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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Glaus, Manövristen der schweizerischen Centralbahn, in Bern.

(Vom 15. November 1901.)

Tit.

Petent wurde durch Urteil des korrektionellen Gerichtes von Bern am 7. März 1901 schuldig erklärt der Beschädigung und Gefahrdung eines Eisenbahnzuges, leichtsinniger oder fahrlässiger Weise begangen durch Nichterfüllung von Dienstvorschriften, und in dieser ersten Instanz verurteilt zu einem Tag Gefängnis und zur Bezahlung von Fr. 20 Untersuchungskosten. Er richtete mit Eingabe vom 16. März an den Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung das Gesuch, daß ihm die Strafe von einem Tage Gefängnis auf dem Wege der Gnade erlassen werden möchte.

Nach Eingang des Urteils legte indessen der Bundesrat gegen dasselbe Berufung ein wegen Verletzung des Art. 67 b des Bundesstrafrechtes, nach welchem das Vergehen fahrlässiger Eisenbahngefährdung in allen Fällen mit Gefängnis v e r b u n d e n mit G e l d b u ß e bestraft werden soll. Die eidgenössische Behörde beantragte, die Strafe des Glaus zu erhöhen auf l Tag Gefängnis und Fr. 30 Geldbuße. Am 15. Mai 1901 gab die Polizeikammer des Appellations- und Kassationshofes des Kantons Bern der Appellation insoweit Folge, als sie zu der erstinstanzlich verhängten Strafe noch eine Geldbuße von Fr. 5 hinzufügte.

916 Der Verteidiger des Petenten hat sich nicht veranlaßt gesehen, das Begnadigungsgesuch mit Rücksicht auf die neue Sachlage abzuändern.

Die Fahrlässigkeit des Petenten Glaus bestand darin, daß er während eines im Bahnhof Bern ausgeführten Rangiermanövers, bei welchem zwei mit Langholz beladene sogenannte Schemelwagen von einem Zugsteile in ein anderes Geleise ^abgestoßen"1 wurden, entgegen bahndienstlicher Vorschrift die ihm obliegende Pflicht versäumte, die abgestoßenen, nicht mit andern Fahrzeugen zusammengekuppelten Wagen, durch Anziehen der Bremse oder durch Verkeilen vor weiteren Bewegungen zu sichern. Dies hatte zur Folge, daß sich die Schemelwagen, nachdem Glaus sie verlassen, aus unbekannter Ursache von ihrem Standort wieder fortbewegten und an eine Stelle gelangten, wo ein in Bewegung befindlicher Rangierzug mit ihnen kollidierte. Es befanden sich auf dem Rangierzuge Bahnbedienstete, darunter Glaus selbst, welche indessen keine Verletzungen erlitten. Der Materialschaden betrug cirka Fr. 600.

Die Appellationsinstanz begründet die Ansetzung einer Buße von bloß Fr. 5 damit, daß der Angeschuldigte sich der ihm vorgeworfenen Unterlassung des Bremsens schuldig gemacht habe, um möglichst schnell der Rangiermaschine nachzueilen; weil er ferner noch nicht vorbestraft und gut beleumdet sei und weil endlich der Unfall an sich angesichts des nicht bedeutenden Schadens nicht als ein schwerer bezeichnet werden könne. Auch sei nicht außer acht zu lassen, daß die ihm auferlegte Disciplinarbuße von Fr. 4 für einen Mann von der socialen Lebensstellung des Angeschuldigten bereits fühlbar sei.

Die Bundesversammlung hat in neuerer Zeit mehrfach den Begnadigungsgesuchen solcher Personen, die wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung zu Gefängnis und Geldbuße verurteilt worden waren, wenigstens darin entsprochen, daß die Freiheitsstrafe erlassen wurde und es liegt ein Entwurf des Bundesrates in Beratung, durch welchen mittelst Revision des Art. 67 b des Bundesstràfrechts dem urteilenden Richter die Möglichkeit gegeben werden soll, dieses Vergehen bloß mit Geldbuße zu bestrafen. Immerhin wird auch nach der Revision des Gesetzes Gefängnisstrafe nicht ausgeschlossen sein und sollte stets auf die Umstände des einzelnen Falles Rücksicht genonfmen und nicht aus dem Auge verloren werden, daß es sich beim Eisenbahnbetrieb um ganz besonders schwere Gefährdung .von Menschen und von Eigentum handelt. Jedenfalls dürfte es nicht angehen, dann eine Milderung

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der Strafe wirklich Schuldiger eintreten zu lassen, wenn dadurch die Sühne für ein solches Vergehen auf das Maß einer bloßen leichten Ordnungsbuße reduziert würde. Dies wäre aber für Glaus ·der Fall bei Aufhebung der mit nur Fr. 5 Geldbuße verbundenen eintägigen Gefängnisstrafe.

Die Thatsache, daß Glaus für das nämliche Vergehen von der Bahnverwaltung disciplinarisch mit Fr. 4 bestraft wurde, ist ohne Einfluß auf das Schicksal des Begnadigungsgesuches, weil sie schon vom Richter bei Ausmessung der Geldbuße berücksichtigt wurde und weil auch die Zusammenrechnung der beiden =Geldstrafen nur eine ganz geringfügige Summe ergiebt.

Wir stellen deshalb bei Ihrer hohen Versammlung den .Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Johann Glaus abzureisen.

B e r n , den 15. November 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Glaus, Manövristen der schweizerischen Centralbahn, in Bern. (Vom 15.

November 1901.)

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