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Bericht des

schweiz. .Konsul..... in Palermo (Hrn. J. G. Hirzel von Zurich) über das Jahr 1868

(Vom 17. Juli 1869.)

An den hohen Bundesrath.

Tit.

Unter Bezugnahme aus meinen letztjährigeu Rapport über die Zustände aus der Jnsel Sizilien habe ich die Genugtuung, mittheilen, dass die darin angedeuteten Aussichten aus reiche Ernten i. J. 1868 sich bestätigt haben und dadurch die drückenden Verhältnisse der Jnsel, welche von drei vorangegangenen Missjahren sich angehäuft , guten Theils be-

schwichtigt wurden.

Siziliens Uebexsluss an Getreide , Olivenol, Weinen u u. fand raschen Absatz im Ausland . die finanziellen Missverhältnisse verbesserten sieh zusehends im Wiederaufleben von Handel und Wandel ; auch die

öffentliche Sicherheit befestigte sich perhältnissmässig aus der ganzen Jnsel

beim Versehwinden von Hungersnoth, Armuth und Elend.

Die Regierung bestrebt sich eifrigst , die Ressourcen Jtaliens und der dazu gehörenden Jnseln durch Anlage von Eisenbahnen und Verbindungsstrassen mit den Seehasen und den Küsten der reiehen Vroduktionsgebenden des Jnlandes zn versehen , neue Seehäfen anzulegen , die seit Jahrhunderten versandeten und verschlammten auszubaggern und durch Schutzdämme de.. zunehmenden Handel und Schiffahrtsverkehr in kürzester Zeit zu sichern ; ebenso richtet ste ihre Ausmerl.saml.eit auf

75^ den allgemeinen Unterricht durch Eroffnüng von Schulen in Stadien und .......orfern des Jnnern der Jnsel, durch Berufung ausgezeichneter Brosessoren an Gymnasien, Universitäten, nautische Justitute, in Technologie.^ und Agrikulturanstalten .^ auch hat sie ein wachsames Auge auf den Unterricht des weiblichen Geschlechts. Eine Ration, die seit Jahrhnnderten in Unwissenheit und Aberglauben erhalten wurde, in wenigen acht Jahren mitten in politischen Wirren , heimgesucht durch Missjahre mit Hnngersuoth und verheerenden Seuchen unter Menschen und Vieh, auf dieser Bahn nach Bildung zu erblicken, ist eine bewundernswürdige Erscheinung. Wenn man aber dabei die mächtige Bartei , welche Tausende von Jahren das Land beherrscht hat, in Betrag. zieht, wie

sie jedem Fortschritt der .^olksbildüng mit allen erdenklichen Mitteln entgegenarbeitet, so ist es leicht begreiflieh, dass noch nicht Alles rosig sein kann und unendliche Schwierigkeiten zu überwinden sind. Da nun aber Jtalien Handelsverträge mit den meisten Rationen der Erde abgeflossen hat. da die Eommnnikationen zu Land und Meex vervielfacht und für Reisende und den Waarentransport ökonomischer geworden sind, da das Telegraphen- und Bostwesen sich bis in die unbedeutendsten Ortschaften ansgedehnt hat, und Jtalien durch die nahe bevorstehende Sue.^analerofs..ung mitten in den grossen Weltverkehr zwischen Europa, Asieu und Ostindien verseht wird : so müssen jene mittelalterlichen Brinzipien dem neuen Welt..

laus den Bla^ einräume... Unter diesen Auspizien verdient Jtalieus Zukunft sur unsere vaterländischen Handels- und Jndnstriebeziehuugen alle Beachtung bei der jährlich zunehmenden Entwicklung dieses so bedeutenden Nachbarlandes. Der bereits abgeschlossene Handelstraktat mit Jtalien perdient allgemeine Anerkennung in Be^ng ans die damit verbundenen freundschaftlichen Verhältnisse zwischen beiden. Rationen, in deren gegenseitigem Jnteresse es liegt, dass die schweizerischen Alpenpässe durch Uebers..hienungen dem Transithandel und Weltverkehr gesichert werden, was zur .Lebensfrage für die ...^chu.^eiz geworden ist. - Dnreh den ab^ geschlossenen Handelsvertrag ist die Gleichstelluug unserer Jndnstrieerzeugnisse mit allen ^er begünstigsteu Rationeu im Zollsystem der Hauptgewinn. Jn einzelnen Vnnkten aber ist er eher uachtheilig, wie ^. B. auf Goldwaaren. Die ^Eoutrolgebühreu aus Gold^vaaren bezahlten bisauhin

auf 12 Earats ,, ^ ^ ,, ^6 ,, ^ 1^.

,, ,, ,,

,, 20 ., ,, 22 "

auf Silberwaaren auf ^^ Earat.^ ..

^^^

,,

L. 30. 85 per Kilogramm.

,, ^.^ ,, 41. ^ ,, ^ ^ .^^

--^

,, ,, ,,

,,

^ 51. 42 ,,^ " 56. 57 " L.

1. 74 per Kilogramm.

^ 1 . 9.-

,,

75.^ .nebst ^ Mille auf allen gebühren für den Essayeur. Jet^t nach dem ^.euen Tarif ist der Eingangszoll aus Goldwaaren, gleichviel, welchen Gehaltes sie seien, L. 80 per Kilogramm mehr ^- dem Essayeur,^ ^uf Silber ieden Gehaltes ,, 6 ,, ,, ,, ^ ,, ,, Diess ist der Hauptartikel, den die Jmporteurs zu beklagen haben; allein da die Tarife für alle Länder gleichlauten,. so ist wenig einzuwenden, und der Verkehr an schweizerischen Gold- un.^ Silberwaaren , Uhren

aller Art inbegriffen, wird künftighin ungefähr sich aus die gleiche Summe

wie bisher von ..a. ^l Million Franken für ganz Sizilien belauseu, was mehr oder minder von guten oder schlechten Jahrgängen abhängt.

.^

Der Eousnm von schweizerischen Manufakturwaaren war seit An.^ fang des Jahres ziemlich eorreut , . besonders in seinern St. Galler ^Mousselinen und Stickereien und in Glarner Artikeln. Geringe Baumwollen- und halbwollene Waaren werden pon de,.. inländischen Fabrikation vollends verdrängt. Jn Seidenwaaren können einzig die ordinären Bänder vom Kanton Bern , Aargan und Basel ...ouvenienten Absat^ finden.

Schweizerkäse, Entrait d^Absynthe und ähnliche Schweizerpxodukte finden einen sehr bescheidenen Absal^.

Die meisten Judustriellen der Schweiz haben systemweise ihre Gefchäftsreiseu.^en, welche jährlich zweimal Jtalien und Sizilien besuchen, und beuten aus^s Sorgfältigste die Bl.äl^e aus, welche für ihre Fabrikate irgend welchen Absa^ darbieten. Unter den günstiger gestalteten Ver^hältuissen ist vorauszusehen, dass der Verkehr von .^chweizerwaaren be-.

lebter sein wird . es ist auch mehr Solidität unter den Krämern eingetreten, als es in den drei legten Jahren der Fall war. auch besteht nicht mehr ^das Missverhaltniss der Eourse zwischen Vapiergeld und de.^ klingenden Münzen allmählig ist das Agio von Gold- und Silbermünzen

.aus 3 bis 4.^ gegen Vapiergeld heruntergegangen, und aller Anschein^

ist vorhanden, dass das Agio noch mel.^r fällt und nach uud uach ganzlieh verschwindet, wenn Jtalien noch ein paar Jahre mit guten Ernten an Getreide, Oel, Wein und Seide beseheert wird. Die italienischen Renten haben sieh auch allmählig wieder gehoben , ungeachtet die Einkommensteuer von 8^.^ per .^ ^. Renten in Kraft getreten ist. Gegen Ende Juni legten Jahres standen sie aus der Bariser Börse ohne Ein-..

kommensteuer zu bezahlen aus ea. Fr. 52. 50 per 5.^, Rente, dieses Jahx .aus 57 bis 58 , die Einkommensteuer eingerechnet. Dies zeugt von wachsendem Zutrauen in die italienischen Fonds, welche, bei AufrechtHaltung des Friedens, mit den in letztem Jahre geschaffenen Einkünften, Einkommensteuer auf den 5^gen Renten au porteur sowohl wie aus Rominativen, und der Mahlsteuer, die allgemein in Kraft sich befindet,

760 nach und nach an Zutrauen gewinnen und fernern Steigens an ausund inländischen Borsen berechtigt sind. Bei Auszahlung der halbjährigen Renten-Eoupons per 1. Juli 1869 wurden diejenigen an porteur schon seit Anfangs Mai in Bapiergeld eingelöst, wer aber steh erst nach dem 1. Juli zum Jn.^asso einstellte, hatte den Genuss, die Halst...

in baarer Münze von halber Lire Silber, die andere Halste in Bapiergeld ein^ukassiren , diess ist der Anfang, den Zwangskurs vom Bapiereld nach und nach ^u beseitigen ul^d das Volk von dieser Vlage ^ esreien.

S

Die diesjährigen Ernten Siziliens stehen derjenigen von 1868 weit hintan. Unheilbringende Siroeeo.vinde im Monat Mai bei anhaltender Trockne haben grossen Schaden gebracht, Getreide und Gerste sind in Qualität gut gediehen, an Quantität aber weisen sie kaum die Hälfte des vorigen Jahres aus, die Quantität ist indess immerhin genügend für die Bedürfnisse des eigenen Landes , Ackerbohnen und Hülsensrüchte

dagegen sind gefehlt, dessgleiehen sind trostlose Aussichten ans die nächste

Olivenölernte^ die Vorräthe vom legten Jahre sind aber so bedeutend,.

dass die Jufei au Getreide und Olivenol reichlich versehen ist, und da^ für nächsten Winter keine ^oth zu befürchten ist , bei dem hohen Stand der Breise für beide Artikel besteht auch der Sandmann und der Spekulant vorzüglich.

Die Weingelände versprechen für dieses Jahr eine gute Weinlese , das Beschweseln der Trauben gegen das Kr^tpogam wird fortwährend aus^s Sorgfältigste befolgt, ohne welches die Krankheit fortbestehen würde.

Die jährliche Produktion von Schwefel von Ende Juni 1868 bis Juni 1869 beläust sich aus ea. 2 Millionen Doppelzentner (sage von 100 Kilogramm), welche bis auf eiuen Rest von 150 bis 160,000 Ztr..

a 100 Kilogramm nach dem Ausland gegangen sind , zu preisen vo...

Fr. 14 bis 16, je nach Qualität an Bord gelegt und verzollt.

Die gegenwärtigen Breise stellen sich fortwährend hoch. die .^pekulation hat sich des Artikels bemächtigt , durchschnittlich gelten sie ^r..

14^ ... 151/2 ^r. per 100 Kilogramm an Bord unter Segel gelegt..

Die Ausbeute an Schwefel reichte in den legten Jahren kaum hin, den .jährlichen Bedarf ^es Eonsums zu deckeu, die häufigen Breissehwanknngen .brachten in diesem so wichtigen Handel zahlreiche Fallimente hervor, dass.

es schwer hält, von gan^ soliden Sehweselproduzenteu Bartien aus Lieferung kausen zu konnen , ohne übertriebene Preise zu bezahlen, was.

wahrscheinlich nicht lange so bestehen kann . allein es ist au.h nicht ^rosser Absehlag ^u erwarten.

761 Die Baumwollpflanzung wurde in diesem Jahre bedeutend vermehrt , d.ie Ernte verspricht mittelmässig auszufallen, und wird sich aus ea. 80 b.i... 100,000 Zentner von 100 Kilogramm in ganz Sizilien belaufen, welche grosstentheils bei den inländischen Spinnereien Verwendung findet.

Leider hat sich auch dieses Jahx wieder die Viehseuche in verschiedenen Gegenden gezeigt , sowohl bei Hornvieh als bei Schafen und Ziegen. Durch die Verheerung, welche seit einigen Jahren der Viehstand erlitten, hat auch der Ackerbau die naehtheiligsten Folgen zu ertragen. schon seit 3 Jahren muss das Schlachtvieh von Neapel und Sardinien für den Stadteonsnm Balermo^s hergeholt werden, während früher der Viehstand Siziliens sehr blühend war ; und um ihn wieder zu ergänzen, wird es viele Jahre erfordern, selbst wenn man der Viehseuche los würde, gegen welche die energischsten Massregeln getroffen worden sind. Gegen Aussah bei Schafen und Ziegen hat sich die Anwendung ^on .^etroleum-Einreibung überaus günstig bewährt.

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Bericht des schweiz. .Konsuls in Palermo (Hrn. J. G. Hirzel von Zürich) über das Jahr 1868 (Vom 17. Juli 1869.)

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14.08.1869

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