtspflege (Art. 33 und 34)

Das geltende Rechtspflegesystem (Art. 33 und 34) hat sich nach Meinung der Praktiker sehr gut bewährt. Die geringe Anzahl von Beschwerden, die vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement in den letzten Jahren entschieden werden musste, lässt darauf schliessen, dass viele Streitigkeiten im Einspracheverfahren erledigt werden können. Diese Vorphase (Art. 33 und 34 Abs. 1) ist von erheblichem Wert. An ihr soll, wie übrigens auch am eigentlichen Beschwerdeverfahren (Art. 34 Abs. 2 und 3), festgehalten werden.

26

Schlussbestimmungen (Art. 3 5-3 8)

Im sechsten und letzten Titel (Schlussbestimmungen, Art. 35-38) sind keine Modifikationen vorgesehen. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Revision des Zuständigkeitsgesetzes keine übergangsrechtlichen Probleme schaffen wird, welche die Aufnahme neuer Normen notwendig machen. Die Kommission ist zu diesem Schluss gekommen, weil - die Ehefrau mit Inkrafttreten des revidierten Zuständigkeitsgesetzes automatisch einen selbständigen Unterstützungswohnsitz begründen wird; - die zuständigkeitsrechtlichen Neuerungen in Artikel 7 und die damit verbundenen Verschiebungen bei der Zahlungspflicht ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes zu beachten sein werden; - auch der neue Schlüssel für die Regelung der Ersatzpflicht (Art. 16) mit der Inkraftsetzung des revidierten Zuständigkeitsgesetzes anzuwenden sein wird.

Für die Lösung administrativer Übergangsprobleme wird die Schweizerische Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF) zu gegebener Zeit anhand konkreter Fallbeispiele Lösungsmodelle aufzeigen.

Verschiedene Vernehmlasser beantragen eine Minimalfrist von zwölf Monaten zwischen Verabschiedung des revidierten Zuständigkeitsgesetzes durch das Parlament und der Inkraftsetzung.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

31

Auswirkungen auf den Bund

Die vorgesehene Änderung des Bundesgesetzes hat für den Bund weder finanzielle noch personelle Auswirkungen.

69

32

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Leistungen der öffentlichen Fürsorge werden wie bis anhin von Kantonen und Gemeinden erbracht. Die vorgeschlagenen Änderungen des Zuständigkeitsgesetzes verpflichten die Kantone zu keiner Mehrleistung. Allerdings verlagert sich die finanzielle Belastung der Kantone, indem sich die Ersatzpflicht der Heimatkantone auf zwei Jahre beschränkt. Die Änderung wirkt sich zugunsten der Abwanderungskantone aus und scheint angemessen.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Legislaturplanung 1987-1991 angekündigt (BB1 1.988 I 395, Anhang 2).

5

Verfassungsmässigkeit

Die vorgeschlagenen Änderungen des Zuständigkeitsgesetzes stützen sich auf Artikel 48 der Bundesverfassung sowie auf Artikel 4 Absatz 2 der Bundesverfassung.

3560

70

Bundesgesetz Entwurf über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 22. November 1989^, beschliesst: I

Das Bundesgesetz vom 24. Juni 19772) über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger wird wie folgt geändert: Titel Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (Zuständigkeitsgesetz, ZUG)

Art. l Abs. 3 Die Unterstützung von Auslandschweizern richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 21. März 19733) über Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer, die Unterstützung ausländischer Flüchtlinge und Staatenloser nach besonderen Erlassen4) des Bundes.

3

Art. 2 Abs. l 1 Bedürftig ist, wer für den Lebensunterhalt nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann.

Art. 6 Ehegatten Ehegatten haben je einen eigenen Unterstützungswohnsitz.

Art. 7 Unmündige Kinder 1 Das unmündige Kind teilt, unabhängig von seinem Aufenthaltsort, den Unterstützungswohnsitz der Eltern oder des Elternteils, unter deren oder dessen Gewalt es steht.

" BB1 1990 I 49 > SR 851.1

2

3 4

> SR 852.1 > SR 142.31, 855.1

71

Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger

2

Wenn die Eltern keinen gemeinsamen zivilrechtlichen Wohnsitz haben, teilt es den Unterstützungswohnsitz jenes Elternteils, bei dem es wohnt.

3 Es hat eigenen Unterstützungswohnsitz a. am Sitz der Vormundschaftsbehörde, unter deren Vormundschaft es steht; b. am Ort nach Artikel 4, wenn es erwerbstätig ist und sich bis jetzt selber durchgebracht hat; c. am letzten Unterstützungswohnsitz nach den Absätzen l und 2, wenn es dauernd nicht bei den Eltern oder einem Elternteil wohnt; d. an seinem Aufenthaltsort in den übrigen Fällen.

Art. 8

Anrechnung der Wohndauer für die Festlegung der Kostenersatzpflicht Für die Regelung der Kostenersatzpflicht (Art. 14 und 16) gelten folgende Grundsätze: a. Ist die Wohnsitzdauer zusammen lebender Gatten unterschiedlich, so ist stets die längere massgebend.

b. Lösen die Ehegatten den gemeinsamen Haushalt auf, so wird ihnen die bisherige Wohndauer angerechnet, sofern sie den Wohnkanton nicht verlassen.

c. Erhält ein unmündiges Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz, so wird ihm die bisherige Wohnsitzdauer angerechnet, wenn es den Wohnkanton nicht verlässt.

Art. 9 Abs. l 1

Wer aus dem Wohnkanton wegzieht, verliert den bisherigen Unterstützungswohnsitz.

Art. 12 Abs. 2 und 3 2

Hat der Bedürftige keinen Unterstützungswohnsitz, so wird er vom Aufenthaltskanton unterstützt.

3 Der Kanton bezeichnet das Unterstützungspflichtige Gemeinwesen und die zuständige Fürsorgebehörde.

, Art. 13 Notfälle 1 Ist ein Schweizer Bürger ausserhalb seines Wohnkantons auf unaufschiebbare Hilfe angewiesen, so muss der Aufenthaltskanton ihm diese leisten.

2 Ist es nicht mehr notwendig, die Hilfe im Aufenthaltskanton zu leisten, so kann dieser die Rückkehr des Bedürftigen an seinen Wohnort veranlassen.

72

Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger

Art. 14 Abs. 2 2

Ist der unterstützende Aufenthaltskanton der Heimatkanton des Bedürftigen, so muss der Wohnkanton die Kosten nur vergüten, wenn der Unterstützungswohnsitz seit zwei Jahren besteht.

Art. 15 Anspruch des Aufenthaltskantons Hat der Unterstützte in der Schweiz keinen Wohnsitz, so vergütet der Heimatkanton dem Aufenthaltskanton die Kosten der Unterstützung.

Art., 16 Abs. 2 und 3 Aufgehoben

i

Art. 17 Abs. 2 Aufgehoben Art. 20 Abs. 2 ' .

' " 2 Ist ein Ausländer ausserhalb seines Wohnkantons auf unaufschiebbare Hilfe angewiesen, so gilt Artikel 13 sinngemäss.

Art. 21 Abs.] .

1 Bedarf ein Ausländer, der sich in der Schweiz aufhält, hier aber keinen Wohnsitz hat, unaufschiebbarer Hilfe, so ist der Aufenthaltskanton unterstützungspflichtig.

Art. 25 Abs. l und 2 1 Für die Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterstützungsbeiträgen, die nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch ') auf das Gemeinwesen übergegangen sind, ist der Wohnkanton zuständig, bei Ausländern ohne Wohnsitz in der Schweiz der unterstützende Aufenthaltskanton.

2 Der Heimatkanton ist dafür zuständig, wenn er dem Aufenthaltskanton die Kosten voll vergütet hat oder vergüten muss.

, ; Art. 26 Sachüberschrift und Abs. 4 (neu) Sachüberschrift aufgehoben 4 Hat sich der Heimatkanton an den Unterstützungskosten beteiligt, so überweist ihm der Wohnkanton den entsprechenden Anteil von den eingenommenen Beiträgen.

') SR 210 73

Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger

An. 27 Aufgehoben Art. 30 In Notfällen Der Aufenthaltskanton, der einen Bedürftigen im Notfall unterstützt und dafür vom Wohnkanton die Erstattung der Kosten verlangt, muss diesem den Unterstützungsfall sobald als möglich anzeigen.

Art. 31 Abs. l 1 Der Wohn- oder der Aufenthaltskanton, der vom Heimatkanton die Erstattung von Unterstützungskosten verlangt, zeigt diesem den Unterstützungsfall binnen 60 Tagen an. In begründeten Fällen läuft die Frist längstens ein Jahr.

Art. 32 Abs. l, 3 und Abs. 4 (neu) 1 Der anspruchsberechtigte Kanton stellt dem rückerstattungspflichtigen Kanton in der Regel binnen 60 Tagen nach Ablauf jedes Quartals für die geschuldeten Unterstützungskosten gesamthaft Rechnung.

3 In Hausgemeinschaft lebende Ehegatten und unmündige Kinder mit gleichem Unterstützungswohnsitz sind rechnerisch als ein Unterstützungsfall zu behandeln.

4 Der rückerstattungspflichtige Kanton begleicht die Rechnung binnen Monatsfrist, ungeachtet eines Rückgriffs auf das nach kantonalem Recht Unterstützungspflichtige Gemeinwesen.

II

Für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Gesetzesänderung hängigen Verfahren gilt das neue Recht.

III 1 2

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

3560

74

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger vom 22. November 1989

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1990

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

01

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89.077

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

09.01.1990

Date Data Seite

49-74

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