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Botschaft des

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung zum neuen Staatsvertrage mit Frankreich, betreffend zivilrechtliche Verhältnisse.

(Vom 28. Juni 1869.)

Tit..

Bei den Verhandlungen zwischen der Schweiz und Frankreich, welche in den Jahren 1863 und 1864 stattfanden und in den Ver-

trägen vom 30. Juni 1864 über die handelsverhältnisse, über die Niederlassung, über den gegenseitigen Schuz des literarischen , künstlerisehen und gewerblichen Eigenthums, sowie betreffend nachbarliche Verhältnisse und die Beaufsichtigung der Grenzwaldungen, ihren Absehluss fanden, kam noch eine weitere Revision des Vertrages vom 18. Juli 1828, hinsichtlieh der gerichtlichen und polizeilichen Verhältnisse zur Sprache. Da dieser Vertrag auch nach dieser Seite hin den Bedürfnissen eines eutwikeltern Verkehrslebens schon lange nicht mehr entsprach uud sur viele Verhältnisse des internationalen Vrivatrechtes keine klaren Vorschriften enthielt, so dass weder privaten noch Behorden darin genügenden Rath finden konnten , so kam die sranzosisehe Regierung uur einem aus beiden Seiten gesühlten uud auch hie und da schon ausgesproeheuen Bedürfnisse entgegen, als sie am 19. Mai 1862, indem sie das Vrogramm der zu erörternden fragen mittheilte, auch die Revision jenes Vertrages von 1828 darin aufnahm.

477 Es geschah die^ zwar zuerst nur konfidentiell ; allein wir konnten über die Stimmung der schweizerischen Geschäftswelt und der Behörden, die in Sachen Erfahrung hatten, nicht im Zweifel sein. Wir standen daher nicht an, als die Fragen offiziell bestimmt wurden, welche in den Kreis der zu eröffnenden Verhandlungen gezogen werden sollten, auch die Revision des erwähnten Vertrages von 1828 als dahin gehörend anzunehmen.

Bekanntlich besehlägt dieser Vertrag mehrere und wesentlich verschiedene Materien. Er sollte einerseits nicht bloss den Gerichtsstand für persönliche und dingliche Klagen ordnen , sondern auch die formen geben für Behandlung der Erbschafts- , Vormundschasts- und Konkurs^ fachen, sowie für die Vollziehung von Zivilurtheilen. Andererseits ent^ hält er auch Vorschriften über die Auslieserung von Verbrechern und .über die Aushingabe von gestohlenem Gut. Endlich war im gleichen Vertrage auch der Verkehr der Grenzbewohner und die Benuzung der ihnen gehörigen, im andern Staate befindliehen Liegenschaften geregelt.

tiefer lettere Bunkt wurde nun in den frühern Verhandlungen erschöpsend erörtert und in der ,,Uebereinkunst betreffend nachbarliche Ver,,hältniffe und die Beaufsichtiguug der Gren^waldungen^ vom 30. Juni

1864 neu geordnet. (Eidg. Gesetzsammlung Vlll, 364.)

Dadurch sind die Axt. ^Il und Vi.lI des Vertrages von 1828 obsolet geworden, und es blieben daher nur noch die aus zivilrechtliche

und polizeiliche Verhältnisse bezüglichen Bestimmungen in Krast.

^Wir hätten zwar gwünscht,^dass auch diese Fragen gleichzeitig ge-

ordnet würdeu , und haben nicht gezogert, schon im ^aufe der Unterhandlungen über die andern Verträge dem schweizerischen Bevollmächtigten bezügliche Jnstruktionen zu geben, die er in der 20. Konferenz^ sizung vom 2. Januar 1864 offiziell eröffnete. (Siehe das zuhanden der schweizerischen Bundesversammlung gedrukte Kouferenzprotokoll, ^eite

111, 121 bis 123).

Allein da die verschiedenartigen Verhältnisse, die in den füns andern Verträgen zu behandeln waren, ohnehin umfassende Arbeiten erforderten und man sich wohl bewusst war, dass die noch vorbehaltenen Fragen nicht minder umsichtige und einlassliche Studien erfordern , so wurden die weitern Verhandlungen hierüber verschoben , und man^ verständigte

sich bloss dahin, dass formell die zivilrechtlieheu und polizeiliehen Ve.^

hältnisse in zwei gesonderte Verträge ausgeschieden werden sollen. (Kon-

ferenzprotokoll Seite 130).

Jndess kam die franzosische Regierung , bald nachdem die fünf Verträge vom 30. Juni 1864 abgeschlossen waren, auf jene zwei sus^ pendirten Projekte zurük, indem sie im Rovember 1864 die Geneigtheit ...usspreehen liess, die Unterhandlungen hierüber wieder aufnehmen. und in gesonderte Projekte eintreten zu Bollen.

.478 Mittlerweile waren wir im Falle , in unserm ^eschästsberichte pro

1865 wieder einige Fälle mitzutheilen, in dienen wir eine Mißachtung der zivilrechtlichen Vorschriften des Vertrages von 1828 finden mussten.

Die Kommission des Ständerathes , welche unsere Geschästssührung zu prüfen hatte, versäumte nicht, diese und noch einige andere Fälle in den Bereich ihrer Beratungen zu ziehen und kam in ihrem Berichte vom 16. Juni 1866 ebenfalls zu dem Schlusse, ,,dass der in Rede "stehende Vertrag wenigstens in seinen zivilrech^iehen Bestimmungen .,,dexmalen vielfach uuvol.lzogen bleibe.^ Sie glaubte den Grund d.ieser Erscheinung wesentlich in dem Umstande zu finden, .,das^ die französische Regierung konsequent ihre ^ Da,,zwischeuknnst behufs Vollziehung jener zivilrechtlichen Bestimmungen ,,des Vertrages verweigere und alle daherigen Beschwerden an die Ge.Dichte weise, lettere aher dem Staatsvertrage, sei es aus Uukenntniss, ..sei es, weil er ihren Anschauungen zuwider, gar häufig keine ^olge ,,geben.^ Die Kommission fand daher, ,,dass unter solchen Umständen eine ,,wahre Reziprozität zwischen der Schweiz und Frankreich nicht bestehe,

,,indem in der Schweiz die Regierungen sich pflichtig erachten, den

"Staatsverträgen von A m t e s w e g e n Rachachtung ^u verschaffen, was ..auch insofern als das Natürlichere erseheine, als in jeneu Verträgen

,,die Staaten als solche gegenseitig sich verpflichten.^ -.- Aus den

Antrag der erwähnten Kommission fasste dann die Bundesversammlung

am 18. Juli 1866 folgenden Beschluß

.,Der Bundesrath wird eiugeladen, in Hinsicht aus den Staats,,vertrag mit Frankreich vom 18. Juli 1828 dahin zu wirken, dass ,,derselbe genauer und zwekentsprechender gefasst und dass jedenfalls .,sür dessen Handhabung in Frankreich bessere Gewähr geboten .,werde.^ ^...bschon jeuer Bericht der ständeräthlichen Kommission nur zivilrechtliche Verhältnisse erorterte und dieses Bostulat somit zunächst nur die zivilreehtlichen Bestimmungen des Vertrages berührte , so konnten wir doch aus verschiedenen Vorgängen annehmen, dass auch eine Revision jeuer Artikel, welche die Auslieferung von Verbrechern besehlagen, in dem Willen der Bundesversammlung liege, zumal die mangelhafte Redaktion dieser Artikel und die zu euge Begreuzung der Verbrechen, welche eine Auslieferung begründen konnen, schon lange eine Revision als nothwendig haben erscheinen lassen. Zwar wurden d..e grellsten Uebelstäude durch eineu zwischen beiden Regierungen vereiubarteu modns vivendi wonach in allen fällen, wo gemeine Verbrechen (crimes) vorliegen, auch wenn ste im Vertrage nicht bezeichnet find, gegenseitig die Auslieserung bewilligt werden soll, oder auch durch besondere Reziprozitätszusichernngen sür gewisse gleichartige strafbare Handlungen - gemildert;

479.

Allein es waren dieses doch nur Rothbehelfe und ermangelten darum auch häufig einer konsequenten Anwendung.

Wir zögerten daher nicht, am 23. Juli 1.^.66 dem Herrn Minister Dr. Kern in Baris den allgemein gesassten Austrag zu geben, er möge sich erkundigen, .ob bei der franzosischen Regierung Geneigtheit vorhanden wäre, auf eine Revision des erwähnten Vertrages einzutreten. Dabei .^...rde nicht ermangelt, ans die hierseitigen Beschwerdepunkte hinzuweisen.

und Herrn Kern den Bericht der ständeräthlichen Brüsungskommission mitzuteilen nnd auf die ihm schon am 6. Rovember 1863 gegebenen (oben erwähnten) Jnstruktionen zu verweisen.

Herr Minister Kern veranlasste sogleich in Baris bezügliche VorBesprechungen.

Aueh fanden bei seiner Anwesenheit in der Schweiz im Oktober 1866 Konferenzen statt, um die Anträge zu besprechen, welche von Seite der Schweiz im Sinne der Anregungen der ständerätl.lichen Konnnission und an der Hand der gemachten Ersahrungen .

gestellt werden sollten. Rachdem sodann die Materialien weiter gesammelt waren, erstattete Herr Dr. Kern am 19. Februar l 867 einen einlässlichen Bericht über alle in Aussicht zu nehmenden Fragen, und über die muthmassliche Ausnahme, die nach verschiedenen osfiziösen Besprechenden unsere Anträge in Baris finden dürften.

Die Kommission des Nationalrathes zur Brüfung des Geschästsberichtet pro 1866 kam sodann in ihrem Berichte vom 2. Juni 1867 ebenfalls aus diesen. Gegenstand zu sprechen und erinnerte au das Bostulat .vom 18. .Juli 1866. Sie glanbte um so mehr einen der Schweiz günstigen Ersolg erwarten ^u dürfen, als die sranzösische Re^ierung das nämliche Jnteresse daran habe, das.. diese fragen aufgehellt werden.

Da in der That aus den bezüglichen Berichten sich zu ergeben

schien, dass ein diessälliger definitiver Antrag in Baris günstige Ausnahme finden dürste, so beaustragten wir am 15. Rovember 1867 ^errn Minister Kern, der frauzosiseheu Regierung in osfizieller Form eine Revision der im Jahre 1864 unberührt gebliebenen Artikel des

Vertrages vom l 8. Juli 1828 anzutragen.

gleichzeitig .^..urde di^

^franzosische Regierung für den Fall, als sie geneigt wäre, in diese Revision einzutreten, ersucht, über die Form des wei.ern Vorgehens sich anssprechen zu wollen.

Jn Autwort hierauf bestätigte die französische Regierung mit Rote vom 7. Februar 1868 ihre Geueigtheit, jene Revision an die .^and zu nehmen und in einer Vorkonferenz, die auf dem Ministerium des Auswärtigeu in Baris stattzufinden hätte, die Grundlagen der neuen Vereinbarung zu besprechen, wozu sie gleichzeitig ihre Delegirten bezeichnete..

l^s waltete hiebei der ^.inn, dass die zivilreehtlieheu und strafrechtliche.^

Bunde^bla..^ Jahrg. XXI. Bd. Il.

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480 Verhältnisse aus einander gehalten und in besondexn Verträgen regulirt werden sollen. Die bezüglichen Verhandlungen nahmen daher po.t d^ an einen gesonderten Verlauf, obschon sie meistens neben einander gepflogen wurden.

Ueber die z i v i l x e c h t l i c h e n Verhältnisse ertheilten wir Herrn Minister Kern am 22. Mai 186^ unsere Jnstruktion, woranf am 17. Juni 186.... die Konferenzen in Baris ihren Ansang nahmen. Rach 5 Sizungen wurde am 18. Juli gleichen Jahres ein erster Entwurf festgestellt, worüber uns Herr Minister Kern mit Memoire vom 27. Juli

1868 behufs weiterer Justruirung Bericht gab. Anch dieser Berieht ist

sehr detaillirt. Herr l)r. Kern sah sich um so mehr veranlasst, in eine genaue Besprechung aller erheblichern ^Buukte einzutreten, als über die Berathuugen bei diesen Konferenzen kein Protokoll geführt wurde, wie

dies hinsichtlich der Verträge vom 30. Juni 1864 der Fall war.

nachdem uns Mttte September 1868 der Entwurf selbst znge-

kommen, waren wir im Falle, unterm 13. November 1^68 unsere Schlussiustruktionen zu formulireu, die dann im Anfange des Monate.^ Januar 186..) bei neuen Konferenzen zu Baris zum erheblichern Theile die gewünschte Berechtigung fanden.

Ueber das so festgestellte B r o j e k t e i n e r n e u e n K o n v e n t i o n zwischen der Schweig und Frankreich über zivilreehtliche V e r h ä l t n i s s e erstattete uns Herr Kern unterm 10. Mai 186..) einen weitern erläuternden Bericht , worauf wir nach näherer Brüsung aller

Verhältnisse ihn ermächtigten, dasselbe unter Vorbehalt der Ratifikation

pon Seite der schweizerischen Bundesversammlung zu unterzeichnen.

Jndem wir nun diesen Vertrag nebst sämmtlichen bezüglichen Akten Jhnen zur Brufuug und Genehmigung vorlegen, glaubeu wir in eine nähere Darlegung des Juhaltes und der Motive einzelner Bunkte eintreten zu sollen.

Der vorliegende Vertrag behandelt in drei Abschnitten folgende Materien : 1. Klage und Gerichtsstand.

ll. Vollziehung von Urtheilen.

lll. Mittheilung von amtliehen Anzeigen , von gerichtlichen und ^ aussergerichtlichen Akten, sowie von Rogatorien.

I. ^l..^... und Gerichtsstand.

(Art. 1 ^bis und mit 14.)

Die hieraus bezüglichen Bestimmungen des Vertrages vom 18. Juli 1828 fiud im Art. lll desselbeu mit noch andern Vorschristen verSchmolzen, während in

dem neuen Vertrag dieser Materie 14 Artikel

481 gewidmet sind. ^chou dieser äussere Umstand weist darauf hin . dass ein gegenseitiges ernstes Bestreben gewaltet hat, die Uebelstände zu heben,

welche aus der Unklaxheit und der zu gedrängten Kürze jenes Art. lll.

entsprungen sind.

Dieser Artikel .hat bekanntlich durch die französischen Gerichte eine .Auslegung erhalten, welche ihm einen grossen Theil seines Werthes benahm.

Die Quelle dieses Uebelstandes lag schon im Anfange eines jeden Prozesses, -- bei der Einleitung der gerichtlichen Klage und der ersten Vorladung des Beklagten.

Wenn nämlich ein Franzose gegenüber einem Schweizer eine streitige Forderung geltend machen wollte, so suchte er denselben häufig nicht vor dessen natürlichem Richter in der Schweiz, wie der Vertrag es sordert, sondern er verklagte ihn bei einem sranzosischen Gerichte. Dieses schritt ohne Weiteres zur Vorladung der Barteien, gewohnlich mit einer so kur^eu Frist, dass der schweizerische Beklagte die aus diplomatischem Wege zu vermittelnde Vorladung nicht einmal rechtzeitig erhielt und daher bei den. besten Willen nicht erscheinen konnte. Weil er nicht erschienen war, so wurde er in contumaciam verurtheilt. Wenn er aber

auch die Zitation rechtzeitig erhielt, indess bloss eine schriftliehe Er-

klarung gab,^dass er die Kompetenz des fxanzosischen Gerichtes nicht au^ erkenne, so wurde er dennoch in contumaciam verurtheilt, indem diese Gerichte präteudirten, man müsse vor ihnen erscheinen und ihre Kompetenz im ordentlichen Rechtsversahreu bestreiten, im andern Falle aber aus die Vorschriften des ^taatsvertrages keine Rüksicht nahmen.

Es war nun offenbar ein aus die Dauer nicht statthaftes Missverhältniss , dass der Schweizer mit vielen Kosten uud Zeitauswand zuerst einen Vrozess vor dem unnatürlichen Richter im fremden Lande führen musste, um dort für die Anerkennung seines natürlichen Richters zu kämpsen, auf den er nach dem Staatsvertrage mit Recht sich berufen konnte.

Das Missliche dieser Stellung der Schweizer, die mit ^rauzosen in Verkehr waren, trat um so ausfallender hervor, als im umgekehrten Verhältniss d.e Franzosen viel günstiger gestellt waren, indem die schweizerischen Gerichte, wenn ein Schweizer einen ^ranzosen in ungehoxiger Art vor einen schweizerischen Richter ziehen wollte, die ^rage ihrer Kompetenz von Amtes wegen prusten und solche Klagen nicht annahmen.

Wenn es aber denno.h geschah, so konnte der ^ranzose in jedem ..^tadium des Prozesses in einfachem schriftlichem Versahren bei dem Buudesrathe Beschwerde führen und in dieser Weise ganz unentgeltlich ^u dem Rechte gelangen, das ihm der Staatsvertrag gewährt.

Es enthält nun allerdings derselbe ^taatsvertrag pon 1828 im Art.

l eine andere^ Bestimmung, die dem Schweizer, welcher aus die

482 oben angegebene Weise in Frankreich in contumaciam verurtheilt worden war, als zweite Schuzlinie hätte dienen sollen. Rach Art. l sollen näm-

lich nur r e c h t s k r ä f t i g e Zivilurtheile der Gerichte des einen Staates Anspruch aus Vollziehung im andern Staate haben, und als rechtskräftig kann ein Urtheil nicht gelten, das von einem inkompetenten Richter erlassen wurde. Es würden daher die erwähnten Kontumazurtheile in der Schweiz nicht vollziehbar sein. Allein solche Urtheile waren für .Leute, die mit Frankreich in Verkehr stehen , eine bleibende Drohung. Sobald der Jnhaber des Urtheils irgendwo in Frankreich Vermogensstüke des vernrtheilten Schweizers entdeken konnte, so erwirkte er einen Arrest darauf, und dann musste der Schweizer, um nieht vielleicht noch grossern Verlust zu erleiden . nach Frankreich gehen und dort den Brozess über die Gültigkeit des Arrestes bestehen. Er konnte nun allerdings wieder

die Jnkompetenz des Richters und daher die Richtigkeit des Kontumaz-

. urtheiles plädiren . allein es stand ihm ein fahren entgegen, das ihm den vermeintlichen trages entzog, wie dieses in frappanter Weise schäftsberichte pro 1868 mitgeteilten Falle in

sehr formelles BrozessverVortheil des .^taatsveraus dem im legten GeSachen der Herren Lab-

hardt u. Eie. in Basel sieh ergiebt. (B. Blatt 1869 I. 961.)

Angesichts dieser Thatsachen waren wir schon bei den Verhandlungen von 1863 bemüht, eine Vorschrift zu verlangen, wodurch die Gerichte verpflichtet wären, von Amtes wegen Klagen zurükzuweisen , welche entg^.gen dem Staatsvertrage vor einem inkompetenten Richter angebracht würden, oder dann zum allermindeften den Gerichten besohlen würde, auch eine blosse schriftliche Ablehnung ihrer Kompetenz von Seite der Beklagten als genügend zu betrachten, um sie zur Brüsung der Kompetenzfrage zu verpflichten.

Die franzosischen Delegirten widersezten sieh ansänglieh sehr entschieden einer Aenderung des bisherigen Verfahrens, uugeaehtet ihnen

entgegengehalten wurde, dass gerade dieses der vielleicht wichtigste Vunkt

^sei, aus dessen Aenderuug die osfentliche Meinuug und die Behorden der Schweiz dringen.

Jndess ist nun schließlich doch im Art. I1 eine Bestimmung erzielt worden, die in der Hauptsache den Wünschen der Schweiz gerecht wird.

Darnach sollen nun die beidseitigen Gerichte zum voraus prüsen , ob

eine Klage, die bei ihnen anhängig gemacht werden will, wirklich in

ihre Kompetenz gehore, und wenn dieses nach den Bestimmungen des Vertrages nicht der ^.all ist, eine solche Klage von Amtes wegen und selbst in ^Abwesenheit des Beklagten , vor den kompetenten Richter weisen.

Es wird also künftig dem beklagten Schweizer, der unrichtig vor ein srauzosisches Gericht zitirt zu sein glaubt, freistehen, seine Kompetenzeinrede vor den französische.. Gerichten persönlich oder auch bloss

483 schriftlich geltend zu machen, und es ist nur Vorsorge zu tresfen, dass die Vorladungen rechtzeitig ex^pedirt werden, damit es dem Beklagten in der That möglich ist, seine allfäl.lige Einrede in der einen oder andern Form geltend zu machen.

Zu diesem Ende musste darauf Bedacht genommen werden, dass die französischen Gerichte den Vertrag wirklich als eine Rechtsnorm behandeln, .auf die sie vermöge ihres Amtes und neben den KompetenzBestimmungen des franzosischen Brozessgesezes zu achten haben und die sie nicht als fremdes Recht erst dann in Betracht ziehen , wenn es im Brozesswege angerusen wird.

Der Bundesrath muss auerkennen, dass die französische Regierung, wenn sie auch nach der französischen Gesetzgebung nicht befugt ist, in

den Gang d..r Justiz einzugreifen, stets ihr Möglichstes that, um in höhern Justanzen durch Erklaruugen der Staatsauwaltschast das Vertragsrecht zur Geltung zu bringen ,. allein es war eben schon ein grosser Uebelstand, dass, um diese Vorsrage zum richterliehen Entscheide zu führen, der Vrozess durch mehrere Justanzen laufen musste.

Um nun jenen Zwek zn erreichen, und um diesem leztern Uebelstande abzuhelfen, glaubten wir, dass in den Vertrag selbst weiter sehüzeude Bestimmungen aufgenommen werden sollten. Allein die französischen Delegirten lehnten ihre Zustimmung entschieden ab, weil solche Vorschriften zu reglementarisch und zu detaillirt wären, als dass sie im Vertrage selbst Vlaz finden könnten, und weil sie überdies mit den Regeln des sra.^osischen Zivilprozessgesezes nicht in .^armonie wären.

Man einigte sich desshalb dahin, theils dem ursprünglichen Art. 11 noch beizufügen, dass der Richter ^meme en l'absence dn défendent seine Kompetenz zu prüfen habe , und dass der weitere Juhalt unseres Begehrens in das erläuternde Vrotokoll, das dem Vertrage beigegeben wird, und gleich diesen. verbindliche Rechtskrast hat, zu verweisen sei.

Herr Minister Kern bemerkte hierüber in seinem Schlussberichte vom 10. Mai 1869, jene neue Redaktion zeige ans das Bestimmteste, dass

das Ausbleiben ^des Beklagten vor dem Richter des Klägers nicht als

eine Art Verzieht aus die Einrede der Jnl.o.npeteuz ausgelegt werden könne, wie dieses unter der Herrschast des Vertrages von 1828 so hänsig geschehen sei. Vielmehr hätten aneh dann , wenn der Beklagte nicht erschienen wäre, und selbst .venn er nicht einmal die Zitation zurnkgeschikt und keiue protestation erhobeu hätte . die Gerichte sowohl als der Staatsanwalt, wo ein solcher dem Gerichte beigegeben sei, die Vflieht, die Frage der Kompetenz von Amtes wegen zu prüfen und die Klage jedesmal vor das Gericht des Beklagten zu verweisen, wenn nach den Bestimmungen des Vertrages dieses leztere als kompetent erscheine.

484 Hiemit stimmt nun allerdings der bezügliche Basses in dem erwähnten erläuternden Protokoll vollkommen überein. Darnach kann der zitirte Beklagte seine Einrede gegen die Kompetenz entweder an den Präsidenten des Handelsgerichts oder an einen Beamten der StaatsAnwaltschaft, wenn dem betreffenden Gerichte ein solcher beigegeben ist, adressiren und seine eigenen Rotizen und Bemerkungen einreichen , um sie über die Anwendung des^ Staatsvertrages ans seine Streitsache auszuklären. Dieses Versahren, das im Vro^essgesez nicht vorgesehen ist, hat

zum mindesten den Ersolg , dass das Gericht rechtzeitig die Aufmerk-

samkeit aus seine eigene Kompetenz richten muss. Schon durch dieses einzige Mittel werden die meisten Fälle von Ansang an aus den richtigen Weg kommeu. Mau kann um so sicherer hieraus zählen, als im Fernern noch vereinbartest, dass die Gerichte durch besondere Jnstruktionen über den Sinn und die Tragweite des Art. 11 belehrt werden sollen.

Durch den angedeuteten Jnhalt .des Art. 1l und durch die zum Schuze der Vollziehung desselben im Schlussprotokoll vereinbarten Massnahmen ist ohne Widerrede einer der wichtigsten Beschwerdepunkte erledigt worden , und zwar so weit es der gegenwärtige Stand der sranzosischen Zivilprozess-Gesezgebung nur immer gestattet, im Sinne der schweizerischen Begehren.

Herr Minister Kern steht auch seinerseits nicht an, zu bemerken, dass dieses vielleicht die wichtigste Verbesserung des projektirten Vertrages sei gegenüber demjenigen , der bis heute zwischen den beiden Staaten bestanden hat.

Herr Kern verspricht sich den besten Ersolg davon, insbesondere auch des Umstandes ^vegen, weil der alte Vertrag von 1.^28 für eine grosse Zahl. von Richtern und Advol.ateu eine ter.^. in^o^nita gewesen sei, während schon durch die Bublikatiou des neuen Vertrages uad des denselben erläuternden Brotokolles nebst einem Zirkular über die Trag.veite und die Vollziehung desselben alle Gerichtsbeamteu aufmerksam werden auf die Bestimmungen , welche die den Gerichten beider Länder in ^ivilsachen Anstehenden Kompetenzen besehlagen ^ Fragen .Klage nach und welches wir zum Art.

wir nun, welches die Gerichte sein werden , an die eine den bis hier erorterten Forschriften gewiesen werden muss, die Kompetenzen, die diesen Gerichten zustehen, so müssen 1 des Projektes zurül^gehe... Jn Art. 1 bis .i0 stnd nämlich ...ie

Gerichtsstände für Ansprüche aus dem bürgerlichen und Handelsverkehr, für Bewegliches und Unbewegliches, für Erbsehasts-, Vormundschaft.^und

Konknrssachen mit^ möglichster

Umsieht

behandelt

und mit einer

solchen Klarheit sestgestellt, dass die praktische Anwendung dadurch sehr

erleichtert und daher auch der Werth des Vertrages erhoht wird. Die^e ^allgemeine Eharakterisirung wird auch bei eiuer nähexn Prüfung der

^ein^elnen Artikel ihre Bestätigung finden.

48^ Artikel 1 erneuert das allgemeine, auch in früheren Verträgen .^wischen der Schweig und Frankreich anerkannte Vrinzip , dass personliche Klagen, sei es im bürgerliehen Leben oder im Handelsverkehr, ^..enn darüber zwischen Franzosen und Schweizern oder zwischen Schweizern und Franzosen Streit entsteht , bei dem natürlichen Richter des Beklagten eingeklagt werden müssen. Es folgt aus diesem Grundsaze, dass auch n i c h t s t r e i t i g e personliche Ansprüche am Wohnorte des Schuldners einkassirt resp. eingetrieben werden müssen, sofern ^nicht durch Vertrag ein anderer Ort zur Erfüllung der Obligation ^bednngen ist.

Die nähere Bezeichnung ,, zwischen Franzosen und Schweizern oder zwischen Schweizern uud Franzosen^ musste aus ausdrükliches Ver- ^ langen der sran.zosischen Delegirten ausgenommen werden , um damit anzuzeigen, dass die Bestimmung in keiner Weise anwendbar sei bei Streitigkeiten von Franzosen gegen Franzosen , weil ein Franzose des Rechtes nicht beraubt werden könne, das ihm der französische Code de Procedure civile zusichere, des Rechtes nämlich, dass er einen Franzosen . vor einem franzosis.hen ^Gerichte belangen könne, auch in dem Falle, wo es sich um eine persönliche Ansprache an einen in einem andern .Lande etablirten Franzosen handle.

Der

Bundesrath

hatte jedoch in einem solchen Falle,. der im

lezten Geschäftsberichte mitgetheilt ift, (in Sachen ^chwob) die Ansieht

ausgestellt, dass ^der Vertrag von 1828 keinen Unterschied mache zwischen einem franzosischen und einem schweizerischen Beklagten uud dass diese Gleichstellung um so mehr sestgehalten werben müsse , als im Art. 1 des Riederlassungs-Vertrages vom 30. Jnni 1864 die in der Schweiz wohnenden ^ranzosen in Bezug ans ihre Personen und ihr Eigentum den in einen. andern Kauton niedergelassenen Schweizern gleichgestellt seien und diese hinwieder im Art. 50 der Bundesversassung die gleiche Garantie geniessen , welche Art. 3^ des Vertrages mit Frankreich vom Jahre 1828 den Einwohnern beider Staaten gegen einander gewähre.

Hienach hätte also ein in der Schweiz wohnender Franzose die gleichen Einreden erheben konnen wie ein Schweizer. Der schweizerische Delegirte hielt diese Ansicht auch in den Konsereuz^erhandlungen ausrecht .

allein die sranzösische Regierung aeeeptirte sie nicht. weder in jenem Spezialfall , noch bei den Verhandlungen über diesen neuen Vertrag.

E.s wurde von Seite der französischen Delegirten namentlich eingewendet, dass man keineswegs die Absicht gehabt habe, durch den Riederfassnngsvertrag die formellen Vorschriften des Code de Procédure civile ^u andern , dass eine solche Aenderung nur durch ein neues Gesez moglich wäre und dass Frankreich immer an diesem Vrinzipe festgehalten habe auch in Bezng ans andere Staaten , mit denen es in Spezialverträgen über Vollziehung von Urtheilen in Zivilsachen stehe.

486 Es ist nun aber ein allgemein anerkannter völkerrechtlicher Grundsaz, dass jeder Staat vermöge seiner Landeshoheit und Unabhängigkeit das Recht hat , seine Zivilgesezgebung und Jurisdiktion über alle auf seinem Gebiete befindlichen Bersonen und Sachen auszudehnen und nach seinem Ermessen zu ordnen , und dass hievon nur ausgenommen sind die E^territorialverhältnisse und die durch Staatsverträge freiwillig anerkannten Beschränkungen.

Erwägungen des Bundesrathes im Entscheide Maes und Bäehter

(Bundesblatt 1857, Bd. l, S. 216).

Erwägung 2 im Entscheide in Sachen Ehameein und Fontaine

.(Bnndesblatt 1867, Bd. 1, S. 575).

Pardessus No. 1488. 2^ Tome 6.

Angesichts dieses Grnndsazes und nachdem in Folge der^von der französischen Regierung geltend gemachten Ansicht der Riederlassnngs-

vertrag vom 30. Juni 1864 aus die Stellung der beseitigen StaatsAngehörigen im Zivilprozess keine Anwendung findet , vielmehr in diesem Gebiete lediglich der gegenwärtige Vertrag Regel machen soll,

war es allerdings nöthig , die Beschränkung der Staatshoheit mit

Bezug aus Angehörige des andern Staates , im Falle sie von Mitbürgern in ihrem gemeinschaftlichen Heimatsstaate rechtlich belangt würden, in diesem Vertrage ausdrüklieh zu erwähnen.

Wenn dieses nicht geschehen wäre , und Frankreich sein Zivilprozessrecht neben dem Vertrage dennoch hätte aufrecht erhalten wollen (w^ es un^weiselhast ist), so würde hierin der Grund zu neuen Konflikten gelegen haben.

Denn vermöge des oben erwähnten volkerrechtlichen Grundsazes wäre künftig das von einem sranzöstsehen Gerichte gegen einen in der Schweiz wohnl^asten Franzosen erlassene Zivilurt^eil in der Schweiz nicht voll^iehbar geweseu, weil es nicht als vom kompetenten Richter ausgegangen hätte anerkannt werden können.

Die Konsequenz hievon wird aber auch aus die .Rechtsstellung der Schweizer in Frankreich wirksam werde. Der Bundesrath hat in Übereinstimmung mit der Ansicht, dass die in der Schweiz wohnenden Franzosen sür persönliche Ansprüche in allen fällen der schweizerischen Jurisdiktion unterworsen seien , gestüzt aus Art. l und 3 des Nieder-

lassungsvertrages vom 30. Juni 1864 und aus Art. 3 des Vertrages vom 18. Juli 1828 auch dahin sich ausgesprochen, dass ...in in Frank-

reich wohnender Schweizer, der von einem andern in der Schweiz wohnhasten Schweizer sür eine persönliche Ansprache belangt wird, an seinem Wohnorte in Frankreich belangt werden müsse. (Rekursentscheid vom 11. Oktober 1867 in Sachen D.^vaud).

Die Sache wird sich nun in Zuknnst so gestalten : Es muss das .in der Schweiz erlassene Urtheil in Sachen eines schweizerischen Klägers

487 .gegen einen in Frankeich wohnhasten Schwerer als vom kompetenten Gerichtsstande erlassen in Frankreich Vollziehung erhalten ; einem solchen Urtheil., das dort vorgelegt wird , kann der französische Richter die Exekution nicht verweigern. Dagegen versteht es sich , dass wenn ein in seiner Heimat wohnender Schweizer einen in Frankreich etablirten Schweizer vor seinem heimatlichen Forum belaufen will, dieses nur insofern zulässig ist, als die schweizerische Gesezgebung dieses Vrinzip in den kantonalen Brozessgesezen als ^lässig anerkennt. Diese Brüfung steht jedoch nur dem schweizerischen Richter zu.

Jm Weitern wird im Art. 1 auch für Regressklagen (actions en ^.rantie) mit der soeben besprochenen Beschränkung (Franzosen gegen Schweizer oder Schweizer gegen Franzosen) der natürliche Gerichtsstand des Beklagten, wo immer die Hauptklage peuvent sein mag, ausgestellt.

Hiedurch wird auch ein Zweifel bleibend gehoben sein, der im Jahre 1859 über den Gerichtsstand des .Litisdenunziaten (appelé en ^rantie) eine Zeit lang waltete, iudess schliesslich von der srau^osischen Regieruug, so weit es von ihr abhing , im Sinne des neuen Zusazes im Vertrage beantwortet wurde. (Ullmer Bd. l. Rr. 628).

^ Reu ist die Bestimmung, dass im Falle der beklagte Schweizer oder Franzose weder in der Schweiz noch in Frankreich ein bekanntes Domizil hat, die Klage auch bei dem Richter am Wohnorte des Klägers angehoben werden konne , eine Vorschrist . die keiner weitern Rechtfertigung bedarf , zumal dieses ^lushilfsmittel nur fakultativ ist.

Es kann daher die Klage nach der Wahl des Klägers auch am legten bekannten Domizil des Beklagten angebracht werden.

Der lezte Saz vom Art. 1 enthält eine Ausnahme, indem er neben ^ dem Gerichtsftande des Wohnortes in beschränktem Sinne auch den Gerichtsstand des Vertrages einführt.

Es ist dies keine Neuerung , denn auch der Vertrag von 1828 kennt den. Gerichtsstand des Vertrages. Allein die mangelhafte Redaktion .und die ungerechtfertigt ausdehnende Juterpretation der franzosischen Gerichte erzeugten mannigfache Differenzen.

Art. lll.

von 1828 bestimmt nämlich, dass die Klage vor dem natürliehen Richter des Beklagten anzuheben sei , ^ a moins que les parties ne soient p r é s e n t e s dans le lieu meme oü le contrat .i élé stipule..'

Run wurde dieser Saz auch dahin interpretirt ,
dass es genüge, qne les parties a i e n t e té présentes dans le lien, etc.

Die nene Redaktion ist nun aber einerseits deutlicher und namentlich auch beschränkter. Der beklagte Schweizer kann nicht mehr vor dem srauzosischen Richter belangt werden , wenn er sich in Frankreich befindet in dem M o m e n t e , wann der Brozess angehoben wird. Er

mnss künftig dort residiren. Es genügt auch nicht, dass er überhanpt in Frankreich residire, vielmehr muss er an dem Orte residiren,

488 wo der Vertrag geschlossen wurde. Auch genügt nicht, dass nur der Beklagte an diesem Orte residire, sondern die Klage kann nur dann etre ..^...tee devant le ^e du lien oi.i le contrat a ^té pa.....^. si l e s p a r t i e s v r é s i d e n t ^u moment oü le probes sera eii^a^.

Wenn schon der Ausdruk ., réside...^ weiter geht als die Worte ^etre présent und also schon hierin eine wesentliche Verbesserung gefunden werden muss, so bestrebten sich die Bevollmächtigten der beiden Staaten doch, noch aus eine andere Weise diesen Ausdruk zu definiren, uni dadurch Jnterpretationen zu verhüten, die mit dem Sinn des .^ertrages im Widerspruch wären, indem sie im Schlussprotokoll darüber näher sich aussprachen^. wie das Wort ..résider^ zu verstehen sei.

Das fragliche Schlussprotokoll sagt hierüber. Die schweizerische Regierung habe immer daran festgehalten, dass es nicht genüge., damit der natürliche Richter aushore kompetent zu sein, .oeun die Parteien im Momente des Vertragsabschlusses am Orte, wo der Vertrag^ geschlossen worden, steh befunden haben, sondern dass nothig.sei, dass sie daselbst anwesend gewesen^ in dem Momente als der Brozess angehoben worden sei. Die franzosische Regierung habe sich au.h .viederl..^ geneigt ge-

zeigt, diese Ansicht zu theilen. Es . sei daher als passend erachtet worden, diese Frage in dem neuen Vertrage zu losen.

Jm Briuzip sei nun die Jnterpretation der schweizerischen Regieruug angenommen worden ; allein es habe nothwendig geschienen,. zu erklären , dass die blosse Thatsache der Anwesenheit eines Franzosen in der Schweiz oder eines Schweizers in Frankreich nicht genügen würde, um das Gericht des Vertrages kompetent ^u machen. Die Worte ..v résident haben den Zwek, anzudeuten, .^ass die Ent^rästnng des Vrinzipes der .Kompetenz des natürlichen Richters nicht einträte, wenn der Beklagte nur momentan und gewissermassen ans der Reise in dem .Lande, wo der Vertrag geschlossen Borden, sich befinden würde, z. B.

um einem offentliehen oder andern ^este beizuwohnen , um eiue Gesehästs- oder Haudelsreise zu machen, einen Markt (koire) zu besuchen, ein vereinzeltes Geschäft zu machen , ein Zeugniss vor Gericht al.^nlegen ..e. ...... . sondern bloss dann , wenn der Beklagte dort entweder einen dem Domizil gleichkommenden Aufenthalt, oder auch einen vorübergehenden Aufenthalt hätte, dessen^ Veranlassung nicht durch bloss

zusällige Umstände bestimmt wäre.

Mit diesen Erläuterungen des Schlussprotokolls , das , .vie bereits erwähnt wurde, gegenseitig verbindliehe Kraft erhalten soll, ist auch diese Bestimmuug annehmbar gemacht.

Art. 2. Dieser Artikel ist formell neu, regulirt aber ein schon faktisch bestehendes Verfahren. Darnach müssen künstig schweizerische Gerichte den Franzosen , die in der Schweiz wohnen , oder hier ein

4^9 Handelsgeschäft betreiben , wenn Brozesse unter ihnen allein entstehen, Recht gewähren , und ein Gleiches müssen nun auch sra.^osische ..Berichte in Prozessen zwischen Schweizern , die in Frankreich wohnen oder dort ein Handelsgeschäft betreiben, thun.

Ebenso müssen die franzosischen und schweizerischen . Gerichte Recht ^ewähreu, wenn ein Schweizer einen in Frankreich .vohuenden Fremden oder wenn ein Franzose einen in der Schweiz wohnenden Fremden ge..

richilich verfolgen will.

Bis jezt konnten die srau^osischen Gerichte in solchen Fällen die .Kompetenz ablehnen, aus dem Grunde, weil die Parteien Landessremde

seien. Ein solcher ^all ist im lezten Geschäftsberichte (pro 1868) erwähnt.

(Buudesblatt 1869, I, Seite^ ..)58.) Man hätte ^..ar sagen konnen, dass dieses Verhältniss schon durch den Riederlassungsvertrag vom 30. Jnni 1864 geordnet sei. .^err Minister Kern machte auch wirklich diese Ansieht geltend. Allein die franzosischen Delegirten schienen sie nicht zu theilen, indem sie ansdrüklich wünschten, dass diese Bestimmuug hier ausgenommen werde.

J.n Art. 3 ist ausgesprochen. , dass in dem Falle, wo dex Beklagte

ein .Domizil ^wählt hätte , Streitigkeiten über die Erfüllung eines

Vertrages ausschließlich von dem Richter des Wahldomizils beurtheilt werden sollen. Es ist also hiemit ^ sobald ^ie Barteie^ über einen Gerichtsstand sich vereinbart haben . jeder andere Gerichtsstand ausgeschlossen.

Dieses sreie Wahlrecht der Varteien hat auch im Vextrag von 1828 einen vorherrschenden Rang eingenommen. ^ehon dort .vurde der natürliche Richter ausgeschlossen, wenn sich die Parteien über den Richter verständigt hatten , der die zwischen ihnen entstehenden Streitigkeiten ^u beurtheilen habe. Der Art. 3 enthält daher nichts Reues. Der Grundsaz an sich ist auch iu deu meisten Vro^essgese^ gebuugen anerkannt^ Ju der Tl..at hat der Gerichtsstand der freien Wahl neben dem natürlichen Richter am Domizil des Beklagten am meisten Berechtigung.

Rach dem Wortlaute dieses Art. 3 wird die freie Vereinbaruug im gewohnlichen Sinne zu nehmen sein, so dass ein Gerichtsstand nicht bloss ausdrüklich, sondern auch stillschweigeud gewählt werden kaun. Eine stillschweigende Vereinbarung .vird dann angenommen, wenn der Beklagte stch vor eiuem nicht zustäudigen Richter au^ den Streit eingelassen hat, ohne die Einrede der Jnkompetenz zu erheben.

Jndess kann eine ausdrükliehe oder stillschweigende Wahl des Gerichtsstandes selbstverständlich nur statthast sein mit Be^g auf die im Art. 1 be^ichneteu Streitigkeiten über Ansprachen bloss personlieher Ratur, denn von Art^ 4 ...n werden sür einzelne Materien besondere Gerichtsstände durch den Staats.^ertrag ausgestellt, die nicht willkürlich an^ehoben werden konnen.

490 Zunächst wird im Art. 4 für dingliche Klagen der Gerichtsstand der gelegenen Sache (forum rei s..tae) aufgestellt. Dies war schon im Vertrage von 1828 der Fall. Dagegen wird nun im zweiten Saze des neuen Art. 4 jenem Bringe eine Anwendung gegeben, die den Kreis der dinglichen Klagen weiter ausdehnt, als es in unserer bundesrechtlichen Anschauung der Fall ist. Darnach sollen nämlich auch Klagen für Forderungen, die zwar aus persönlichen Rechtstiteln herrühren, die aber auf Grundeigentum oder die Benuzung eines Jmmobils sich beziehen (con..

cernant la propreté ou la.jonissance d'un immeuble), an dem .^rte angehoben werden, wo das Grundstük liegt. Wir haben gewünscht, dass in diesem Saze etwas bestimmter angegeben werden soll, auf welche Fälle er sich beziehe. Wir sprachen uns ^namentlich dahin aus , dass daruuter solche Klagen gehören sollen, mittelst deren die Einräumung eines dinglichen Rechtes verlangt oder wegen Verwendungen auf Jmmobilien geklagt ist. Ferner wünschten wir, um alle etwaigen Zweifel zu beseitigen, dass näher angegeben werden ^möchte. was unter ^omssancc^ verstauden werde , ob dieses Wort sich nur aus Pachtverhältnisse beziehe oder noch weiter ausgedehnt werden wolle, wie z. B. aus nsusfruclus.

Diese Anregung fand bei den sranzosisehen Delegierten , die unsere Bedenken nicht theilten,^nur so weit Anklang, dass man es für geboten erachtete, dem Sehlussprotokoll eine Erläuterung beizufügen, wie der zweite Saz vom Art. 4 zu verstehen sei.

Das Schlussprotokoll sagt nämlich darüber: Man habe die Fälle vorsehen wollen, wo ein Franzose, der Grundeigenthu.u iu der Schweiz, oder umgekehrt, wo ein Schweizer, der Grundeigenthum in Frankreich besize , in seiner Eigenschast als Eigenthümer, sei es von Unternehmern, die Reparationen an dem Grnndbesiz gemacht haben , sei es von einem in seinem Besize geftorten Miethsmann (locataire), oder sei es endlich von jeder andern Berson, o h n e dass d i e s e e i n R e c h t a m J m m o b i l s e l b s t a n s p r e c h e n , f ü r rein per-

sönliche Ansprüche gerichtlich belangt würde.

Jm Art. 5 wird die Frage des G e r i ch t s st a n d e s in E r b s c h a f t s s a c h e n behandelt und im Allgemeinen in der Weise geordnet,

dass jeweilen das heimatliche Gericht des Erblassers zuständig sein soll,

so zwar, dass für die Verlassenschaft eines in der Schweiz gestorbenen Franzosen das Gerieht seines lezten Domizils in Frankreich und für die Verlassenschast eines Schweizers , der in Frankreich gestorben ist , dasjenige seiner ^eimat kompetent sein soll, wie dieses anch durch den neuen Riederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Jtalieu geregelt woxden ist.

Für die Vertheilung, die Vergantung oder den Verkaus von Jmmobilien ist dagegen immerhin das Gesez des Landes massgebend , wo die Jmmobilien liegen.

. ..

49t

Bekanntlich wurde von Seite der Schweiz stets die Ansicht verfochten, dass nach dem Vertrage von 1828 bei der Theilung einer Erbschast immer die Geseze des Heimatortes des Erblassers zur Anwendung kommen müssen, und zwar auch dann, wenn ein Theil der Verlassenschast in Jmmobilien besteht, welche auf dem Gebiete des andern kontrahirenden Staates liegen, und wenn Erben aus beiden Staaten konkurriren.

Die französischen Gerichte haben aber diesen Grundsaz insoweit nicht anerkannt, als derselbe mit einem franzosischen Geseze vom 14. Juli 1819

im Widerspruche steht.

Dieses Gesez lautet:

^1. Die Artikel 726 und 912 des Code civil sind ausgehoben ; demzufolge haben die Fremden das Recht, in der gleichen Weise zu erben und zu verfügen und zu erwerben, wie die Franzosen.

^ 2. Jm Falle bei der gleichen Erbtheilung fremde und französische Miterben zur Theilung kommen, so können die sranzosischen Erben aus dem in Frankreich liegenden Vermögen (biens) einen Betrag vorwegnehmen, der dem Werthe des im fremden Lande liegenden Vermögens, von dem sie , unter welchem Titel immer , nach dortigen Gesezen und lokalen Gewohnheiten , ausgeschlossen wären, gleichkommt.

Da nun die sranzösisehen Gerichte dieses Gesez n e b e n dem Staatsvertrage von 1828 in Krast bestehend und auch gegenüber der Schweiz anwendbar erklärten und daraus Konflikte entstanden (stehe den Fall

Vanoui .^ei Ullmer Bd. II. ^. 579), so hofsten wir bei Anlass der

Revision auch in diesem Gebiete e^ne klare Rechtsstellung zu erlangen und machten schon in der ersten Jnstruktion von 1863 der sranzosischen

Regierung den Vorschlag, sie möchte ganz rund für die Erbtheilungen

entweder das Gesez der Heimat oder dasjenige des Wohnortes des Erblassers (nach ihrer Wahl) unbedingt anerkennen.

Es wurde aber von französischer Seite schon in den einleitenden Verhandlungen erklärt, dass das Gesez von 18^19 nicht ausgegeben werden könne. Man glaubte aber als mildernd daraus hiuweisen zu könuen, dass dieses Gesez nur zur Anwendung komme, wenn neben schweizerischen Erben auch Franzosen als Erben konkurriren und dass fran^ösiseherseits nichts eingewendet werden könnte, wenn sür analoge Fälle auch die Anwendung des Erbrechtes der schweizerischen Kantone vorbehalten würde.

Auch wurde daraus hiugewieseu, dass diese Fälle die Ausuahme bilden.

Jn ^er grossen Mehrzahl der Fälle seien n u r Schweizer oder n u r Franzosen zur Erbschaft berufen, und da finde immerhin der Staatsvertrag seine Anwendung.

Ebenso wurde in den wirklichen Verhandlungen von den französischen Delegirten sowohl die Anerkennung des reinen Brinzipes der Heimat

4.^2 oder desjenigen des Domizils abgelehnt. Sie erklärten namentlich, dass so lange in der Schweiz 22, resp. 25 verschiedene Gesezgebungen, die in Frankreich sast gänzlich unbekannt seien, bestehen, sie niemals zustimmen könnten , dass . Erbschaften von in der Schweiz verstorbenen Franzosen nach schweizerischen Gesezen geordnet werden sollen. Sie sügten bei, es könne so lange von einem solchen Vorschlage keine Rede sein, als

es nicht eine einheitliehe Zivilgesezgebnng für die ganze Schweiz gebe.

Demzufolge wurde sranzosischerseits vorgezogen, das System beizubehalten, aus welchem der Vertrag von ^828 beruht, wonach die Erbschaffen ah intesto nach den Gesezen der Heimat des Verstorbenen zu ordnen sind. Dabei wurde aber immerhin eiue Beschränkung eingeführt, die Frankreich schon unter der Herrschast des Vertrages von 1828 geltend machte und die auch von der Gerichtstags des franzosischen Cassationshoses sanktionirt worden war.^ Diese Beschränkung bezieht sich auf Jmmobilien, für deren Theilnng das Gesez des .Landes, wo sie liegen, zur Anwenduug kommen soll. ^Dieser Grnndsaz wnrde namentlich aufgestellt in dem schon erwähnten Falle Va n o n i und seither von den französischen Gerichten aus alle Erbschasten von Schweizern in Frankreich als .)^egel angewendet. Nachdem nun die französische Regierung dieser Bra.^is sieh anschloss und erklärte, dass sie ans .Liegenschaften, die in Frankreich liefen, keine fremde Gese^gebung anwenden könne . wäre es kaum möglich gewesen, aus einer andern Basis eine Verständigung zu erzielen, als aus der Basis der Reziprozität, in der Weise, dass auch in der Schweiz die Theilung von Jmmobilien, die der Verlassenschaft eines ^ranzosen angehören, nach den Gesezen des Kantons, wo sie liegen, zu vollziehen sei.

Was das oben erwähnte französische Gesez von 181..) betrifft, so ist hier noch beizufügen, dass die französische Regierung auch hierin mit der Praxis der dortigen Gerichte harmonirt und daran sesthält, dass das..

selbe durch den Vertrag von l 828 gegenüber der Schweiz nicht wirkungslos geworden sei, um so weniger, als dieser Vertrag nicht die Sanktion der Kammern erhalten habe, und jenes Gesez nur durch ein nenes Gesez abrogirt werden konnte. Es sei aber sicher, dass ein solches neues Gesez im Corps l.^isl^k auf Opposition stossen würde , besonders angesichts der Vorrechte, welehe in der Schweig durch kantonale Geseze den Löhnen zum Rachtheil der Töchter eingeräumt seieu , während solche Vorrechte in^ vollständigem Widerspruche stehen mit .der srauzosischen Gesetzgebung.

Umsonst machten wir zur Belästigung unserer Ansieht, dass das fragliche Gesez gegenüber der Schweiz keine Anwendung finden sollte, auch no.l.. daraus aufmerksam, dass es nur gegen solche Staaten erlassen worden sei, welche noch die droits d'.^nl^ines gehabt haben. Die fran^ ^fischen Delegirten
erklärten aber ganz bestimmt,, dass es ihrer Regierung durchaus unmöglich sei, den Franzosen die Vortheile zu entziehen, d.e ihnen der Code civil förmlich ^.sichere. Sie bemerkten überdies, dass

493 das Gesez pon 18l 9 nicht allein den Zwek gehabt habe, eine Eompensation zu schaffen für die drons d^uhames, die jezt überall ansgehoben seien , sondern es beziehe sich im Allgemeinen aus die besondern Rechte und Vortheile, die der Code Napoléon den Franzosen in den Erbschasten ah intestato einräume. Ferner sei fragliches Gesez von der franzosischen Regierung gegenüber allen andern Ländern beibehalten und angewendet worden, insbesondere sei dessen Anwendung gegenüber der Schweiz durch

Entscheid des Kassationshoses bestätigt und dadurch Bestandtheil der

franzosischen Jurisprudenz geworden. Aus allen diesen Gründen würde Frankreich eher genöthigt sein , auf eine Revision des Vertrages von 1828 zu verzichten , als dass sie dem hierseitigen Begehren entsprechen könnte.

Unter diesen Umständen blieb nichts anderes übrig , als eine Redaktion zu wählen , wodurch einerseits die Wirksamkeit jenes Gesezes wirklich nur auf solche ^älle beschränkt n..ird , in denen Sch.^er und Franzosen gleichzeitig zur Erbschaft berufen sind (immerhin mit Ausnahme der Liegeuschasten , sür welche ^stets das fornm rei si^e vorbehalten bleibt) und wodurch andererseits den Schweizern das Recht eingeräumt wird , in analogen Fällen , n.o das schweizerische Gesez ihnen günstiger ist als das französische, die ihnen durch das Gesez ihres Kautons gewährten Vortheile geltend machen zu können.

Für jene Fälle , in denen nur Angehörige des gleichen der beiden kontrahirenden Staaten interessirt sind, ist noch am ...^chluss.. der UnterHandlungen ein Nachtrag erzielt worden, wodurch den Urtheilen ^ des Staates, dem diese Erben angehoren , im andern ...Staate Vollziehung zugesichert wird.

Raeh dem Gesagten und nach dem Wortlaute des Vertrages würde nun künstig zwischen der Schweiz und Frankreich folgendes Erbrechtsfestem bestehen : A. Wenn die Erben n u r e i n e m der beiden Staaten angehören : a. Streitigkeiten^ zwischen den Erben unter sieh über Liquidation und Theilung einer testamentarischen Erbschaft oder einer Verlasse..schast ab intestato , sowie Streitigkeiten zwischen den Erben uud Legatareu , w e n n n u r b e w e g l i c h e s Gut in ^ r a g e l i e g t , gehören vor den Richter der Herkunft des Verstorbenen, uud zwar wenn der Verstorbene ^rauzose war , vor den Richter seines lezten Domizils in Frankreich ; wenn er aber Schweizer war , vor ^en Richter seinem Heimat.

b. Soweit die Erbschast in Liegenschaften besteht, findet dagegen sür die Theilung uud Realisirung derselben stets das Gesez desjenigen Staates respective Kantons ^p.^ys) Anwendung , wo jene ....ege^.

^

494

B. Wenn die Erben g l e ichz e i t i g b e i d e n S t a a t e n angehören : a. Jm Falle das heimatliche Gesez des Erblassers vollkommene Gleichheit der Erben statuirt, also keinen Unterschied macht zwischen Sohnen und Töchtern (wie dies in Frankreich der Fall

ist), so findet in erster Linie gleichmässige Theilung statt.

h. Jm Falle aber das heimatliehe Gesez des Erblassers einzelnen Erben besondere Vorrechte gewährt (wie es in vielen Schweizerkantonen zu Gunsten der Söhne der Fall ist) , so können diese Vorrechte auch gegenüber den Miterben des andern Staates geltend gemacht werden, aber dann können diese leztern hinwieder auch diejenigen Rechte und Vortheile geltend machen, welche ihnen die Geseze ihrer eigenen Heimat gewähren.

Es ist hiebei verstanden, dass der kompetente Richter. stets sein eigenes . Gesez anwendet. Die französischen Delegierten lehnten es ab , dieses im Vertrage ausdrüklich zu sagen , weil es sich von selbst verstehe.

Sie hegten die entschiedene Ansieht, dass hierüber ein Zweisel nicht mog-

lich ^sei.

Der Schlüsssaz, wonach die in Erbsehastssachen erlassenen Urtheile der Gerichte beider Staaten , wosern sie nur ihre eigenen Staatsangehörigen betreffen, im andern Staate vollziehbar sein sollen, welches auch die Geseze dieses andern Staates sein mogeu, bezieht steh hauptsächlich aus das ...^erhältniss, wo nach schweizerischer Gesetzgebung ein Vorrecht gerichtliche Anerkennung gesunden hätte, das in Frankreich unbekannt ist, und dort wohnende schweizerische Erben den französischen Grundsaz absoluter Gleichheit unter den Erben anrufen .oollteu. Es wird hiermit

die in der Schweiz bestehende Eigentümlichkeit des Sohnesvortheiles geschüzt.

^

Jn den Artikeln 6, 7, 8 und 9 ist der Konkurs behandelt. Bekanntlich sind auch in Konkurs saehen wiederholt Dissereuzen entstanden, ^iudem von französischen Gerichten und auch von der sranzosisehen Regierung die Wirksamkeit von dortigen Dekreten über Eroffnung eines

Konkurses gleich der Wirksamkeit eines rechtskräftigen Zivilurtheiles aus

schweizerische ^ehulduex des Koukursilen ausgedehnt und angewendet werden wollte, so dass also nach dieser Ansicht schon nach dem Vertrage von 1828 die Universalität und Attraktivkraft des Konkurses internati^ uales Recht zwischen der Schweiz und Frankreich gewesen wäre. Von schweizerischer Seite aber wurde die Ansicht vertheidigt, dass der im

Art. Ill jeues Vertrages aufgestellte Gerichtsstand der Heimat sür

Erbschastsprozesse n i eh k ausgedehnt werden dürfe auf Kouknrsverhältnisse und dass im Art. lV des gleichen Vertrages lediglich bestimmt sei , dass

495 bei dem Fallimente eines Franzosen, welcher Vermögen (biens) in Frankreich ^esizt, die schweizerischen Kreditoren den franzosischen .Kreditoren und umgekehrt bei dem Fallimente eines Schweizers, welcher Güter in der Schweiz befizt, die sranzostschen den schweizerischen .Kreditoren gleicher Art gleichgehalten werden sollen, dass es aber keineswegs in dem Willen der kon^ trahirenden Staaten gelegen habe, ihrer Justizhoheit zu entsagen., betreffend Kollokatio.t^ der Güter (Mobiliar^ und Jmmobiliar-Güter) .eines Franzosen, die in der Schweiz liegen, oder der Güter eines Schweizers, welche in Frankreich liegen. Die .praktische Konsequenz dieser Anschauungsweise war dann die, dass über die ans schweizerischem Gebiete gelegenen Güter eines Franzosen anf Verlangen in der Schweiz ein Separatkonkurs stattzufinden hatte, und im umgekehrten Falle über die in Frankreich gelegenen Güter eines Schweizers in Frankreich ein .Separatkonknrs verlangt werden konnte, und dass in einem solchen Separatkonkurse den Kreditoren des andern Landes der Zutritt jeweilen srei stand

und gemäss Art. lV des Vertrages auf gleiche Behandlung mit den Ein-

heimischen Anspruch hatten , immerhin in der Meinung, dass die Geseze desjenigen Landes, wo der Konkurs stattsand, massgebend waren. .^ienach wnrde dem in einem andern Staate ergangenen Fallimentsurtheile nur die beschränktere Wirkung zugestanden, dass gestüzt ans dasselbe auch im andern Staate die Erosfnung des Konkurses über die Güter des Falliten . die in diesem andern Staate lagen , verlangt werden konnte, vorausgeht, dass die Exekution des Urtheils, wie in allen andern Fällen, nach den Gesezen des re^nirirten Staates verlaugt wurde.

Bei allen diesen sxühern Behandlungen wurde stets die Mangelhaftigleit des Vertrages von 1828 auch in dieser Materie lebhaft gefühlt.

Es konnte daher keineswegs überraschen, dass von Seite der franzosischen Delegirten in dem neuen Vertrag eine sorgfältigere Behandlung des Konkurses verlangt wurde. Sie verlaugten wirklich schon anfänglich und beharrlich , dass alle ans einen Konkurs bezüglichen fragen von dem Richter und nach der Gesezgebung am Wohnorte des Kontursiten . also des Landes, wo der Konkurs erofsnet worden, zu erledigeu seien.

Unverkennbar ist dieses System das natürlichste und geuiesst den grossen Vor^g der .Einfachheit. Dennoch konnten wir, angesichts der in verschiedenen Kantonen noch bestehenden Bartikularitäten , die z.^.ar nach der neuern Entwiklnng des Konknrsrechtes voraussichtlich keine lange Lebensdauer mel,.r geniessen werden (wie z. B. das Zugsversahren), nicht ohne Weiteres daraus eingehen. Aber unsere Bemühungen, die Specialrechte im Sinne des bis jezt bestandenen Verfahrens ganz zu retten, u..aren erfolglos. Wir mussten also den Gerichtsstand des Konkurses der allgemeinen Regel unterftelleu, d. h. der Kompetenz des Richters des Wohnortes. Damit ist nun zwar für die regelmässigen ^älle das eigenthü^uliche Konkursrecht jedes Kaul.ons oder Staates gerettet, nämlich für alle jen....

Bund^bla^. ^ahrg.XXI. Bd. II.

37

^6 ^älle, die aus ihrem Gebiete sich abwikeln. Die absolute Herrschast des .Gerichtsstandes des Wohnortes des Konkursen hat aber die wichtige Aenderung zur Folge, dass künftig nur e i n Konkurs bestehen kann , dass ein Separatkonkurs im andern Staate unzulässig ist, und dass alle Aktiven, wo solche sich finden mögen, an den Konkursrichter abgeliefert werden müssen. Selbst über .Liegenschaften findet kein Separatkonkurs mehr statt, sondern sie sind an dem Orte, wo sie liegen,^und nach den hier bestehenden formen zu verkaufen, und es ist ein Vorerlös über die .^....potheken und dingliehen Rechte hinaus ebenfalls an den Konkursrichter abzuliefern.

Alles dieses wird dadurch erreicht, dass das Dekret über Eröffnung eines Konkurses gleich einem gewöhnlichen Zivilurtheil im andern Staate

v.^llziehbar und demzufolge den in den Artikeln 15, 16 und 17 dieses Ver-

trages über die Vollziehung von Zivilnrtheilen aufgestellten ^Vorschriften uuterworsen ist. Dass dann die Kreditoren des andern Staates für ihre Guthaben, die fie anzumelden im Falle sind, nach der Ges.^gebung des Konkursortes, und zwar aus dem Fusse völliger Gleichheit, wie die inländischen Kreditoren zu behandeln sind , versteht sich nach der ganzen Tendenz dieses Vertrages und nach Analogie des in demselben aufgestellten Systems des Handelskonkurses von selbst.

Man wird es daher ganz in Ordnung finden, dass der Vertrag über alle diese einfachern Verhältnisse als selbstverständlich hinweggeht und nur denjenigen Fall detaillirt behandelt , der am meisten geeignet ist, Anlass zu Verwikelungen zu bieten. Es ist dieses der Konkurs von Handelsleuten.

Rach Art. 6 ist auch dieser Konkurs der allgemeinen Regel unterworseu : er wird am Domizil des Geschäftes eröffnet und erhält dadurch, dass das Konkursdekret im audern Staate wie ein gewöhnliches

Zivilurtheil als vollziehbax erklärt wird, universelle Wirkung. Es

findet also aueh für Haudelsleute nur e i n Koukurs statt , und es ist die Unterscheidung ^wisehen einem Konkurs des Geschäftes und einem solchen der übrigen bürgerliehen Beziehungen ausgeschlossen. Wenn nämlich ^. B. das in Frankreich gegen einen Schweizer , der dort ein Handelsgeschäft betreibt, erlassene Konkursdekret durch Vermittlung des Massaverwalters im Heimatskanton nach den für gewöhnliche ^i.vilurtheile vorgeschriebeueu formen das Er^uatur erhalteu hat, so kann er, der Massaverwalter , die Anwendung jenes Dekretes auf alles in der Schweiz befindliche bewegliehe und uubewegliche Vermögen des Konkursiteu verlangen. Diese Anwendbarkeit des Konkursdekretes änssert sich aber nicht dadurch, dass nun in der Schweig ein besonderer Konkurs eröffnet werden könnte, sondern dadurch. dass .der Massaverwalter die Guthaben des ^alliten bei seinen Schuldnern eintreiben und zum Verkaus der dem ^alliten angehörigen beweglichen und unbeweglichen Ver-

497 mogensstüke schreiten kann. Den Betrag der in der Heimat des Falliten eingezogenen Guthaben und den Erlos der dort verkauften Mobilien hat er in die laufende Masse am Konkursorte zu werfen, und es wird dann die ganze Masse ohne Rüksi.ht auf ihre Herkunft nach den hier geltenden Gesezen unter alle Kreditoren vertheilt.

Wa..^ dagegen die Liegenschaften betrifft, so stehen diese auch hier, wie in all^u andern rechtliehen Beziehungen, unter der Gesezgebung des

Landes wo s^ li^u ^ so d.^ d^ u-ch dieser Gesezgebnng gültigen Hypothekar- uu^ Vorrechte vor Allem aus aus den Erlos angewiesen und daraus zu befahlen siud.

Das ganz gleiche Verfahren findet statt in dem andern Falle, wo ein Franzose in der Schweiz einen Handel treibt und hier in Konkurs kommt. Auch für ein schweizerisches Koukursdekret muss in Frankreich aus dem gewöhnlichen Wege. wie für ein Zivilurtheil . das Ex^uatur eingeholt werden, und es kann dann der schweizerische Massaverwalter alle Vermogeusobjekte des Falliten, die in Frankreich find, li.^.idiren und zur Masse ziehen.

Jndess muss nach Art. 7, im Falle pon Zwistigkeiten eine Klage, die in Folge eines solchen Konknrsdekretes oder eines Urtheils, wodurch^ die Wirksamkeit jenes Dekretes erweitert wird, gegen einen Kreditoren oder gegen einen Dritten, sei es wegen ^chadenersaz, Restitution oder wegen Richtigkeit eines Rechtsgeschäftes, angehoben werden muss, vor .dem Gerichte des Wohnortes des Beklagten angehoben werden, es wäre denn, dass der Streit aus ein Grundstuk oder auf eiu dingliches Recht sieh bezoge. Jn diesen. ledern ^allemüsste die Klage, wie in allen andern fallen, am lornm rei sil.ae angebracht werden. Zu den personlichen Klagen der erstern Art gehort auch die Rükforderung einer Zahlung, die der Fallite innerhalb des Termines, auf den der Konkurs rü^virkend erklärt wurde, ge-

macht hätte. Es hat also hierin die schiveizerische Anschauung gesiegt,

wonach eine solche Rükforderuug nicht als eine Koukurspendeuz, sondern.

als eiue einfache personliehe Forderung der Konkursmasse an einen Dritten aufzufassen und also am Wohuorte des ledern einzuklagen ist.

Ein hieher gehöriger Spezialfall in Sachen der Konkursmasse H o r n u n g

gegen die Gebrüder G e r b e r (Bundesblatt 1867, Bd. l, Seite 568) mag^ zu näherm Verständnisse hier ^itirt werden.

Jm ^alle eines Akkomodementes (Art. 8) erhält die Abtretung der im Heimatsstaate liegenden Güter des ^alliten, sowie überhaupt jede audere Bestimmung des Akkomodementsvertrages , nachdem dieser

gerichtlich bestätigt und wie ein Zivilurtheil e^ekutorisch erklärt ist, alle

diejeuigen Wirkungen, die er im^ Staate hat, wo der Konkurs ausgebrochen ist.

498 Axt. 9 gibt zu keinen weitern Bemerkungen Anlass , indem hier

lediglich die Vorschriften der Artikel 7 und 8 auf solche Konkurse, die im einen oder andern der beiden Staaten über Fremde ausgebroehen sind, anwendbar erklärt werden.

Jn V o r m u n d s c h a s t s s a c h e n ist nun endlich durch diesen Vertrag auch eine feste Basts gewonnen. Rach Art. 10 ist die Vormundschaft über Minderjährige und über gerichtlieh Bevogtete (interdits) der Gesezgebung des Heimatstaates anheimgegeben, so dass nun, wie wir es wünschten, das Erbrecht und die Vormundschaft gleichmäßig unter

dem Gesez der Heimat stehen. Alle Streitigkeiten , die sieh über die Verhängung der Vormundschaft und über die Verwaltung des Vermogens ergeben können , sind den kompetenten Behörden des Heimat..staates zugewiesen, unter Vorbehalt jedoch der Gesezgebu..g über die Jmmobilien und der provisorischen Massregeln, welche die Behörde des Wohnortes angemessen finden mag.

Hienach wird nun auch die Frage, mit welchem Alter die Minderjährigkeit aushore, nach der Gesezgebnng der Heimat bestimmt, und die in einigen Kantonen bestehende Brax.is^ den Eintritt der Majoxennität anch gegenüber Franzosen nach der Gesezgebung des Wohnortes

zu bestimmen, wird künstig nicht länger haltbar sein.

Ein anderes spezielles Verhältniss wird im gegenwärtigen Vertrag zwar nicht besonders berührt, aber doch eine der Schweiz günstigere Erledigung finden.

Wenn nämlich ein Schweizer eine Franzosin heiratet und vor der Frau stirbt , so kann leztere , im Falle sie mit den Kindern in Frankreich wohnt, nach Art. 9 des Code Napoleon durch einfache Erklärung wieder Französin werden, und nach Art. 390 des gleichen Code Napoleon die Vormundsehast über ihre Kinder erlangen, ohne Rüksicht auf die allsällig in der Schweiz auch angeordnete Vormundschaft. Jn einem solchen Falle (Bundesblatt 1867, Bd. I, Seite 581) wurde dieser Konflikt vor die französischen Gerichte gebracht, während er nach dem Wortlaute von Art. 10 künstig vor die schweizerischen Gerichte oder sonst kompetenten schweizerischen Behörden wird gebracht werden konnen. Jedensalls wird den schweizerischen Behorden die Vormundschaft über die Kinder gesichert bleiben müssen , indem sie nun ausdruklich dem Heimatsstaate zugewiesen ist, währeud dieses im Vertrage vom 1828 sehr zweiselhast war.

Ju den Artikeln 12, 13 und 14 find blosse prozessualische Vorschriften enthalten, wie sie theils schon im Vertrage von 1828 vorkamen, theils

selbstverständlich sind und theils dem allgemeinen Vrinzipe der Rezi-

prozität,^ auf dem dieser Vertrag beruht, eutspringen.

Es versteht sich nämlich allerdings von selbst, ...ass ein Kontumazurtheil da angegrissen werden muss, wo es ausgefällt wurde (Art. 12).

^ Rur musste eine Redaktion gewählt werden , wodurch der Organismus in beiden Staaten gesichert bleibt. Während nämlich in Frankreich alle Urtheile vor den Gerichten angefochten werden müssen, kann in der Schweiz, wenn die Opposition aus den Staatsvertrag gegründet wird, z. B. wegen Jnkompetenz, eine solche Besehwerde bei dem Bundesrathe anhängig gemacht werden. Jm Falle sich aber der Angriff auf einen bloss prozessualisehen Grund stüzt, z. B. auf Verspätung der Zitation, so ist er auch in der Schweiz von dem Richter zu prüsen. Aus diesem Grunde ist im Art. 12 das Wort ..Tribunal am Schlusse der Unterhandluugen in ...antorit..^ umgewandelt .worden.

Die Bestimmung des Art. 13, wonach eine Brozesspartei aus dem andern Staate mit keinen Leistungen oder Kautionen belastet werden dürfe, die nicht auch der Jnländer zu ersüllen hätte, war sehon

im Art. ll des Vertrages von 1828 enthalten.

Die gegenseitige Zusicherung des Armenrechte... im Art. 14 ist zwar neu, aber in der Bra^is je.^t schon oft gewährt worden.

H.

nrtheil^lIziehun^.

(Art. 15, 16, 17, 18 und 1..)).

Die Bestimmungen über diese Materie sind nicht bloss vollständiger und präziser als diejenigen im Vertrage von 1828, ^sondern sie sind auch materiell werthvoller als diese. Allerdings sind einzelne Vnnkte

formeller (z. B. Art. 16 und^17), als wir wünschten und als die Reehtsorduuug einzelner Kantone vorsehen mag, allein es war eine weitere Vereinfachung nicht erhältlich. Die srauzosisehen Delegirten hielten namentlich darauf, dass hierin Uebereiustimmung walte mit den Verträgen, die Frankreich über die gleiche Materie mit Jtalien und

mit dem Grossherzogthnm Baden hat. . Es ist dieses für die praktische

Anwendung unstreitig von grossem Werthe , aber es ist auch für die Schweig besser, dass nun im Vertrage selbst die Formen genau feftge-

stellt sind und dass diese nicht, wie es im Vertrage von 1828 der Fall war, zum grossern Theil der Vra^is überlassen wurden.

Jm Art. 15 find nicht bloss die rechtskräftigen Urtheile in Zivilund Handelssachen als vollziehbar erklärt . sondern auch rechtskräftige Beschlüsse, was namentlich in Konkurs- und Vormundschaftssaehen von

Wichtigkeit ist. Ferner sind nun auch die .schiedsgerichtlichen Urtheile d.en gewohnliehen Zivilurtheilen gleichgestellt, während dieses im Vertrag von

1828 nicht ausdrüklich gesagt war, wesshalb diese Urtheile in Frankreich

nicht leicht zur Vollziehung gelangen konnten. (Ullmer Bd. l. .....r. 62..))..

Am Vla.,e des Schlusssazes von Art. 16, wo das Versahren beschrieben wird, hätten .vir die einfachere Formel gewünscht, dass die in

500 jedem Lande bestehenden geseze und Hebungen zu beobachten seien. Es war aber nur die Redaktion erhältlich, wie sie jezt vorliegt, wonach wenigstens sür die Schweiz nicht ein gerichtliches Verfahren und nicht ^ einmal der Entscheid einer Behorde in ^leno vorgeschrieben ist, indem .

in mehreren Kantonen das Er^uatur für fremde Urtheile von den Regieruugen oder den Justi^direktionen ausgeht , und im ^alle einer Beschwerde der Bundesrath, dem die Ueberwachuug betreffend die VollZiehung der Staatsverträge ^usteht, zu entscheiden bat. Jn Frankreich sind es immer die Gerichtsbehorden in ihren verschiedenen Jnstanzen, welche über ein solches Vollziehungsbegehren zu entscheiden haben.

.^ Die sranzosischen Delegirten widersetzen sich jenem Vorschlage ganz bestimmt, als sür Frankreich unzulässig und glaubten , dass eine nähere .Bezeichnung des Versahrens selbst im Jnteresse be.ider Länder liege und dem Haupt^weke des Vertrages entspreche. Man fand es nicht bloss absolut uothig, festzustellen. welche Papiere beigebracht werdeu müssen, um die Vollziehung eines Urtheils ^u erlangen ^ souderu insbesondere aueh , dass der Gegeupartei stets eine .Anzeige gemacht werden müsse, ^ an welchem Tage die kompetente Behorde über das Bekehren entscheiden werde.

Eine wichtige Vorsehrist enthält der erste Saz von Art. 17, wonach ^ die angerufene Behorde nicht aus das Materielle des Vrozesses eintreten darf. Es ist dieser Bunkt namentlich sür die Schweiz von Wichtigkeit, indem viele Fälle beweisen, dass die sran^osischen Gerichte geneigt waren, diese Schranke zu überschreiten. Die Vollziehung der

im Art. 15 bezeichneten Urtheile und Beschlüsse kann künstig ans keinem

andern als aus eiuem der im Art. ^ l 7 aufgezählteu drei gründe ver^ weigert werden , ^die auch wieder übereinstimmen .mit den bezüglichen Vorschriften in Verträgen, die Frankreich mit andern Staaten hat, ins^ besoudere mit jenen im Vertrage zwischen Frankreich und Jtalien vom

11. September 1860.

Mit Be^ng ans Ziffer 3, wonach die Vollziehung eines Urtheils

verweigert werden kanu, wenn ein gerichtlicher Entscheid im ^ Widerspruche steht mit^ den Vorschriften des ossentlichen Rechtes und mit den Jnteressen der osfentlichen Ordnung des Staates . wo die Vollziehung verlaugt wird , mag als Beispiel ein Scheidungsnrtheil angeführt werden, dessen Vollziehung in Anwendung dieses ^riuzipes verweigert werden kann.

Man hätte wohl auch dahin rechnen konnen den im Art. .l 8 speziell herausgehobenen Fall, wonach ein Urtheil betretend den ^.chuldverhast nur in den durch die Gesezgebung des Staates , ^wo es voll^ogen werden soll, als statthaft erklärten Fällen und in den durch diese Gesetzgebung aufgestellteu^ehraukeu vollziehbar sein soll, indem da, wo

5 0 .

.

.

.

der Schuldverhast gesezlich oder verfassungsmässig abgeschafft ist , da.^ Begehren um Vollziehung eines solchen Erkenntnisses jedenfalls der offentlichen Ordnung zuwider wäre. Jndess .wird diese Bestimmung kaum oft Anwendung finden, da der .^chnldverhaft auch in den meisten Kantonen der Schweiz abgeschafft ist.

HI.

...^ittheilnn^ ^n amtlichen ....lnzei^en, gerichtlichen und au^er^ gerichtlichen ^...ten und ...on .^e^uisitorien.

Art. 20 und 21.

^ur Vereinfachung und zu grosserer Besorderuug des Geschäftsganges haben wir schon früher bei der franzosischen Regieruug wiederholt die Einführung des direkten Verkehrs zwischen den Gerichtsbehörden beider Staateu angeregt, allein ohne den gewünschten Erfolg.

Wir hofften nun bei Abschlnss dieses Vertrages ein günstigeres Resultat erzielen zu konneu und gaben Herrn Dr. Kern bezügliche Jnstruktionen.

Allein ^ie sranzosischen Delegirten konnten uusern Wünschen nicht im pollen Umfange entsprechen. Sie hielten sieh an den Wortlaut einer Vereinbaruug zwischen Frankreich und Jtalien vom 1..). Juni 1866 und an einige bezügliche Vorschriften des Code de Procédure civile.

darnach konnten sie bloss die im Art. 20 unseres Vertrages euthalene Konzession machen, wonach wenigstens die einfachen amtlichen Erlasse, ^itationen, Anzeigen, Aufforderungen ^e. nicht mehr auf ganz diplomatischem Wege vermittelt werden müssen, sondern von dem Bundesrathe an den schweizerischen Gesandten in Varis oder an einen schweizerischen Konsul, der dem Orte, wo die Verrichtung ersolgen soll, am nächsten ist, geschikt werden kann, von welchen sie dem betreffenden Procureur

impérial ^ur Vollziehung zu übergeben sind. Die Empsangseheine dex Empfänger gehen dann aus gleichem Wege wieder an die er^pedirende Behorde zurük. Jn ähnlicher Weise werden die aus Frankreich kommenden Vapiere dieser Art von den .L.okalbehorden an das Ministerium des Aeussern, und von diesem an die sranzosische Gesandtschaft oder an ein franzosisches Konsulat in der Schweiz überschikt, von wo sie. an eine schweizerische Behorde vermittelt werden . welche zur Weiterbeforderung au den Bestimmungsort kompetent ist und die Empsangsanzeige ^urükzuschil.en hat..

Jn dieser Weise ist nun wenigstens für die amtlichen Mittheilungen aus der Schweiz der Weg durch das Ministerium des Aeussern abgeschnitten, wo die meisten Verzogerungen in der Vollziehuug vorkamen, wie es auch in Folge der absoluten Centralisation bei der immensen Masse von Akten dieser Art, die sieh da aus allen Ländern anhäusten, nicht auders sein konnte. Wenn unsere Wünsche nicht vollständige Be-

502 .^kstchti^ung fanden, so ist doch immerhin eine ansehnliche Verbesserung erzielt, die um so mehr in^s Gewicht fällt, als die weitaus grossere Zahl der Mitlheitungen in Akten dieser .Art besteht.

Für die viel weniger häufige Vermittlung von eigentlichen Ersuchschreiben um Vornahme gerichtlicher Handlungen, z. B. Einvernahme von Zeugen ..e. ^ l^für die sogenannten Commissions ro.^toires) wurde im Art. 21 noch der diplomatische We^g beibehalten und musste beibehalten werden, wie dieses im ^chl.^pr^k.^ an der Hand des fra^o^sehen Zivilprozessgesezes .nachgewiesen ist. Es ist namlich in ^ 9 von Art. 69 des Code de procedure civil vorgeschrieben, dass bei Strafe der Rieh-

tigkeit (.^lrt. 70) die amtlichen Erlasse an das Ministerium des Aeu-

ssern geschikt werden müssen, welches sie an die auswärtige Regierung übermittelt. Gerade weil in diesem Geseze der Ausdruk . .......plou.^ im

Allgemeinen gebraucht ist, konnte bei den im Art. 20 bezeichneten Mittheilnngen, die aus Frankreich nach der Schweiz bestimmt sind, das^ Ministerium des Aenssern nicht umfangen werden. . Die sranzosische Regierung macht einen grossen Unterschied zwischen dieser wichtigern Art von^ gerichtlichen .Aufträgen und den unbedeute.ndern, auf welche Art. 20 sich bezieht. Sie hat desshalb bis jezt noch keinem Staate gegenüber darauf verzichtet, dass jene auf einem andern als aus dem diplomatischen Wege vermittelt werden.

Jndess. besteht nun einige Aussieht, dass dem Wunsche der Schweiz doch in nicht zu ferner Zeit entsprochen werden kann. Es ist nämlich der Code de procédure ^ivil gegenwärtig in Revision und es liegt bereits ein neuer Entwurf vor. Es hat die Anregung des direkten Verkehrs unter den Gerichtsbehörden auch bei den französischen Delegirten

Anklang gesunden, und sie glauben, es dürste möglich sein, dass bei

jener Revision dem hierseitigen Wunsche Rechnung getragen werben könne. Jnzwischen hat im .Schlussprotokoll .noch ^eine Bemerkung Plaz gefunden, die auch sur die Zukunft bezüglich der ganzen direkten Uel.ermittluug der Commissions ro^.toires nicht viel besseres hossen .lässt.

Es ist nämlich in diesem Schlussprotokoll gewissermassen als Motiv zum Art. 2l bemerkt, es seifür.die Regierungen gichtig, sorgsältig darüber zu wachen, dass die von auswärtigen Gerichtsbehörden gewünschten Massregeln vollzogen werden und dass sie in Uebereinstimmung stehen mit der Gesezgebung des Landes. Rach unserer Ansicht kann aber das Erstere füglich den Vrozessparteien und das Leztere dem vollziehenden Gerichte überlassen werden.

Hiemit sind wir am Sehlusse unserer .Botschaft zu dem gegen^ wartigeu Vertrage angelangt. Es erübrigt uns nur noch , zwei Bunkte ^u erwähnen, die wir auch in den Vertrag ausgenommen wünschten ,^die aber einstweilen noeh verschoben wnrden.

503 Jn Folge einer Anregung des schweizerischen .Konsulates in Havre machten wir den Vorschlag, zu bestimmen, dass die Verlassenschasten von Schweizern, die aus franzosischen Schiffen gestorben sind, dem am Hafen , wo das Schiff ankommt , nächsten schweizerischen Konsulate übergeben werden sollen, welches dafür zu .^uittiren und die Maxine-Administration zu entlasten hätte.

Die französischen Delegirten fanden es jedoch nicht angemessen, eine solche Bestimmung hier auszunehmen, da sie eher in einen Konsularvextrag gehöre. Jndess kommen diese Fälle nur selten vor, und das jezt bestehende Versahren, wonach solche Verlassensehasten durch das franzosische Ministerium des Auswärtigen dem schweizerischen Gesandten in Baris übergeben und von diesem an die Berechtigten vermittelt werden , hat noch keine Jnkonvenienzen geboten. Es wird daher auch fernerhin in dieser Weise prozedirt werden.

.,

Endlich wünschten wir, dass die Rechtsstellung der anonymen und industriellen Gesellschaften in diesem Vertrage geordnet werden möchte, damit hierin nicht später wieder etwa Schwierigkeiten austauehen. Bekanutlich wurde diesen Gesellschaften früher nicht gestattet, ihre Rechte vor den französischen Gerichten vertreten und betreiben zu können , wodurch deren Schuldner ermuthigt wurdeu, die Erfüllung ihrer Verpslichtungen zu verweigern.

Die Berusung der schweizerischen Gesellschaften auf den Staatsvertrag von 1828 u.urde in einem Urtheil des Kassationshofes in Baris vom 1. .August 1860 abgelehnt, indem jener Vertrag mit Rül.sicht auf ein französisches Gesez vom 3l). Mai 1857, betreffend die spezielle Zulassung der belgischen Gesellschasten, keine Anwendung finden könne aus schweizerische anonyme Gesellschaften.

Es war daher auch zu Gunsten der leztern ein spezielles kaiserliches Dekret erforderlich. Dieses datirt vom 11. Mai 1861 und^ lautet dahin: ,,Die anonymen Gesellschasten und andere kommerzielle, industrielle ,,und finanzielle Asfoeiationen, welche in der schweizerischen Eidgenossen,,sehaft von der Regierung gutgeheißen werden müssen, und diese Gnt,,heissung wirklieh erlangt haben, können alle ihre Rechte in Frankreich ,,ausüben und vor den Gerichten geltend machen, wobei sie sich jedoch ,,an die Geseze des Kaiserreiches zu halten habend

Jn der Rote vom 25. Mai 1861 , ....omit der Minister des Aeussern dieses Dekret übermachte, bemerkte derselbe, dass die französische Regierung in diesem Falle von der üblichen Regel abgewichen sei, nach welcher s.e verlange, dass die Reziprozität durch ein besonderes Gesez,

zugesichert sei. Jndess sprach der Minister des Aeussern mit Rüksicht auf den Umstand , dass die Reziprozität schweizerischerseits zu Gunsten

der anonymen französischen Gesellschasten nicht aus allen Kautonen in ^ der gewünschten definitiven .Weise zugesichert werden konnte, dennoch

504 die Hoffnung aus, dass den französischen ...Gesellschaften in der Schweiz die nämlichen Erleichterungen zu ^heil werden, welche den schweizerischen Gesellschaften durch obiges Dekret in Frankreich eingeräumt worden

sind. Diese Gleichheit. in der Behandlung sei übrigens die natürliche Bedingung für die Ausrechthaltung der Bestimmungen des Dekretes. .

(Bundesblatt 1861, l, .^05-..)08.)

Die frau^ostschen Delegirten glaubten nun, dass Angesichts dieser Sachlage eine weitere Regulirung nicht nothig sei, zumal bis jezt keine weitern Differenzen entstanden seien.

Wir haben im Eingange dieser Botschaft bemerkt , dass die Revision aller noch in Kraft befindlichen Bunkte des Vertrages von 1828 gleichzeitig an die Hand genommen worden sei. Die Verhandlungen über..

die Auslieferuug von Verbrechern und Angeschuldigten nahmen jedoch ihren besondern von ^en Verhandlungen über die Zivilverhältnisse durchaus unabhängigen Verlaus. Aus diesem Grunde und da hinsichtlich des Vertrages über Auslieferungen noch einige Differenzen walten,. welche dessen definitiven Abschluss verzögerten, so wnrde der gegenwärtige .^er-

trag vollständig ausgeschieden , und nachdem eine Verständigung erzielt

war, besonders und unabhängig von dem Auslieferuugsvertrag abge-

schlossen. ^Es ist desshalb in der Schlußformel gesagt, dass mit gegenwärtigem Vertrage nur die aus den Gerichtsstand und die Vollziehung ^von Urtheilen in Zivilsachen bezüglichen Bestimmungen des Vertrages von 1828 aufgehoben seien, so dass also diejenigen über Auslieserung einstweilen noch in .^raft bleiben.

Wir glauben hier noch eine allgemeine Bemerkung beisügen zu sollen. Man kann bei der Brüfnng solcher Verträge offenbar nicht

den gleichen Massstab anlegen so.vohl bezüglich des Jnhaltes, als ihrer Redaktion , wie bei einem Gese^entwnrf , den ein Redaktor nach den Regeln der Doetrin und mit einziger Rüksiehtnahme auf das eigene Land einer gesezgebenden Behorde vorlegt, da ein solcher Staatsvertrag nur moglich wird durch g e g e n s e i t i g e Berükst^.htigung der Gesezgebung und der Anschauungsweise, die in den kontrahieren Staaten herrschen.

Gerade im Hinblik aus die Verschiedenheit, die in diesen Beziehungen in den beiden Staaten vorwalten, erklärt es sich von selbst, dass solche Verträge in Jnhalt und ^orm mehr oder weniger das Gepräge von Trausaetiouen an sieh tragen müssen, aus denen sie hervorgegangen sind.

Es ist dies besonders zu berüksichtigen bei einem Vertrag von solchem Jnhalte wie der vorliegende, wo bald Verfassung und Gesetzgebung beider Staaten, bald die Gerichtstags, bald schon abgeschlossene Verträge mit andern Staaten den in erster Linie gestellten Begehren eines Regotiators entgegengehalten werden konnen. Eine sorgfältige Vrüsung der auf den ^ Gang der Unterhandlungen bezüglichen Berichte unsers ^

505 .gesandten , Herrn Dr. Kern , vom 19. Februar 1867, vom 27. Juli 1868 und vom 10. Mai 1869 wird, in Verbindung mit unsern vorstehenden Erörterungen, geeignet sein, diese unsere Ansicht ^u bekräftigen.

Sie finden übrigens schon .in der blossen Vergleichung des ersten Projektes, wie es 1864 franzosiseherseits vorgelegt worden war, mit dem Vertrage wie ex j e z t . v o r l i e g t , die Bestätigung, dass nnsern Begehren in den wichtigsten Beziehungen bei den stattgefundenen Unterhandlungen Rechnung getragen wurde. Obige Betrachtung erklärt es denn auch, dass diese s.^wierigen Unterhandlungen zuweilen suspendirt werden mussten und sich daher in die Länge zogen.

Wenn wir nun den Jnhalt des gegenwärtigen Vertrages nebst dem dazu gehörigen Sehlussprotokolle ü^erblikeu, so kommen wir ^udemSchlusse, dass im Allgemeinen mit diesem Vertrage bedeutende. Resultate gewonnen sind, wenn auch im Einzelnen vieles Anders und nach unserer Ansieht Besseres noch zu wüuschen bleibt. Eine Vergleiehung dieses Vertrages mit jeuem von 1828 wird nicht lange im Zweifel lassen, welchem der Vorzug zu geben sei. Jedenfalls wird dex internationale Rechtszustand zwischen dex Schweig und Frankreich durch den neuen Vertrag klarer ^ und schon darum sicherer^ sein.

Wir glauben deshalb mit ^uter Ueberzeugung den A n t r a g stellen zu dürfen : Sie möchten auch Jhrerseits diesem Vertrage Jhre Sanktion ertheilen.

B e r n , den 28. Juni 186^.

Jm Ramen des schweig. Bundesrathes,

Der Bundespräsident: .^elti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiel

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung zum neuen Staatsvertrage mit Frankreich, betreffend zivilrechtliche Verhältnisse. (Vom 28. Juni 1869.)

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10.07.1869

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