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Botschaft des

^

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend die abgeänderte Verfassung des Kantons SolothUrn.

(Vom

25. Oktober 1869.)

Mit Schreiben vom 16. Oktober l 869 hat uns die Regierung des Kantons Solothurn einige Abänderungen der Staatsversassung dieses Kantons vom t. Juni 1856 eingesendet und darum nachgesucht, dass die eidgenossische Garantie sür dieselben ausgewirkt werden mochte.

Jn Folge dessen und in Gemässheit der Art 90, Ziff. 3 und Art.

74 Ziff 7 der Bundesverfassung haben w.r die Ehre, diese Versassungsabänderung Jhnen vorzulegen und mit folgendem kurzem Berichte zu begleiten.

Die vorliegenden Abäudernngen und Znsäze zn der Verfassung von Solothurn beschlagen erstens die Einsührung der Volksabstimmung über gewisse gesezliche Erlasse des Kantonsrathes , zweitens die Einräumung

des Vorschlagsrechtes durch das Volk, betretend deu Erlass, die. Aus-

hebung oder Abänderuug von Gesezen oder Beschlüssen, drittens die Moglichkeit der Abberusnug des Kantonsrathes und des Regierungsrathes,

und viertens die Uebertragung der Wahl der Mitglieder des Ständerathes, mit der Amtsdauex der Mitglieder des Ratioualrathes, an das

Volk. Endlich wurde prinzipiell die Revisiou des Gesezes über die Militärenthebungsgebühren, im sinne einer billigern festsezung der faktoren sür die Bestimmung jener Steuer, und die Revision des Gesezes über die Gemeindeorganisation im Sinne einer grossern Selbstftändigkeit der Gemeinden und der Ausdehnung des Stimmrechtes aus die Riedergelassenen in Steuerangel.egenheiten in der Verfassung ausgesprochen.

89 Diese Aufzählung des Jnhaltes der fraglichen Verfassungsrevision

zeigt hinlänglich, dass durch dieselbe nichts^ eiugesührt wird, was im Widerspru^ wäre mit der Bundesperfassung.

Vielmehr wird dadurch

der Forderung des Artikels 6 der leztern, dass die Ausübung der poli-

tischen Rechte der Bürger gesichert sein müsse, in einem weitern Umfange genügt, als es bis anhin der Fall war, indem das Volk in einem gewissen Umfange zur Mitwirkung bei der Gesezgebuug herangezogen und somit die versassungsmässige Organisation des Kantons Solothurn der demokratischen Form näher gerükt wird.

Es srägt sich somit nur noch, ob diese Verfassungsänderungen auch ^pom Volke des Kantous Solothurn angenommen worden seien.

Jn dieser Beziehung ergibt sieh aus dem sragliehen Verfassuugsgeseze, dass der Kautonsrath von Solothuru selbst diese Revision an die Hand genommen und fie ani 12. Februar in erster, und am 2. September dieses Jahres in zweiter Berathung adoptirt hat, sowie dass dieselbe ^am 10. Oktober 1869 vom Volke angenommen worden ist, indem

11,246 von 16,5l0 Stimmberechtigten dabei sich betheiligten und 77l0

für Annahme und 3482 sür Verwerfung stimmten, so dass also sür die Annahme ein Mehr von 4228 Stimmen sich ergab.

Da somit den Forderungen der Bundesversassnng materiell und formell genügt ist, so stellen wir den Antrag, es mochte den erwähnten Abänderungen der Versassung des Kantons Solothurn die Gewährleistung des Bundes ertheilt werden, und empfehlen zu diesem Ende die Annahme des nachstehenden Besehlussentwurfes.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 25. Oktober 1869.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes,

Der Bundespräsident: ^ ^elti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieb.

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Beschluß entwurf betreffend

^etoahrleistung der ...lhanderungen der Verfassung des Kantons Solothurn, vom 10. Oktober 1869.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsieht einer Botschaft des Bundesrathes ^vom 25. Oktober 1869, betreffend die Abänderungen der Verfassung d^es Kantons Solo-

thurn vom 1. Juni 1856, datirt 10. Oktober 1869, in Berechtigung,

dass diese Abänderungen mit der Bundesverfassung nicht im Wider- .

spruche stehen und von dem Volke des Kantons Solothurn angenommen worden sind, .

beschliesst: 1. Den am 10. Oktober 1869 von dem Volke des^antons Solothurn angenommenen .Abänderungen der Verfassung^dieses Kantons vom 1. Juni 1856 wird die bundesgemässe ..Garantie erteilt.

2.

Dieser Beschluss ist dem Bundesrathe m.tzutheilen.

^

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Abänderungen der

.-.

Staats^erfassUng des .Kantons Solothurn,

beschlossen pom Kantonsrath den 12. Februar in erster, den 2. September in zweiter Berathung, vom Volk angenommen in der Abstimmung pom 10. Oktober .869.

Das s o u v e r ä n e V o l k des Kantons S o l o t h u r n

b e schl i esst ^ nachstehende Abänderungen

1. Juni 1856:

und Znsäze

der Staats-Verfassung

vom

Artikel 1.

Der ^ 32 erhält folgende Fassung:

Alljährlich findet, und zwar in der Regel zweimal, im Frühling und im Herbst, eine Volksabstimmung statt. Derselben unterliegen : a. Die ^in ^ 30, Rr. 1 und 2 erwähnten Geseze und Beschlüsse, so weit lettere für den Staat ,^ Gemeinden , Korporationen , oder für den Bürger Rechte oder Verpflichtungen begründen, oder ihnen entziehen, oder für dieselben tasten enthalten . serner Konkordate und ^taatsvertrage.

b. Alle Kautonsrathsbeschlüsse , welche sür den gleichen Gegenstand eine neue einmalige Gesamtausgabe vou wenigstens 80,000 Fr., oder eine neue jährlich wiederkehrende Verwendung von mehr als 20,000 ^r. zur Folge haben , sofern darüber als Gesammtaus^ gabe nicht s.hon eine Abstimmung stattgefunden hat.

c. ^..hlussnahmen , welche der Kantonsratl.. von sich aus der VolksAbstimmung unterbreiten will. .

Artikel 2.

Als neuer ^ 32 b wird aufgenommen : ....^enn wenigstens 2000 Stimmberechtigte den Erlass eines neuen oder die Aushebung oder Abänderung eines bestehenden Gesezes, oder

Bund^blat... .^ahrg.XXI. Bd.III.

.12

endlich einen in die Kompetenz des Kantonsrathes fallenden Beschluß verlangen , so ist derselbe ^ehalten , den eingereichten Vorschlag in Bexathung zu ziehen und das Ergebniss der Volksabstimmung zu unterbreiten. (Vorsehlagsreeht.)

Jn gleicher Weise übt das Volk in Bundesangelegenheiten das Vorschl...gsre.eht neben den Staatsbehörden nach Massgabe des Art. 81 der Bundesverfassung aus.

Artikel 3.

Zu ^ 26 wird als fünftes Lemma aufgenommen : Abgesehen von der verfassungsmässigen Amtsdauer, kann das Volk jederzeit den Kantonsrath oder den Regierungsrath oder beide Behorden abberufen.

Sobald ein solches Begehren von 4000 Stimmberechtigen dem Regiexungsrathe eingereicht wird, ist derselbe verpflichtet, ohne .Verzug eine allgemeine Volksabstimmung anzuordnen. Fällt die Stimmenmehrheit für die Abbernsnng ans, so tritt für die betreffende Behorde eine Erneuerungswahl ein.

Artikel 4.

.^ 30, Ziffer 1^ ^. .^ w ^r- ^ ab.^ean^ert^ Die Abgeordneten in den Ständerath werden vom Volke aus die Amtsdauer der Mitglieder des Nationalrathes gewählt.

Artikel 5.

^ u s .. z b e st i m m u n g e u.

Der Gesezgebuug wird zur Bricht gemacht:

1) Revision des Gesezes vom 1. Dezember 1864 über Militärenthebungsgebühren, im Sinne billiger Grnndsäze in Betreff der Steuerfaktoren, namentlich hiusi.htlich der Besteueruug der Anwartschaften.

2) Revision des Gesezes vom 7. Mär^ 1859 über Gemeindeorganisation, im Sinne grosserer Selbftständigkeit der Gemeinden in ihrer Verwaltung und im Siune der Ausdehnung der Stimmberechtigung auf Niedergelassene in ^teuerangelegenheiten.

Der Präsident:

.... ^ull^.

Der .^taatsschreiber :

^lmiet.

93 Der Regierungsrath des Cantons Solothurn beurkundet, dass vorstehende vom Kantonsrathe unterm 2. September abhin beschlossene Abänderungen und Znsäze der Staatspexfassung vom 1. Juni

1856 gemäss den Verbalprozessen über die Volksabstimmung vom 10. O ktober 1869, bei der sich 11,246 von 16,510 Stimmberechtigten be-

^heiligten , mit 7710 gegen 3482. also mit einem Mehr von 4228 Stimmen angenommen wurden.

S o l o t h u r n , den 15. Oktober 1869.

Der .Landammann :

.^ilh. .^ier, R.R.

Der Staatssehreiber : ^miet.

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung, betreffend die abgeänderte Verfassung des Kantons Solothurn. (Vom 25. Oktober 1869.)

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30.10.1869

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