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Aus den Verhandlungen der schweiz. Bundesversammlung

Am 5. Juli 1869 sind die gesezgebenden Räthe der schweizerischen Eidgenossenschaft zur ordentlichen Sommersession in der Bundesstadt zusammengetreten.

Jm Ständerath hat der abtretende Präsident., Herr Landammann A e p l i von St. Gallen, folgende Eroffnungsrede gehalten: ,,Meine Herreu Ständeräthe .

,,Zur ordentlichen Sommerfeffion der Bundesversammlung eingerükt,

heisse ich Sie in der Bundesstadt herzlieh willkommen.

"Die Geschäfte, die unser nach der gedrukten Tagesordnung warten, bieten , we...... sie auch nicht besonders zahlreich sind , doch der Gegenstände mehrere dar, welche unsere Aufmerksamkeit in hvhem Masse in Anspruch zu nehmen geeignet siu.d.. Die Briifung der Geschäftsführung des Bundesrathes bildet immer einten hervorragenden Gegenstand unse.rex Sommersession. Denn die Rechenschaft., welche die horste Administrativ behorde des Bundes den Käthen und dem schweizerischen Volke über

ihre Amtsverwaltung ablegt, gewährt stets einen tiefen Eiublik in das

Räderwerk unserer Staatseinrichtung und den Geist , in welchem dasselbe geleitet wird. Wir werden, hosfe ich, auch bei dieser Gelegenheit uns überzeugeu kouuen , dass die osfentlicheu Jnteressen unseres Vaterlandes, so weit sie der ...Absorge des Bundesrathes anvertraut sind, in treuen und rüstigen, jedem zeitgemässen Fortschritt stets bereitwillig entgegenkommenden Händen liegen.

Diese Voraussezug wird uns übrigens nicht hindern , anregend und selbst tadelnd da einzusehreiten , wo wir glauben, dass wesentliche Verbesserungen auzubahuen oder Uebelstäude zu beseitigen sind.

,,Unter den Verträgen , welche unserer Genehmigung unterbreitet werden., uimmt wohl der endlich zu Stande gekommene Handels- und Zollvertrag mit den.. deutschen Zollverein. die wichtigste Stelle ein. Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, dass es, obgleich wir in so mannigfachen Beziehungen zu Deutschlaud stehen, doch einer so langen Zeit bedurste, um diesen Vertrag zu Staude zu bringeu, und es bleibt eine bedauerliche Erseheinuug, dass Wünschen, welche besonders der schweizerische Weinbau in Bezug auf Erleichterung des Exportes seiner Brodukte hegte , und

525 denen, scheint es wenigstens, im Jnteresfe der beidseitigen^ Grenzbevolkerung hätte entsprochen werden dürfen , keme genügende Berükfichtignng verschafft werden konnte. Es wären damit Zustände wieder hergestellt worden, welche früher zu gegenseitiger Besriediguug bestanden halben und welche die erfreuliche Tatsache k^onstatirten , dass eine Berechtigung freündnachbarlieher .Verhältnisse möglich ist , ohne den Grnndsäzeü Eintrag zu thnn, nach denen im ^Uebrigen die Zolleinrichtungen eine.^ Staates normirt werden mogen.

"Wenn die Genehmigung der neuen Verfassungen der Kantone Zürich, .......hurgau und Luzern auch kaum zu erhebliehen Verhandlungen Veranlassung geben wird , so bildet sie doch einen bemerkenswerten Vunkt in der Entwiklung unseres konstitutionellen Lebens. Es ist wohl kaum als .^in Unglük anzusehen, da^ die Bewegungen, welche diese Verfassungsrevisionen hervorgerufen haben, sur einmal aus einige Kantone beschränkt geblieben sind. De^nn für alle übrigen werden die Ersahrungen, welche unter dem Einflusse der neuen staatsrechtlichen Prinzipien gemacht werden, von Bedeutung seiu, indem sie erst lehren werden, inwiesern die weiteren demokratischen Umgestaltungeu unseres Staatslebens zum Heile des Volkes und zur Befriedigung seiner Bedürfnisse wirklich gereichen. Die Beschränkung dieser, zudem wieder unter mancherlei besondern Einflüssen gestandenen Bewegungen. aus einzelne Kantone beweist aber auch, dass das individuelle Leben der Kantone keineswegs erstorben ist, und dass dasselbe gerade in Bezug auf die für alle osfentlichen Augelegenheiteu so wichtigen politischen Stromungen die massgebenden Direktionen in den eigenen Verhältnissen und Bedürfnissen sucht. Wie in dieser Beziehung die verschiedenen Kantone ihre eigenen Wege geh.^n, so weichen sie auch in Bezug aus die Formen, unter denen die Reuerungen eingeführt werden, noch mannigfach von einander ab.

,,Ein wichtiger Gegenstand, den der Bundesrath ausfallenderweise noch gar nicht auf die Tagesordnung gestellt hat , der aber wohl mehr als alle andern die Gemüther beschäftigt, kann hier nicht unberührt bleiben. Er betrifft die schweizerische Alpenbahnsrage. Die Roten der Gesandten vou Jtalien, des norddeutschen .Buudes und Badens haben die allgemeine Aufmerksamkeit dieser Frage wieder zugelenkt , die wohl bald auch uuserer Berathüng unterstellt werden wird. Für die Schweiz bietet ste zwei Seiten dar, .von denen, wie ieh glande, die eine niemals

ohue die andere Berüksichtigung siuden darf. Drangt sich zunächst die kommerzielle Bedeutung auf, welche eine Schienenverbindung durch unsere ^llpeu für die Schweiz unstreitig besizt, so lässt sich anderseits die .Berechtigung nicht abweisen, welche a l l e Theile der Eidgenossenschaft für

Erlangung dieses wichtigeu Kommunikatiousmittels gleiehmässig besizen.

Für die Alpeubahn gelten in dieser. Hinsicht die gleieheu Grnudsäze, welche für das Eisenbahnweseu in unserm Vaterlande überhaupt anfge-

526 stellt und in^s Leben eingeführt worden sind, und eine Abweichung von

denselben wäre wohl ein grösseres Unglük als die Entbehrung der

Alpenbahn selbst. Ob mehrere schweizerische Alpenbahnen neben einander ausgeführt und betrieben werden konnen , ist gegenwärtig, wo die Anstreugungen, neue technische Hülfsmittel zur Bewältigung der grossartigen Schwierigkeiten ausfindig zu machen , welche eine derartige Unternehmung unvermeidlich bietet, noch lange nicht zu einem Absolusse gekommen sind, wohl noch nicht ^entscheiden. Es kann daher auch nicht voreilig aus jene Brokekte als die allein aussührbaren abgestellt werden, für weiche sieh, aus bisherige Anschauungen gestüzt, zur Zeit die grosste Summe von Wahrscheinlichkeit zu pereinigen scheint. Die Frage ist vielmehr heute noch eine durchaus offene, und sie wird sieh sicherlich a.n einfachsten und gerechtesten damit losen, dass allen auf Grundlage der bestehenden ^Gese^e sich geltend machenden Bestrebungen eine gleichmässige, wohlwollende Behandlung ^ von Seite des Bundes . zu Theil wird.

Lassen wix daher die verschiedenen Projekte ruhig an uns herantreten, freuen wir uns , wenn das eine oder das andere einer Verwirklichung entgegen^ geführt werden kann, aber enthalten wir uns aller Handlungen, durch welche das eine vor dem andern begünstigt oder hintangesezt würde.

Mögen dabei auch die einen Theile der Schweif vor den andern Vortheile davon tragen, so wird doch das Rechtsgefühl nicht verlezt, dessen Heilighaltung für die Zufriedenheit des gesammten Schweizervolt^es von grosserem Werthe ist, als alle materiellen Vortheile, die mit einer Alpenbahn verbunden sein können.

,,Jch erkläre die ordentliche Sommersession für erosfnet."

..^ie Bureau beider ^Räthe sind in nachstehender Weise bestellt worden : 1) N a t i o n a l r a t h .

Präsident : Herr Louis R ucho n n e t , von St. Saphorin, i.. Lau.^ saune :.

Vizepräsident: ,, Dr. Joachim H e e r , von und in Glarus.

Siimmenzähler:

,, ., ,,

Herr Joh. Baptist G a u d ^ , von und in Rapperschwel (^t. Gallen) ;

^ Joseph A r n o l d , von und in Altdorf (Uri) ; ,, Charles B a u d , von und in Apples (Waadt^ ,,

Dr. Heinrich H o n e g g e r , von Hinweil, in

Zollikou (Zürich).

2) S t ä n d e r a t h . .

Vräsideut : .^err Eugene B o r e l , von und in Reuenburg ; Vizepräsident : ^ Johann W e b e r , von Alchenflüh, in Bern.

Stimmenzähler: .^err Abraham S t o c k e r , von Büron, in .Luzern.

,, .. Eharles E st o p p e ^ , von Tre^ , in Lausanne.

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Als neugewähltes Mitglied des Nationalrathes ist erschienen: Herr Andreas Schm i d , .Hausmann , von Eriswyl , in Burgdorf , gewählt am 10. Januar d. J. im Vlll. eidgenossischen Wahlkreise, an der Stelle des in den Ständerath gewählten Herrn Regierungsrath.

Weber.

Jm S t ä n d e r a t h find als ueugewahite Mitglieder eingetreten :

Für Zürich :

Herr Theodor Z i e g l e r , Stadtschreiber, p.on und in Wiuterthur.

Joh. Raspar H .u g, Oberlehrer und Br.i.va.td.oze.nt am eidg. Polytechnikum und der Hochschule, von Bu.bikon, in Riesbach bei Zürich.

Appenzell J. Rh.

Joh. Baptist R u sch, Dr. .Inr. , von un.d .in .Appenzell.

Graubünden :

Remigius Peterelli, von und in Schweiningen.

Thurgau :

Baul R a g e l , Bezirksgerichtspräsident, pon Engishosen, in Bisehosszell.

Hessin :

Giovanni A.iroldi, Advokat und Grossxath, von und in Lugano.

Eyprien B a r i a t e . . , , Rotar und Grossrath, von und in Monthen.

Jules Grand-Jean, eidg. Oberstlieutenant und Grossrath, von La Sagn...

und Bravine, in La Chaux-de-Fonds.

Wallis : Reuenburg :

Bundesblatt. Ja h r g . X X l . Bd. II.

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