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Bericht des

eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartements, Eisenbahnabteilung, an die Kommission des Nationalrates für Vorberatung des Bundesgesetzes über das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen.

(Vom 13. Mai 1901.)

Tit.

Mit Zuschrift vom 1. April 1901 ersuchen Sie uns umErhebungen über die finanziellen Konsequenzen, welche der Vorschlag Ihrer Kommission zu Art. 22 des Tarifgesetzes haben könnte, und unterbreiten uns zu diesem Zwecke folgende Fragen : ,,1. Welches wäre der mutmaßliche A u s f a l l , welcher den Bundesbahnen entstehen würde, wenn die im Vorschlage vorgesehene ,,billige Teilung des Verkehrs" mit allen zur Zeit im Betrieb oder Bau befindlichen Privatbahnea, welche nicht zum Eückkauf gekündet sind, erfolgen müßte?"

,,Für diese Erhebungen würden natürlich nur diejenigen Strecken in Frage kommen, welche den allgemeinen Konkurrenzbedingungen des Kompromißvorschlages entsprechen.

,,Ich bitte ferner, die Rechnung für die bestehenden Nebenbahnen und für die Hauptbahnen, soweit letztere nicht zurückgekauft werden, g e t r e n n t zu halten.

,,Bei Berechnung dieses A u s f a l l e s kann es sich unseres Erachtens absolut nicht darum handeln, den Abgang zu berechnen, welcher den Bundesbahnen ü b e r h a u p t entstehen wird aus der

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Abgabe eines Teiles ihres Verkehres an die konkurrierenden Linien. Vielmehr wird nur das P l u s an Abgang zu berechnen sein, welches eintreten kann bei ,,billiger"1 Verkehrsteilung im Gegensatz zu den dermalen bestehenden Verhältnissen, die nicht überall der ,,Billigkeit"1 entsprechen. Der Verkehr, der jetzt schon abgegeben werden mußte infolge bestehender Verträge, lag der Rückkaufsrechnung nicht zu Grunde, und es kann der entsprechende Ausfall nicht als eine Folge unseres Antrages betrachtet werden.

,,Bei Aufstellung dieser Rechnung wird man objektiv abwägen, müssen, welches die Ergebnisse einer b i l l i g e n Teilung des Verkehres sein könnten, und wird danach die Rechnung machen müssen.

,,2. Welches könnten die finanziellen Folgen unseres Vorschlages für die Bundesbahnen sein im Hinblick auf Bahnprojekte, die noch nicht im Betrieb oder Bau sind, deren Entstehung aber möglich ist?"

,,Die Kommission verhehlt sich keineswegs die große Schwierigkeit der Beantwortung dieser Frage, weil sieh dieselbe keineswegs auf allfällig konzessionierte Projekte beschränken läßt, sondern alle Möglichkeiten einer absehbaren Zukunft einschließen muß.

,,Wir haben die Frage aufgestellt, weil in der Presse und im Schöße der Bundesversammlung die Befürchtung ausgesprochen worden ist, es könnte eine Ausdehnung unseres Vorschlages auf alle, auch künftig erst entstehende Projekte zu ganz fatalen Konsequenzen für die Bundesbahnen führen.

,,Wir müssen es Ihnen selbstverständlich anheimgeben, die Frage in der Ihnen gut scheinenden Weise zu beantworten, möchten aber doch darauf hinweisen, daß die Aufstellung einer Rechnung für einige der in Aussicht stehenden Bahnen, z. B. den Lötschberg und die sogenannte Wasserfallenbahn, vielleicht möglich wäre und als Exemplifikation angebracht werden könnte.

,,In den bisherigen Kundgebungen des Bundesrates und der Generaldirektion sind diese Beispiele genannt, aber es liegen die Z a h l e n nicht vor, welche von vielen Mitgliedern der Bundesversammlung gewünscht werden.

,,3. Welchen Einfluß könnte die Annahme des Art. 22 nach Vorschlag der Kommission ausüben auf die im Gange befindlichen Unterhandlungen zum freihändigen Rückkauf der gekündeten Hauptbahnen ?"·

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.,,Man hat geltend gemacht, daß die Annahme unseres Vorschlages namentlich der Nordostbahn große Vorteile bieten müßte für die Geltendmachung ihrer weitgehenden Ansprüche.

,,Wir waren nicht in der Lage, die Berechtigung dieser Befürchtung zu beurteilen, weil wir niemals offiziell Kenntnis erhalten haben von diesen besonderen Verumständungen. Die Kommission bittet deshalb den hohen Bundesrat um Auskunft darüber. " Wir beehren uns, diese Fragen der Reihe nach zu beantworten : Zu Frage 1.

Um den Einfluß ziflernmäßig bemessen zu können, welchen eine obligatorische Verkehrsteilung zwischen den Bundesbahnen und den bestehenden nicht zum Bundesbahnnetz gehörenden Hauptund Nebenbahnen auf Grundlage des Kommissionsvorschlages haben würde, wäre notwendig, für eine längere Periode erheben zu lassen, welche Transporte über eine solche Konkurrenzstrecke ausgeführt worden sind. Da bei den Bahnverwaltungen solche Ausscheidungen des Verkehrs in der Regel nicht gemacht werden, könnten dieselben mit Zuverlässigkeit nur an der Hand der Frachtkartenregister erstellt werden. Eine annähernde Schätzung könnte allerdings auch auf Grund von Tabellen über die Verkehrsdichtigkeit gemacht werden. Solche Tabellen sind aber auch da, wo sie überhaupt angefertigt werden, nicht mit Bezug auf die Sektionen bearbeitet, welche gerade für die vorliegende Frage Aufschluß erteilen könnten.

Für eine neue Ausrechnung äui Grundlage der Frachtkartenregister müßte das bei den Bahn Verwaltungen liegende Material zur Verfügung gestellt und müßte eine große Zahl in der Sache bewanderter Beamter mit der umfassenden Arbeit betraut werden, die erforderlichen Auszüge anzufertigen. Das sachverständige Personal der Bahnverwaltungen ist jedoch mit den laufenden Arbeiten, namentlich zur Zeit der Rechnungsabschlüsse, derart in Anspruch genommen, daß den Bahnen nicht zugemutet werden kann, solche Arbeiten, die Monate lang dauern würden, auszuführen. Dem Eisenbahndepartement steht aber kein Personal zur Verfügung, welches zur Ausführung solcher Arbeiten bei den Bahnverwaltungen herumgeschickt werden könnte.

Es blieb uns daher kein anderer Weg, als die Hauptbahnen anzufragen, ob sie anläßlich der Verhandlungen über Verkehrs-

409 teilungen solche Berechnungen hätten anstellen lassen. Wir haben aber von der Nordostbahn und den Vereinigten Schweizerbahnen die Auskunft erhalten, daß Erhebungen über die finanziellen Wirkungen der bestehenden Vereinbarungen nicht gemacht worden seien. Die Jura-Simplon-Bahn berichtet nur, daß sich der Ertrag aus demjenigen Güterverkehr, den sie an die Bern-NeuenburgBahn abtrete, mit Inbegriff der aus dem Gemeinschaftsverkehr abzugebenden Summe auf ungefähr Fr. 64,000 belaufe. Bezüglich der ändern Verkehrsteilungen macht auch sie keine Angaben.

Die Centralbahn schätzt den Einnahmenausfall für das Jahr 1899 für den der Emmenthalbahn abgetretenen Verkehr auf Fr. 12,600 und für den an die Burgdorf-Thun-Bahn überlassenen per Jahr auf Fr. 36,000. Durch die Verkehrsablenkung über die Bahn Langenthal-Huttwil-Wolhusen sind der Centralbahn im Jahre 1899 rund Fr. 103,000 entgangen, welche jedoch nur zum Teil der genannten Bahn, zum ändern Teil der Jura-Simplon-Bahn und der Gotthardbahnstrecke Luzern-Immensee zugefallen sind. Die betreffenden Mitteilungen haben wir ohne Kritik entgegennehmen müssen, indem uns die Möglichkeit einer Kontrollierung derselben fehlt.

Einen Anhaltspunkt geben sodann die Angaben, welche über die finanzielle Tragweite der Verkehrsteilungen bei den Verhandlungen vor dem eidgenössischen Eisenbahndepartement gemacht worden sind, die bezweckten, eine Vermittlung über bezügliche Differenzen herbeizuführen.

So bezifferte die Schweizerische Seethalbahn den Verkehrsanteil, welcher von ihr gegenüber der Centralbahn und Nordostbahn beanprucht wurde, im Jahre 1888 auf Fr. 8188. 52, während, die genannten Bahnen denselben auf höchstens Fr. 6882. 28 schätzten. Eine Verständigung fand statt auf der Grundlage einer Verkehrszuweisung im ungefähren Werte von Fr. 5258. 20 per Jahr.

Bei einer Konferenz im Oktober 1897 behauptete die Schweizerische Südostbahn, der Entzug des ganzen Transitverkehrs Gotthardbahn-Ostschweiz seit Erstellung der Linie ThalwilZug-Arth-Goldau verursache ihr einen jährlichen Nettoausfall von Fr. 140,000, eine Angabe, welche allerdings von der Nordostbahn als weit übertrieben bestritten wurde. Wie hoch sich der Ertrag der abgeschlossenen Vereinbarung beläuft, ist nicht ermittelt.

Die erwähnten Ziffern ergeben nur, wie groß in einem bestimmten Jahr der Einnahmenausfall aus einem Teile des VerBnndesWatt. 53. Jahrg. Bd. HI.

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410 kehres gewesen ist, welcher zu dem in Art. 22 behandelten Konkurrenzverkehr gehört. Selbstverständlich ändern diese Ziffern jedes Jahr je nach der Zunahme oder Abnahme des Gesamtverkehrs.

Eine ganz andere Frage ist aber, wie groß der Anteil des gesamten konkurrenzierten Verkehrs sei, welcher bei billiger Verkehrsteilung den nicht zum Bundesbahnnetz gehörenden Bahnen zufallen würde.

Vorerst ist festzustellen, daß die bestehenden Verkehrsteilungen im allgemeinen als billige zu bezeichnen sind. Wenn einzelne Abmachungen als nicht ganz der Billigkeit entsprechend angefochten werden wollen, kann es unmöglich Sache des Eisenbahndepartementes sein, heute zu entscheiden, inwieweit solche Vereinbarungen abgeändert werden sollten. Maßgebend können selbstverständlich nicht die Forderungen der Nebenbahnen sein, welche im eigenen finanziellen Interesse immer möglichst hoch gestellt werden. Ohne einen objektiven Entscheid fehlt aber der Divisor für die Repartition, und damit entfällt die Möglichkeit, Ziffern zu nennen. Daß das Eisenbahndepartement als Aufsichtsbehörde nicht kompetent ist, bezügliche Verfügungen zu treffen, liegt auf der Hand. Es ist aber ebenso klar, daß dasselbe nicht befugt ist, in die Kompetenz der Bundesbahnverwaltung einzugreifen, indem es zum voraus bestimmt, welche Verkehrsquoten den konkurrierenden Routen zuzuweisen seien. Nach dem eigenen Antrag der Kommission würde es vielmehr Sache des Bundesgerichtes sein, solche Anstände zu erledigen. Solange aber kein bestimmter Verteiler festgesetzt ist, erscheint es ausgeschlossen, bestimmte finanzielle Angaben zu machen.

Die Unmöglichkeit, bestimmte Grundsätze aufzustellen und auf deren Basis genaue Zahlen zu nennen, ergiebt sich aber noch viel deutlicher, wenn berücksichtigt wird, wie verschieden die Verkehrsteilungen geordnet sind. Um Ihnen eine genaue Einsicht in die bestehenden Verhältnisse zu verschaffen, haben wir die Bahnen um Bekanntgabe der bezüglichen Vereinbarungen ersucht.

Indem wir auf deren Inhalt verweisen, heben wir hier folgendes hervor : Die J u r a - S i m p l o n - B a h n schreibt: ,,I. E m m e n t h a l b a h n . Durch Vertrag vom 22. Februar/ 7. März 1881 ist im Güterverkehr ausnahmslos Instradierung nach dem Prinzip der kürzesten Route vereinbart worden. Berechnungen über den hieraus der Linie Bern-Luzern erwachsenden Einnahmenausfall sind nie aufgestellt worden.

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,,u. H u t t w i l - W o l h u s e n - B a h n . Der Güterverkehr nach und von den Stationen dieser Bahn und im Transit über dieselbe wird gemäß der seiner Zeit zwischen den beteiligten Verwaltungen getroffenen Abmachung ausschließlich nach dem Prinzip der kürzesten Route instradiert. Die vor Einräumung dieses Zugeständnisses an die genannte Bahn von uns angestellten Berechnungen haben ergeben, daß der uns daraus auf der einen Seite erwachsende Eirmahmenausfall durch Verkehrszuwachs auf der ändern Seite annähernd gedeckt wird.

,,III. B u r g d o r f - T h u n - B a h n . Wir haben, soweit an uns, der Burgdorf-Thun-Bahn die Instadierung des Güterverkehrs nach dem Prinzip der kürzesten Route zugestanden. Welche finanzielle Tragweite dieses Entgegenkommen für unsere Verwaltung hat, ist nicht untersucht worden.

,,IV. F r e i b u r g - M u r t e n - B a h n . Mit Rücksicht darauf, daß diese Bahn in unserm eigenen Betriebe steht, und um ihre Existenzfähigkeit soviel an uns nicht von vorneherein zu gefährden, haben wir ihr bis jetzt aus freien Stücken den Güterverkehr in allen denjenigen Relationen zur Bedienung überlassen, für welche die kürzeste Route über Freiburg-Murten führt.

Auch der direkte Verkehr mit den Stationen dieser Linie wird nach Maßgabe des Prinzips der kürzesten Route instradiert.

,,V. J u r a N e u c h â t e l o i s . Nicht nur wird der direkte Güterverkehr mit den Stationen der Neuenburger Jurabahn gemäß dem Prinzip der kürzesten Route instradiert, sondern auch den internen Verkehr zwischen unseren Stationen im St. Immerthal einerseits und Neuenburg und weiter anderseits, soweit die kürzeste Route über die Neuenburger Jurabahn führt, überlassen wir der letzteren zur Bedienung. Diese Beordnung ist weiter nichts, als die Fortdauer eines Verhältnisses, das zur Zeit, als die Neuenburger Jurabahn noch im Besitze der früheren jura-Bern-LuzernBahn war, bestanden hat; vertraglich geregelt ist die Sache seit 1. Februar 1899, wobei speciell bemerkt zu werden verdient, daß die im Vertrage vorgesehene Verkehrsbeordnung gewissermaßen als Konzession anläßlich der Regelung verschiedener anderer noch pondenter Fragen zu betrachten ist.

,,VI. B e r n - N e u e n b u r g - B a h n. Mit dieser Unternehmung haben wir auf den Zeitpunkt der Eröffnung der direkten Linie Bern-Neuenburg eine Verkehrsteilung vereinbart, bezüglich welcher auf das beiliegende Exemplar Vertragsentwurf verwiesen wird.

Die Unterzeichnung des Vertrages, über dessen Stipulationen

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zwischen den vollziehenden Organen der Kontrahenten Einigkeit besteht, ist bevorstehend."

Die S c h w e i z e r i s c h e C e n t r a l b a h n berichtet: ,,I. Bmm en t h a l b a h n . Ein besonderer Vertrag mit der Emmenthalbahn besteht nicht, sondern es wurde derselben wegen der beträchtlichen Aktienbeteiligung der Centralbahn an der Emmenthalbahn freiwillig bis auf weiteres der Transitverkehr überlassen, soweit deren obere und untere Linie die kürzeste Zwischenroute für den internen Verkehr der Schweizerischen Centralbahn und für den direkten Verkehr Schweizerische Centralbahn-Jura-Simplon-Bahn etc. in sich schließt. Die in den betreffenden Gütertarifen enthaltenen doppelten Instradierungsvorschriften via Biberist und Herzogenbuchsee etc. werden, sofern nicht besondere Ausnahmen in den Instradierungstabellen enthalten sind, nur für die Route der Emmenthalbahn via Biberist benützt.

,,II. B u r g d o r f - T h u n - B a h n . Die Konkurrenzverhältnisse mit dieser Linie sind durch einen vom 1. August 1900 bis 30. April 1903 gültigen Vertrag geordnet, worin die Transitinstradierungsverhältnisse genau umschrieben sind.

,,III. L a n g e n t h a l - H u t t w i l - B a h n . Mit dieser Bahn, besteht keine Vereinbarung. Zufolge der mit der Jura-SimplonBahn seiner Zeit abgeschlossenen Verträge muß jedoch der Transitverkehr, soweit sich die kürzeste Route über Langenthal-Wolhusen ergiebt, über die Langenthal-Huttwil-Bahn geleitet werden.

Diese Verpflichtung, welche zu höchst unnatürlichen und unrationellen Güterinstradierungen führt (z. B. über Biel-Solothurn-Herzogenbuchsee - Langenthal-Huttwil -Wolhusen-Luzern - Arth - Goldau mit fünfmaligem Umlad, statt über Biel-Solothurn-Olten-AarauImmensee), besteht nicht zu gunsten der Langenthal-Huttwil-Bahn.

"IV. S c h w e i z e r i s c h e S e e t h a l b a h n . Nach Verständigung mit der Nordostbahn wurde diese Linie vom Transitverkehr ausgeschlossen. Sie erhielt dagegen als Kompensation die ausschließliche Bedienung des Verkehrs Aarau loco und Lenzburg loco-Luzern loco, sowie den Brünigverkehr von Horw bis Brünig mit Aarau und Lenzburg loco. Einige andere Verkehrsteilungsverhältnisse zwischen den Gemeinschaftsstationen Lenzburg, Wildegg und Emmenbrücke sind nicht besonders zu erwähnen, weil dieselben für die Beurteilung der Frage des Transitverkehrs im allgemeinen nicht von Bedeutung sind."

413 Die S c h w e i z e r i s c h e No i1 d o s t b a h n teilt mit, daß im allgemeinen für die schweizerischen Bahnen bezüglich der Güterverkehrsteilung die Grundsätze der kommerziellen Union zur Anwendung kommen, soweit nicht Abweichungen durch besondere Vereinbarungen festgesetzt sind. Auf Verkehrsteilung zwischen Hauptbahn und Nebenbahn bezügliche besondere Vereinbarungen habe sie nur mit der Schweizerischen Südostbahn, gemäß Vertrag vom 16. Dezember 1897. Die Vereinbarung mit den Vereinigten Schweizerbahnen, welche die Güterverkehrsteilung mit SulgenGoßau und Effretikon-Hinwil zum Gegenstande hat, gemäß Vertrag vom 14. April 1880 und I. Nachtrag vom 30. November 1896, betrifft eine Abmachung zwischen zwei Hauptbahnen.

Erhebungen über die finanzielle Tragweite dieser Verkehrsteilungen ·seien nicht gemacht worden.

Die erwähnte Verkehrsteilung mit der S ü d o s t b a h n weist derselben folgenden Verkehr zu: 1. Wädenswil loco und Pfäfflkon (Schwyz) loco-Arth-Goldau loco ganz via Südostbahn.

2. Wädenswil loco und Pfäffikon (Schwyz) loco-Arth-Goldau transit (Gotthardbahn und Italien) hälftig via Südostbahn.

3. Stationen der Vereinigten Schweizerbahnen Schännis bis Schmerikon, Rüti und weiter in der Richtung gegen Aathal, sowie Wald-Arth-Goldau transit (Gotthardbahn und Italien) ganz via Südostbahn.

4. Stationen der Vereinigten Schweizerbahnen, Weesen-Sargans-Chur und Sargans und weiter in dei Richtung nach Heerbrugg-Arth-Goldau transit (Gotthardbahn und Italien) hälftig via Südostbahn.

5. Stationen der Tößthalbahn Gibswil und weiter in der Richtung gegen Turbenthal-Arth-Goldau transit (Gotthardbahn und Italien) ganz via Südostbahn.

6. Buchs transit-Arth-Goldau transit (Gotthardbahn und Italien) hälftig via Südostbahn.

Dabei wird für die Begrenzung des Verkehrsgebietes eine Distanz von 61 km. für Arth-Goldau-Pfäffikon (Schwyz) in Rechnung gezogen.

Bezüglich der Linien der V e r e i n i g t e n S c h w e i z e r b a h n e n kommen nur einzelne Abmachungen betreffend die Instradierung des Verkehrs mit der T ö ß t h a l b a h n in Frage. Im direkten Verkehr nach und von den Stationen derselben erfolgt

414 jene im allgemeinen im Anschluß an die für die benachbarten Linien der Nordostbahn und der Vereinigten Schweizerbahnen im Verkehr unter einander geltenden Bestimmungen der Union commerciale nach dem Prinzip der kürzesten Route ; für den Verkehr zwischen Wald einerseits und Winterthur und weiter anderseits bestehen indes Taxen sowohl in den direkten Gütertarifen der Nordostbahn und Vereinigten Schweizerbahnen mit der Tößthalbahn, als im Tarif Nordostbahn-Vereinigte Schweizerbahnen beziehungsweise im internen Tarif der Vereinigten Schweizerbahnen, und es geschieht die Instradierung in der Richtung nach Wald ausschließlich über Illnau, sofern nicht die Route über Bauma, im Frachtbrief ausdrücklich vorgeschrieben ist; der Verkehr ab Wald hinwieder wird von der Tößthalbahn mangels einer entgegenstehenden Routenvorschrift ganz über Bauma geleitet. Im internationalen Verkehr (Bayern, Württemberg, Norddeutschland), soweit er, über Singen oder Romanshorn eingeht, ist hälftige Teilung zwischen den Routen über Illnau und über Bauma vereinbart. Ausnahmsweise erhält im südwestdeutsch-schweizerischen Verbände von der über Singen gehenden Verkehrsquote die Route über Baurna 2/s, diejenige über Illnau '/s, sofern die kürzeste Route auch über Singen führt; geht die kürzeste Route dagegen über Basel, so verbleibt die Singener Quote ganz der Route über Illnau. Vom Transitverkehr zwischen jenseits Winterthur gelegenen Stationen mit denjenigen über Wald hinaus (fiuti und weiter) erhält die Tößthalbahn keinen Anteil. Dem österreichisch-ungarisch - schweizerischen Verband ist die Tößthalbahn noch nicht beigetreten; es sind diesfalls also die Routenvorschriften der betreffenden Übergangsstationen (Romanshorn oder St. Margrethen) maßgebend. Erhebungen über die finanzielle Wirkung der vorerwähnten Abmachungen sind nicht gemacht worden.

Die G o t t h a r d b a h n ist nur beim Vertrage mit der Südostbahn über die Verkehrsteilung beteiligt, über den wir bei der Nordostbahn berichtet haben. Derselbe bedingt für die Gotthardbahn eine jährliche Einbuße von rund Fr. 9000.

Aus dieser Zusammenstellung und den beiliegenden Verträgen geht hervor, daß es ganz unmöglich ist, bestimmte allgemeine Regeln aufzustellen, was billige Verkehrsteilung ist; es kommt jeweilen auf die speciellen Verhältnisse des einzelnen Falles an.
Diese verschiedenartigen Beziehungen vermögen wir ohne eingehende Studien nicht derart zu beurteilen, um überhaupt sagen zu können, ob die bestehenden Vereinbarungen der Billigkeit

415 völlig entsprechen oder nicht; noch viel weniger lassen sich die Differenzen in Ziffern ausdrücken.

So viel steht aber fest, daß die Interessenten ohne weiteres mehr verlangen werden, als ihnen bis jetzt bewilligt worden ist; das beweist schon die Formulierung des Antrages : ,,die gegenwärtig bestehenden Übereinkommen dürfen nicht ungünstiger gestaltet werdena. "Werden im Streitfalle nur die bereits bestehenden Übereinkommen vom Bundesgericht geschützt, so entsteht für die Bundesbahnen kein Ausfall ; wird dagegen ein Plus bewilligt, so werden die Bundesbahnen gerade um den Betrag geschädigt, welchen die konkurrierenden Bahnen mehr erhalten.

Zu Frage 2.

Eine Beantwortung dieser Frage betreffend künftige Bahnen ist ganz unmöglich. Wir wissen nur, daß eine Reihe von Konzessionsbegehren vorliegen, welche Abkürzungen gegenüber den Bundesbahnen bezwecken, und daß noch viele andere Projekte von Zeit zu Zeit erörtert werden. Wir bedauern, nicht zu wissen,welche dieser Projekte ernst gemeint sind und welche nicht, und noch viel weniger, welche künftig verwirklicht werden können.

Jedenfalls kann es nicht Sache der Aufsichtsbehörde sein, ein Urteil in dieser Richtung abzugeben, ganz abgesehen davon, daß zur Beantwortung einer solchen Frage Monate dauernde technische und kommerzielle Untersuchungen notwendig wären.

Allerdings dürfte es genügen, um die große materielle Bedeutung dieser künftigen eventuellen Abkürzungslinien für die Rendite der Bundesbahnen nachzuweisen, wenn angeführt wird, welche großen Verkehrsziffern hier überhaupt in Frage kommen können.

Der Güterverkehr von Basel und Delle nach der Westschweiz (Biel, Lyß und Bern), mit Inbegriff des Reexpeditionsverkehrs aus Holland und Belgien, welcher eine Verkehrsgemeinschaft zwischen Centralbahn und Jura-Simplon-Bahn bildet und unter denselben nach vertraglich festgesetzten Quoten repartiert wird, hat im Jahre 1898 Fr. 1,703,775 und im Jahre 1899 Fr. 1,752,458 eingetragen. Wenn dieser Verkehr zum Teil an eine neu zu erbauende Konkurrenzroute, sei es eine Wasserfallenbahn, eine Weißensteinbahn oder eine andere kürzere Linie überlassen werden müßte, würden selbstverständlich die Linien Basel-Olten-Biel (Lyß und Bern) und Delle-Delsberg-Biel (Lyß und Bern) um die

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betreffende Verkehrsquote geschädigt. Aus naheliegenden Gründen müssen wir aber davon absehen, irgend eine bestimmte Quote zu nennen, welche die Bundesbahnen abzugeben hätten.

Der gesamte Güterverkehr, inklusive Viehverkehr, der im Jahre 1899 über die Centralbahn und die Nordostbahn nach dem Gotthard und weiter gegangen ist, hat Fr. 2,288,260 abgeworfen.

Wenn eine kürzere Linie erstellt wird, welcher ein Teil dieses Verkehrs zuzuweisen wäre, müßte man erstens wissen, nach welchem Gebiete Italiens die Abkürzung wirksam wurde, Mailand, Genua etc., sodann welcher Teil des gesamten Gotthardverkehrs gerade nach dieser Route bestimmt war. Diese für eine Berechnung notwendigen Anhaltspunkte fehlen, und es kann daher eine Berechnung nicht gemacht werden. Sicher ist nur, daß es sich um ganz große Beträge handelt, welche den Bundesbahnen entzogen würden, mag der betreffende Prozentsatz nun kleiner oder größer angenommen werden.

Es braucht nicht näher ausgeführt zu werden, daß zu der Verkehrsquote, welche den Bundesbahnen nördlich der Gotthardbahn entzogen wird, hinzuzurechnen ist der Verkehr, welcher der Gotthardbahn selbst durch eine in dritter Hand liegende Bahn, z. B. die Lötschbergbahn, weggenommen würde. Die Bahnstrecke Immensee-Chiasso beträgt 206 Kilometer gegenüber den 108 Kilometern Basel - Immensee ; dazu kommt die Binnahmenerhöhung zufolge der Bergzuschläge der Gotthardbahn. Der Ausfall auf der Gotthardlinie wäre somit in den in Betracht fallenden Relationen um mehr als das doppelte höher, als auf der Centralbahn und Aargauischen Südbahn. Davon, daß wir eine Rentabilitätsberechnung für die Lötschbergbahn erstellen, kann selbstverständlich keine Rede sein.

Analog verhält es sich mit etwaigen Ablenkungen des großen Transitverkehrs von Ost nach West, Bodensee-Genfersee, ArlbergFrankreich u. s. w. Der Anteil der Nordostbahn an diesem Verkehr im Jahre 1899 ist auf ungefähr Fr. 900,000 zu schätzen; ein Bruchteil dieses Verkehrs müßte bei Annahme des Vorschlages der Kommission an die Linie Lenzburg-Wettingen abgetreten werden, falls dieselbe nicht zurückgekauft würde, oder an irgend eine neu entstehende Konkurrenzlinie und würde somit den Bundesbahnen entzogen.

417 Zu Frage 3.

Die Stellung des Bundes in den Rückkaufsverhandlungen mit der Nordostbahn würde bei Annahme des Vorschlages der Kommission durch folgende allgemein längst bekannte und in der Diskussion vielfach erwähnte Thatsachen geschwächt. Einzelne der nicht gekündeten Nordostbahnlinien sind kürzer als Bundesbahnlinien, so namentlich die Nationalbahnstrecke WettingenMellingen-Lenzburg-(Aarau) um l Kilometer gegenüber WettingenÏurgi-Aarau. Abkürzungen ergeben sich ferner über EffretikonWetzikon und Sulgen-Goßau. Die Bundesbahnen müßten somit eine Verkehrsteilung eintreten lassen, statt den Güterverkehr, der vom Osten oder Westen kommt, auf der eigenen Linie zu behalten, und zwar müßte das geschehen, obwohl thatsächlich dieser Verkehr zur Zeit in der Hauptsache über die virtuell günstigere Stammlinie geleitet wird; die unbedeutende Abkürzung gewährt eben keinen Vorteil für den Betrieb. Ebenso würde Thalwil-Zug einen Anteil am Gotthardgüterverkehr beanspruchen, während anderenfalls die Bundesbahnen ohne weiteres in der Lage wären, den Konkurrenzkampf aufzunehmen und mit Erfolg durchzuführen, da sie im Besitze aller Eingangspunkte in die Schweiz sein werden ; wir verweisen diesfalls auf unsern Bericht an den Bundesrat vom 21. Februar 1898 (Schweiz. Bundesbl. pro 1898, I, 369). Über die finanzielle Bedeutung des Gotthardgüterverkehrs und des Güterverkehrs von Ost nach West und umgekehrt finden sich Angaben oben. Verkehrsquoten auszurechnen, müssen wir auch hier aus naheliegenden Gründen ablehnen.

Es dürfte ohne weiteres klar sein, und ist auch von der interessierten Presse sofort begriffen worden, daß nicht gekündete Nordostbahnlinien mit gesetzlichem Anspruch auf Verkehrsteilung mehr wert sind, als mitten im Bundesbahnnetz liegende Strecken ohne solche Berechtigung. Wenn die Nordostbahn zu einer freihändigen Verständigung betreffend Übernahme des gesamten Netzes nicht Hand bieten sollte, hätte der Bund doch sicher keine Veranlassung, ihre Stellung durch Erlaß von gesetzlichen Ausnahmebestimmungen zu verstärken. Das große Unrecht gegenüber den Bundesbahnen liegt eben darin, daß sie zur Verkehrsabgabe gezwungen wären, während den ändern Bahnen durch ihre Konzessionen das Recht freier Konkurrenzaufnahme gesichert bliebe.

418 Hiermit schließen wir. unsere Vernehmlassung, welche allerdings die von Ihnen gewünschten Zahlen nicht enthält ; die Gründe, warum solche nicht mitgeteilt werden können, haben wir angeführt. Immerhin sollte'für jedermann genügend nachgewiesen sein, daß die Annahme des Vorschlages der Kommission eine schwere Schädigung der Bundesbahnen bedeuten würde. Es ist auch nicht außer acht zu lassen, daß neuentstehende Konkurrenzlinien nicht nur den Güterverkehr zum Teil an sich ziehen würden, sondern ebensogut einen Teil des Personenverkehrs, welcher sich allerdings der gesetzlichen Reglementierung entzieht.

Nachdem wir die von Ihnen gestellten drei Fragen beantwortet haben, soweit es uns überhaupt möglich war, erachten wir es für angezeigt, den Standpunkt des Bundesrates bei Aufstellung seines Vorschlages zu Art. 22 nochmals kurz auseinanderzusetzen.

Dessen Vorschlag bewegt sich in Übereinstimmung mit den überall im Eisenbahnwesen geltenden Grundsätzen auf dem Boden der Instradierungsfreiheit. Er schreibt den Bundesbahnen vor, über die kürzeste Linie direkte Tarife auch in den Fällen zu erstellen, wenn dieselbe über nicht zum Bundesbahnnetz gehörende Bahnstrecken führt. Damit ist allen Bahnen die Möglichkeit gegeben, sieh den ihnen gemäß · den obwaltenden Verkehrsverhältnissen zukommenden Anteil am Verkehr zu sichern; die Aufnahme freier Konkurrenz ist ermöglicht und mit dieser Möglichkeit auch der thatsächlichen Verständigung über eine angemessene Verkehrsteilung gerufen. Die Erfahrungen im schweizerischen Eisenbahnwesen haben genügend dargethan, daß alle Versuche von Hauptbahnen, den Nebenbahnen den ihnen naturgemäß zukommenden Anteil am Verkehr zu entziehen, gescheitert sind, indem nach einer kurzen Periode des Kampfes eine billige VerständigungPlatz griff. In den Fällen, in welchen die Vermittlung der Aufsichtsbehörde angerufen wurde, haben wir aber auch konstatieren können, daß die Ansprüche der Nebenbahnen sehr oft viel zu weitgehend waren, indem dieselben den ganz ungleichen Betriebsverhältnissen nicht Rechnung tragen wollten und lediglich die für ihre finanzielle Lage erforderliche Mehreinnahme in möglichst runder Summe ins Auge faßten. Daß Interessenten auf diesem Boden stehen, ist denselben nicht zu verargen, wohl aber darf

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gesagt werden, daß es nicht Sache des Gesetzgebers ist, sich zum Schützer übertriebener Prätentionen aufzuwerfen.

Bin über das Ziel hinausgehender Interessenstandpunkt war es, wenn im Ständerate von einer Minderheit obligatorische Instradierung über die kürzeste Linie verlangt werden wollte ; Sie haben denselben mit allem Recht ebenfalls abgelehnt. Aber auch der Vermittlungsvorschlag scheint uns zu weit zu gehen, wie schon bei den Beratungen Ihrer Kommission ausgeführt worden ist.

Es lassen sich gewiß gute Gründe dafür anführen, daß die bestehenden Bahnen durch die Verstaatlichung nicht in eine ungünstigere Situation kommen sollen. Der Bundesrat hat niemals Anstand genommen, diesfalls die bündigsten Zusicherurigen zu erteilen. Auch die Generaldirektion der Bundesbahnen hat in ihrer Zuschrift vom 23. Januar 1901 ausdrücklich erklärt: ,,Dabei betrachten wir es als selbstverständlich, daß die Stellung der bestehenden Bahnen, die zur Zeit nicht verstaatlicht werden, nicht etwa durch unbillige Konkurrenzaufnahme verschlimmert werden soll. Vielmehr wird auch künftig wie bisher eine billige Verständigung stattfinden, welche bei Vereinbarung der Verkehrsteilungen dem Umstände Rechnung trägt, daß durch den Bestand und die Neuerstellung von Nebenbahnen den volkswirtschaftlichen Interessen des Landes gedient ist und je nach den Verhältnissen des einzelnen Falles auch für die Bundesbahnen eine Verkehrszunahme resultieren kann.tt Es besteht somit kein Zweifel darüber, daß allseitig die Absicht in bestimmter Form dokumentiert ist, bestehende Verhältnisse aufrecht zu erhalten. Die Kommission will aber weiter gehen und die bestehenden Vereinbarungen nur als Ausgangspunkt behandeln, von welchem aus m e h r zugestanden werden soll. Ob diese Forderung vielleicht für einzelne Abmachungen begründet sei, können wir, wie oben ausgeführt, nicht entscheiden, da hierfür sehr umfassende Untersuchungen nach erfolgter Einvernahme beider Teile erforderlich wären ; einseitige Klagen einer Partei beweisen nichts, und es kann nicht zugegeben werden, daß alle Vereinbarungen abänderungsbedürftig seien. Unbillig ist es daher, unter allen Umständen gegenüber den Bundesbahnen zu verlangen, daß jedenfalls ein Mehreres zu gewähren sei, als bisher als richtig erachtet wurde.

Dabei bleibt aber der Vorschlag der Kommission nicht stehen; er will nicht nur bestehende Vereinbarungen zu ungunsten der Bundesbahnen a u s d e h n e n , sondern auch für alle Zukunft und

420 f ü r alle n e u e n B a h n p r o j e k t e die Verkehrsteilung zusichern.

Das heißt nun, eigentlich ins Ungewisse hinein ein höchst fatales Prinzip festnageln. Wer will heute beurteilen, was für Projekte von phantasiereichen Köpfen noch ausgeheckt und von spekulativen Gründern unterstützt werden? Soll nun jede derartige Unternehmung von vorneherein darauf Anspruch erheben, daß ihr die Bundesbahnen Verkehr abgeben, Projekte, die in der Hauptsache als Konkurrenz gegen die Bundesbahnen geplant sind ! Wo neue Transitlinien volkswirtschaftlich gerechtfertigt sind, hat nach unserer Auffassung der Staat selbst zu bauen, nachdem einmal der Staatsbetrieb der Eisenbahnen grundsätzlich beschlossen ist.

Andernfalls würde die schweizerische Eisenbahnpolitik Wege betreten, welche für jeden logisch Denkenden unfaßbar und für die materiellen Interessen des Landes von größtem Schaden wären.

Soll nun eine Gesetzesbestimmung angenommen werden, welche zu irrationellen Konkurrenzbestrebungen gegen die Bundesbahnen ausdrücklich anreizt? Wenn wir hier von Bundesbahnen sprechen, meinen wir selbstverständlich nicht nur die zur Zeit bestehenden Hauptbahnlinien ; es soll ja nicht ein provisorisches Tarifgesetz geschaffen, sondern es sollen richtige Grundsätze für eine längere Zukunft aufgestellt werden. Ein Anreiz zur Erstellung von Konkurrenzlinien liegt aber in der festen Zusicherung einer Verkehrsquote an jede neue Bahn, sobald sie eine Abkürzung darstellt. Die Gründer werden eben nicht unterlassen, die zu erwartende Quote als sehr bedeutend hinzustellen, um das Kapital zur Beteiligung anzulocken. Was dann bei einem bundesgerichtlichen Entscheide herauskommen wird, ist allerdings eine höchst unsichere Sache; es wird auf die Auffassung und Schätzung von Sachverständigen abzustellen sein, da grundlegende Faktoren, die für alle möglichen Fälle passen, gesetzlich nicht aufgestellt werden können. Es ist somit nicht einmal eine Sicherheit für gleichmäßige Behandlung aller Fälle gegeben.

Wenn die unbestreitbare Gefahr einer solchen Bestimmung durch Beschränkung der obligatorischen Verkehrsteilung auf Nebenbahnen gemildert werden wollte, wird damit sofort dem Streite über den Charakter der betroffenen Bahn gerufen. Zu entscheiden hätte hierüber gemäß Art. l des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der schweizerischen
Nebenbahnen vom 21. Dezember 1899 der Bundesrat, welcher von den betreffenden Unternehmungen kaum als unparteiischer Richter anerkannt würde ; das Rekursrecht an die Bundesversammlung würde der Gefahr politischer Entscheidungen in reinen Verwaltungsfragen rufen.

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Wir können aus den hiermit kurz angedeuteten Gründen nicht anerkennen, daß der Vorschlag der Kommission gegenüber dem vom Ständerate angenommenen Antrage des Bundesrates eine Verbesserung bedeute.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 13. Mai 1901.

Eidg. Post- und Eisenbahndepartement, Eisenbahnabteilung :

Zemp.

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Bericht des eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartements, Eisenbahnabteilung, an die Kommission des Nationalrates für Vorberatung des Bundesgesetzes über das Tarifwesen der schweizerischen Bundesbahnen. (Vom 13. Mai 1901.)

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