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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs der Frau Élise Genoud in Chàtel-St. Denis gegen die Verweigerung eines Wirtschaftspatents.

(Vom 26. November 1901.)

Der schweizerische Bundesrat, nach Einsicht eines Rekurses der Frau Elise G e n o u d in Chàtel-St. Denis gegen die Verweigerung eines Wirtschaftspatents, nach Einsicht eines Berichtes seines Justiz- und Polizeidepartements, beschliesst eßt: I.

Am 31. Oktober 1900 rekurrierte Frau Elise Genoud geb.

Cardinaux, von ihrem Gatten Léon Genoud dazu ermächtigt, beim Bundesrate gegen einen Beschluß des freiburgischen Staatsrates vom 1. August 1900, durch welchen dieser die von ihr mit Eingaben vom 1. Mai 1899 und 14. Juni 1900 nachgesuchte Bewilligung für eine Wirtschaft verweigerte.

Dieser Beschluß, von dem sie erst am 2. September Kenntnis erhielt, stützt sich im wesentlichen auf folgende Gründe: a. Die Eröffnung einer neuen Wirtschaft kann nicht als durch das öffentliche Wohl gefordert betrachtet werden.

b. Die Gemeinde Châtel-St. Denis, mit einer Bevölkerung Ton 2276 Seelen, besitzt bereits 7 Wirtschaften, l Pintenwirtschaft

1244 und 3 auch dem Publikum geöffnete Vereinsrestaurants, also eine Wirtschaft auf 206 Einwohner.

c. Aus diesem gleichen Grunde verweigerte der Staatsrat durch Beschluß vom 24. November 1898, welcher infolge Rekursergreifung dann vom Bundesrat bestätigt wurde, die von Johann Chillier in Fruence, Gemeinde Châtel, verlangte Wirtschaftskonzession.

d. Die Nützlichkeit des Betriebes eines Restaurants in der Nähe des neuen Bahnhofes ist vom Staatsrat bereits berücksichtigt worden, als er, zu Ende des Jahres 1898, die Eröffnung des neuen Bahnhof-Cafes unweit des Hauses der Eheleute Genoud gestattete.

K. Übrigens leistet dieses Haus den gesetzlichen Anforderungen nicht- Genüge; es ist nicht das ausschließliche Eigentum der Rekurrentin, und das hauptsächlichste Wirtschaftslokal ist mit einem Durchgangsrecht zu gunsten der Miteigentümer Emil und Emma Pilloud belastet.

A. Zur Unterstützung ihres Rekurses macht Frau Elise Genoud folgende Thatsachen und Erwägungen geltend : Das Gebäude, für welches die Konzession verlangt wird mit der Benennung ,,Café de la Place", entspricht wegen seiner vorteilhaften Lage besser als jedes andere den Bedürfnissen der Ortschaft.

Wirklich ist dasselbe gerade am Eingang der Stadt gelegen,' am Viehmarktplatze, in unmittelbarer Nähe und gegenüber dem zukünftigen Bahnhof und an der Kreuzung der Kantonsstraßen nach Vivis-Montreux, nach Bulle und nach Palézieux.

Seit mehr als 40 Jahren dient das Haus als öffentliches Etablissement, und von der freiburgischen Behörde ist stets anerkannt worden, daß es den Anforderungen des Gesetzes von 1888 und der Ausführungsverordnung zu diesem Gesetze entspricht ; es enthält Lokale, die kürzlich vergrößert und neu eingerichtet wurden und welche in Bezug auf Raum, auf Ventilation und Reinlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen.

Die Rekurrentin und ihr Mann kauften das Gebäude zu dem hohen Preise von Fr. 45,000, in der Gewißheit, daß das seit mehr als 40 Jahren ausgeübte Wirtschaftsrecht, ihnen auch weiterhin bewilligt werde.

Die Rekurrentin sowohl wie ihr Mann erklären bestimmt, daß sie. den Kauf erst vollzogen, nachdem sie bei Herrn Staats-»

1245 rat Schauer, zu Lebzeiten des Chefs des Polizeidepartements, bezügliche Schritte gethan hatten.

Eine Wirtschaftsbewilligung ist diesem Gebäude um so eher gerechtfertigt, als es dem neuen Bahnhofe am nächsten liegt und durch seine Lage auch am besten den neuen Bedürfnissen entspricht, welche die Eröffnung der Linie nach Palézieux und der andern projektierten Linien erzeugen wird. Es ist ja gewiß ganz außer Zweifel, daß die Eröffnung dieser Linien der Gemeinde Châtel eine Verkehrsentwicklung und einen Reisendenzufluß bringen wird, welche auf das kommerzielle und industrielle Gedeihen von Châtel günstig einwirken müssen. Châtel, welches bereits eine frequentierte Sommerstation ist, wird während der schönen Jahreszeit mit der Zahl der Gasthöfe und Pensionen auch die Zahl der Fremden wachsen sehen. Auch ist die Thatsache wichtig, daß Châtel der Hauptort eines Bezirks von über 8000 Seelen ist, daß alle Bezirksgeschäfte sich an diesem Hauptorte abwickeln, daß die Bevölkerung im Steigen begriffen ist, daß sie bereits 2500 Seelen übersteigt und daß sie nach Eröffnung der neuen Verkehrslinien noch zunehmen wird; Ferner ist es von Bedeutung, neben der Zahl der bewilligten Wirtschaften in der Gemeinde Châtel, mit welcher der Staatsrat seinen Standpunkt begründen will, auch die Zahl der Wirtschaftsbewilligungen in den Bezirkshauptorten von gleicher oder geringerer Bedeutung aufzuführen. Diese Vergleichung ergiebt : für Châtel mit 2276 Einwohnern 11 Wirtschaften, wovon 3 Vereinsrestaurants, also l Wirtschaft auf 206 Einwohner; für Bulle mit 2798 Einwohnern 28 Wirtschaften, also l auf 100; für Murten mit 2360 Einwohnern 27 Wirtschaften, also l auf 87 ; für Romont mit 1886 Einwohnern 25 Wirtschaften, also l auf 76; für Estavayer mit 1556 Einwohnern 18 Wirtschaften, d. h. l auf 71 Seelen.

Der Rekurs erwähnt außerdem die Thatsache, daß in Romont zwei Wirtschaften in der Nähe des Bahnhofes bewilligt wurden und daß der Staatsrat in Bulle, wo schon vier Wirtschaften nahe beim Bahnhof bestanden, im Jahre 1899 noch eine fünfte bewilligt hat, und daß die genannte Behörde solche Bewilligungen schon oft trotz des negativen Vorberichtes der Gemeindebehörden erteilte.

1246 Die Rekurrentin erachtet den aus einer Konzessionverweigerung in Fruence im November 1898 hergeleiteten Vergleich nicht für zutrefiend, weil Fruence, ein von Châtel abhängiger Weiler, nur von Landleuten bewohnt ist, weil es abseits von allem Verkehr liegt, weil die Notwendigkeit einer Wirtschaft sich dort in keiner Weise fühlbar inachte, während das Bedürfnis für die in Frage stehende Wirtschaft durch die Gemeindebehörden von Châtel sehr kategorisch anerkannt und bekräftigt wurde, so daß also die Verhältnisse in beiden Fällen ganz verschieden sind.

Die Rekurrentin fügt bei, daß dieses Beispiel um so weniger beweiskräftig ist und zu ihren Ungunsten angeführt werden kann,, als der Staatsrat zur gleichen Zeit, in der er die verlangte Konzession für den Weiler Fruence verweigerte, im Bahnhofquartier eine Wirtschaftsbewilligung erteilte mit Rücksicht auf die neuen Bedürfnisse, welche sich durch die bevorstehende Eröffnung der Linie Palézieux-Châtel geltend machen werden.

Was die Servitut des Durchgangs betrifft, mit welcher der von den Eheleuten Genoud erworbene Teil des Besitztums belastet sein soll, bemerkt die Rekurrentin, daß diese Servitut nicht gegen sie angerufen werden kann, daß dieselbe nicht, wie es das freiburgische Gesetz verlangt, im Grundbuch eingetragen ist, und daß dieser Punkt übrigens eine civilrechtliche Frage ist, welche die Gerichte angeht. Zudem bildet das Bestehen einer solchen Servitut, falls sie als gültig anerkannt und im Grundbuch eingesehrieben würde, keinen vom Gesetze vorgesehenen Verweigerungsgrund. Auch der Staatsrat sah die Sache nicht so an, da er anno 1898 die dem demokratischen Verein für die gleichen Lokale und in dem gleichen Gebäude erteilte Konzession erneuerte und da er anderwärts Wirtschaftsbewilligungen für Gebäude erteilte, welche hinsichtlich der Miteigentumsverhältnisse wie der Durchgangsservituten sich analog verhielten.

B. Die Antwort des Staatsrates auf den Rekurs der Frau Elise Genoud beschränkt sich auf folgende Punkte : Der Staatsrat, von der Ansicht ausgehend, daß die Anzahl der Wirtschaften in Châtel den Bedürfnissen des Ortes genüge, .habe im Jahre 1892 eine von Herrn Joseph Sallin nachgesuchte Bewilligung verweigert, und diese Konzessionsverweigerung sei, auf ergriffenen Rekurs hin, vom Bundesrate bestätigt worden.Der Statsrat habe ebenso,
durch Beschluß vom 4. Januar 1899, die von Herrn Jean Chillier für den Betrieb eines Restaurants in Fruence, Gemeinde Chätel, nachgesuchte Konzession verweigert.

1247 Er habe nur eine Ausnahme gemacht für Herrn Joseph Colliard, welcher im Jahre 1899 eine Wirtschaftsbewilligung verlangte und erhielt ; der Staatsrat habe diese Bewilligung erteilt, um den Vorbehalten des Bundesratsbeschlusses im Rekurs Sallin Rechnung zu tragen, und mit Rücksicht darauf, daß eine Bisenbahn von Palézieux nach Châtel gebaut werde und daß Colliards Wirtschaft, nahe beim Bahnhof gelegen, als Bahnhofrestaurant dienen könnte.

Demnach existieren nicht hinlängliche Gründe, um den Eheleuten Genoud im Bahnhofquartier noch eine neue Konzession zu erteilen.

Die größere Nähe des Besitztums Genoud beim zukünftigen Bahnhofo von Châtel könne nicht mit Erfolg vorgebracht werden, da der Platz für den Bahnhof noch nicht definitiv bestimmt sei, und da es möglich sei, daß der Bahnhof Châtel-Palézieux nur eine provisorische Haltstelle werde.

Die zu gunsten einer neuen Wirtschaftsbewilligung vorgespiegelte Verkehrs- und Bevölkerungszunahme sei eine bloße Vermutung und beruhe auf keinerlei ernstlichen Thatsachen ; der Bau von Bahnlinien habe durchaus nicht immer eine Vermehrung der Bevölkerung zur Folge.

Die Rekurrentin könne sich nicht darauf stützen, daß während vieler Jahre eine Wirtschaft in dem von ihr erworbenen Gebäude geführt worden sei, denn diese Konzession sei einst dem demokratischen Verein erteilt und ihm in seinen nunmehrigen neuen Lokalen weiter bewilligt worden.

Übrigens könne eine Wirtschaftsbewilligung gar nicht erteilt werden unter den Miteigentumsverhältnissen, in denen sich gegenwärtig das Gebäude der Eheleute Genoud befinde, und bei dem Durchgangsrecht, mit welchem die zum Wirtschaftslokal bestimmten Lokale zu gunsten der Miteigentümer Emil und Emma Pilloud belastet seien.

Diese Miteigentümer machen selber der Erteilung eines neuen Wirtschaftsrechtes Opposition.

Ganz irrtümlich behaupte die Rekurrentin, daß dieses Miteigentumsverhältnis schon vor ihrer Erwerbung des Gebäudes bestanden habe, da die Erbschaft Pilloud einzige Besitzerin der Liegenschaft war, als der demokratische Verein noch seine Lokale dort hatte.

C. In ihrer Replik beharrt die Rekurrentin darauf, sie sei nicht im Irrtum mit ihrer Behauptung, daß die Verhältnisse der

1248 Liegenschaft schon die gleichen waren, bevor sie dieselbe erwarb ; die Verteilung der Erbschaft Pilloud habe am 4. September 1896 stattgefunden, und bei dieser Verteilung sei ein Teil der Liegenschaft dem Emil und der Emma Pilloud zugefallen, während der andere, vom erstem ganz gesonderte Teil an Frau Josephine Colliard geb. Pilloud kam ; dieser letztere Teil wurde dann am 20. März 1899 den Eheleuten Genoud verkauft, und so sei es klar und in aller Form festgestellt -- was übrigens auch aus der Prüfung der Teilungs- und Verkaufsakten und aus dem schiedsgerichtlichen ' Urteil vom 28. August 1897 hervorgeht -- daß das Gebäude vor seiner Erwerbung durch die Eheleute Genoud bereits mit der gleichen Durchgangsrechtbelastung im Mitbesitzverhältnis stand und daß der Staatsrat dessen ungeachtet im Jahre 1898 die Konzession erneuerte, welche er dem demokratischen Verein im gleichen Gebäude erteilt hatte, ohne wegen der Mißstände des Mitbesitzes und des Durchgangsrechtes irgendwelchen Einwand zu erheben; überdies gehöre, wie Rekurrentin schon bemerkt, diese Frage einer im Grundbuch nicht eingetragenen und überdies bestrittenen Servitut in die Kompetenz der Civilgerichte.

Die Rekurrentin macht ferner darauf aufmerksam, wie sehr die Schätzungen in der Antwort des. Staatsrates denjenigen des Berichtes widersprechen, welchen diese Behörde dem Großen Rate betreffend die Subventionierung der Linie Palézieux-Châtel und betreffend den günstigen Einfluß der Eröffnung dieser Linie auf die Entwicklung und das Gedeihen der Gemeinde einreichte; denn während der Staatsrat in seiner Antwort die von der Eröffnung der Linie nach Palézieux erwartete Verkehrs- und Bevölkerungszunahme sowie die Vermehrung der Zahl der Fremden im Sommer für problematisch hält, nahm er in seiner Botschaft vom 10. Mai 1899 folgenden, wesentlich verschiedenen Standpunkt ein: ,,Der Reisendenverkehr wird eine ziemlich große Bedeutung haben, da die J. S.-Station Palézieux gegenwärtig etwa 28,000 Billets jährlich ausgiebt, von welchen */s als von der durch die neue Linie zu bedienenden Linie herrührend anzusehen sind.

Auch ist in Betracht zu ziehen, daß Châtel mehrere blühende Industrien besitzt, die trotz der jetzigen Schwierigkeiten und Transportkosten jedes Jahr eine schöne Anzahl Tonnen von Waren spedieren oder empfangen.tt Weiter sagt der Staatsrat noch: ,,Es ist außerdem zu bemerken, daß die Stadt Châtel jährlich von zahlreichen Touristen besucht wird. Es ist daher vorauszu-

1249 sehen, daß mit besseren Verkehrswegen der Fremdenbesuch in dieser Gegend einen erfreulichen Aufschwung nehmen wird."

Die Rekurrentin hebt hervor, daß, wenn dieser letztere Standpunkt des Staatsrates nicht der richtige wäre -- er ist übrigens jetzt durch die Thatsache bestätigt -- man sich nicht erklären könnte, wie diese Behörde der Bewilligung zur Errichtung einer neuen "Wirtschaft im Bahnhofquartier zugestimmt hat.

Im übrigen beruft sich die Beschwerdeführerin auf die Vorbehalte, welche vom Bundesrate anläßlich des Rekurses Sallin im Jahre 1893 ausdrücklich gemacht wurden und die heute ihre Anwendung finden müssen, da sich die Verhältnisse der Gemeinde Châtel infolge der Eröffnung der Linie nach Palézieux unbestreitbar in günstigem Sinne verändert haben und mit der Eröffnung der übrigen projektierten Bahnen sich noch mehr verändern werden!

D. In seiner Duplik erklärt der Staatsrat einfach, daß er die Erklärungen und Ausführungen seiner frühern Antwort aufrechterhalte.

II.

In Anbetracht, daß die Rekurrentin, Frau Elise Genoud geborne Cardinaux, zur Unterstützung ihres Rekurses und zur Rechtfertigung ihres Konzessionsgesuches wesentlich den Umstand anführt, daß die Eröffnung der Eisenbahn von Palézieux und der anderen Linien, welche noch in Châtel-St. Denis ausmünden sollen, zweifellos eine Hebung von Handel und Verkehr in der Gemeinde und neue Bedürfnisse zur Folge haben wird, welchen die jetzt daselbst bestehenden Wirtschaften nur in ungenügendem Maße werden genügen können.

In Anbetracht, daß der Betrieb der am 30. April abhin eröffneten Linie Palézieux-Châtel einen bedeutenden Reisendenverkehr, namentlich an Sonn- und Feiertagen, und eine fühlbare Zunahme im geschäftlichen Verkehr der Ortschaft zur unmittelbaren Folge hatte ; daß man noch eine Zunahme dieser günstigen Entwicklung auf den Zeitpunkt erwarten muß, wo die Bahnen Châtel-Bulle und Châtel-Vevey fertig erstellt und im Betriebe sein werden, und wo dann Châtel den Mittelpunkt eines ganzen Netzes von neuen Verkehrswegen bilden wird.

Daß übrigens dieser neue Zustand die Voraussetzungen und Anschauungen bestätigt, die : in den offiziellen Berichten der

1250 freiburgisclien Behörden betreffend den Einfluß enthalten sind, welchen die Eröffnung neuer Verkehrswege auf die ökonomische Entwicklung von Châtel als Bezirkshauptort, als Sitz verschiedener Industrien und zahlreicher Märkte und besonders als immer stärker von Fremden frequentierte Sommerstation ausüben werde; Daß der Bundesrat selber für solche Verhältnisse Vorbehalte machte, als er im Jahre 1893 den Rekurs des Joseph Salii n abwies, da er bei diesem Anlaß erkannte, daß, wenn man auch die Eröffnung neuer Wirtschaften in der Gemeinde Châtel damals keineswegs gestatten konnte, die Verhältnisse sich späterhin ändern könnten, wenn Eisenbahnen gebaut und diese einen günstigen Einfluß auf die Entwicklung des Verkehrs von Châtel haben würden. ,,Man wird sich dann fragen können, sagt der bundesrätliche Entscheid, ob und wo neue Wirtschaften in der Gemeinde notwendig seien, und wird die Eröffnung von solchen bewilligen können"1 ; Daß man daher in dem hier zu fassenden Beschlüsse Rücksicht nehmen muß auf die aus der Eröffnung der Linie PalézieuxChâtel hervorgegangenen neuen Verhältnisse und auf die neuen Bedürfnisse, welche sich infolge des wachsenden Reisendenstroms und Geschäftsverkehrs der Ortschaft gezeigt haben ; In Anbetracht, daß es feststeht, daß das von den Eheleuten Genoudfür die zu konzessionierende Wirtschaft vorgesehene Gebäude besser als jedes andere für die durch die Eröffnung der Eisenbahn Palézieux-Châtel geschaffenen neuen Bedürfnisse paßt, welche sich wegen der unmittelbaren Nähe desselben bei der Station mit der Eröffnung der andern projektierten Linien noch steigern werden, und daß dieses Gebäude offenbar als Bahnhofbuffet dienen wird; Daß ferner das erwähnte Gebäude an der Kreuzung der Kaatonsstraßen nach Vévey-Montreux, nach Palézieux und nach Bulle steht; Daß es seit mehr als vierzig Jahren- ununterbrochen als Wirtschaft gedient hat; In Anbetracht, daß die Gemeindebehörden von Châtel, nachdem sie unterm 27. Oktober 1899 einen günstigen Vorbericht für die Bewilligung dieser Konzession abgegeben hatten, diesen im April 1901 mit der Erklärung bestätigten, daß die nachgesuchte Wirtschaft wirklich seit mehr als vierzig Jahren als solche betrieben wurde, daß sie sehr günstig gegenüber dem neuen Bahnhofe gelegen sei und daß sie infolge der Zunahme der

1251 Bevölkerung und der Geschäfte in der Gemeinde einem wirklichen Bedürfnisse entspreche ; In Anbetracht, daß unter diesen speciellen, in den Ausführungen des Bundesratsbeschlusses vom 13. Oktober 1893 (Rekurs Sallin) ausdrücklich vorbehaltenen Umständen die Verweigerung der von den Eheleuten Genoud schon am 6. Mai 1899 verlangten Konzession -- während einige Monate vorher Herrn Joseph Colliard für eine Weinwirtschaft in der Nähe des Bahnhofes, welche weniger den neuen Bedürfnissen der Ortschaft entsprach, die Bewilligung erteilt worden war -- eine ungleiche Behandlung der Bürger vor dem Gesetz und eine den Grundsätzen strenger Gerechtigkeit handgreiflich zuwiderlaufende Maßregel bedeuten würde; Demnach wird

erkannt:

Der Rekurs der Frau Elise Genoud geb. Cardinaux wird begründet erklärt.

Mitteilung dieses Entscheids an ' die Rekurrentin und an den Staatsrat des Kantons Freiburg.

B e r n , den 26. November

1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend .betreffend die durch Art. 234 der Militärorganisation festgestellte Unterstützungspflicht gegenüber Angehörigen von Wehrpflichtigen.

(Vom 2. Dezember 1901.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Die Frage, welchem Kanton die durch Art. 234 der MilitärOrganisation festgestellte Unterstützungspflicht gegenüber Angehörigen von Wehrpflichtigen, welche durch den Militärdienst der letzteren in Not geraten, auffalle, ist schon wiederholt erörtert worden. In neuerer Zeit aufgetauchte Meinungsverschiedenheiten veranlassen uns zu einer grundsätzlichen Erörterung derselben ; denn es muß zugegeben werden, daß die bisherige Praxis schwankend und unklar war.

In Übereinstimmung mit allen, bisher getroffenen Entscheidungen ist daran festzuhalten, daß die Unterstützungspflicht in .erster Linie dem W o h n s i t z k a n t o n des betreffenden Wehrpflichtigen zufällt, in welchem der Wehrpflichtige, dessen Angehörige unterstützt werden müssen, seinen bürgerlichen Wohnsitz hat, und nicht, wie in einigen Fällen irrtümlich angenommen wurde, demjenigen Kanton, in welchem der Wehrpflichtige militärisch eingeteilt ist, in welchem er ,,dient", wie der Entscheid

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1901

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11.12.1901

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1243-1252

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