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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Gautschy von Reinach, zur Zeit Gefängnissträfling in Liestal.

(Vom 22. November 1901.)

Tit.

Am 5. Dezember 1900 abends entgleiste der in Basel 10 5 Minuten abfahrende Pariser-Schnellzug zwischen der Eisenbahnbrücke Mönchenstein und der Station Mönchenstein. Die Untersuchung ergab, daß eine 55 kg. schwere eiserne Schwelle auf Baslerseite auf dem Bahnkörper gelegen hatte, die von der Lokomotive erfaßt und über die Brücke gestoßen wurde. Die Lokomotive entgleiste und es entstand einiger Schaden an Rollmaterial und Geleise.

Die schwere eiserne Schwelle stammte von einem Haufen solchen Materials, der in der Nähe der Bahnbrücke gelagert war.

Unzweifelhaft war sie absichtlich auf das Geleise verbracht worden, und zwar in der Zeit zwischen 958, da ein anderer Zug noch ungefährdet den nämlichen Schienenstrang befahren hatte, und der Durchfahrt des Pariser-Schnellzuges, der in Mönchenstein nicht anhält. Das Auflegen der Schwelle geschah offenbar, um diesen Zug zum Entgleisen zu bringen und setzte dessen Personal und Passagiere, sowie den Zug selbst in die denkbar größte Gefahr.

Der Verdacht der Thäterschaft richtete sich gegen den in Basel wohnhaften Johann Gautschy, einen arbeitsscheuen Menschen, der sich noch um 945 Minuten am fraglichen Abend zwecklos bei und im Bureau der Station Mönchenstein herumgetrieben hatte und vom Stellvertreter des Stationsvorstandes dort weggewiesen werden mußte. In Untersuchung gezogen, verwickelte sich Gautschy in Widersprüche über seinen Aufenthalt nach dem Verlassen der Station Mönchenstein und es ergab sich eine ganze Reihe von Indizien objektiver Art für seine Schuld ; insbesondere deutete die Vergleichung der vom Thäter hinterlassenen Fuß-

1008 spuren mit den von Gautschy getragenen Schuhen und der Zustand seines Rockes auf ihn als Urheber des Verbrechens. Das Kriminalgericht des Kantons Baselland erklärte in einem wohlmotivierten Urteil vom 13. Februar 1901 den Gautschy der absichtlichen Eisenbahngefährdung schuldig und verurteilte ihn zu fünf Jahren Gefängnis, gerechnet vom Tage des Urteils an, und zu den Prozeßkosten.

Gautschy stellt in einem längern Schreiben, in welchem er den Spruch des Gerichtes von Liestal bemängelt und sich als Opfer eines Justizmordes darstellt, das Gesuch, ihm den Rest der Strafe gütigst erlassen zu wollen. Er bemerkt dabei : Um konsequent zu bleiben, könne er die Behörde nicht um Gnade anflehen und um sein Recht und seine Unschuld zu beweisen, fehlen ihm zur Zeit jede Mittel.

Petent ist vom kompetenten Richter rechtskräftig verurteilt worden und verbüßt eine Strafe, welche der Schwere des ihm zur Last gelegten Verbrechens und der gesetzlichen Vorschrift durchaus entspricht. Es liegt nichts vor, das geeignet wäre, die vom urteilenden Richter gewürdigten Schuldindizien zu entkräften und die Art, wie Gautschy seine Bitte um Strafnachlaß zu begründen versucht, läßt ihn mehr als einen Menschen erscheinen, der begangenes Unrecht abzuleugnen bestrebt ist, denn als einen schuldlos Verurteilten. Er erscheint daher der Begnadigung nicht würdig.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Johann Gautschy abzuweisen.

B e r n , den 22. November 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-.Ja-O-si-

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Gautschy von Reinach, zur Zeit Gefängnissträfling in Liestal. (Vom 22.

November 1901.)

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1901

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27.11.1901

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