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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs der ,,Manufacture Anglo-Française d'Aciers et Outils Meyer & Cie." in Paris (Vertreter Ernest Paris, Advokat in Colombier) gegen den Entscheid des Justizdepartements des Kantons Neuenburg vom 5. Juni 1901, betreffend Eintragung der aufgelösten Kollektivgesellschaft ,,Duvanel & Juvet" in St. Sulpice in das Handelsregister.

(Vom 19. November 1901.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat

. über den Rekurs der ,,Manufacture Anglo-Française d'Aciers et Outils M e y e r & Cie." in Paris (Vertreter Ernest Paris, Advokat in Colombier) gegen den Entscheid des Justizdepartements des Kantons Neuenburg vom 5. Juni 1901, betreffend Eintragung der aufgelösten Kollektivgesellschaft ,,Duvanel & Juvet" in St. Sulpice in das Handelsregister, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Valentin Duvanel und Numa Juvet, beide in St. Sulpice, vereinigten sich am 1. November 1900 versuchsweise zu einer

921 Kollektivgesellschaft und betrieben von da an unter der Firma ,,Duvanel
II.

Unterm 9. Mai 1901 stellte Ernest Paris, Advokat in Colombier, namens der Firma ,,Manufacture Anglo-Française d'Aciers et Outils Meyer & Cie.a, 8,, Rue d'Enghin in Paris, beim Handelsregisterbureau des Bezirks Val-de-Travers in Moders das Begehren, die Firma ,,Duvanel & Juvet a sei zur Eintragung in das Handelsregister aufzuforden und nötigenfalls von Amtes wegen einzutragen.

Die Herren Duvanel & Juvet weigerten sich, der infolgedessen an sie ergangenen Aufforderung Folge zu leisten, da die Gesellschaft bereits aufgelöst sei. Das Handelsregisterbureau von Môtiers gab daraufhin seiner Aufforderung keine weitere Folge und eröffnete dies dem Impetranten.

Mit Gesuch vom 18. Mai erneuerte Herr Paris sein Begehren, worauf das Handelsregisterbureau die Angelegenheit der kantonalen Aufsichtsbehörde, dem Justizdepartement des Kantons Neuenburg, zum Entscheid unterbreitete.

III.

Das Justizdepartement des Kantons Neuenburg verfügte darauf am 5. Juni : ,,Eine Gesellschaft ,,,,Duvanel & Juvet au kann nicht in das Handelsregister eingetragen werden.a Diese Verfügung stützt sich auf folgende Erwägungen: a. Das Eintragsbegehren stützt sich auf eine von der Firma Duvanel & Juvet gemäß Originalbestellzettel vom 4. Februar 1901 dem Hause Meyer & Cie. gemachte Bestellung.

b. Nach der Erklärung des Valentin Duvanel hat derselbe in der Zeit vom 1. November 1900 bis zum 1. April 1901 versuchsweise in einem Gesellschaftsverhältnis gestanden, das nun aber aufgelöst ist.

922 e. In ihrem Bericht an das Justizdepartement des Kantons Neuenburg vom 1. Juni 1901 bescheinigt die Gemeindebehörde von St. Sulpice, daß die Herren Duvanel & Juvet seit ungefähr einem Monat nicht mehr associert seien und ihre Ateliers wieder getrennt betreiben.

d. Die Gesellschaft ,,Duvanel & Juvet a war zur Zeit ihres Bestehens allerdings zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet; aber für die Entscheidung der Frage, ob eine Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister verhalten werden könne, darf man sich nicht auf vergangene Verhältnisse stützen ; maßgebend ist vielmehr lediglich die Gegenwart, denn das Gesetz verlangt den effektiven Betrieb eines zur Eintragung verpflichteten Gewerbes (Rekursentscheid des Bundesrates vom 24. Mai 1901 in Sachen Cerutti).

IV.

Mit Eingabe vom 11. Juni 1901 rekurriert hiergegen Advokat Ernest Paris namens der Firma Meyer & Cie. an den Bundesrat und stellt das Begehren, ,,es sei die Verfügung des Justizdepartements des Kantons Neuenburg vom 5. Juni 1901 aufzuheben und die Eintragung der Firma ,,,,Duvanel & Juvet tta , montage de boîtes, in St. Sulpiee in das Handelsregister als Kollektivgesellschaft von Amtes wegen anzuordnen'1.

Zur Begründung wird folgendes geltend gemacht: 1. Es ist außer Zweifel und vom neuenburgischen Justizdepartement in seiner Verfügung formell zugegeben, daß die Gesellschaft unter der Firma ,,Duvanel & Juvet tt seiner Zeit zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet war. Zu prüfen ist nur noch, ob sie trotz ihrer seitherigen Auflösung, die nach den Angaben des Gesellschafters Duvanel auf den 1. April 1901, nach dem Bericht der Gemeindebehörde von St. Sulpice ungefähr auf Anfang Mai 1901 erfolgte, noch zur Eintragung verhalten werden könne.

Daß die Gesellschaft in dem Augenblick, als sie der Manufacture Anglo-Française Meyer & Cie. in Paris eine Bestellung machte, am 4. Februar 1901, zur Eintragung verpflichtet war, ist festgestellt. Sie war dies um so mehr, als die Gesellschaft bereits am 1. November 1900 begonnen hatte.

2. Wenn die Eintragung stattgefunden hätte, so wäre die ·Gesellschaft auch nach einer eventuellen Streichung im Handelsregister noch weitere sechs Monate nach der im Handelsamtsblatt ·erfolgten Publikation dieser Streichung der Konkursbetreibung

923 unterworfen (Art. 40 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs). Was aber für eine ordnungsmäßig eingetragene Gesellschaft gilt, sollte auch für eine zur Eintragung verpflichtete Gesellschaft maßgebend sein, welche, aus welchem Grunde es sei, der Verpflichtung zur Eintragung nicht nachgekommen ist.

3. Es geht nicht an, daß einer Unterlassung wegen eine Gesellschaft den Wirkungen des Art. 40 des Betreibungsgesetzes ·entzogen wird, während eine Gesellschaft, die ihre Verpflichtungen richtig erfüllt hat, strenger behandelt wird, indem sie dem citierten Art. 40 unterworfen ist. 'Es wäre eine offenbare Ungerechtigkeit, ·das Gesetz nicht gleichmäßig auf beide anzuwenden. Auf diesem Boden stehend und als Vertreter der Ansicht, daß sich die Herren Duvanel & Juvet nicht hinter eine formelle Unterlassung verschanzen können, um den Wirkungen gesetzlicher Bestimmungen zu entgehen, welche Dritte so gut als möglich schützen wollen, wie diejenige des Art. 564 des Obligationenrechts, welche die solidarische Haftbarkeit der Gesellschafter statuiert, oder diejenige des Art. 40 des Betreibungs- und Konkursgesetzes, welche die Betreibung auf Konkurs noch während sechs Monaten nach erfolgter Publikation der Löschung im Handelsregister gestattet, sind die Rekurrenten der Ansicht, daß die Firma ,,Duvanel & Juvet a in das Handelsregister eingetragen werden müsse. Es steht dabei den Gesellschaftern frei, die Löschung sogar unmittelbar nach der Eintragung zu veranlassen, aber dann sind die Rechte Dritter doch respektiert und geschützt, da die Bestimmungen des Art. 40 des Betreibungsgesetzes noch Anwendung finden können.

Die Rekurrenten beanspruchen also das Recht, noch spätestens sechs Monate nach der Auflösung einer an sich eintragspflichtigen Gesellschaft deren Eintragung von Amtes wegen zu verlangen.

V.

Das Justizdepartement des Kantons Neuenburg beantragt Abweisung des Rekurses. Es verweist dabei in der Hauptsache auf die Erwägungen seiner angefochtenen Verfügung und macht weiter geltend, daß die Rekurrenten die Eintragung der Firma Duvanel & Juvet hätten verlangen können und sollen, als die-0 selbe noch existierte. Sie seien damals von der Existenz dieser Gesellschaft unterrichtet gewesen, da sie ja eine Bestellung bei ihr aufnahmen, während die Registerbehörden damals noch keine Kenntnis vom Bestehen, der Firma hatten.

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Die Herren Duvanel & Juvet, denen der Rekurs zur gutfindenden Rückäußerung mitgeteilt wurde, verlangen ebenfalls Abweisung; des Rekurses, ohne daß sie neue Gesichtspunkte aufdeckten.

B.

In rechtlicher Hinsicht fällt in Betracht: I.

Es ist zuerst zu untersuchen, ob für eine aufgelöste Kollektivgesellschaft die Eintragspflicht fortbestehen kann.

Das Justizdepartement des Kantons Neuenburg führt al» Präcedenzfall den Entscheid des Bundesrates vom 24. Mai 1901 in Sachen Cerutti an.

Allerdings muß daran festgehalten werden, daß man sich bei Beurteilung der Frage der Eintragspflicht nicht auf vergangene Verhältnisse stützen darf, sondern daß lediglich die im Zeitpunkte der Eintragung bestehenden maßgebend sind.

Allein die Verhältnisse im Falle Cerutti sind nicht dieselben wie bei Duvanel & Juvet. Im Falle Cerutti handelte es sich um eine Einzelfirma; für eine solche hört die Eintragspflicht sofort auf, wenn der Geschäftsbetrieb aufgegeben wird. Im Momente des Aufhörens des Geschäftsbetriebes kann die Löschung der Einzelfirma vorgenommen werden, und von diesem Zeitpunkte an kann auch die Eintragung nicht mehr erzwungen werden, falls die Firma nicht eingetragen gewesen sein sollte. Ob die geschäftlichen Verbindlichkeiten liquidiert seien oder nicht, ist daher gleichgültig, denn bei der Einzelfirma sind Inhaber und Firma ein und dasselbe Rechtssubjekt, und juristisch existiert kein gesondertes Vermögen.

Bei der Kollektivgesellschaft ist dies anders. Hier existieren zweierlei Vermögen, das Gesellschafts vermögen und die Privatvermögen der Gesellschafter. Bevor das Gesellschaftsvermögen, zu dem nicht bloß Aktiven, sondern auch Passiven gehören, nicht liquidiert ist, ist die Gesellschaft thatsächlich noch nicht aufgelöst, und die Firma kann im Handelsregister nicht gelöscht werden. Die Löschung ist erst nach beendigter Liquidation zulässig. Dies ist vom Bundesrate schon im Jahre 1885 festgestellt worden (Geschäftsbericht pro 1885, Bundesbl. 1886, Bd. I, S. 255 ; Schweiz. Handelsamtsbl. Nr. 24 vom 11. März 1886, S. 174; Siegmund, Handbuch für die Schweiz. Handelsregisterführer^

925 S. 221/222). Auch ein Konkurs gegen eine ,,aufgelöste" Kollektivgesellschaft ist noch denkbar (vgl. Zeitschrift des hern. Juristenvereins Bd. XXXVI, 8. 110).

Und solange eine Kollektivgesellschaft nicht liquidiert ist, muß auch ihre Eintragung in das Handelsregister erzwungen werden können, wenn unterlassen worden war, die Eintragung vorzunehmen. Die Eintragspflicht besteht fort, so lange die Liquidation der Gesellschaft nicht vollständig durchgeführt worden ist.

Es kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, ob ein Dritter, welcher zur Zeit des Bestehens der Eintragspflicht es unterlassen hat, die Eintragung des Pflichtigen zu bewirken, nach Wegfall der die Eintragspflicht begründenden Thatsachen die Eintragung beantragen darf, um nachträglich die betreibungsrechtlichen Folgen herbeizuführen, d. h. zu erzielen, daß der Eingetragene der Konkursbetreibung unterliegt, und zwar auch noch sechs Monate nach der Löschung der Eintragung (Art. 40 des Betreibungs- und Konkursgesetzes).

II.

Es kann sich daher nur noch fragen, ob die Kollektivgesellschaft, welche unter der Firma ,,Duvanel & Juvet a in St. Sulpice bestanden hat, zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet war und, wenn ja, ob ihre Liquidation beendigt sei.

a. Die Herren Duvanel & Juvet hatten die Gesellschaft gegründet zum Zwecke der Montage von Uhrenschalen, also zum Betriebe eines Fabrikationsgeschäftes. Da sie dies Geschäft unter gemeinsamer Firma betrieben und die Namen beider Gesellschafter in die Firma aufgenommen wurden, so handelt es sich zweifellos um eine Kollektivgesellschaft (vgl. Art. 552, Absatz l, und Art. 869 und 871 des Obligationenrechts), was übrigens von den beiden Gesellschaftern nicht bestritten wird. Kollektivgesellschaften zum Zwecke des Betriebs eines Fabrikationsgeschäftes müssen aber gemäß Art. 552, Absatz 2, des Obligationenrechts in das Handelsregister eingetragen werden.

b. Wie sich aus den Akten ergiebt, möchten die Rekurrenten gegen die Firma Duvanel & Juvet eine geschäftliche Forderung geltend machen. Diese Forderung ist bestritten und ihre Rechtsgültigkeit muß auf dem Wege des Prozesses erwahrt werden.

Das Vermögen der Gesellschaft ,,Duvanel & Juveta ist demnach noch nicht völlig liquidiert; die Liquidation kann erst dann Bundesblatt. 63. Jahrg. Bd. IV.

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926 als beendigt betrachtet werden und erst dann darf die Firma ,,Duvanel & Juveta im Handelsregister gelöscht werden, wenn auch die Forderung der Rekurrenten, sei es durch Bezahlung, sei es infolge richterlicher Abweisung des Anspruches, getilgt ist. Inzwischen aber muß die Firma im Handelsregister eingetragen sein.

Demnach wird e r k a n n t : Der Rekurs wird für begründet erklärt; die angefochtene Verfügung des Justizdepartements des Kantons Neuenburg wird daher aufgehoben, und die Firma ,,Duvanel & Juvet a in St. Sulpico ist von Amtes wegen in das Handelsregister einzutragen.

B e r n , den 19. November 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

-S=x*

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20.11.1901

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920-926

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