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Vertrag zwischen

der schweizerischen Eidgenossenschaft und Frankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urtheilen in Zivilfachen.

(Vom 15. Juni 1869.)

Da sich zwischen den Regieruugen der schweizerischen Eidgenossenschast und Frankreichs bezüglich der Auslegung einzelner Bestimmungen

des Vertrages vom 18. Juli 1828 Schwierigkeiten erhoben haben, so erachteten die schweizerische Eidgenossenschaft und Seine Majestät der Kaiser der Franzosen für nothig, denselben einer Revision zu unterwerfen, und sie haben zu diesem Zweke als Bevollmächtigte ernannt : Die steierische Eidgenossenschaft den Herrn Johann Konrad Kern, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der schweizerischen Eidgenossensehast bei Seiner Majestät dem Kaiser der Franzosen ;

Seine Majestät der Kaiser der Franzosen Seine Excellenz Felix Marquis de .La V a l e t t e , Senator des Kaiser-

reiches, Mitglied des geheimen Rathes, Grosskreuz des kaiserlichen

Ordens der Ehrenlegion ..e., Seinen Minister und Staatssekretär im Departement der auswärtigen Angelegenheiten ^ welche Bevollmächtigten, nach Auswechslung ihrer in guter und gehoriger Form befuudenen Vollmachten , steh über folgende Artikel vereinbart haben :

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I.

^lage und Gerichtsstand.

Axt. 1.

Jn Streitigkeiten zwischen Schweizern und Franzosen oder zwischen Franzosen und Schweizern über bewegliche Sachen und personliche AnSprüche, mogen sie aus dem bürgerlichen oder aus dem Handelsverkehr entsprungen sein, ist der Kläger verpflichtet, seine Klage bei dem natürliehen Richter des Beklagten anhängig zu machen. Es gilt dies auch für Regressklagen, welches auch immer das Gericht sein mag, bei welchem die ursprüngliche Klage anhängig ist.

Hat der Beklagte, sei er Schweizer oder Franzose, in der Schweiz oder in Frankreich keinen bekannten Wohnsiz oder Aufenthaltsort , so kann er vor dem Gerichte des Wohnortes des Klägers belangt werden.

Wenn jedoch die Klage die Erfüllung eines Vertrages ^um Gegenstande hat, der vom Beklagten an einem, sei es in der Schweiz oder in Frankreich, außerhalb des Bereiches des erwähnten natürlichen Gerichtsstandes gelegenen Orte eingegangen worden ist, so kann dieselbe bei dem Richter des Ortes angehoben werden, wo der Vertrag abgeschlossen wurde, insofern die Barteien zlir Zeit, wo der Vrozess anhängig gemacht wird, daselbst ihren Aufenthalt haben.

Art. 2.

Jn Streitigkeiten ^wischen Schweizern , die sämmtlich in Frankreich, oder zwischen Franzosen, die sämmtlich in der Schweiz ihren Wohnsiz oder ein kaufmännisches Etablissement haben, kann der Kläger seine Klage auch bei dem Gerichte des Wohnortes des Beklagten oder des Ortes, wo das Etablissement desselben gelegen ist, anhängig machen und es darf daher dieses Gericht nicht mit Berufung auf seine Jnkompetenz, weil die Barteien Ausländer seien, die. Annahme der Klage verweigern.

Dieselbe Bestimmung findet auch dann Anwenduug , wenn ein Schweizer einen in Frankreich wohnhaften oder sich daselbst aufhaltenden Fremden vor einem französischen Gerichte, und umgekehrt, wenn ein Franzose einen in der Schweiz wohnhaften oder daselbst sich aufhaltenden Fremden vor einem schweizerischen . Gerichte belaugt.

Art. 3.

Jst an einem andern Orte als an^ dem Wohnte des Beklagten

Domizil gewählt worden, so ist der Richter des gewählten Domizils allein kompetent , über Streitigkeiten zu urtheilen , Vertragsvollziehung Anlass gibt.

^u welcheu die

508 Art. 4.

Dingliche Klagen auf. Jmmobilien ^find vor dem Richter der ge.legenen Sache anzuheben.

Dasselbe gilt auch von personlichen Klagen , wenn sie mit dem Eigenthum oder mit einem Benu^nngsxechte an Jmmobilien zusammenhängen.

Art. 5.

Jede Klage betreffend Liquidation oder Theilung einer testamentaxischen oder einer Jntestat-Erbschaft. oder betreffend die Abrechnung ^wischen Erben oder Legatarien, ist vor dem Gerichte des Ortes geltend zu machen, wo die Erbsehast eröffnet worden ist, und zwar, wenn es sich um einen Franzosen handelt, der in der Schweiz verstorben ist, vor dem Gerichte seines lezten Wohnortes in Frankreich, und wenn es sieh um einen Schweizer handelt, der in Frankreich verstorben ist, vor dem ^Gerichte seines Heimatortes. Jmmerhin müssen für die Theilnug, sowie auch füx die öffentliche Versteigerung oder den.Verkans von Jmmobilien, die Geseze des Landes, wo sie liegen, beobachtet werden.

Wenn bei der Theilung von Erbsehasten, zu denen mit Einheimischen gleichzeitig auch Fremde berufen sind, die Gesezgebung eines ^ der beiden Staaten den eigenen Angehörigen besondere Rechte und Vor. theile aus das in diesem .Lande befindliche Vermögen einräumt , so können die Angehörigen des andern Staates in gleichartigen Fällen ebenfalls die Rechte und Vortheile ansprechen , welche die Gesezgebung des Staates, dem sie angeboren, gewährt.

Es bleibt jedoch wohl verstanden, dass die in Erbschaftssachen von den betreffenden Gerichten erlassenen Urtheile , wosern sie nur ihre eigenen Staatsangehörigen betreffen, ihre Vollziehung finden sollen, welches immer die Geseze sein mögen in demjenigen Lande, in welchem

die Theilung stattfindet.

Art. 6.

Der Konkurs über einen Franzosen, der in der Schweiz e.in Handelsgeschäst hat, kann von dem Gerichte seines Wohnortes in der Schweiz, und umgekehrt der Konkurs über einen Schweizer, der in Frankreich ein Handelsgeschäft hat, von ...em Gerichte seines Wohnortes in Frankreich angesprochen werden.

Jft nun ein solches Urtheil gemäss den Beftimmuugeu des nach..

stehenden Art. 16 auch für das ...andere Land voll^iehbar erklärt worden, so hat der Vertreter der Masse (.^vnd^) die Besnguiss, durch Vroduk-

tion des Urtheils daselbst die Ausdehnung des Konkurses aus das be^

509 wegliche sowohl als unbewegliche Vermogen , das der Gemeinschuldnex in dem andern Lande besizt, zu verlangen.

Jn diesem Falle kann der Vertreter der Masse die Guthaben des Gemeinschuldners bei dessen Schuldnern eintreiben und zum Verkauf der dem Gemeinschuldner angehoxigen bewegliehen und unbeweglichen Vermogensstüke streiten , er soll jedoch im dem leztern Falle die Geseze beobachten, welche an dem Orte bestehen. wo diese Vermogensstüke liegen. ^ Die Beträge, welche der Vertreter der Masse in dem .Lande der Heimat des Gemeinschuldners , sei es aus dem Verkaufe von beweglichem^Gnt, sei es aus der Einziehung von Forderungen bezogen hat, sollen in die gemeine Masse des ausgebrochenen Konkurses eingeworfen und mit den übrigen Aktiven der Masse nach Vorschrist der am Konkursorte geltenden Geseze unter sämmtliche Gläubiger , ohne Rüksieht auf ihre Herkunft, perthe.lt werden.

Was den Erlos aus den Jmmobilien betrifft^ so soll die Vertheiluug desselben unter die Berechtigten nach den Gesezen des. Landes

stattfinden , wo dieselben liegen. Es sind daher die Gläubiger , seien

sie Franzosen oder Schweizer, weiche sich für Wahrung ihrer Privilegien oder Hypotheken nach den Gesezen des Landes der gelegenen Sache gerichtet haben, bezüglich dieses Erlöses ohne Rüksicht auf ihre Rationalitat in diejenige Klasse zu verweiseu (kolloziren), in die sie gehören.

Art. 7.

Klagen, welche aus .^chadenersaz, oder aus eiue Reftitutiou oder aus das Wiedereinwersen von Vermogensstüken, ol^er auf die Richtigkeit eines Rechtsgeschästes abzielen , und ebenso alle andern Klagen , die

in Folge der Falliterklärung selbst oder in ^olge eines Urtheils, das die ^allimentserklärung auf einen andern Zeitpunkt festgesezt, als er ursprünglieh fi^irt war, oder aus irgend andern Gründen, gegen Gläubiger oder gegen Dritte angehoben werden, sind bei dem Geriete des Wohnsizes des Beklagten anhängig zu machen , es wäre denn , dass sieh der Rechtsstreit ans dingliehe Reehte an Jmmobilien beziehen würde.

Art. 8.

Jm Falle ein Akkommodement zu .Staude gekommen ist, so haben die Ueberlassnng des in seinem Heimatlande gelegenen Vermögens von ...^eite des Schuldners, so^ie alle Beftimmuugeu des Akk.ommodements, alle diejenigen Wirkungen, welche sie in dem Lande hätten, in welchem der Konkurs erossuet worden ist, unter der Voraussezung, dass

das Urtheil, welches das Akkommodement beftätigt.(Homologationsurtheil) gemäss der Vorschriften des Art.

16 voll^iehbar erklärt worden ist.

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Art. 9.

Jst in der Schweiz oder in Frankreich über einen in dem einen oder andern Lande niedergelassenen Fremden, welcher schweizerische oder franzosisehe Kreditoren hat und in Frankreich oder in der S.hweiz Ver^ mogen bestzt , Konkurs eröffnet, so sind ..tus denselben die Vorschriften der Artikel 7 und 8 anwendbar.

Art. 10.

Für minderjährige und bevormundete Schweizer, die in Frankreich wohnen, gilt die vormundsehastli^.he Gesezgebnng ihrer Heimatkantone und in gleicher Weise für minderjährige und bevormundete ^ranzosen, die in der Schweiz wohnen, das franzosische Gesez. Es sollen daher Streitigkeiten über die Einsezung ^iner ..^ormuudschast oder über die Verwaltung des Vermögens von Minderjährigen und Bevormundeten vor die kompetente Behorde des Heimatlandes gebracht werden , mit Ausschluss jedoch von Streitigkeiten über Jmmobilien , bei welchen die ....geseze der gelegenen ^Sache ihre Anwendung finden, so weit nicht konservatorische Massregeln nothwendig werden , welch' leztere dem Richter des Wohnortes zustehen.

Art. 11.

Wird bei einem schweizerischen oder bei einem sranzosischen Gerichte eine Klage anhängig gemacht, die nach Jnhalt der vorhergehenden .Artikel nicht in seine Kompetenz fällt. so soll es von Amtes wegen, n.id zwar selbst in .Abwesenheit des Beklagten , die Parteien au den kompetenten Richter verweisen.

Art. 12.

Gegen ein Kontumatialurteil kann nur bei den Behorden des Landes, in welchem dieses .Urtheil erlassen worden ist, Opposition eingelegt werden.

Art. 13.

Von Franzosen, die in der Schweiz eine Klage anheben, kann keine andere Gebühr, Kaution oder .^.interlage verlangt werden als solche, denen nach den Gesezen des Kautons , wo die Klage angehoben .^ird, auch die schweizerischen Angehörigen anderer Kantone unterworfen sind.

Jn gleicher Weise kounen auch von Schweizern ,^ die in Frankreich eiue Klage vor Gericht geltend machen, keinerlei Gebühren, Kaution oder Hinterlage gesordert werden, denen die Franzosen gemäss den franzosischen Gesezen nicht auch unterworsen sind.

Art. 14.

Die Schweizer in Frankreich und die Franzosen in der Schweiz haben .Anspruch aus gerichtliche ^Verbeiständung in Gemässheit der Geseze.

511 des Landes, in welchem sie die Vexbeistandung verlangen. Jedoch soll ausser den Formliehkeiten , welche jene Geseze vorschreiben, die Armut noch außerdem durch Urkunden der kompetenten Behorden der Heimat der betreffenden Vartei konstatirt werden.

Diese Urkunden hat der diplomatische Agent des andern .Landes zu iegalisiren und seiner Regierung zn übermitteln.

lL ....^.Iziehnn^ der nrtheile..

Art. 15.

Urtheile oder definitive Erkenntnisse in Zivil- oder Handelssachen, die durch Gerichte oder Schiedsgerichte in dem einen der beiden kontrahirenden Staaten .ausgesagt worden und in Rechtskrast erwachsen sind, sollen in dem andern Staate nach den Formen und unter den Voraussezungen des Art. 16 vollziehbar sein.

Art. 16.

Die Vartei, zu deren Gunsten in einem der beiden Staaten die Vollziehung eines Urtheils oder eines richterlichen Erkenntnisses verlangt wird, soll dem Gerichte oder einer andern kompetenten Behorde des Ortes oder eines der Orte, wo die Vollziehung stattfinden soll, folgende Aktenstüke vorlegen : 1. Das Urtheil oder das Erkenntnis.. in einer durch den Gesandten oder, in Ermanglung eines solchen, durch die Behorden des betreffenden Landes . legalisirten Ausfertigung.

2.

Das Original des Aktes über die Notifikation des genannten Urtheils oder Erkenntnisses, oder irgend einen andern Akt, welcher im betreffenden Lande die Stelle der Notifikation gültig vertritt.

3. Eine durch den Geriehtsschreiber des urteilenden Gerichtes ausgestellte Bescheinigung, dass keinerlei Opposition, Appellation oder ein anderes Rechtsmittel vorliege.

Auf die Vorweisung dieser ^rei Akteustüke hin soll über das Begehren um Vollziehung entschieden werden. Dies geschieht in Frankreich durch das als Kammer für Justizgeschäste versammelte Gericht (rénm en .Cbamhre du. Conseil), und zwar auf den Bericht eines durch den Vrasidenteu hiezu bezeichneten Richters und auf den Antrag der Staatsan-

waltschast. Jn der Schweiz geschieht die Entscheidung durch die kom-

petente Behorde in der gese^ch bestimmten ^orm. Jn beiden .Ländern soll jedoch eine Entscheidung nicht gefasst werden, bevor der Vartei, gegen welche die Vollziehung verlangt wird, mittelst Notifikation der Tag und die Stunde des Entscheides zur Kenutuiss gebracht worden ist..

Bundes..... ^.ahrg. XXI. Bd. II.

38

^

Art. 17.

..^ie Behorde, Welche über das Vollziehungsbegehren zu entscheiden hat, soll in keiner Weise in die materielle Behandlung der Brozesssache eintreten. Eine Vollziehung kann nur in den folgenden Fällen verwei^ert werden: 1) wenn der Entscheid von einer inkompetenten Behorde gefällt worden ist, 2) wenn der Entscheid gefällt worden ist, ohne dass die Varteien . gehörig zitirt und gesezlich ^retei.. .^ären, oder auch ohne dass die Parteien wegen Nichterscheinens als säumig anzusehen sind , 3) wenn die Rormen des öffentlichen Rechtes ode... die Jnteressen der öffentlichen Ordnung des Landes, wo die Vollziehung verlangt wird, einer Vollziehung des Entscheides der fremden richterlichen Behorde entgegenstehen.

Ein Urtheil, durch welches die Vollziehung entweder gestattet oder verweigert wird, ist wegen Richterscheinens einer Bartei nicht ansechtbar (ponit susceptible d'opposition), wohl aber kann gegen dasselbe inner der Frist und nach den gesezlichen Formen des Landes, wo es ausgefällt wurde, an die kompetente Behorde rekurrirt werden.

^ Art. 18.

Wenn das Urtheil personliche Haft nach sich zieht, so kann das Gericht diesen Theil des Entscheides nicht vollziehen, wofern die Gesezgebung des .Landes die personliche Hast in dem Falle , um den es stch

in dem Urtheil handelt, nicht znlasst. Jedensalls kann die personliche Haft nur inner den Grenzen und in der Form vollzogen werden, die das Gesez des Landes, in welchem die Vollziehung verlangt wird, vorsehreibt..

Art. 19.

Wenn über die gemäss Art. 15, 16 und 17 bewilligte Vollziehung von Urtheilen und Entscheiden Anstände entstehen , so sind sie bei der^ jenigen Behörde anzubringen, welche über das Vollziehungsbegehren selbst geurtheilt hat.

IH.

^ustellun.^ ...ou ^ericht^efel.len und .^n andern gerichtlichen und außergerichtlichen ..lktenftiiken. .l^uisitorien.

Art. 20.

Gerichtsbefehle, Zitationen, Notifikationen, Aufforderungen. und andere Vrozessakten , die in der Schweiz ausgestellt und für Versouen Bestimmt siud, die in Frankreich ihren Wohnsi^ oder ihren Ausenthalt

513 haben , sollen durch d^n Bundesrath direkt demjenigen schweizerischen diplomatischen oder Konsularagente.. zugestellt werden , welcher dem kaiserlichen Vrokurator, der sie an den Bestimmungsort vermitteln soll, am nächsten ist.

Der diplomatische oder Konsularagent stellt sie diesem Beamten der Staatsanwaltschaft zu, und dieser schickt ihm die Empfangsbescheinigung derjenigen Berson zurük, welcher die Aktenstüke zugekommen sind.

Jn gleicher Weise überschikt die sranzosische Regierung alle Gerichtsbesehle ^und Aktenstüke, die in Frankreich ausgestellt und sur Versonen bestimmt si^.d, die .in der Schweiz ihren Wohnsiz oder Aufenthalt haben , an den sranzostschen diplomatischen oder Konsulargenten in der Schweiz, welcher der mit der Zustellung beaustragteu schweizerischen Behorde am nächsten wohnt. Die Behorde ,^ welcher die Aktenftüke zugestellt sind, hat einen Empsangschein zu erheben und dem Agenten zurücksenden.

Art. 21.

Die beiden vertragsch.liesse.nden Regierungen verpflichten sich. die Re^uisitoxien, welche ^durch di^e ^ichtsbe..mten der^ beiden Lä^r fü^r die Jnstr.^kti.on .^o.^ Vro^essen^ ^.n ^vi^ ^nd ^...ndelssache.n e^asse... worden sind, auf ihren resp. ^..ebiete.u auszuführen , insoweit als die ..^ese^ des Landes, wo die Vollziehung stattfinden soll, der Ausführung nicht eutgegenstehen.

Die Zuftelluug der geuanuten Re^uisitorien soll immer aus dem diplomatischen Wege und in keiner audexn Weise stattfiuden. Die aus den Re.^uisitorien erwachsenden Kosten fallen demjenigen Staate zur .Last, der sie vollziehen soll.

Art. 22.

D^er gegenwärtige Staatspertrag ist abgeschlossen für 10 Jahre, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Ratifikationsurkunden ausgewechselt werden. ^ür den Fall, dass keiner der kontrahirenden Staaten ein Jahr vor dem Ablaufe dieses Termins seine Absicht angezeigt hat, die Wirkuug desselben aushoren zu machen, bleibt der Vertrag noch für ein Jahr in Kraft, und so weiter, von Jahr ^u Jahr, bis^nm Schlusse eiues Jahres vo^ dem Tage an gerechnet, an welchem einer der kontrahirenden Theile ihn gekündigt haben wird.

Der Zeitpunkt, mit welchem der gegenwärtige ^taatsvertrag in Kraft tritt, wird im Protokoll über die Auswechslung der Ratifikationen angegeben werden.

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Die Bestimmungen des Vertrags vom 18. Juli 1828 über die .Gerichtsbarkeit und die Vollziehung von Urtheilen sind und bleiben hiemit abgeschafft.

Zur Beglaubigung des Vorstehenden haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und demselben ihre Siegel beigedurkt.

So geschehen in V a ris, den 15. Juni 1869.

(L. .^.) (Gez.) ^eru.

(L. S.) (Gez.) ..^.^lette.

^rlauternde^ Protokoll zn dem

am 15. ^uni 1869 Bischen der schwe^erischen Eidgenossenschaft und Frankreich abgeschlossenen Vertrage über den Gerichtsstand und die Voll^ehung von Urteilen in ^lsachen.

Raehdem die Bevollmächtigten der beiden Staaten sieh über die Redaktion der verschiedenen Artikel dieses Vertrages verständigt hatten, erachteten sie es sür zwekmässig, den Sinn und die Tragweite einzelner Bestimmungen des Vertrages, über deren Auslegung Zweifel entstehen konnten , durch besondere Erklärungen in einem Protokolle sestznstellen.

Zu diesem Zweke haben sieh die Bevollmächtigten über folgende Erläuterungen verständigt :

Art. 1.

Der lezte Saz dieses Artikels lautet solgeudermassen :

..Wenn jedoch die Klage die Erfüllung eines Vertrages zum ,,Gegenstande hat, der vom Beklagten an eiitem, sei es in der Schweiz ..oder in Frankreich, außerhalb des Bereiches des erwähnten natürlichen ^Gerichtsstandes gelegenen .^rte eingegangen worden ist, so kann dieselbe ,,bei dem Richter des .^rtes angehoben werden , wo der Vertrag abge^schlossen wurde, insofern die Barteien zur Zeit, wo der Vrozess an^hängig gemacht wird, daselbst ihren Aufenthalt habend

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Der Vertrag von 1828 bestimmt im Artikel 3, dass die persönliehen Klagen vor den natürlichen Richter des Beklagten gebracht werden müssen, e s w ä r e d e n n , dass d i e V a r t e i e n a m O r t e s e l b s t , w o d e r V e r t r a g a b g e s c h l o s s e n w u r d e , a n w e s e n d sind.

Es haben sich nun^ über die Auslegung der leztangesührten Worte Schwierigkeiten erhoben.

Jst nämlich zur Kompetenz des Gerichtes des Ortes, wo der Vertrag geschlossen wurde , erforderlich , dass die Parteien im Zeitpunkte des Vertragsabschlusses an diesem Orte anwesend waren, oder aber zur Zeit der Anhebung des Brozesses ^ Es sind darüber von kaiserlichen Gerichtshöfen widersprechende Entscheidungen gefasst worden.

Die schweizerische Regierung hat immer den Standpunkt geltend gemacht, dass die Kompetenz des natürlichen Richters nur dann wegsalle, wenn die Barteien z u r z e i t der A n h e b u n g des B r o z e s s e s am Orte des Vertragsabschlusses anwesend waren und dass deren Anwesenheit an diesem Orte zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht genüge.

Die sranzosische Regierung war wiederholt geneigt, dieser Ansieht sieh anzuschließen, und. es war daher geboten, diese Frage in dem gegenwärtigen Vertrage zu entscheiden. Jn Folge dessen wurde eine neue Redaktion angenommen, man hat die Worte: ,,es wäre denn , dass die Parteien am Orte selbst , wo der Vertrag abgeschlossen wurde, anwesend sind^, durch die Worte ersezt: .,insofern die Barteieu zur Zeit, wo der Vrozess anhängig gemacht wird, daselbst ihren Aufenthalt habend Die Jnterpretation der schweizerischen Regierung ist also im Prinzip angenommen worden . allein es schien überdies nothwendig, zu erklären , dass eine blosse Anwesenheit des .Schweizers in Frankreich oder des Franzosen in der Schweiz nicht genüge , um die Kompetenz

des Gerichts des Vertragsortes zu begründen.

Die Worte ,,sich an diesem Orte aufhalten^ (y resident) sollen also audeuten , dass eiue Abweichung von dem Brinzip der Kompetenz des natürlichen Richters nicht stattfinden darf, wenn der Beklagte nur vorübergehend an dem Orte, wo der Vertrag abgeschlossen wurde, auwesend ist, z. B. um irgeud einem Feste beizuwohnen, oder bei Gelegenheit einer Gesehästsreise, eines Maries, oder bei der Besorgung einzelner Geschäste, oder bei einer gerichtlichen Zeugenabhoruug ^., sondern nur dann, wenn der Beklagte dort entweder sein Domizil oder einen, wenn auch nur vorübergeheudeu Ausenthalt hat, der aber nicht durch zufällige Umstände veranlasst ist, wie sie soeben angedeutet worden sind.

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Art. 4.

Der ^chlusssa^ dieses Artikels erklärt das Gericht der gelegenen Sache auch dann als kompetent, wenn es sich um p e r s o u l i c h e Klagen handelt, die mit dem Eigenthnm oder mit einem Benuzungshechte a.u Jmmobilien zusammenhängen. .

Mau wollte hiemit den Fall vorsehen, wo ein Schweizer, der in Frankreich, oder ein Franzose, der iu der Schweiz Grundeigenthum hat, gerichtlieh belaugt wird, sei es durch Unternehmer, welche Reparaturen au dem Grundstüke ausgeführt haben, sei es durch einen iu seinen Vertragsrechten beeinträchtigten Miether, sei es endlich durch andere Bersouen, die, ohne Rechte an dem Gruudstüke selbst geltend zu machen, gegen dessen Eigenthümer als solchen personliche Rechte ansprechen.

Art. 5.

Jm Lause der Unterhandlungen ist die ^rage aufgetaucht, ob der Artikel 2 des sranzosischeu Gesezes vom 14. Juli 18l.... uoch Auwen^ duug finden solle fur den ^all. dass schweizerische und französische Erben mit einander zu einer Erbsehaft, sei es eines Seh.vei^ers oder eines Franzosen, der in beiden .Ländern ......ermögen hinterlassen hat. berufen würden.

Der fragliche Artikel lautet solgeudermassen .

.,Wenn bei einer Erbtheiluug Ausländer und ^rauzosen als Mit^ erben ^ur Theilung kommen, so kennen die Leitern auf dem in Franti reich liegenden Vermogeu einen betrag vorwegnehmen, der dem Werthe des im fremden Laude liegenden Vermogeus, von dem sie naeh dortigen Gesezen oder lokalen Gewohnheiten unter irgeud welchem Titel ansgeschlossen sind, gleichkommt^ ^ Mit Be^iehnng hierauf hat die schweizerische Regierung deu Wuuseh ausgesproeheu, dass die Erbsehasten von ^rau^osen und Schweizern ohue Rü^sicht ans die Bestimmungen dieses Artikels vertheilt werden sollen.

Die srauzosische Regierung hat jedoch diesem Wunsche eutgegeugehalteu, dass sie ein zu Gunsten der ^rauzosen erlassenes Gesez nicht durch einen Staatsvertrag anshebeu kouue, dass ferner uaeh eineu.^ Entscheide des Kassationshofes vom 18. Juli 185.) die frühern ^taatsver-

träge die Anwendung des Artikels .. des Gesezes von 18t .) nicht ver-

hindern und dass man nichts anderes thun konue, als deu Grnudsaz der Reziprozität ^ansspreeheu.

Es ist daher in allgemeinen Ausdrüken festgestellt worden, dass, ^enn die Gesezgebung des einen oder andern Staates den eigenen An.^ gehörigen besondere Rechte oder Vortheile aus das iu d e m ^ L a n d e s e l b s t g e l e g e n e V e r m o g e u e i n r ä u m e , die Angehörigen des auderu Staates ebensal.ls die besondern Rechte und Vortheile gebend

517 machen können, die ihnen die Gesezgebung des Staates, dem ste angehoren, gewährt.

Art. 11.

.

Sowohl die schweizerische als auch die französische Regierung sezen grossen Werth daraus, dass das Gericht, bei dem eine Streitigkeit angebracht wurde, für welche es nicht kompetent ist und welche vor den natürlichen Richter des Beklagten gehort, auch in Abwesenheit des Beklagten für die genaue Anwendung des Staatsvertrages ^orge trage und den Brozess dem zuständigen Gerichte zuweise.

Dadurch, dass der Artikel 11 dem Richter die Bflicht auferlegt, sich, s o g a r a m t l i e h , als inkompetent zu erklären, seheint schon klar ausgesprochen zu sein , dass auch in Abwesenheit des Beklagteu , und selbst ohue eiue von ihm ^ geltend gemachte Einrede der Jnkompetenz, das Gericht seine eigene Jnkompeten^ erklären soll.

Riehts desto weniger sind noch die Worte hinzugefügt worden : ,,u n d "zwar selbst in A b w e s e n h e i t des Beklagten.^ ^ Es kann also der Beklagte, ohne gehalten zu sein, vor den Schranken zu erscheinen, sei es ^em Präsidenten des Handelsgerichts, sei es dem Vertreter der Staatsanwaltschast, wo ein solcher Beamter funktionirt, Rotizen und Bemerkungen überschiken, die geeignet stnd, über die Anwendung der Bestimmuugen des Vertrages aufzuklären.

Dieses Mittel kann wenigstens zur Folge haben , die Aufmerksamkeit des Gerichtes aus die ihm zustehende Kompetenz zu richten.

Uebrigeus werden die Gerichte durch die Jnstruktionen über die Vollziehung des ..^taatsvertrages ^auch über die Tragweite der ^Bestimmungen des Art. 11 unterrichtet werden.

Art. 16.

Zur Rechtfertigung der Worte ^kompetente Behörde^, die in diesem Artikel wiederholt vorkommen, ist zu bemerken, dass in der ^ehweiz ein Vollziehnugsbegehren , je nach den kantonalen Gesezen, entweder bei dem Gerichte oder bei dem Bräsidenteu desselben , oder aueh selbst bei eiuer Ex^ekntivb.ehorde augebxacht, und dass im Fernern bei vorkommenden Schwierigkeiten selbst auch der Bundesrath angegangen werden kau.., die Funktionen einer obersten Jnstanz zu üben. Um dieser Verschiedenheiten willen musste sich der Art. 16 moglichst allgemeiner

Ausdrüke, ^die überall zutreffen, bedienen.

Jn Frankreich ist es dagegen immer die richterliche Gewalt, welche in ihren verschiedenen Jnstanzen über die Begehren um Vollziehung entscheidet.

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Art. 20.

Der jezige Modus sür Zustellung von Gerichtsbesehlen, Zitationen und Brozessakten veranlaßt anerkanntermaßen langwierige Korrespondenzen und nachtheilige Verschleppungen. Darum ist auch eine Verständigung darüber, wie diese Akten durch den Beamten des einen Landes der entsprechenden Behörde des anderen Landes direkt zugestellt werden könnten, als sehr wünschbar anerkannt worden. Allein der Paragraph 9 des Art. 69 des franzosischen Zivilprozess-Gesezes bestimmt uuter Au-

drohung der Richtigkeit (Art. 70) , dass die amtliehen Erlasse (.^..plous) dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten überschikt müssen, das sie dann der auswärtigen Regierung zustellt.

werden

Es muss daher abgewartet werden, ob die Revision der srauzofischen Brozessordnung und ganz besonders des Baragraphen 9 von Art. 69 der franzosischen Regierung es möglich machen wird, zu Bestimmungen Hand zu bieten, welche den heutigen Bedürsnissen eines schnellern Geschäftsganges besser entsprechen.

Bei der jezigen Sachlage mnsste^man sich ans die im Art. 20 ansgenommene Klausel beschränken.

Art. 21.

Bezüglich der Re^uisitorien hielt die französische Regierung daran fest, dass der jezige Zustellungsmodus beibehalten werde.

Es ist nach ihrer Ansicht von Wichtigkeit, dass die Regierungen die Vollziehung der durch ausländische Gerichte verlangten Massregeln, die unter Umständen mit der Landesgesezgebung nicht stehen, sorgfältig überwachen können.

im Einklange

Das gegenwärtige Brotokoll, das, wie der Vertrag vom 15. Jnni

1869 selbst, in doppeltem Original ausgefertigt worden, ist durch den Austausch der Ratisikationsurkuuden des Vertrages ,

aus welchen sich

das gegenwärtige Brotokoll bezieht , als augenommen und bestätigt zu betrachten.

So geschehen in Baris, den 15. Juni 1869.

(L. ^.)

(Gez.) ^ern.

(L. S.) (Ge^.) ^a alette.

519

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B otschaft des

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung , betreffend Konkurrenzeröffnung für Erfindung eines vervollkommneten Zünders.

(Vom 2. Juli 1869.)

.....it..

Seit Einführung der gezogenen Geschüze , welche lauter Hohlgeschosse feuern , hat die Beschaffung zuverässiger Zünder an Wichtigkeit ausserordentlich zugenommen und es beschäftigt die Ausfindung eiues möglichst vollkommenen Zünders zur Stunde noch die meisten Artillerien, wenigstens alle diejenigen , welche sich nicht mit dem bereits eingeführten , hochst unvollkommenen Zünder beguügen , sondern nach etwas Besserm streben.

^

Es liegt in der Ratur der Dinge, dass die grosstmogliche Wirkung der gezogenen Geschüze erlangt wird, wenn man im Stande sein wird, nicht bloss die Shrapnells sondern selbst die Granaten im absteigenden Aste der Flugbahn und in richtiger Entsernung vom feinde zum Spreugen zu bringen, um die Geschosssplitter iu Form eiuer Sprenggarbe in den Feind zu treiben und die Wirkung des Schusses möglichst unabhängig von der Beschaffenheit des Bodens zu machen.

Dieses Ziel schwebte vor Augen, als 1862 bei uns die gezogenen 4 & eingeführt wurden , und man hat solches vielleicht zu bald ausser

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Vertrag zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und Frankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urtheilen in Zivilsachen. (Vom 15. Juni 1869.)

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Bundesblatt

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1869

Année Anno Band

2

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27

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

10.07.1869

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506-519

Page Pagina Ref. No

10 006 194

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