198

# S T #

Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde des E. C. Stoschich, von Agram, Kroatien, gegen den Regierungsrat des Kantons Glarus wegen Androhung der Kantonsverweisung und wegen des Verbotes der Ausübung des Apothekergewerbes im Kanton Glarus.

(Vom

1. Februar 1901.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über die Beschwerde des E. C. S t o s c h i c h , von Agram,, gegen den Regierungsrat des Kantons Glarus wegen Androhung der Kantonsverweisung und wegen des Verbotes der Ausübung des Apothekergewerbes im Kanton Glarus ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Durch Verfügung vom 22. Juli 1900 erließ die Militär- und Polizeidirektion des Kantons Glarus gegen den E. C. Stoschich, Apotheker in Schwanden, eine Verfügung des folgenden Inhalts: Da Sie entgegen Ihren Versprechungen weder die verlangte Kaution geleistet, noch auch heute vor unserer Behörde erschienen

199 sind, bemerken wir Ihnen, daß wir an den von uns getroffenen ·Verfügungen, wonach Sie den hiesigen Kanton mit. dem 15. c.

gemäß Ihren gemachten Zusicherungen zu verlassen haben, festhalten. Sollten Sie nicht Folge leisten, so wären wir gezwungen, polizeiliche Gewalt anzuwenden.

Auf den gegen diese Verfügung ergriffenen Rekurs erklärte am 4. Oktober 1900 der Regierungsrat des Kantons Glarus die Beschwerde des Stoschich insoweit als begründet, daß der Ausweisungsbeschluß der Polizeidirektion aufgehoben wurde. Dagegen beschloß der Regierungsrat gleichzeitig, es sei dem Stoschich der Betrieb einer Apotheke im Kanton Glarus vom 31. Dezember '1900 an untersagt, und demselben für den Fall, daß er durch sein ferneres Verhalten zu begründeten Klagen Anlaß geben sollte, die Ausweisung angedroht.

In seinen Motiven führt der Etegierungsrat aus: Aus den Akten ergiebt sich, daß ein strafgerichtliches Urteil, durch das Stoschich die bürgerlichen Ehren und Rechte entzogen sind, bisher nicht ergangen und daß derselbe auch nicht der öffentlichen Wohlthätigkeit dauernd zur Last gefallen ist. Die Voraussetzungen, die nach Art. 45 der Bundesverfassung oder aus ändern Gründen für die Verweigerung oder den Entzug der Niederlassung erforderlich sind, treffen somit im vorliegenden Fall nicht zu.

Dagegen erachtet sich der Regierungsrat, gestützt auf die Bestimmungen des Art. l des Staatsvertrages zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn vom 7. Dezember 1875, wonach in Sachen des Hausiergewerbes und der Ausübung des Apothekerberufes die Gewährung des Gegenrechtes nicht Anwendung zu finden hat, als befugt, dem Rekurrenten Stoschich die Ausübung des Apothekerberufes im Kanton Glarus zu untersagen, gleichwie Angehörigen der Österreich-ungarischen Monarchie gegenüber das Verbot des Hausierhandels im Kanton Glarus auf Grund von § 6 des Schlußsatzes des glarnerischen Gesetzes über das Patentwesen vom 8. Mai 1892 besteht. Das Gegenrecht in Bezug auf die Ausübung des Apothekerberufes und des Hausiergewerbes wird von Österreich ebenfalls nicht gewährt.

II.

Gegen diesen Beschluß des glarnerischen Regierungsrates ergreift E. C. Stoschich mit Eingabe vom 3. Dezember 1900 die

200 staatsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat und stellt den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung und vorläufige Sistierung ihres Vollzuges. Er bringt zur Begründung seiner Beschwerde, unter Hinweis darauf, daß er wegen Verletzung von Art. 2 und 8 der glarnerischen Verfassung durch den angefochtenen Beschluß auch vor Bundesgericht Rekurs eingelegt habe, folgendes vor: Rekurrent hat sich im Jahre 1895 in Schwanden im Kanton Glarus niedergelassen. In dieser Ortschaft erwarb er durch Kauf die Adlerapotheke, wurde jedoch, da er sie zu teuer bezahlt hatte, im Jahre 1897 als Schuldner ausgepfändet, wobei seine Frau als Hauptgläubigerin mit Fr. 10,731 zu Schaden kam.

Seither hat seine Frau die Apotheke fortgeführt. Trotzdem das Geschäft heute in gutem Gange ist und alle laufenden Verpflichtungen erfüllt werden, auch die Ausweisschriften Stoschichs vollkommen in Ordnung sind und derselbe sich klaglos aufführt, wird ihm durch den Regierungsratsbeschluß vom 4. Oktober 1900 die Ausweisung angedroht. Diese Androhung steht im Widerspruch mit Art. 13 der Kantonsverfassung und Art. 45 der Bundesverfassung resp. den entsprechenden Bestimmungen eines allfälligeu Staatsvertrages.

Für seinen Beschluß betreffend den Entzug des Rechtes des Rekurrenten, im Kanton Glarus eine Apotheke zu betreiben, kann der Regierungsrat sich auf den Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Österreich nicht berufen, da Rekurrent Kroat ist, Kroatien und Slavonien aber selbständige Königreiche sind. Durch den Entzug dieses Rechtes wird aber Art. 31 der Bundesverfassung verletzt, durch den die Handels- und Gewerbefreiheit gewährleistet ist. p]in Gewerbe kann nur dann untersagt werden, wenn das kantonale Recht die Handhabe dazu giebt, wie dies z. B.

beim Hausiergewerbe im Kanton Glarus der Fall ist, wo das Gesetz bei Ausländern die Forderung des Gegenrechtes stellt.

Beim Apothekergewerbe existiert dagegen im Kanton Glarus nichts Derartiges, vielmehr hat die souveräne Landsgemeinde ·am 3. Mai 1874 beschlossen: ,,Die ärztliche Praxis ist in allen Zweigen freigegeben.a Und der Landrat hat im Vollziehungsgesetz vom 2. Dezember 1874 festgesetzt: ,,Die Ausübung der ärztlichen Praxis in allen ihren Zweigen ist jedermann gestattet."· In der gleichen Verordnung werden als Medizinalpersonen bezeichnet: Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker. Was die Landsgemeinde bestimmt hat, kann vom Regierungsrat, nicht umgestürzt werden.

201

in.

Zur Vernehmlassung auf die Beschwerde eingeladen, beantragt der Regierungsrat des Kantons Glarus mit Zuschrift vom 3. Januar 1901 die Abweisung des Rekurrenten und führt aus : Rekurrent Stoschich, von Agram, österreichischer Unterthan, hat durch seine Geschäftsführung und durch sein sittliches Verhalten schon von Anfang an zu ernstlichen Klagen Veranlassung .gegeben ; er hat die Polizeibehörden des Kantons Glarus bereits wiederholt beschäftigt, und zwar in einem Umfang, wie nocli selten ein Niedergelassener. Die Klagen bezogen sich auf seinen unlautern Geschäftsbetrieb, wie namentlich auch auf Manipulationen gegen das keimende Leben, worüber allerdings positive Beweise mangeln, Beherbergung zweideutiger Personen, Streit mit verschiedenen Bürgern, unsittliches Verhalten gegenüber Frauenspersonen etc. Schon vor Jahren trat, offenbar durch eigenes Verschulden, über den Rekurrenten der finanzielle Ruin ein. Er ist ausgepfändeter Schuldner, seine Ehefrau mußte bevormundet werden, nominell ist die Apotheke ihr Eigentum, thatsächlich handelt aber überall Stoschich selbst. Die Publikation des Stoschich als ausgepfändeten Schuldners hat schon verschiedenemal stattgefunden, zuletzt noch unterm 3. Februar 1900.

Verschiedene Personen, die Stoschich an ihrer Ehre schwer angegriffen hatte, waren faktisch in der Unmöglichkeit, ihn vor Gericht zu belangen, da bei ihm kein Centime Kosten erhältlich gewesen wäre. Auf ernstliche Verwarnungen der Behörden versprach Stoschich allerdings Besserung, hielt aber sein Versprechen nicht. Als nun im Sommer 1900 die Polizeibehörden neuerdings zum Einschreiten veranlaßt wurden, verpflichtete sich Stoschich freiwillig, einerseits zuc Sicherung der Kosten in einem Injurienprozesse für den betreffenden Kläger eine Summe von Fr. 300 zu deponieren und im übrigen den Kanton bis zum 15. Juli 1900 zu verlassen. Er machte in diesem Sinne durch Schreiben vom 5. Juli 1900 förmliche Zusicherungen. Als er aber erfüllen sollte, hielt er das Versprechen wieder nicht. Da nun die. Polizeidirektion seine Ausweisung verfügte und Stoschich dagegen den Rekurs an den Regierungsrat ergriffen hatte, beharrte zwar gegenüber dem Regierungsrat die Polizeidirektion selbst nicht mehr auf dem Vollzuge der Ausweisung, denn sie hatte sich im wesentlichen auf die Zusicherung des Stoschich, den Kanton
freiwillig zu verlassen, gestützt. Nachdem aber Stoschich von derselben abging, wäre die Frage zu erörtern gewesen, ob strengrechtliche Gründe für Entzug der Niederlassung und die form-

202

liehe Ausweisung vorlägen oder nicht. Dazu gab aber die Untersuchung einstweilen keine Veranlassung. Wenn nun der Regierungsrat dem Rekurrenten in seinem Beschluß vom 4. Oktober 1900 die Ausweisung angedroht hat für den Fall, daß er durch sein weiteres Verhalten zu begründeten Klagen Anlaß geben sollte, so trägt der Beschluß in diesem Punkte lediglich den Charakter einer Verwarnung, die nach den bisherigen Vorgängen gerechtfertigt war. Dieselbe kann aber nicht Gegenstand eines staatsrechtlichen Rekurses an den Bundesrat sein.

Es bleibt also einzig noch die Frage zu erörtern, ob der Regierungsiat befugt war, gegenüber Stoschich das Verbot betreffend die Betreibung des Apothekerberufes auszusprechen. In dieser Beziehung läßt der schweizerisch-österreichische Niederlassungsvertrag vom 7. Dezember 1875, Art. l, keinen Zweifel über die Berechtigung der Regierung, indem er bestimmt: ,,Die Angehörigen eines jeden der vertragenden Teile sollen bei ihrer Niederlassung oder während ihres kürzern oder längern Aufenthaltes in dem Gebiete des ändern in Bezug auf alles, was die Aufenthaltsbewilligung, die Ausübung der durch die Landesgesetze gestatteten Gewerbe und Berufe, die Steuern und Abgaben, mit einem Worte sämtliche den Aufenthalt und die Niederlassung betreffenden Bedingungen anbelangt, den Inländern gleichgehalten werden. Diese Bestimmungen haben jedoch auf das Apothekergewerbe .und den Gewerbebetrieb im Umherziehen keine Anwendung zu finden. tt Dieser Vertrag ist auf den Rekurrenten, der laut einem vom 1. September 1896 datierten und vom Österreich-ungarischen Generalkonsulat in Zürich ausgestellten Paß Kroate ist, anwendbar ; im Ingreß des Staatsvertrags ist übrigens dei- österreichische Kaiser ausdrücklich auch in seiner Eigenschaft als König von Kroatien als Kontrahent genannt.

Sollte aber der Staatsvertrag wirklich auf den Rekurrenten keine Anwendung finden, so ist der Regierungsrat nicht einmal verpflichtet, dem Rekurrenten überhaupt die Niederlassung, geschweige denn den heute bestrittenen Betrieb des Apothekergewerbes zu bewilligen, denn eine solche Pflicht müßte durch einen besondern Vertrag mit Kroatien nachgewiesen werden.

Rekurrent behauptet weiter, die Anwendung des Staatsvertrages setze ein förmliches, für alle Fälle gültiges Gesetz voraus, wie es z. ß. beim Hausierhandel der Fall
sei. Daß nun aber der Staatsvertrag, den die ganze Schweiz mit Österreich-Ungarn abgeschlossen, auf diese Weise abgeschwächt oder faktisch gar kraftlos gemacht werden könnte, dafür liegen auch nicht die

203 geringsten Anhaltspunkte vor. Wären dazu noch gewissermaßen Vollziebungsverordnimgen oder Spècialgesetze der Kantone als notwendig erachtet worden,- so hätte das gewiß gesagt werden müssen. Die Kantone können also in jedem einzelnen Fall ganz nach ihrem Ermessen und Guttinden von der im Staatsvertrage, Art. l, Schlußsatz, stipulierten Ausnahme für den Apothekerberuf und den Hausierhandel Gebrauch machen. Auch ein Verbot des fraglichen Gewerbebetriebes für alle Fälle wären die Kantone zu erlassen befugt; sie können aber auch darauf verzichten, um sich nicht die Hände zu binden, und sich das Ermessen in jedem einzelnen Falle vorzubehalten. Zum. Widersinn aber würde es, wenn man in allen Fällen, also auch gegenüber so qualifizierten Persönlichkeiten wie dem Rekurrenten, den Gewerbebetrieb so lange gestatten müßte, bis ein gesetzlicher Erlaß des Kantons vorläge.

Die von dem Rekurreuten angeführten Vorgänge betreffend das glarnerische Hausiergesetz sprechen nicht für, sondern gegen den in der Beschwerdeschrift vertretenen Standpunkt. Gewiß hätte man auch hier den Mangel des Gegenrechtes und den Ausschluß der Staatsangehörigen der Österreich-ungarischen Monarchie bezüglich des Hausierhandels ohne weiteres nur mit dem Hinweis auf die Schlußbestimmung des Art. l des Staatsvertrages vom 7. Dezember 1875 und ohne besondere kantonale Bestimmungen begründen können. Da aber Gesuche um Hausierpatente gerade von Auswärtigen sehr häufig gestellt werden, so wollte man zum voraus bei einem so vielfach zur Anwendung kommenden Gesetze hervorheben, daß der Beweis für das Gegenrecht erbracht werden müsse, ansonst Hausierpatente verweigert würden. Fragliche Bestimmung ist also eine einfache Maßregel geschäftlicher Ordnung. Im Gegensatz zum Hausiergewerbe lag beim Apothekergewerbe für den Kanton Glarus keine Veranlassung vor, in der genannten Richtung zu legiferieren, denn Rekurrent ist der erste und einzige österreichische Staatsangehörige, der im Kanton das Apothekergewerbe betreibt; und man hätte ihn ruhig gewähren lassen, wenn er nicht, sta.tt sich anständig aufzuführen und wohlgemeinte Warnungen zu beachten, die Behörden durch sein skandalöses Verhalten zum Einschreiten veranlaßt hätte.

Die vom Rekurrenten angeführten Erlasse, der Beschluß der Landsgemeinde vom 3. Mai 1874 und die Vollziehungsverordnung vom
2. Dezember 1874, haben eine rein interne Frage für das Gebiet des Kantons Glarus geregelt, indem durch dieselben die Freigebung der ärztlichen Praxis gegenüber den bis

204 zu jenem Zeitpunkt in Kraft stehenden beschränkenden Bestimmungen erfolgte, wonach für Ausübung des ärztlichen Berufes Fähigkeitsausweise und Patente vorgesehen waren. Keineswegs aber haben die bezeichneten Beschlüsse, deren Interpretation und Vollzug übrigens rein kantonale Sache wäre, in andere Verhältnisse eingegriffen, vor allem nicht in Staatsverträge. Abgesehen davon, daß sich dies schon aus der Natur der Sache ergiebt, müßten Verhältnisse, wie sie durch vorwürfigen Rekurs betroffen sind, also die Stellung des Gegenrechtes, expressis verbis erwähnt sein, während dies im StaatsveiJ;rag mit keiner Silbe geschieht.

In Österreich wird der Grundsatz des Staatsvertrages, daß die Gleichberechtigung der beidseitigen Staatsangehörigen sich nicht auf das Apothekergewerbe beziehe, sehr streng gehandhabt und auch für bestbeleumdete Schweizerbürger keine Ausnahme gemacht. Um so weniger kann der Kanton Glarus gegenüber dem Rekurrenten anders verfahren.

IV.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 1900 teilte der Bundesrat dem schweizerischen Bundesgericht mit, daß, soweit der Bundesrat nach dem bei ihm von Stoschich erhobenen Rekurse beurteilen könne, das Hauptgewicht der Beschwerde auf der behaupteten Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit und des schweizerisch-österreichischen Staatsvertrages liege. Die laut Aussage des Rekurrenten vor dem Bundesgerichte behauptete Verletzung von Art. 2 und 8 der Glarnerverfassung (Verletzung der Volkssouveränität und der Eigentumsgarantie) könnten erst in Betracht fallen, wenn die beiden erstgenannten Punkte erledigt seien. Der Bundesrat halte es daher, vorbehaltlich der Rückäußerung des Bundesgerichts, für angezeigt, wenn er zuerst in der Sache seinen Entscheid fälle.

Mit Zuschrift vom 13. Dezember 1900 erklärte das Bundesgericht seine Zustimmung zu der vom Bundesrate vertretenen Auffassung, wonach dem letztem die Priorität der Entscheidung zukommt.

B.

In rechtlicher Hinsicht fällt in Betracht:

I.

Der Beschwerdeführer behauptet in erster Linie, er werde durch die im Beschluß des Regierungsrates des Kantons G-larus

205

enthaltene Androhung der Ausweisung in seinem Niederlassungsrecht verletzt.

Da er laut dem ihm vom Österreich-ungarischen Generalkonsulat in Zürich ausgestellten und im Kanton Glarus deponierten Paß Kroate, also Angehöriger der Österreich-ungarischen Monarchie ist, so kann er das im Vertrag zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn vom 7. Dezember 1875 vereinbarte Recht der freien Niederlassung in der Schweiz für sich in Anspruch nehmen. Indem er sich also über den Entzug oder die Einschränkung seines Niederlassungsrechtes beklagt, behauptet er eine Verletzung des Niederlassungsvertrages mit Österreich-Ungarn.

Der Bundesrat ist zur Entscheidung dieses ersten Beschwerdepunktes kompetent in Gemäßheit von Art. 189, letztem Absatz,.

des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893, lautend: ,,Endlich sind vom Bundesrat oder von der Bundesversammlung zu behandeln : Anstände, herrührend aus denjenigen Bestimmungen der Staatsverträge mit dem Ausland, welche sich auf Handels- und Zollverhältnisse, Patentgebühren, Freizügigkeit, N i e d e r l a s s u n g . u n d Befreiungvom Militärpflichtersatz beziehen.'1 Der das Niederlassungsrecht der Angehörigen der beiden vertragschließenden Länder normierende Art. l des Staatsvertrages lautet folgendermaßen : ,,Die Angehörigen eines jeden der vertragenden Teile sollen bei ihrer Niederlassung oder während ihres kürzeren oder langera Aufenthaltes in dein Gebiet des ändern, in Bezug auf alles, was die Aufenthaltsbewilligung, die Ausübung der durch die Landesgesetzgebung gestatteten Gewerbe und Berufe, die Steuern und Abgaben, mit einem Worte sämtliche den Aufenthalt und die Niederlassung betreffenden Bedingungen anbelangt, den Inländern gleichgehalten werden. Diese Bestimmungen haben jedoch auf das Apothekergewerbe und den Gewerbebetrieb im Umherziehen keine Anwendung zu finden.a Dem' Rekurrenten ist im Kanton Glarus die Niederlassung auf Grund der von ihm deponierten Ausweisschriften gleich einem außerglarnerischen Schweizerbürger gewährt worden ; eine Verletzung des Niederlassungsrechts hat durch die für den Fall, daß Rekurrent durch sein zukünftiges Verhalten zu begründeten Klagen Anlaß geben sollte, ausgesprochene Ausweisungsandrohung nicht stattgefunden. Denn nicht nur, daß die Aufnahme einer Ausweisungsandrohung für den Fall, daß der im Kanton Niedergelassene sich den Gesetzen nicht füge, in die Niederlassungs-

206 bewilligung selbst durchaus statthaft wäre und thatsächlich .auch in dieselbe aufgenommen werden mag, so ist diese Androhung auch als eine Verwarnung zulässig und speciell dem Rekurrenten gegenüber gerechtfertigt, da sich derselbe, wie er durch seine Erklärungen und Versprechungen gegenüber der glarnerischen Polizeidirektion selbst zugegeben, bisher nicht einwandfrei aufgeführt hat.

II.

In zweiter Linie beschwert sieh Rekurrent über eine Beschränkung seiner Gewerbefreiheit, indem er sich auf die in Art. 31 der Bundesverfassung dem Schweizerbürger gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit beruft. In der That hat der schon citierte Art. l des Niederlassungsvertrages vom 7. Dezember 1875 die Angehörigen der Österreich-ungarischen Monarchie wie in der Niederlassung so auch bezüglich der durch die Landesgesetzgebung gestatteten Gewerbe und Berufe gleichgestellt 5 soweit nicht besondere Bestimmungen diese Gleichstellung einschränken, giebt sie nach der Rechtsprechung des Bundesrates den Angehörigen des vertragschließenden Staates ein Recht darauf, daß sie auch in Gesetzgebung und Verfahren den Schweizerbürgern gleich behandelt werden, und es steht denselben insbesondere, soweit ihre Person oder die Ausübung ihres Gewerbes in Frage kommt, das Beschwerderecht und die Berufung auf Art. 31 der Bundesverfassung zu (Bundesratsbeschluß vom 27. Februar 1900, i. S. G. Guglielmi und Michele Perini; B. El. 1900, I, S. 615 ff.). Zu den durch Art. 31 der Bundesverfassung freigegebenen Gewerben gehört für das Gebiet des Kantons Glarus auch der Apothekerberuf, da der glarnerische Gesetzgeber von dem in Art. 33 der Bundesverfassung gemachten Vorbehalt, wonach es den Kantonen anheimgestellt bleibt, die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten von einem Ausweis der Befähigung abhängig zu machen, keinen Gebrauch gemacht hat.

Gerade das vom Beschwerdeführer angerufene Recht zur Ausübung des Apothekerberufes ist nun aber durch die Schlußbestimmung des Art. l von- der nach dem Staatsvertrag stipulierten Gleichstellung der Angehörigen Österreich-Ungarns ausgeschlossen. Es stund also keine Bestimmung des Staatsvertrages im Wege, daß im Kanton Glarus, sei es durch Vorschriften der Gesetzgebung, sei es durch Verfügungen der zuständigen Verwaltungsbehörden, die Österreich-ungarischen Unterthanen bezüglich der Erteilung oder des Entzuges von .Bewilligungen zum

207

Betriebe des Apothekergewerbes anders behandelt werden als Schweizerbürger.

III.

Diese Befugnis der Verwaltungsbehörden, des Regierungsrates des Kantons Glarus, ficht Bekurrent in seinem dritten Beschwerdepunkt insofern an, als er behauptet, es habe die Landsgemeinde des Kantons Glarus dem Regierungsrat keine Befugnis zur Andersbehandlung von Ausländern gegeben, es überschreite daher der Regierungsrat, wenn er einem solchen die Ausübung des Apothekerberufes verbieten wolle, seine Kompetenz als bloße Vollziehungsbehörde.

Dieser Beschwerdepunkt fällt, weil auf Behauptung der Verletzung einer kantonalen Verfassungsvorschrift betreffend Kompetenz kantonaler Behörden beruhend, in die Zuständigkeit des Bundesgerichtes und ist daher vom Bundesrat nicht zu entscheiden.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 1. Februar

1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

208

Zuschrift des

eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartementes (Eisenbahnabteilung) an die Kommission des Nationalrates zur Vorberatung des Bundesgesetzes über das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen.

(Vom 30. Januar 1901.)

Herr Präsident!

Mit Zuschrift vom 27. Dezember '1900 haben Sie uns den Wunsch der von Ihnen präsidierten Kommission mitgeteilt, es möge die Generaldirektion der Bundesbahnen veranlaßt werden, den Entwurf des Tarifgesetzes zu begutachten. Wir haben der Generaldirektion diese Zuschrift zur Kenntnis gebracht und erhalten von derselben die beiliegende Vernehmlassung vom 23. Januar 1901.

Ihrer Einladung entsprechend, haben wir diese Antwort den Mitgliedern der Kornmission zugestellt und werden dieselbe auch der Bundesversammlung mitteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung unserervollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 30. Januar 1901.

Eidg. Post- und Eisenbahndepartement, Eisenbahnabteilung : Zemp.

Beilage : Schreiben der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen vom 23. Januar 1901.

209 Beilage.

An das eidg, Post- und Eisenbahndepartement (Eisenbahnabteilung)

Bern.

Hochgeachteter Herr Sundesrat!

Mit Überweisung vom 31. Dezember 1900 haben Sie uns eine Zuschrift des Herrn Dr. A. von Planta, Präsidenten der Kommission des Nationalrates für Vorberatung des Tarifgesetzes, mitgeteilt, mit welcher Ihnen zur Kenntnis gebracht wird, die genannte .Kommission habe beschlossen, den Bundesrat anzufragen, ob er es nicht für angezeigt halte, der inzwischen bestellten Generaldirektion der Buhdesbahnen Gelegenheit zu geben, zum Entwurfe für das Tarifgesetz Stellung zu nehmen. Die Kommission sei einstimmig der Meinung gewesen, daß die Einholung eines Gutachtens dieser Generaldirektion wünschenswert und angezeigt erscheine, damit alles gethan sei, was zur Abklärung dieser schwierigen Materie dienen könnte. Dieses Gutachten sollte bis Ende Januar eingehen und den Mitgliedern der Kommission gedruckt zugestellt werden.

Bekanntlich wird die Generaldirektion der Bundesbahnen ihre Funktionen erst am 1. Juli 1901 antreten. Bis dahin fehlen ihr die Organe, um die Untersuchungen vorzunehmen, welche erforderlich wären, um eine so tiefgreifende Vorlage, wie das Tarifgesetz eine ist, zu begutachten. Auch wenn die Generaldirektion vollständig organisiert wäre, wäre der Zeitraum eines Monates zur Erstattung eines Gutachtens ungenügend; hat doch der in der Sache vollständig orientierte und mit ausreichendem Personal und Material versehene Verband der schweizerischen Eisenbahnen zur Abfassung seines Berichtes zum Entwurf des Tarifgesetzes vom April 1899 mehr als drei Monate bedurft.

Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. I.

15

210

Dabei ist zu bemerken, daß die Mitglieder der am 1. Juli 1901 ins Amt tretenden Generaldirektion bis dahin durch ihre gegenwärtigen Amts- und Berufsgeschäfte derart in Anspruch genommen sind, daß sie für einläßliche Gutachten keine Zeit erübrigen können.

Eine eingehende Begutachtung des Entwurfes durch die Generaldirektion dürfte jedoch aus dem Grunde nicht notwendig sein, weil eine Vorberatung desselben durch anerkannte Sachverständige, die Herren 'Nordostbahndirektor Dr. Eugen Escher und Centralbahndirektor W. Heusler, vor und nach Einholung der Vernehmlassung der interessierten Verbände, bereits stattgefunden hat und weil zwischen dem eidgenössischen Eisenbahndepartement und den Beschlüssen des Ständerates im wesentlichen Übereinstimmung besteht. Auch bei der Beratung durch den Ständerat haben sich nur in zwei Punkten wichtige Differenzen ergeben, die zu abweichenden Anträgen Veranlassung geboten haben.

Wir sind nun allerdings in der Lage, über diese Punkte unsere Ansicht aussprechen zu können.

1. Ausnahmetarife (Art. 15).

Der Gesetzesentvvurf sieht vor, daß-neben den Normaltarifen, in Berücksichtigung der Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft, die erforderlichen Ausnahmetarife zu erstellen sind, wobei darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß die ausländische Konkurrenz nicht gegenüber der einheimischen Produktion begünstigt wird.

Mit diesem Grundsätze 'war man allgemein einverstanden, dagegen beantragte eine M i n d e r h e i t , beizufügen. : fl DJ£ Ausnahmetarife für den internen Verkehr, welche bei den an den Bund übergehenden Bahnen bereits bestehen, sind beizubehalten in dem Sinne, daß die bei einer dieser Bahnen zur Zeit geltenden niedrigsten Taxen für die Beförderung der betreffenden Warengattung auf dem ganzen Netz der Bundesbahnen das Maximum bilden."

Dieses Postulat ist allerdings insoweit berechtigt, als einzelne der bestehenden internen Ausnahmetarife auf das ganze Bundesbahnnetz auszudehnen sein werden, und zwar unter Festhaltung der bestehenden günstigsten Bedingungen. Dazu gehören z. B.

die bei den verschiedenen Bahnen bestehenden Ausnahmetarife für

211 Milch, Butter, Brot u. dgl. ; ferner die Ausnahmetarii'e für Steine, mit Ausnahme des in neuester Zeit aus ganz speciellen Konkurrenzgründen erstellten außerordentlich niedrigen Staffeltarifs der JuraSimplon-Bahn zu gunsten der Steinbrüche von Ostermundigen.

Ebenso werden eine Anzahl der im internen Verkehr der JuraSimplon-Bahn bestehenden allgemeinen Ausnahmetarife, z. B. jene für Stalldünger und Straßenkehricht, für Steinkohlenschlacken, für. Materialien zur Bekämpfung der Reblaus, zu belassen und auf das ganze Bundesbahnnetz auszudehnen sein. Daneben bestehen aber bei den jetzigen Bahnen eine Reihe weiterer Ausnahmetarife, die rein lokalen Bedürfnissen entsprungen sind, welche im übrigen Bereich des Bundesbahnnetees nicht bestehen und deren Verallgemeinerung auch keinen Sinn hätte. Dazu rechnen wir z. B. die bei der Jura-Simplon-Bahn bestehenden verschiedenen Ausnahmetarife für Holz in Ladungen von 5000 kg., für Holzkohlen, metallurgische Produkte etc., die nicht einmal für das ganze Netz der Jura-Simplon-Bahn, sondern je nur für einen bestimmten beschränkten Teil derselben, zum Teil nur für eine einzelne Strecke, z. B. von Choindez nach Basel und den benachbarten Stationen, Gültigkeit haben. Abgesehen davon, daß die Übertragung dieser Ausnahmetarife auf das übrige Netz kein Bedürfnis ist, würde deren Verallgemeinerung zum Teil geradezu zum Schaden der einheimischen Produktion ausschlagen, indem dann deren Ermäßigungen auch der ausländischen Konkurrenz zu gute kämen, zu' deren Bekämpfung sie gerade gewährt worden sind. Sodann giebt es Ausnahmetarife, die auf gewissen Linien lediglich zur Gleichstellung der schweizerischen Taxen mit denjenigen konkurrierender ausländischer Transportanstalten eingeführt worden sind, so z. B. der Ausnahmetarif der Nordostbahn Nr. 2fi für Brennholz, Erden, Schlacken und Torf auf der Linie Romanshorn-Konstariz-Singen-Schaffhausen-Koblenz, der wegen der billigem Taxen der benachbarten badischen Bahn, der Ausriahmetarif Nr. 28 der Nordostbahn ab Romanshorn nach Rorschach für Güter ah Friedrichshafen, der wegen der Konkurrenz der Schifi'sroute Friedrichshaferi-Rorschach eingeführt wurde. Hierzu gehört auch der § 2 des Ausnahrnetarifs Nr. 21 der Jura-Simplon-Bahn für Holz ab Bouveret bis Brig nach Stationen des Genfersees etc., der wegen der Schiffahrtskonkurrenz
erforderlich geworden ist. Es hätte selbstverständlich keinen Sinn, die daherigen Ermäßigungen auch auf das übrige Netz zu übertragen, wo die erwähnten Konkurrenzen nicht einwirken. Gewisse Ausnahmetaxen sind sogar der Konkurrenz der an den Bund übersehenden Bahnen unter sich ent-

212 Sprüngen und müssen daher nicht bloß nicht beibehalten und verallgemeinert, sondern vielmehr beseitigt werden. Auch darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Bedürfnisse des Verkehrs wechseln und eine Taxermäßigung, die heute im Interesse der schweizerischen Volkswirtschaft lag, nach Jahr und Tag nicht nur ihre Berechtigung verliert, sondern direkt schädlich wirken kann.

Aus allen diesen Gründen erscheint uns nicht richtig,, den ständerätlichen Minderheitsantrag in das Tarifgesetz aufzunehmen.

Es ist überhaupt nicht möglich, in dieser Beziehung eine allgemeine Norm aufzustellen, die unter Umständen zu einer geradezu verkehrten und ganz unglücklichen Ausgestaltung der Ausnahmetarife führen müßte. Es muß der Verwaltung der Bundesbahnen freie Prüfung darüber offen behalten werden, welche der bestehenden Ausnahmetarife zur Zeit berechtigt und zur Verallgemeinerung passend, welche derselben als lokale Tarife fortzuerhalten und welche ganz zu beseitigen sind. Daß diese Prüfungunter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Gleichbehandlung aller Landesteile, aber zugleich auch unter Berücksichtigung und Schonung bestehender Verhältnisse zu geschehen hat, erachten wir als selbstverständlich.

2. Instradierungsfreiheit (Art. 22).

Der vom Ständerat genehmigte Entwurf des Bundesrates bestimmt, daß die Taxen jeweilen nach der billigsten und die Lieferfristen nach der kürzesten Route zu berechnen seien, auch wenn die billigste, beziehungsweise kürzeste Route nicht ausschließlich über die Bundesbahnen führt. Mit diesem Grundsatz ist dafür gesorgt, daß das mit der Bahn in Verkehr tretende Publikum unter allen Umständen die Vorteile der billigsten und kürzesten Linie genießt.

Unter dieser Voraussetzung sollen dann die Bundesbahnen berechtigt sein, den Tranportweg frei zu bestimmen, d. h. sie sind befugt, die Transportgüter auch dann auf ihren eigenen Linien zu befördern, wenn diese ihre Linien länger sind, als eine ganz oder teilweise über dritte Bahnstrecken nach dem gleichen Endpunkte führende Route. Dagegen kann diese dritte Bahnunternehmung beanspruchen, daß auch über ihre Bahnstrecke direkte Tarife erstellt werden, soweit sie normale Betriebsverhältnisse und ein gleichartiges Tarifsystem aufweist. Es steht somit jedem

213

Transportgeber die Möglichkeit offen, durch eine Routenvorschrift im Frachtbrief die Benützung der dritten Bahnunternehmung vorzuschreiben.

Die Gründe, welche den Bundesrat zur Annahme dieses Grundsatzes bestimmt .haben, sind auf Seite Jl/12 und 53/54 der Botschaft zum Tarifgesetz vom 17. November 1899 auseinandergesetzt.

Dieser Grundsatz entspricht dem von jeher bei den schweizerischen Bahnen beobachteten Verfahren. So haben auch die Verwaltungen der Union commerciale, obgleich sie für den direkten Verkehr auf die kürzeste Route abstellen, doch für den internen Verkehr sich vollständige Freiheit der Instradierung vorbehalten.

Gleichwohl hat im Ständerat die Minderheit im Interesse der für ·einmal nicht zu verstaatlichenden Bahnen folgenden Antrag gestellt: ,,.Unter Zugrundelegung der billigsten Taxen und der kürzesten Route für die Lieferfrist ist die Verwaltung der Bundesbahnen befugt, den einzuhaltenden Transportweg insoweit nach freier Entschließung zu bestimmen, als einerseits vom Absendeort bis zur Bestimmungsstation mehrere zürn Bundesbahnnetz gehörende Linien führen, welche die -kürzesten Distanzen beziehungsweise billigsten Taxen ergeben, und anderseits der Frachtbrief keine entgegenstehende Routenvorschrift des Absenders, gemäß den Vorschriften des Bundesgesetzes .betreffend den Transport auf Eisenbahnen und Dampfschiffen vom 27. März 1893, trägt.

,,Führt jedoch der kürzeste Weg ganz oder teilweise über Privatbahnstrecken, so kann bei normalen Beteiebsverhältnissen und gleichartiger Taxbildung sowohl die Bildung direkter Tarife, als auch die Leitung des Verkehrs über dieselben beansprucht werden, mit der in Alinea 4 hiernach enthaltenen Einschränkung, ,,Die Distanzen berechnen sich hierbei nach den wirklichen Entfernungen mit Ausnahme von Bahnstrecken, für. welche erhöhte Taxen bewilligt sind. Für letztere kommt ein entsprechender Distanzzuschlag in Ansatz.

.

.

,,Beträgt der Distanzunterschied der kürzesten Route zwischen «iner Bundesbahnstrecke und einer konkurrierenden Privatbahn .bei gleichartigen Betriebs- und TaxVerhältnissen nicht mehr als 10 Kilometer, so hat eine billige Teilung des Verkehrs stattr zufinden. Kann darüber eine Verständigung nicht erzielt werden, so entscheidet das schweizerische Bundesgericht.

,,Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch für alle nach dem internationalen Übereinkommen, über den Eisenbahnfrachtverkehr ausgeführten Transporte."·

214 Durch Annahme einer solchen Bestimmung würde der natürliche Grundsatz aufgehoben, daß der Frachtführer, dem ein Gut zur Beförderung übergebeu worden ist, dasselbe so weit selbst transportiert, als seine eigenen Transportmittel reichen. Es würde auch ein Einbruch in das System des internationalen Übereinkommens über Eisenbahnfrachtrecht gemacht, welches den Eisenbahnen das Recht der freien Instradierung wahrt, falls nur, wie im Entwurf des Bundesrates, die billigste Taxberechnung und die kürzeste Lieferfrist gewährt werden.

Der Antrag der Minderheit erscheint aber auch in seinen finanziellen Konsequenzen als durchaus unannehmbar. Dessen Annahme hätte zur Folge, daß jede Abkürzung der bestehenden Bundesbahnen durch eine bereits bestehende oder durch eine neu zu bauende Zwischenstrecke einer dritten Bahnunternehmung den ganzen Transitverkehr der Bundesbahn, die ihn bis jetzt besessen hat, entziehen würde. Bekanntlich beruht aber die Berechnung der finanziellen Resultate des Rückkaufs auf der Voraussetzung, daß die Verkehrsverhältnisse der Hauptbahnen im allgemeinen dieselben bleiben werden. Nur unter dieser Voraussetzung ist es zulässig, die im Tarifgesetz bei der Vereinheitlichung der Tarife in Aussicht genommenen Taxherabsetzungen zu gewähren und successive weitere Erleichterungen im Tarifwesen einzuführen. Wenn den Bundesbahnen gewaltsam ein erheblicher Teil des ihnen naturgemäß zukommenden Verkehrs und der betreffenden Einnahmen entzogen würde, wäre damit deren Thätigkeit für die volkswirtschaftlichen Interessen ganz wesentlich gelähmt.

Bei Annahme des reinen Prinzips der zwangsweisen Anwendung der kürzesten Linie müßte z. B. unter der Herrschaft dea heutigen Privatbahnsystems der ganze Güterverkehr Basel-BielWestschweiz ausschließlich über Delsberg geleitet werden und die Route über Ölten leer ausgehen, der Verkehr Olten-Aarau nacli Baden und weiter über Hellingen statt über die Hauptlinie via Brugg, der Verkehr vom Gotthard nach der Ostschweiz über die Südostbahn mit 50 %o Steigung statt über die Thallinie via ZugThalwil, der Verkehr von Aarau nach Luzern und weiter über eine Straßenbahn mit ungünstigen Betriebsverhältnissen via Hochdorf statt über Zofingen oder die aargauische Südbahn instradiert werden. Thatsächlich bestehen aber bezüglich dieser Verkehrsleitungen billige Ausgleiche und Verkehrsteilungen. Sodann würde volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigten neuen Abkürzungen gerufen. Eine künftige Wasserfallenbahn würde den ganzen Ver-

215

kehr Basel-Westschweiz an sich ziehen und den Bundesbahnen wegnehmen; wesentliche Verkehrseinbußen würde auch eine Schafmattbahn bedingen. Diese wenigen Beispiele dürften genügen, um nachzuweisen, daß die Annahme des starren Prinzips der kürzesten Linie für die Bundesbahnen geradezu ruinös wäre.

Dabei betrachten 'wir es als selbstverständlich, daß die Stellung der bestehenden Bahnen, die zur Zeit nicht verstaatlicht werden, nicht etwa durch unbillige Konkurrenzaufnahme verschlimmert werden soll. Vielmehr wird auch künftig wie bisher eine billige Verständigung stattfinden, welche bei Vereinbarung der Verkehrsteilungen dem Umstände Rechnung trägt, daß durch den Bestand und die Neuerstellung von Nebenbahnen den volkswirtschaftlichen Interessen des Landes gedient ist und je nach den Verhältnissen des einzelnen Falles auch für die Bundesbahnen eine Verkehrszunahme resultieren kann. Nur kann für die Regelung dieser Verhältnisse keine zwingende Formel aufgestellt werden.

Es darf auch nicht übersehen werden, daß die unbedingte Einhaltung der kürzern Linie durchaus nicht immer eine bessere und raschere Bedienung des Verkehrs bedeutet. Die durch eine Instradierung über die kürzeste Route veranlaßten Übergänge von einer Bahn zur ändern würden vielmehr öfter die Transporte erschweren. Unter der Voraussetzung der Erstellung der Wasserfallenbahn mit Fortsetzung nach Schönbühl hätte z. B. eine Unterbrechung der Güterbeförderung von Basel nach Bern einzutreten in Liestal, in Önsingen, in Solothurn und in Schönbühl an Stelle einer direkten Durchleitung Basel-Olten-Bern. Damit wäre dem verkehrenden Publikum nicht gedient. In sehr vielen Fällen wird die als Hauptbahn ausgerüstete Bundesbahn den Verkehr überhaupt auch auf einem Umwege besser bedienen können, als eine Nebenbahn mit beschränkter Leistungsfähigkeit.

Gerade die Verschiedenheit der Fälle macht es unmöglich, eine Formel zu finden, welche für eine billige Verkehrsteilung den konkurrierenden dritten Bahnlinien gegenüber als Regel dienen könnte. Von einer weitern Ausführung dieser Gesichtspunkte glauben wir um so eher Umgang nehmen zu können, da dieselben im Ständerate, auf dessen stenographisches Bulletin wir verweisen, sehr einläßlich erörtert worden sind. Aus diesen Gründen müssen wir dringend empfehlen, dem Art. 22 in der Fassung des Ständerates zuzustimmen.

Wir glauben hiermit dem Wunsche der Kommission des Nationalrates um Bekanntgabe unserer Auffassung entsprochen

216

zu haben, soweit es uns dermalen möglich ist, und ersuchen Sie, derselben unsere Vernehmlassung zur Kenntnis zu bringen.

Genehmigen Sie, hochgeachteter Herr Bundesrat, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 23. Januar 1901.

Für die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen : Der Präsident:

Weissenbach.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des E. C. Stoschich, von Agram, Kroatien, gegen den Regierungsrat des Kantons Glarus wegen Androhung der Kantonsverweisung und wegen des Verbotes der Ausübung des Apothekergewerbes im Kanton Glarus. (Vom 1.

Febr...

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1901

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

06

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

06.02.1901

Date Data Seite

198-216

Page Pagina Ref. No

10 019 496

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.