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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde des Kaspar Amstad in Seedorf gegen das Urteil des Kreisgerichts Uri vom 18: März 1901, betreffend Übertretung des Salzregals.

(Vom 26. Juli 1901.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde des K a s p a r A m s t a d in Seedorf gegen das Urteil des Kreisgerichts Uri vom 18. März 1901, betreffend Übertretung des Salzregals; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

a. Durch Urteil des Kreisgerichts Uri war Kaspar Amstad am 5. Juli 1897 wegen unbefugten Salzverkaufs (1896) in Seedorf und Attinghausen zu einer Geldbuße von Fr. 25 und Kosten verurteilt worden.

&. Durch Urteil desselben Kreisgerichts wurde Amstad den 18. März 1901 neuerdings wegen desselben Vergehens mit einer

69 Buße von Fr. 17. 50 belegt, unter Kostenfolge. Die Motivierung des Urteils geht dahin : 1. daß, laut geführtem verhöramtlichem Untersuch, der Beklagte das Salz nur von der öffentlichen Salzstelle in Seedorf bezog und in seinem Laden zu gleichem Preise den Kunden abgab und es sieh also nicht um eine eigentliche Schädigung der patentierten Salzstätte handelt; 2. daß dieser Salzhandel durch andere als die öffentlichen Salzverkäufer jedoch nach Art. 277, § 2, Landbuch, verboten ist.

II.

Gegen letzteres Urteil reichte Amstad den 17./18. Mai 1901 beim Bundesrat eine vom 5. Mai 1901 datierte Beschwerde ein, mit dem Gesuch um Aufhebung desselben. Zur Begründung wird augeführt: Der Regierungsrat ordnete auf eine gegen mich eingelangte Denunziation hin einen verhöramtlichen Untersuch an, ohne mich vorher anzuhören oder mir Anlaß zu bieten, über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Denunziation mich auszusprechen. Ich würde nie bestritten haben, daß ich von der Sakauswägerei Seedorf, wo ich wohnhaft bin und eine Spezereihandlung betreibe, Salz en gros bezogen ; das war offenkundig, hierzu bedurfte es eines Untersuche nicht. Ebensowenig würde ich bestritten haben, daß ich meinen Kunden auf ausdrückliches Verlangen Salz pfundweise abgab und zwar zum Selbstkostenpreis, d. h. zum gesetzlichen Preise von 18 Cts. per Kilo; etwas anderes hat der Untersuch zu meinen Lasten nicht ergeben. Gleichwohl wurde ich gebüßt und mir sogar die ziemlich bedeutenden Untersuchskosten aufgelastet.

Das Kreisgericht Uri stellt in seinem Urteil fest, daß ich das sämtliche Salz ausschließlich aus der öffentlichen Salzstelle in Seedorf bezogen und in meinem Laden zum gleichen Preise meinen Kunden abgegeben habe, es sich also nicht um eine Schädigung der patentierten Salzstelle handeln könne. Zur Begründung des Strafurteils wird aber auf Art. 277, § 2, Landbuch, amtliche Sammlung pag. 255 Bezug genommen und daraus der Schluß gezogen, es sei im Kanton Uri niemand befugt, im kleinen oder im großen Salz zu verkaufen, außer die obrigkeitlich patentierten Salzauswäger. Die Verordnung, auf welche das Kreisgericht sich stützt, beruht auf einer Landratserkenntnis vom Jahre 1805. Diese Verordnung ist in verschiedenen Bestimmungen Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. IV.

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veraltet, sie läßt sich mit Art. 31 der Bundesverfassung nicht mehr in Einklang bringen.

Es ist allerdings richtig, daß das Salzregal in § 31, litt, a, der Bundesverfassung vorbehalten ist. In der mir zur Last gelegten Handlung läßt sich aber eine Übertretung des Salzregals nicht erblicken ; weder der Staat, noch der patentierte Salzauswäger haben dadurch die geringste Benachteiligung erfahren.

Ich habe das Salz, welches ich verkauft habe, von der obrigkeitlichen Salzstelle in Seedorf bezogen, ich habe keinerlei Vorteile für mich dabei gesucht, ich habe es zum gleichen Preise, wie ich es gekauft, abgegeben. Für das Publikum bedeutete meine Handlungsweise eine Verkehrserleichterung, dasselbe war nicht genötigt, einen Weg von einer halben Stunde und mehr zu machen, um sich Salz zu verschaffen. Man war mir dankbar dafür, daß ich in meinem Spezereiladen auf ausdrücklichen Wunsch der Kundschaft das Salz zum gleichen Preise wie in der Salzstätte, von der ich es kaufte, abgab.

Den Kantonen wurde das Salzregal gewährleistet, um ihnen eine nicht unbedeutende Einnahmsquelle zu sichern. Es ist einleuchtend, daß die Kantone ein Interesse daran haben, sich diese Einnahme nicht verkürzen zu lassen; es ist begreiflich, daß jeder Versuch, die fiskalischen Interessen zu schädigen, als strafbar erklärt und mit Buße belegt wird ; aber es ist unerklärlich, wenn ein Gewerbsmann, der aus der obrigkeitlichen Salzstätte das Salz bezieht, und dieses gleiche Salz in seinem Laden zum gleichen Preis an Kunden abgiebt, sollte bestraft werden können.

III.

Der Regierungsrat des Kantons Uri beantragt in seiner Vernehmlassung vom 6. Juli 1900 Abweisung der Beschwerde ; er führt, unter Hinweis auf die frühere Bestrafung Amstads und Beigabe der ergangenen Strafakten, aus : Art. 31, litt, a, der Bundesverfassung garantiert das Salzregal. Dasselbe steht bloß den Kantonen zu und bildet eine Ausnahme von der Freiheit des Handels und der Gewerbe.

Bundesvorschriften über die Art und Weise, wie die Kantone das Salzregal durchzuführen haben, bestehen keine ; sie sind diesfalls selbständig und können das ihnen'Passende, und als notwendig Erscheinende anordnen und feststellen. Ein Regal ohne solche Ausführung^- und Vorsichtsmaßregeln, welche den Charakter und den Zweck desselben sichern, ist nicht denkbar und würde

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einem Messer ohne Klinge gleichen. Wenn also das Regal selber ·eine Ausnahme von der Freiheit des Handels und der Gewerbe bildet und bilden muß, um Regal zu sein, so kann doch ohne weiteres angenommen werden, daß auch die VollziehungsbestimTnungen für das Regal nicht der erwähnten Freiheit zu unterstellen sind, ansonst eine offenbare Beeinträchtigung oder gar die thatsächliche Aufhebung desselben als Folge sich zeigen müßte.

Eine der wesentlichsten Bedingungen für die Durchführung des Salzregals ist gerade der Verkauf des Salzes durch amtliche Salzstätten, ohne welche keine Sicherheit über die Herkunft, die ·Qualität und den Preis des Salzes bestünde, ohne welche eine Aufsicht des regalberechtigten Staates über den Detailverkauf nicht zu denken wäre.

Nicht bloß der Kanton Uri, sondern a l l e Kantone handeln darnach und gestatten den Salzverkauf bloß solchen Stellen, die von Staates wegen dafür bezeichnet worden sind, die auch eine Kaution zu leisten haben und festgesetzte Provisionen vom Verkauf beziehen. Die Salzauswäger gehören deshalb in gewissem Sinne zu den Amtspersonen und haben besondere gesetzliche Vorschriften zu beobachten. Durch unerlaubten Salzverkauf werden nicht allein die Regal Vorschriften verletzt, sondern auch Amts·verrichtungen sich angemaßt, die bloß einem andern zustehen.

Sollte in Uri der freie Verkauf staatlichen Salzes zulässig sein, so müßte dies auch für die übrigen Kantone gelten und -- mit dem nämlichen Motive -- auch für den Pulververkauf.

Wir verweisen auf die V e r o r d n u n g ü b e r die S a l z v e r w a l t u n g im K a n t o n Uri und auf die V e r o r d n u n g ü b e r S a l z v e r k a u f.

Der Hinweis sei noch gestattet, daß die Bundesverwaltung ihr Pulverregal in gleicher Weise durchführt, wie Uri das Salzregal.

Der Pulververkauf ist auch kein freies Gewerbe, sondern bestimmten, von der Bundesverwaltung ernannten Verkäufern übertragen.

Wenn endlich Herr Amstad sich beschwert, daß der verhöramtliche Untersuch von unserer Behörde angeordnet worden sei, ohne ihn vorher anzuhören und ihm Gelegenheit zu bieten, sich über die Denunziation auszusprechen, so meint er es damit nicht ernst. Er weiß sehr wohl, daß der Regierungsrat keine Einvernahmen über eingereichte Strafklagen machen darf und diesfalls den Beklagten nicht anzuhören hat. Die Aufgabe desselben liegt bloß darin, Strafklageu dem Verhöramte zu überweisen.

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Im Untersuch, den dasselbe führte, ist Herr Amstad zum Worte gekommen und er fand bei diesem Anlaße Zeit und Gelegenheit, sich auszusprechen und seine Gründe und Anschauungen darzulegen.

IV.

Gemäß § 5 der Verordnung über die Salzverwaltung im Kanton Uri (Landbuch, II. Bd., 1901, S. 39--42) darf das Salz nur durch obrigkeitlich dazu verordnete Salzauswäger verkauft werden (siehe § 6 ff. weitere Bestimmungen betreffend die Salzauswäger).

Die Verordnung über Salzkauf (Landbuch, II. Bd., 1901, S. 42/43) bestimmt: § 1. Jeder Landeseinwohner des Kantons soll sich desjenigen Salzes allein bedienen, welches von den obrigkeitlich bestellten Salzauswägern verkauft wird, und wer sich hingegen anderwärtig oder aus andern Kantonen, dieser Verordnung zuwider, für Hausund Viehgebrauch, im Boden oder in den Alpen, besalzen oder Salz ins Land bringen würde, der wird für das erste Mal eine Geldbuße von Fr. 46 zu erlegen haben, wo sich dann das Gericht vorbehält, im Wiederholungsfall eine größere Strafe aufzuerlegen.

§ 2. Niemand ist befugt, in unserem Kanton im kleinen oder großen Salz zu verkaufen, außer diejenigen, die vom Regierungsrat dazu ermächtigt sind, und zwar unter einer Geldbuße von Fr. 88 unnachläßlich etc. (§§ 3, 4, Bußenverteilung und Kontrollpflicht der Gemeinderäte).

B.

in rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

In Art. 31, litt, a, der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874,, wie übrigens schon in Art. 29, litt, a, derjenigen vom 12. Herbstmonat 1848, sind Salz- und Pulverregal bei Gewährleistung der Freiheit von Handel und Gewerbe im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft vorbehalten worden; während aber gemäß Art. 41 der Bundesverfassung Fabrikation und Verkauf des Schießpulvers ausschließlich dem Bunde zusteht, wurden in feststehender Aus-

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legung des Art. 31, litt. «, derselben die Kantone als befugt erklärt, den Salzhandel als Regal zu behandeln.

II.

In zwei Entscheidungen hat der Bundesrat, in Anerkennung dieses Grundsatzes, weiterhin festgestellt: einmal, daß der Bürger, nach dessen Ansicht die kantonale Administrativbehörde das Regal in unzulässiger Weise ausdehnt, seine Reklamationen bei der zuständigen kantonalen Behörde geltend zu machen hat; sodann, daß es den Kantonen zustehen müsse, den Umfang des Regals, aber innerhalb der Schranken der Bundesverfassung, festzustellen und für die Vollziehung die nötigen Vorschriften zu erlassen (Salis, Bundesrecht, II, Nr. 541, 542; Bundesbl. 1877, II, S. 245 und 1880, II, S. 614).

Während er demgemäß im erstem Falle auf eine Beschwerde von Industriellen nicht eintrat, denen die Regierung des Kantons Baselland die Einfuhr von Meersalz zu technischen Zwecken verweigert hatte, weil die Erteilung dieser Konzession die Umgehung des Staatsmonopols erleichtern würde, hat der Bundesrat in seinem Entscheide vom 4. April 1879 das Verbot der thurgauischen Regierung, Abgangssalz als Dünger aus den Salinen direkt zu beziehen, auf erhobene Beschwerde hin materiell geprüft und festgestellt, daß in einem derartigen Verbote keine unstatthafte Ausdehnung des Regals liege. Auch im letztern Entscheide aber dürfte eine sachliche Prüfung der Beschwerde nur insoweit stattgefunden haben, als sich der Bundesrat das Recht glaubte vorbehalten zu sollen, von Bundes wegen da einzuschreiten, wo die mit der Regalität des Salzabbaus und Verkaufs naturgemäß verbundene Beschränkung des individuellen Rechtes auf Handelsund Gewerbefreiheit auf ein Gebiet ausgedehnt werden will, das bundesrechtlicher Regelung untersteht.

III.

Die vorliegend zum Entscheid gestellte Rechtsfrage, ob dieBestrafung eines obrigkeitlich nicht als Salzauswäger anerkannten Bürgers, welcher von einer amtlichen Auswägestelle bezogenes Salz weiter verkaufte -- allerdings ohne Profit -- über die sub II bezeichnete Grenze der kantonalen Regalität hinausgehe, ist zu verneinen. Es ist vielmehr mit der kantonalen Regierung

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Mit Recht ist auch darauf verwiesen worden, daß die Eidgenossenschaft selbst bei Durchführung des Pulverregals das absolute Verbot jedes nicht amtlich bewilligten Pulververkaufs aufgestellt hat und in strengster Weise dafür sorgt, daß in dieses Recht in keiner Weise eingegriffen wird (Bundesgesetz über das Pulverregal vom 30. April 1849, Art. l--4, 6 ; Bundesratsbeschluß betreffend Abänderung der Verordnung über die Geschäftsführung der Pulververwaltung, vom 10. Brachmonat 1875; Verordnung vom 14. Juli 1885 über die Einrichtung und Geschäftsführung der Pulververwaltung, Art. l, 12, 13, 26 ff.).

Es kann demnach gegen das angefochtene Kreisgerichtsurteil, welches in Vollziehung der zur Durchführung des kantonalen Salzregals nötigen Bestimmungen erlassen ist, vom Standpunkte des Bundesrechtes keine Einwendung erhoben werden.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 26. Juli

1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des Kaspar Amstad in Seedorf gegen das Urteil des Kreisgerichts Uri vom 18. März 1901, betreffend Übertretung des Salzregals. (Vom 26.

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31.07.1901

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