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Schweizerisches Bundesblatt

53. Jahrgang. IH.

Nr. 29.

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17. Juli 1901.

Bundesgesetz betreffend

Versicherung der Militär perso ne n gegen Krankheit und Unfall.

(Vom 28. Juni 1901.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 18, Lemma 2, und des Art. 34bls der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 ; nach Einsicht von Botschaften des Bundesrates vom 28. Juni 1898 und vom 16. Juni 1900, beschließt:

A. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Der Bund versichert nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen die Militärpersonen gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheiten und Unfällen.

Für die dem Bund aus der Versicherung erwachsenden Kosten steht ihm ein Rückgriffsrecht gegenüber den Kantonen zu, wenn der Dienst ausschließlich im kantonalen oder lokalen Interesse angeordnet wurde. Über bezügliche Anstände zwischen Bund und Kantonen entscheidet die Bundesversammlung endgültig.

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966 Art. 2. Die Versicherung gegen Krankheit und Unfall erstreckt sich auf: 1. die im Militärdienst stehenden Wehrmänner aller Grade ; 2. die mit Missionen zu fremden Armeen betrauten Offiziere ; 3. das Instruktionspersonal; 4. die Divisions-Waffencontroleure, deren Stellvertreter und Gehülfen; 5. die Beamten, die Sicherheitswächter und die übrigen Angestellten der Festungswerke ; 6. die Bereiter, Pferdewärter, Fahrer und Schmiedmeister und deren Gehülfen bei der Pferderegieanstalt und dem Kavalleriereniontendepot ; ·7. im Kriegsfalle das Sanitätspersonal der schweizerischen Hüll'sgesellschaften, welches organisiert und unter .militärische Befehle gestellt ist.

Art. 3. Der Bund versichert gegen die wirtschaftlichen Folgen derjenigen Unfälle, von welchen sie während ihrer dienstlichen Verrichtungen betroffen werden: ; 1. die Kreiskommandanten und die Sektionschefs für die Zeit ihres Dienstes bei den Rekrutierungen und Waffeninspektionen ; 2. die für die Aushebung und die Rekrutierung vom Bunde bestellten Offiziere, pädagogischen Experten und Sekretäre ; 3. die Civil-Offiziersbedienten ; 4. die von einer Truppe in Dienst genommenen und vom Bunde besoldeten Civilarbeiter.

Art. 4. Der Bund versichert gegen die wirtschaftlichen Folgen derjenigen Unfälle, von welchen sie während den Übungen getroffen werden:

967 1. die der Armee angehörigen Mitglieder der freiwilligen Schießvereine und die Mitglieder der Schießkommissionen ; 2. die Teilnehmer am militärischen Vorunterricht; 3. die bei den Schießübungen der freiwilligen Schießvereine und des militärischen Vorunterrichts als Zeiger funktionierenden Personen.

Art. 5. Die Bundesversammlung kann die Versicherung nach Art. l auch auf andere als die in den Art. 2, 3 und 4 vorgesehenen, im Dienste stehenden Personen ausdehnen.

Art. 6. Bei den gemäß Art. 2, Ziffern l, 2, 4 und 7, gegen Unfälle und Krankheiten Versicherten erstreckt sich die Versicherung: a. auf Krankheiten und Unfälle, von welchen sie während der Dauer des Dienstes oder der dienstlichen Verrichtungen, b. auf Krankheiten und Unfälle, von denen sie beim Einrücken in den Dienst oder bei der Rückkehr aus demselben betroffen werden, vorausgesetzt, daß das Einrücken, beziehungsweise die Rückkehr, in angemessener Frist vor Beginn, beziehungsweise nach Schluß, des betreffenden Dienstes oder der dienstlichen Verrichtung erfolgt ; c. auf Erkrankungen, welche eine Folge gesundheitsschädlicher Einwirkungen während der hiervor angegebenen Zeitdauer sind und innert drei Wochen nach Ablauf dieser Zeitdauer durch einen patentierten Arzt konstatiert werden.

Für die in Art. 2, Ziffern 3, 5 und 6, bezeichneten Versicherten gilt als Dienstdauer die Zeit vom Beginn ihres Anstellungsverhaltnisses bis zu dessen Ablauf.

968 Art. 7. Erkrankungen und Unfallfolgen, welche nicht innert drei Wochen seit Schluß des betreffenden Dienstes oder der dienstlichen Verrichtung durch einen patentierten Arzt konstatiert worden sind, finden nur dann Berücksichtigung, wenn ihr ursächlicher Zusammenhang mit dem Dienste sicher oder sehr wahrscheinlich ist und wenn die Anzeige an den Oberfeldarzt spätestens innert Jahresfrist nach der gesundheitsschädlichen Einwirkung erfolgt.

Art. 8. Derjenige, welcher bei Beginn der Versicherungsdauer bereits krank ist, besitzt keinen Anspruch auf Leistungen seitens der Militärversicherung.

Wenn jedoch ein Wehrmann, welcher krank in den Dienst einrückt, die Krankheit spätestens beim Diensteintritt anmeldet und nicht sofort entlassen wird, so besitzt er Anspruch auf kostenfreie Verpflegung und Behandlung oder Spitalursatz, sowie während der Dauer des betreffenden Dienstes auf den Gradsold.

Art. 9. Solange der Erkrankte oder Verletzte bei der Truppe behandelt wird, hat er keinen Anspruch auf Leistungen der Militärversicherung.

Art. 10. Jeder Versicherte ist zur sofortigen Anmeldung einer ausbrechenden Krankheit und eines ihm zugestoßenen Unfalles auf dem Dienstwege, sowie zu wahrheitsgetreuen und vollständigen Angaben über seinen körperlichen Zustand gegenüber den Vorgesetzten verpflichtet, ansonst er, unvorgreiflich der strafrechtlichen Ahndung, der Leistungen der Militärversicherung verlustig geht.

Die gleiche Verpflichtung für den Versicherten besteht insbesondere für den Zeitpunkt des Dienstaustrittes.

Art. 11. Wenn eine Krankheit oder ein Unfall durch grobe Fahrlässigkeit, durch ein Vergehen, durch Arglist

969 des Versicherten oder durch Zuwiderhandlung gegen dienstliche Vorschriften oder Befehle seitens des Versicherten entstanden sind, so kann dieser oder es können seine Hinterlassenen ganz oder teilweise der Ansprüche an die Krankenoder Unfallversicherung verlustig erklärt werden.

Von diesen Einschränkungen kann Umgang genommen werden, wenn die Krankheit oder der Unfall die Folge des Verhaltens des Versicherten vor dem Feind ist.

Art. 12. Wenn ein Versicherter wider besseres Wissen entweder eine gar nicht oder nicht mehr bestehende Krankheit vorschützt oder durch einen Unfall einen bleibenden körperlichen Nachteil erlitten zu haben behauptet, welcher gar nicht oder in erheblich geringerm Maße vorhanden ist, oder gar nicht durch den behaupteten Unfall verursacht wurde, so wird er, gleichviel ob er durch sein wissentlich falsches Vorbringen Leistungen der Militärversicherung erwirkt oder nur zu erwirken versucht hat, wegen Betrugs oder Betrugsversuchs dem Strafrichter überwiesen. In leichtern Fällen findet disciplinarische Bestrafung statt.

Hat der Versicherte durch sein wissentlich falsches Vorbringen Leistungen oder Mehrleistungen der Militärversicherung erwirkt, so können er und seine Erben außerdem, jeder Erbe jedoch nur bis auf den Betrag seines Erbteils, zur gänzlichen oder teilweisen Rückerstattung des zu viel bezahlten Betrages verhalten werden.

Art. 13. Stellt es sich heraus, daß ein Versicherter schon beim Beginn der Versicherungsdauer krank war, so kann mit Bezug auf eine solche Krankheit jede weitere Leistung eingestellt werden. Im Fall arglistigen Verschweigens kann außerdem bereits Geleistetes, mit Ausnahme des Sterbegeldes, von ihm und seinem Erben, von

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dem einzelnen Erben jedoch nur bis auf den Betrag seines Erbteils, zurückgefordert werden.

Die strafrechtliche Ahndung bleibt vorbehalten.

Art. 14. Stellt es sich heraus, daß sich ein Unfall zu einer Zeit ereignet hat, in welcher der Geschädigte nicht versichert war, so wird mit Bezug auf diesen Unfall jede weitere Leistung sowohl gegenüber dem Verletzten als gegenüber seinen Hinterlassen en eingestellt. Der Militärversicherung steht überdies das nämliche Rückforderungsrecht zu wie im Falle von Art. 13.

Stellt es sich heraus, daß der Nachteil, für welchen die Militärversicherung aufgekommen ist, teilweise aus einer Zeit außerhalb der Versicherungsdauer stammt, oder daß der Nachteil bereits teilweise durch eine von der Militärversicherung bezahlte Entschädigung ausgeglichen war, so wird für die Folgezeit eine entsprechende Kürzung der Leistungen an den Versicherten und seine Hinterlassenen vorgenommen, und es kann im Falle der wissentlichen Verheimlichung eine Rückerstattung wie im Falle von Art. 13 gefordert werden.

In allen Fällen dürfen die Hinterlassenen die bereits empfangenen Pensionen behalten.

Stellt es sich heraus, daß der Nachteil, für welchem die Militärversicherung aufgekommen ist, teilweise von einem Unfall oder einer Erkrankung herrührt, für welche die Militärversicherung nicht aufzukommen hat oder bereits aufgekommen ist, so kann für die Folgezeit eine entsprechende Kürzung der Leistungen an den Versicherten und seine Hinterlassenen vorgenommen und im Falle der wissentlichen Verheimlichung eine Rückerstattung wie im Falle von Art. 13 gefordert werden.

Die strafrechtliche Ahndung bleibt überall vorbehalten.

971 Art. 15. Die Leistungen der Militärversicherung können weder gepfändet, noch mit Arrest belegt, noch in den Konkurs gezogen, noch vor der Zahlung rechtsgültig abgetreten, noch verpfändet werden. Sie dürfen keiner Steuer unterzogen werden.

Das eidgenössische Militärdepartement ist befugt, Maßnahmen zu treffen, damit Spitalersatz (Art. 21) und Krankengeld (Art. 23 u. ff.) ganz oder teilweise zum Unterhalt des Krankon und derjenigen Personen, welche er zu unterhalten hat, verwendet werden; Art. 16. Gegenüber einem Dritten, welcher mit Bezug auf die Krankheit oder den Unfall schadenersatzpflichtig ist, tritt die Militärversicherung, bis auf die Höhe der von ihr geschuldeten Leistungen, kraft dieses Gesetzes in den Ersatzanspruch des Versicherten ein.

Art. 17. Der Kranke und dessen Angehörige sind verpflichtet, dem Arzte und anderen Personen, welche von der Militärversicherung mit der Krankenkontrolle betraut sind und sich darüber ausweisen, den Zutritt zum Kranken zu gestatten und ihnen wahre Angaben zu machen.

Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht oder Nichtbefolgung der ärztlichen Anordnungen können die Leistungen der Versicherung für die Folgezeit ganz oder teilweise entzogen werden.

Wer durch wissentlich unwahre Angaben über die Verhältnisse des Versicherten oder in schuldhafter Weise durch Versäumung rechtzeitiger pflichtgemäßer Anzeige den Versicherten oder den Bund benachteiligt, kann vor dem ordentlichen Richter auf Schadenersatz belangt werden. Die strafrechtliche Ahndung bleibt vorbehalten.

Art. 18. Dem Oberfeldarzt ist über die Erkrankungen und Unfälle, für welche die Leistungen der Militärversiche-

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rung in Anspruch genommen werden können, Anzeige zu machen und zwar : a. während des Militärdienstes durch die Sanitätsrapporte; b. in den ändern Fällen mittelst sofortiger direkter Anzeige. Der behandelnde Arzt ist zu dieser Anzeige verpflichtet; er haftet gegenüber dem Versicherten für die Folgen der Unterlassung rechtzeitiger Anzeige.

Für Anzeigen, welche nicht während des Dienstes gemäß litt, a erfolgen, haben die Ärzte Anspruch auf Entschädigung nach den vom Bundesrate aufzustellenden Bestimmungen.

B. Leistungen der Militärversicherung.

I. Leistungen für vorübergehenden Nachteil.

Art. 19. Die Militärversicherung leistet dem vorübergehend Geschädigten bis zu dem Zeitpunkte, wo die Erwerbsfähigkeit wieder eintritt, kostenfreie Verpflegung und Behandlung in dem durch die Militärbehörde anzuweisenden Spital oder den Spitalersatz (Art. 21).

Der im Dienste erkrankte oder von einem Unfall betroffene Wehrmann erhält außerdem während der Dauer des betrefienden Dienstes bis und mit dem Tage der Entlassung den Gradsold und nach Ablauf des betreffenden Dienstes ein tägliches Krankengeld.

Das Krankengeld besteht für die ersten 30 Krankheitstage nach Ablauf des betreffenden Dienstes in einer täglichen festen Vergütung von Fr. 5 für die Offiziere, von Fr. 3 für Unteroffiziere und Soldaten, und für jeden folgenden Tag in einem nach den Art. 23--25 festzusetzenden Betrag.

Andere Versicherte erhalten für die ersten 30 Krankheitstage eine Entschädigung, welche vom Bundesrate für die einzelnen Kategorien festgestellt wird, und für die

973 Folgezeit ebenfalls das nach Art. 23--25 festzusetzende Krankengeld.

Der Anspruch, auf das Krankengeld, beziehungsweise die feste Vergütung beginnt frühestens mit dem Tage des Abgangs der Anzeige an den Oberfeldarzt.

Erleidet das Einkommen eines Versicherten keine Einbuße infolge der Krankheit oder des Unfalles, so hat der Versicherte keinen Anspruch auf das Krankengeld.

Art. 20. Wenn die Erkrankung keine Absonderung erfordert und die Umstände eine zweckmäßige und für eine rasche Heilung förderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung zu Hause erwarten lassen, so kann vom Oberfeldarzt auf Begehren statt der Spitalverpflegung häusliche Verpflegung bewilligt werden.

Für häusliche Verpflegung, welche vom Oberfeldarzt weder angeordnet noch bewilligt wird, ist die Militärversicherung zu einer Entschädigung nicht verpflichtet.

Art. 21. Wenn häusliche Verpflegung angeordnet oder bewilligt ist, leistet die Militärversicherung statt der Spitalverpflegung einen Geldersatz für Verpflegungs- und Behandlungskosten. Derselbe beträgt pro Tag Fr. 3 für die Offiziere und Fr. 2. 50 für Unteroffiziere und Soldaten; für die ändern Kategorien von Versicherten, wird derselbe durch den Bundesrat festgestellt.

In besonderen Fällen kann bei erheblich größern Auslagen des Versicherten der Spitalersatz erhöht werden.

Der Anspruch auf den Spitalersatz hört auf, wenn die Heilung so weit vorgeschritten ist, daß der Versicherte aus dem Spital entlassen werden könnte.

Art. 22. Gegenüber den Verfügungen des Oberfeldarztes kann innert 10 Tagen seit der Mitteilung Berufung an das eidgenössische Militärdepartement und gegen dessen

974 Entscheid ebenfalls innert 10 Tagen seit der Mitteilung Berufung an den Bundesrat erhoben werden. Der Bundesrat entscheidet endgültig.

Art. 23. Als Grundlage für die Berechnung des nach Ablauf der ersten 30 Krankheitstage auszurichtenden Krankengeldes dient der Tagesverdienst, für welchen folgende Klassen aufgestellt werden : 1. Klasse Fr.--. -- bis und mit Fr. 3. -- 2.

,, ,, 3. 01 ,, ,, ,, v 4.

3.

,, ,, 4. 01 ,, ,, ,, ,, 5 .

4» ,, 5.01 ,, ,, ,, ,, 6.5.

,, ,, 6.01 ,, ,, ,, ,, 7.50 Die oberste Zahl jeder Klasse gilt für die Berechnung des Krankengeldes gleichmäßig als der Tagesverdienst sämtlicher zu dieser Klasse gehörenden Versicherten.

Art. 24. Das Krankengeld nach Ablauf der ersten 30 Krankheitstage beträgt bei gänzlicher Erwerbsunfähigkeit 70 % des dem Geschädigten entgehenden Tagesverdienstes (Art. 23), für dessen Berechnung die folgenden Bestimmungen maßgebend sind.

Ist der Erwerb ein gleichmäßiger,' so wird bei einem Jahresgehalt der dreihundertste, bei einem Monatsgehalt der fünfundzwanzigste Teil als Tagesverdienst angenommen.

Ist der Erwerb nicht ein täglich gleichmäßiger, so wird der Tagesverdienst nach dem -Durchschnitte berechnet.

Regelmäßige Geldzulagen und Naturalbezüge werden insoweit mitberechnet, als sie infolge der Krankheit in Wegfall kommen.

Als kleinster Tagesverdienst gilt derjenige der 1. Klasse (Art. 23) für solche in der Berufsbildung begriffene Personen (Lehrlinge, Volontärs, Studierende und Schüler), die einen Verdienst unter 3 Fr. oder keinen Verdienst haben.

975 Besteht der Erwerb ausschließlieh oder vorwiegend in Naturalbezügen, so ist der ortsübliche Geldlohn für gleiche oder ähnliche Arbeitsleistungen- maßgebend ; doch soll dieser mindestens entsprechend den Ansätzen der 2. Klasse (Art. 23) berechnet werden.

Der Tagesverdienst kommt nur in Betracht, soweit er Fr. 7. 50 nicht übersteigt.

Einkommen aus Vermögen oder ändern Quellen, das durch die Schädigung des Versicherten nicht geschmälert wird, fällt bei der Berechnung des Tagesverdienstes nicht in Betracht.

Wo besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Krankengeld, mit Bewilligung des Bundesratcs, für bestimmte oder unbestimmte Zeit erhöht werden, und zwar im Falle gänzlicher Hülflosigkeit und bei gleichzeitigem Notbedarf bis auf 100 °/o des in Betracht kommenden Tagesverdienstes.

Art. 25. Bei nur teilweiser Erwerbsunfähigkeit wird das Krankengeld entsprechend gekürzt.

Dauert die gänzliche oder teilweise Erwerbsunfähigkeit voraussichtlich ein halbes Jahr oder länger, so erhält der Versicherte statt des Krankengeldes eine für eine bestimmte Zeitdauer festzusetzende Pension.

Art. 26. Der Oberfeldarzt zieht bei dem behandelnden Arzte, bei dem Geschädigten und, im Verhinderungsfalle, bei den Angehörigen, sowie bei der kantonalen Militärbehörde die nötigen Erkundigungen ein und. legt dem eidgenössischen Militärdepartement Bericht und Antrag vor.

Der Oberfeldarzt ist berechtigt, nach Gutfinden noch anderweitige Nachforschungen zu veranstalten.

Die zuständigen kantonalen Behörden sind zu sofortiger und genauer Auskunft über die Verdienst- und Familienverhältnisse des Geschädigten verpflichtet.

976 Das eidgenössische Militärdeparfcement setzt das Krankengeld fest.

Gegen den Entscheid kann von dem Geschädigten oder seinen Hinterlassenen innert zehn Tagen seit der Mitteilung Berufung an den Bundesrat eingelegt werden. Der Bundesrat entscheidet endgültig.

Art. 27. Das Krankengeld und der Spitalersatz werden am Schluß jedes Krankheitsmonats ausbezahlt. Im Falle des Notbedarfs sollen schon im Laufe des Monats Teilzahlungen gemacht werden.

Die Art und Weise der Auszahlung wird durch den Bundesrat festgestellt.

II. Leistungen für dauernden Nachteil.

a. Invalidenpension.

Art. 28. Verursacht die Krankheit oder der Unfall einen dauernden körperlichen Nachteil, welcher eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Geschädigten oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Integrität zur Folge hat, so gewährt die Militärversicherung bis zu dem Zeitpunkte der Invaliditätserklärung durch die zuständige Behörde die gleichen Leistungen, wie sie in Art. 19 und ff.

festgesetzt sind.

Für die Folgezeit erhält der Versicherte eine Pension.

Dieselbe wird entweder als eine lebenslängliche oder als eine zeitlich ·begrenzte festgesetzt. Im letztem Falle findet, nach Ablauf der bestimmten Zeitdauer und wenn dannzumal der Nachteil noch vorhanden ist, eine neue Festsetzung für die nachfolgende Lebenszeit oder, ausnahmsweise, wiederum nur für eine bestimmte Zeitdauer statt.

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Art. 29. Die Pension bei völliger Erwerbsunfähigkeit beträgt 70 % des 300fachen nach Art. 23 und 24 festgestellten Tagesverdienstes.

Im Falle gänzlicher Hülflosigkeit und bei gleichzeitigem Notbedarf kann die Pension für bestimmte oder unbestimmte Zeit bis auf den Gesamtbetrag des in Betracht kommenden Jahresverdienstes erhöht werden.

Bei nur teilweiser Erwerbsunfähigkeit findet eine verhältnismäßige Kürzung statt.

Liegt bloß eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Versicherten vor, so wird die Pension in Würdigung der Umstände festgesetzt.

Art. 30. Stellt sich im Verlaufe der Nachteil als erheblich größer oder als erheblich geringer heraus, als bei der erstmaligen oder einer erneuten Feststellung der Pension angenommen wurde, oder ist der Nachteil gänzlich verschwunden, so soll für die Folgezeit der Betrag der Pension erhöht oder vermindert oder die Pension gänzlich aufgehoben werden. Der bei der erstmaligen Feststellung ermittelte Jahresverdienst bleibt maßgebend.

Eine solche neue Feststellung ist jederzeit sowohl mit Bezug auf eine lebenslängliche als auch mit Bezug auf eine zeitlich begrenzte Pension zulässig.

Treten unvorhergesehene Spätfolgen der Schädigung ein, so wird der Oberfeldarzt dem Geschädigten nötigenfalls Spitalverpflegung, beziehungsweise Spitalersatz bewilligen.

Die Pension erleidet dabei keine Schmälerung.

Art. 31. Hatte der Versicherte zur Zeit der Erkrankung oder des Unfalls noch nicht den normalen Erwerb eines Erwachsenen, so ist für die Höhe der Pension dieser letztere maßgebend. Der anzurechnende normale Erwerb darf jedoch den normalen Erwerb eines Fünfundzwanzigjährigen nicht übersteigen.

978 6. Sterbegeld und Hinterlassenenpension.

Art. 32. Stirbt der Geschädigte, so hören für die Folgezeit die in Art. 19 ff. und 28 ff. vorgesehenen Leistungen auf.

Stirbt der Geschädigte an einer Krankheit oder an einem Unfall, für deren Folgen die Militärversicherung aufzukommen hatte, so treten an Stelle dieser Leistungen : 1. das Sterbegeld, 2. die Hinterlassenenpension.

1. Das S t e r b e g e l d .

Art. 33. Die Militärversicherung bezahlt ein Sterbegeld von Fr. 40, welches in erster Linie für die Kosten der Bestattung zu verwenden ist.

Auf dasselbe haben folgende Verwandte in nachstehender Reihenfolge je mit Ausschluß der Nachfolgenden Anspruch: der hinterlassene Ehegatte, die Kinder, die Eltern, sowie diejenigen Geschwister, welche mit dem Verstorbenen in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben.

2. Die Hi n t e r l a s s e n e n p e n s i o n e n .

Art. 34. Die Hinterlassenen erhalten eine jährliche Pension, welche am Tage nach dem Todestag zu laufen beginnt und welche einen Teil des nach Maßgabe des Art. 29 in Betracht kommenden Jahresverdienstes des Verstorbenen beträgt.

Art. 35. Pensionsberechtigt ist zunächst die Witwe.

Ihre Pension beträgt 40 % des Jahresverdienstes des Verstorbenen ; hat sie 'pensionsberechtigte Kinder (Art. 36), so beträgt die Pension 65 °/o.

Die Ehefrau, welche zur Zeit des Todes des Versicherten von diesem gänzlich oder von Tisch und Bett

979 geschieden war, besitzt nur soweit einen Pensionsanspruch, als der Mann ihr gegenüber unterhaltspflichtig ist.

Im Falle der Wiederverehelichung erhält die Witwe, unbeschadet ihres Pensionsanspruches bis zur Wiederverehelichung, den dreifachen Betrag der Jahrespension als Abfindung.

Im übrigen ist die Pension eine lebenslängliche.

Art. 36. Ist keine Witwe vorhanden oder erlischt ihre Pensionsberechtigung aus irgend einem Grunde, so beträgt die Pension für eines oder zwei Waisenkinder für jedes 25 %, für mehr als zwei Waisenkinder zusammen 65 °/o des Jahresverdienstes des Verstorbenen.

Die Pension hört für jedes einzelne Kind mit dem zurückgelegten 18. Altersjahre auf, sofern es nicht wegen Gebrechen erwerbsunfähig ist.

Kinder, welche zur Zeit der Erkrankung oder des Unfalls bereits rechtskräftig adoptiert oder legitimiert waren, sind den ehelichen gleichzuhalten.

Ebenso wird ein außereheliches oder Brautkind gehalten wie ein eheliches Kind, sofern die Vaterschaft des Verstorbenen durch einen nach Maßgabe der zutreffenden Gesetzgebung erlassenen Entscheid oder durch eine glaubwürdige, schriftliche Anerkennung festgestellt ist.

Art. 37. Sind weder eine Witwe noch Kinder vorhanden oder hört die Pensionsberechtigung der Witwe oder der Kinder auf, so erhalten die folgenden Verwandten, falls sie für ihren Lebensunterhalt im wesentlichen auf den Verstorbenen angewiesen waren, eine Pension, und zwar a. der Vater oder die Mutter 20 °/o, beide Eltern zusammen 35 °/o des Jahresverdienstes des Verstorbenen, je auf Lebenszeit; b. einzelne elternlose Geschwister 15 %, mehrere elternlose Geschwister zusammen 25 °/o des Jahresverdienstes

980 des Verstorbenen, je bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr, bei Erwerbsunfähigkeit bis 70 Jahre nach dem Geburtsjahr des Verstorbenen; e. ein Großvater und eine Großmutter 15 °/o, Großvater und Großmutter zusammen 25 °/o des Jahresverdienstes des Verstorbenen, je auf Lebenszeit.

Dabei schließen die Eltern die Geschwister und diese die Großeltern für so lange aus, als je die erstem selbst die Pension beziehen.

Art. 38. Diejenigen Hinterlassenen, welche im Zeitpunkt des Todes des Versicherten Ausländer waren und im Auslande wohnten, besitzen keinen Anspruch auf eine Hinterlassenenpension.

c. Gemeinsame Bestimmungen.

Art. 39. Der Bundesrat ernennt eine Pensionskommission Ton sieben Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt drei Jahre.

Der Oberfeldarzt wohnt den Sitzungen der Pensionskommission mit beratender Stimme bei.

Die Pensionskommission entscheidet auf Grund der Akten und eines ihr vom Oberfeldarzt vorgelegten Berichtes und Antrages über die Gewährung oder Verweigerung, ebenso über den Entzug und jede Änderung einer Pension und setzt die Höhe, den Beginn und das Ende der Pension fest. Der Fall von Art. 25, Absatz 2, ist Inbegriffen.

Gegen die Entscheidungen der Pensionskommission steht dem Versicherten und seinen Hinterlassenen innerhalb einer Frist von 30 Tagen die Berufung an den Bundesrat zu ; ebenso ist das Militärdepartement berechtigt, binnen der gleichen Frist die Entscheide der Pensionskommission an den Bundesrat weiter zu ziehen.

Der Bundesrat erläßt nähere Bestimmungen über das Verfahren vor der Pensionskommission und über die Weiter-

981 ziehung ihrer Entscheide, sowie über die den Mitgliedern der Pensionskommission zukommende Entschädigung.

Gegen die Entscheidungen des Bundesrates ist jede Weiterziehung ausgeschlossen.

Art. 40. Nach eingetretener Rechtskraft des Entscheides wird dem Bezugsberechtigten ein vom Vorsteher des eidgenössischen Militärdepartements unterzeichneter Pensionsschein ausgestellt. Derselbe gilt als öffentliche, von einer Bundesbehörde ausgestellte Urkunde.

Ausnahmsweise kann das Militärdepartement, einer ordentlichen Sitzung der Pensionskommission vorgängig, auf Antrag des Oberfeldarztes, die Auszahlung angemessener Beträge vorschußweise anordnen.

Art. 41. So oft Umstände eintreten oder bekannt werden, die nach Maßgabe dieses Gesetzes eine Änderung der Pension bedingen, ist diese neuerdings festzusetzen und der Pensionsschein entsprechend abzuändern.

Art. 42. Jede Invaliden- oder Hinterlassenenpension darf jederzeit, auch gegen den Willen des Berechtigten, durch die Pensionskommission ausgekauft werden, wenn der Berechtigte im Ausland wohnt oder wenn die Pension weniger als Fr. 100 jährlich beträgt.

In allen übrigen Fällen ist der Auskauf uur auf Antrag des Berechtigten und nur ausnahmsweise zulässig.

Ein mit Zustimmung des Berechtigten ausgekaufter Pensionsfall gilt als endgültig erledigt. Dagegen steht es dem gegen seinen Willen ausgekauften Pensionsberechtigten im Falle von Art. 30, Absatz l, frei, eine neue Festsetzung zu verlangen, worauf, wenn der Nachteil sich als erheblich größer herausstellt, entweder neben der Auskaufssumme eine besondere Pension zu gewähren oder die Auskaufssumme entsprechend zu erhöhen ist.

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Art. 43. Sowohl für Invalide als für die Hinterlassenen kann der Bundesrat die Pension bis auf den doppelten Betrag erhöhen, wenn der Verwundete oder Verstorbene sicli im Interesse des Vaterlandes freiwillig einer großen Gefahr ausgesetzt hatte und dabei verunglückt war.

Art. 44. Die Pension ist in Monatsraten zahlbar. Jede Rate wird am ersten Tage des Kalendermonats zum voraus fällig.

Beginnt die Pensionsberechtigung nach dem ersten Tage des Kalendermonats, so wird die auf den Monatsrest entfallende Kate am ersten Tage des folgenden Monats fällig.

Wenn nach dem ersten Tage des Kalendermonats die Pensionsberechtigung aufhört oder der Betrag der Pension vermindert oder erhöht wird, so findet für die Zeit bis zum Beginn des folgenden Monats weder eine Rück- noch eine Nachvergütung statt.

C. Aufbringung der Mittel und Verwaltung.

Art. 45. Der Bund bestreitet sämtliche Kosten der Militärversicherung, vorbehalten Art. l, Absatz 2.

Die Bundesversammlung setzt alljährlich im ordentlichen Voranschlag die nötigen Kredite aus : a. für die Verwaltung der Militärversicherung; b. für die Leistungen für vorübergehenden Nachteil; c. für die Leistungen für bleibenden Nachteil nach dem Verfahren der Kapitaldeckung; d. für die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes schon bestehtnden Pensionen.

Ist eine Massenerkrankung, ein Massenunfall oder ein Kriegsfall eingetreten, so steht es der Bundesversammlung zu, die Art der Deckung der daher rührenden Pensionsverpflichtungen zu begchließen.

983 Art. 46. Das eidgenössische Militärdepartement verwaltet die Militärversicherung durch den Oberfeldarzt unter Mitwirkung der erforderlichen versicherungstechnischen Organe des Bundes. Dem Oberfeldarzte wird das nötige ärztliche, Rechnungs- und Kanzleipersonal beigegeben.

Der Bundesrat erläßt hierüber die erforderlichen Vollziehungsbestimmungen.

Art. 47. Es soll eine Specialrechnung über die Militärversicherung unter Anlegung eines Deckungsfonds (Art. 45, Absatz 2, litt, c) und eines Sicherheitsfonds geführt werden.

Der Sicherheitsfonds wird durch die Rechnungsüberschüsse der Militärversicherung, durch seine Zinsen, sowie durch allfällige andere Zuwendungen gebildet und geäufnet.

Er darf nur in den in Art. 45, Absatz 3, bezeichneten Fällen in Anspruch genommen werden.

Ergiebt die Jahresrechnung der Militärversicherung einen Fehlbetrag, so ist derselbe durch einen besondern Nachtragskredit zu decken.

Art. 48. Die-BundesVersammlung hat alljährlich im Voranschlag einen Posten von wenigstens Fr. 500,000 zur Äufnung des Invalidenfonds aufzunehmen.

Hat derselbe den Betrag von Fr. 50,000,000 erreicht, so beschließt die Bundesversammlung darüber, ob und welche Einlagen fernerhin geleistet werden sollen.

Der Invalidenfonds, sowie der Grenus-Invalidenfonds und die eidgenössische Winkelriedstiftung, die beiden letztern gemäß ihren Stiftungsurkunden, ,, dürfen nur im Kriegsfalle in Anspruch genommen werden.

D. Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Art. 49. Bei Berechnung der in diesem Gesetze vorgesehenen Fristen wird der Tag, von welchem an die Frist zu laufen beginnt, nicht mitgezählt.

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Ist der letzte Tag einer Frist ein Sonntag oder ein staatlich anerkannter Feiertag, so endigt dieselbe am nächstfolgenden Werktag.

Eine Frist gilt nur dann als eingehalten, wenn die Handlung innerhalb derselben vorgenommen wird. Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tage der Frist angelangt oder der schweizerischen Post übergeben sein.

Art 50. Durch dieses Bundesgesetz werden aufgehoben alle mit demselben im Widerspruch stehenden Bestimmungen von Gesetzen und Verordnungen des Bundes und der Kantone, insbesondere: 1. das Bundesgesetz über Militärpensionen und Entschädigungen vom 13. Wintermonat 1874; 2. die Vorschriften betreffend die Unfallversicherung des Militärs durch den Bund.

Art. 51. Der Bundesrat ist beauftragt: 1. über die Vollziehung dieses Gesetzes die erforderlichen Verordnungen zu erlassen ; 2. auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 27. Juni 1901.

Der Präsident: Karl Keichlill.

Der Protokollführer: Schatzmauu.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 28. Juni

1901.

Der Präsident: Gustav Ador.

Der Protokollführer: Ringier.

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Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat beschließt: Das vorstehende Bundesgesetz ist zu veröffentlichen.

B e r n , den 16. Juli 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

N o t e . Datum der Veröffentlichung: 17. Juli 1901.

Ablauf der Referendumsfrist: 15. Oktober 1901.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend Versicherung der Militärpersonen gegen Krankheit und Unfall.

(Vom 28. Juni 1901.)

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1901

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29

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.07.1901

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965-985

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10 019 702

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