^48 ^ #ST#

Aus den Verhandlungen der schweiz. Bundesversammlung.

Am 4. Juli 1859 ist die schweiz. Bundesversammlung zur ordentGlichen Session zusammengetreten. Die Präsidenten beider Räthe hielten Ansprachen an die Versammlung, und zwar : a. Der Präsident des Nationalrathes.

Tit.!

Es ist die ordentliche Sizung des Jahres 1859, zu welcher wir uns .heute versammeln und zu welcher ich Sie, Tit., willkommen heiße.

Das Geschäftsverzeichniß, das sich in Jhren Händen befindet, enthält .eine Reihe lausender Traktanden , welche das Gepräge eines ruhigen Geschäftsganges und einer durch keine außergewöhnlichen Einflüsse berührten, .friedlichen Entwikelnng an sich tragen. Und doch, Tit., irre ich wol nicht, .wenn ich vorausseze, daß Jeder von uns stch die Frage stellt, ob diese .Ruhe nicht gestört werden und ob nicht auch für nnfer Vaterland die ungewisse Zukunft trübe Geschike in ihrein Schoße bergen dürfte. Als die .außerordentliche Bundesversammlung sich vertagte , da hatten die kriegemischen Bewegungen jenseits der Alpen kaum erst begonnen. Seitdem sind die eisernen Würfel gefallen; folgenschwere Ereignisse haben stattgefunden.

Aber der Bundesrath kam nicht in den Fall, von den ihm ertheilten .außerordentlichen Vollmachten einen ausgedehnten Gebrauch zu machen; der Kampf. so nahe er auch an unfern südlichen Gränzen vorbeizog, ließ diese dennoch unberührt, und unsere Wehrmänner. welche in gewissenhafter Hand.habung der schweizerischen Neutralität gute Gränzwache hielten, konnten zum größern Theil wieder entlassen werden , ohne daß das Vaterland in die Lage gekommen wäre, das Schwerste von ihnen zu fordern.

Ob der weitere Gang der Ereignisse uns eben so wenig berühren, ob der Gewittersturm, der sich auch auf andern Seiten aufzuhäufen droht, fich wieder verziehen oder ob er an unfern Marken anprallen wird , -.wer vermöchte dieß vorher zu sagen.. - Das aber können und wollen wir heute schon fest und bestimmt aussprechen, daß die kommenden Ereignisse, in welcher Art und von welcher Seite sie auch an unser Vaterland herantreten mögen, ein einig Volk finden werden, sest entschlossen, seine nationale .Unabhängigkeit zu wahren und kein Opfer zur Erreichung dieses Zwekes zu scheuen.

Und diese Opfer , das dürfen wir uns nicht bergen , können groß werden. Lastet doch schon gegenwärtig, wo wir noch friedliche Zuschaiier find, der Druk der Zeit schwer auf allen Verhältnissen. Denn wenn auch der Kampf der Waffen sich für einmal noch inner gewisse Gränzen bannen ließ, so hat doch auf dem volkswirtschaftlichen Gebiete der ververbliche Einfluß des Kriegs schon längst die Wirkungen nach . allen Seiten ausgedehnt. Wohlstand und Vertrauen find erschüttert, und auch

,.

^

1^

die im Frieden befindlichen Volker machen die bitter^ Erfahrung, daß es in unserer Zeit im großen ^Reiche der materiellen Jnteressen keine Lokalistrung des Krieges^.. gibt.

Hoffen wir, unsere Schweiz werde aueh diese Probe mit Ehren bestehen; vertrauen wir, unfer.Volk werde opferbereit und opferfreudig sein, wenn auch noch Größeres von ihm gefordert werden sollte.

Jnzwischen wollen wir, Tit., fleißig iind unverdrossen die uns vorgelegten Geschäfte erledigen und nach beßten Kräften die Werke des Friede.ns fördern. Eine Frage nämlich, diejenige der Lostrenniing Tessins und einiger Gemeinden Graubündens von den ioinbardisch^n Bisthüinern dürste Jhre Aufmerksamkeit in besondere Maße in Anspruch nehmen. Wenn im Uebrigen die uns zur Beratung vorliegenden Traktanden keine Gegenstände von besonders hervorragender Bedeutung umfassen , fe.. lassen Sie uns nicht vergessen, daß ^ wir namentlich in sorgsamer und gewissenhafter Behandlung der ^verschiedenen Zweige der Staats.. und Volkswirtschaft und im bundesgemäßen Fortbin unserer freisinnigen .^nftitutioneii die Oiielle dauernden Voekwohls und gedeihlicher Entwikeiung unserer öffentlichen Zu^stände suchen und finden müssen.

.^iim Schlnsse, Tit., sei es mir erlangt, einen eidgenössischen Gruß hinüber zu senden nach Zürich, wo das schweizerische Schüze.npan..er auf-

gepflanzt ist. Möge das schöne Fest, in den gegenwärtigen Tagen ein Fest der Freude und ein Fest des Ernstes zugleich. sich glüklich anreihen an seine Vorgänger .und laut und freudig Zeugniß geben dafür, daß im ganzen Schweizervolke nur ein Geist und ein ^itle l e b t ; jener Geist der Selbstständigkeit und jener Wille. sie ungeschmälert zu erhalten . welchen auch die Vertreter des Schweizervolkes in diesen Saale prokla.ui^ haben .

Jch erkläre die außerordentliche ^Siznng des Natio^ialr...^s für geschloffen, die ordentliche Session des Jahres 1^5.) als eröffnet. . .

b. Der Präsident des Ständerathes.

Tit.!

Jn Folge Einladung des Bundesrathes treten w.r heute zu unserer ordentlichen Jahressizung zusammen. Jn unserer lezten außerordentlichen Session hatten wir uns mit der Stellung und den Maßnahmen der Schweiz in Rüksicht aus den Krieg. welcher an ihren Gränzen auszubrechen drohte,

zii beschäftigen. Die Stellung, welche die Schweiz für sich vindieirte. war diejenige einer allseitigen und unparteiischen Neutralität. Der Krieg ist seither an unfern Gränzen entbrannt; gewaltige Kämpfe habenstattgefunden; allein nicht nur ist bis jezt uns^r Vaterland von den Leiden des Krieges verschont geblieben, sondern es sind f^bst die Opfer, welche un.^ die Behauptung unserer Neutralität nothw^ndig auferlegte, viel geringer gewefen, als man erwarten niußte. Die militärifchen Aufgebote waren bisher verhältnißniäßig gering, und konnten in der lezteu Zeit, in Folge der Entfernung des Krieges von unfern Gränzen, noch bedeutend vermindert wer^

Bundesblatt. Jahrg. XI. Bd.^I.

.l2

1^ den. Man hatte befürchtet, es durften uns aus dem Uebertritte .^ Theilen der kriegführenden Heere auf neutrales Gebiet Verlegenheiten und Kosten erwachsen; auch dieser Punkt ist aber durch Uebereinkunft mit den betheiligten Staaten in der Weife geordnet worden , daß der Schweiz dießsalls keine neue Last auffällt.

Die Art und ...^eise. wie der Bundesrath unsere Neutralität bisdahin gewahrt , hat denn auch die volle Anerkennung nicht nur der kriegführenden Theile, sondern auch der übrigen neutralen Staaten Europas erhalten. Die Schweiz .steht dermalen mit allen benachbarten Staaten in den freundschaftlichsten Beziehungen. Die einzige Wolke, welche hier in lezter Zeit den politischen Horizont etwas getrübt hat.^ ist die Mißstimmung

eines ^Theils des italienischen Volkes gegen die Schweiz, in Foige des Auftretens der fälschlich als Schweizertruppen bezeichneten F x e m d e n r e g i m e n t e r in den römischen Staaten; es darf jedoch mit Znversicht erwartet .werden, daß diese Mißstimmung sich legen wird, sobald^ das Mißverstände niß , aus dem sie beruht. gehoben ist. Jene Frerndenregimenter bestehen nach amtlichen Ermittlungen zu zwei Drittheilen aus Nichtfchweizern; die Schweiz hat zudem überhaupt keine Truppen mehr in fremden Diensten ; im Gegentheil sind alle Werbungen für solche Dienste Seitens der neuen Bundesbehörden verboten worden ; und wenn daher, in Befolgung der von srühern Regierungen gepflegten Unfitte des Reislaufens, Einzelne sich dennoch, entgegen diesem Verbote, in ausländische Kriegsdienste begeben, so thun fie dieß auf ihre eigene Verantwortlichkeit, und ungerecht wäre es, die Schweiz hiesür verantwortlich machen zu wollen.

Hoffen wir daher, daß auch^ gegenüber J t a l i e n die sriihern guten Beziehungen bald wieder hergestellt sein werden. Gott gebe, daß unserem Vaterlande fernerhin der Frieden bewahrt und dasselbe von den Leiden des Krieges verschont bleibe.

Jch erkäxe die ordentliche Session des Ständerathes als eröffnet.

Jm N a t i o n a l r a t h e wurde gewählt zum Präsidenten:

Herr Friedrich Perser im H o f , hausen.

von und in Schaff-

,, Vizepräsidenten: Herr I..r. J. B. W e d e r , von Oberried, in ..^ Gallen..

zu ^Stimmenzahlern : Herr Joh. Georg K r e i s , von und in Zihlschlacht (Thurgau).

... Franz W i r z , von und in Sarnen (Obwalden^.

,, 1..^. Samuel F r e ^ , von und in Gontenschw...i (Aargau).

,, Kaspar L a t o u r , von und in Brigels (Grau.finden).

.

Der S t ä n d e r a t h wählte zu seinem

Präsidenten: Herrn François B ri a t t e , von Echichens , lu Lausanne.

,, ,, Vizepräsidenten: ,, Emil W e l t i , von Zurzach, in Aarau.

zu seinen Stimmenzählexn : ,, Niklaus H e r m a n n , von .und in Sachsel... (Obwalden).

,, Jules Philippin, von und in Neuenburg.

Jm N a t i o n a l r a t h ist als neugewähltes Mitglied erschienen: Herr Rathsherr Peter Jen n..,, von und in Schwanden, Kts. Glar.us. gewählt

am 15. Mai im .^Vlll. eidg. Wahlkreise an der Stelle des

Herrn Landesstatthalters Kafpax Jenn... von Ennenda.

Jin S t ä n d e r ä t h e erschienen als neugewählte Mitglieder: für Schaffhausen: Herr Hans v. Z i e g l e r , Oberrichter, von und in Schaffhausen.

,, Hieronimus Murbach, Kantonsrichter, von Gäch.

lingen, in Schaffhausen.

,, Graubünden: Herr J. Barth. Easlisch, Regierungsstatthalter, von Trins, in Ehur.

,, Wallis : Herr.Jgnaee Z e n - R u f s i n e n , Regierungsstatthaltex, vou und in Leuk.

.. Joseph Zerma.tten. Großxath, von und in Sion.

#ST#

Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

(Vom 27.^ Juni 1859.)

Jn Folge eines Aufrufes der Mailänder an die Teffiner hat der Bundesrath an die Regierung von Teffin nachstehendes Schreiben erlassen :

Tit.!.

,,Wir haben die Ehre, Jhnen abschriftlich eine Proklamation einzu..

begleiten, welche am 24. dieß in Mailand angeschlagen war und in welcher die Bevölkerung des Kantons Tessin zum Hochverrathe angefordert und eingeladen wird, sich von der Eidgenossenschaft zu trennen nnd Jtalien sich anzuschließen. Wir haben eine zu gute Meinung sowol von der Jn..

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Aus den Verhandlungen der schweiz. Bundesversammlung.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1859

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

32

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.07.1859

Date Data Seite

148-151

Page Pagina Ref. No

10 002 802

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.