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Schweizerisches Bundesblatt.

53. Jahrgang. IV.

Nr. 44.

30. Oktober 1901.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Verweigerung der Konzession für eine Drahtseilbahn vom Sändli nach Seelisberg.

(Vom

25. Oktober 1901.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 22. Februar 1901 stellte Herr Nationalrat Dr. Schmid in Altorf im Auftrage des Verwaltungsrates der Kuranstalt Sonnenberg in Seelisberg das Gesuch um Erteilung der Konzession für eine Dr ah t s eil b a h n vom S ä n d l i am Vierwaldstättersee nach S e e l i s b e r g . Nach dem allgemeinen technischen Berichte sollte die untere Station an den Fuß des Seelisberges, etwa 260 Meter nördlich der Dampfschiffstation Rütli in das sogenannte Sändli zu liegen kommen. Von hier laufe das Trace die steile Berglehne schief durchschneidend offen bis an den Fuß der Felswand, wo der 240 Meter lange Tunnel beginne, welcher direkt auf die obere Station ausmünde. Die ganze Bahnanlage sei vom Rütli aus nicht sichtbar;, ebenso werde der Betrieb auf diese geheiligte Stätte nicht störend einwirken, weil die Entfernung an keiner Stelle weniger als 260 Meter betrage.

Überdies befinde sich die untere Partie in einem Buchenwald, welcher vom Rütli durch den sogenannten Nesselzug und einen dichten Tannenwald getrennt sei. Falls von der Station Rütli bis zur untern Seilbahnstation Sändli ein Verbindungsweg dem Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. IV.

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See entlang nicht bewilligt würde, sei bei der -Station Sändli eine eigene Dampfschiffstation geplant.

Das Konzessionsgesuch wurde, gemäß Vorschrift, der Regierung des Kantons Uri zur Vernehmlassung mitgeteilt. Diese nahm ihrerseits die Berichte der Gemeinde Seelisberg und der Centralkommission der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft als Eigentümerin des Riltli entgegen, sowie ein Gutachten des Kantonsingenieurs. Wir entnehmen diesen Kundgebungen} welche sich im Original bei den Akten befinden, folgendes: Die Gemeinde Seelisberg bezeichnet das Projekt als ein Privatunternehmen der Aktiengesellschaft ,,Kuretablissement Sonnenberg", das offenbar einzig den Zweck habe, den Fremdenverkehr auf dem kürzesten Wege vom Vierwaldstättersce dem Hotel Sonnenberg zuzuführen. Im Interesse des allgemeinen Wohles für die Gemeinde Seelisberg liege dagegen eine solche Bahn nicht.

Dieselben Gründe, welche die Gemeinde veranlaßten, gegen das Bahnprojekt der Herren Bucher und Durrer vom Jahr 188(i Stellung zu nehmen, seien heute noch in höherem Maße vorhanden. Der Verkehr nach dem Vierwaldstättersee müsse der auf Kosten der Gemeinde Seelisberg erstellten bequemen Fahrstraße nach der Treib erhalten werden. Gegenwärtig erziele die Gemeinde durch Verpachtung des Wirtshauses zur Treib alljährlich eine gewisse Summe, welche dazu dienen müsse, die Straßenbauschuld zu tilgen. Mit der Erstellung einer Drahtseilbahn würde aber diese Einnahme dahinfallen und müßte auf dem Steuerwege eingebracht werden. Sodann wäre eine Verminderung der in Treib anlegenden Dampfbootkurse zu befürchten, was eine empfindliche Erschwerung des Verkehrs zwischen Seelisberg und den Uferorten bedeuten würde. Ferner würde die projektierte Drahtseilbahn das Dorf Seelisberg vom Fremdenverkehr ab^ schneiden, zum großen Schaden der dortigen Hotels und'Pensionen.

Von einem volkswirtschaftlichen Nutzen der Bahn könne keineRede sein ; alles würde ausschließlich dem Kuretablissement Sonnenberg zu gut kommen. Im weiteren empfahl die Gemeinde, für den Fall, daß die Konzession trotzdem erteilt werden sollte, eine Anzahl Begehren zur Berücksichtigung, für welche wir auf . die Originaleingabe zu verweisen uns erlauben.

Die Centralkommission der schweizerischen gemeinnützigen.

Gesellschaft erklärte es für wünschbar, daß das Rütligelände möglichst wenig
vom Getriebe des modernen Verkehrs berührt werde. Die Centralkommission halte in dieser Hinsicht an dem Standpunkt fest, den sie und die Rütlikommission bei früheren

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ähnlichen Gelegenheiten eingenommen hätten. Da aber durch das vorliegende Bahnprojekt, soviel sich aus der Planskizze ergebe, der Rütliboden in keiner Weise in Anspruch genommen werde, so sei die Kommission wohl nicht in der Lage, gegen dasselbe eine r e c h t l i c h e Einsprache zu erheben. Immerhin glaube sie sich schon heute bestimmt dahin aussprechen zu sollen, daß beide Kommissionen sich niemals einverstanden erklären könnten, daß die bis jetzt nur dem Rütli dienende Dampfschifflände auch als Landungsstelle für die Drahtseilbahn dienen solle.

Das Gutachten des Kantonsingenieurs von Uri bezeichnet das Tracé der projektierten Bahn, bezw. die obere Station, als so angelegt, daß sie nur dem Kuretablissement Sonnenberg diene und nicht dem öffentlichen Verkehr, da die Station ganz auf Grund und Boden des genannten Etablissements zu liegen käme. Die übrigen auf Seelisberg bestehenden Pensionen und Fremdengeschäfte müßten dadurch im höchsten Grade beeinträchtigt werden.

Überhaupt seieti die im Berichte der Gemeinde Seelisberg enthaltenen Auseinandersetzungen gegen Erteilung der Konzession im vollen Umfang begründet.

Die Regierung des Kantons Uri betonte ebenfalls, aus der allseitigen Prüfung des Projektes ergebe sich, daß dasselbe ein ausschließliches Privatunternehmen sei, mit dem einzigen Zwecke, den Fremdenverkehr auf dem kürzesten Wege vom Vierwaldstättersee dem Kuretablissement Sonnenberg zuzuführen. Die Regierung mache daher den Standpunkt, den die Gemeinde Seelisberg eingenommea habe, zu dem ihrigen. Auch die von der Centralkommission der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft geäußerten Bedenken halte sie für gerechtfertigt, da durch die Lage der unteren Station in der Nähe des Rütli die weihevolle Ruhe des letzteren beeinträchtigt und die bisherige Dampfschiffstation wahrscheinlich verunmöglicht würde. Die Gründe, welche den Bundesrat im Jahr 1887 bewegen, das Konzessionsgesuch der Herren Bucher und Durrer abzulehnen, besäßen auch heute noch volle Gültigkeit. Sodann falle auch in Betracht, daß eine Konzession bestehe für eine Zahnradbahn von Treib über Seelisberg nach Emmeten und Beckenried, welche den allgemeinen Verkehrsinteressen entspreche ; es liege also gar kein Bedürfnis nach Erteilung einer neuen Konzession vor. Gestützt auf diese Erwägungen stellt daher die Regierung zu
Händen der Bundesversammlung das Gesuch, auf das Konzessionsgesuch des Kuretablissements Sonnenberg für eine Drahtseilbahn Sändli-Seelisberg nicht einzutreten, eventuell die Gesuchstellerin zu verhalten, die projektierte Bahn bis an die Kantonsstraße weiterzuführen.

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Der Bundesrat kann dem vorliegenden Projekte gegenüber keine andere Stellung einnehmen, als er es gegenüber demjenigen der Herren Bucher und Durrer in seiner Botschaft vom 12. April 1887 (Bundesbl. 1887, II, 242 ff.) that. Wenn auch von der Konzessionsbewerberin geltend gemacht wird, daß die Entfernung der projektierten Drahtseilbahn vom Rütli groß genug sei, um eine Störung der Ruhe des letztern auszuschließen, so sind wir im Gegenteil überzeugt, daß der Betrieb einer Drahtseilbahn vom Sändli aus nicht vereinbar wäre mit der Weihe, welche bisher auf jener klassischen Gegend ruhte. Ausschlaggebend ist indessen auch diesmal, wie schon gegenüber dem Projekte Bucher und Durrer, daß die Kantonsregierung sich gegen die Erteilung der Konzession ausgesprochen hat, und daß unseres Erachtens keine Gründe vorhanden sind, welche die Bundesversammlung veranlassen könnten, gemäß Art. 4 des Eiseubahngesetzes dem Konzessionsgesuch trotzdem zu entsprechen. Denn auch im vorliegenden Falle handelt es sich, wie beim früheren Projekte, unstreitig um eine Unternehmung privater Natur, welche, weit entfernt, öfientlichen Interessen zu dienen, solche in empfindlicher Weise schädigen würde.

Wir schliessen uns daher dem Antrage der Regierung von Uri, die Konzession zu verweigern, an, und benützen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 25. Oktober 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

445 (Entwurf.)

ßundesbeschluß betreffend

Verweigerung der Konzession für eine Drahtseilbahn vom Sändli nach Seelisberg.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. eines Gesuches des Verwaltungsrates der Aktiengesellschaft ,,Kuretablissement Sonnenberg" auf Seelisberg vom 22. Februar 1901; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 25. Oktober 1901, beschließt: 1. Auf das Konzessionsgesuch des Verwaltungsrates der Aktiengesellschaft ,,Kuretablissement Sonnenberg" auf Seelisberg für eine Drahtseilbahn vom Sändli nach Seelisberg, vom 22. Februar 1901, wird nicht eingetreten.

2. Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Beschlusses be- ' auftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Verweigerung der Konzession für eine Drahtseilbahn vom Sändli nach Seelisberg. (Vom 25. Oktober 1901.)

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