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Schweizerisches Bundesblatt.

53. Jahrgang. I.

Nr. 5.

30. Januar 1901.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Eingabe der ,,Union vaudoise du Commerce et de l'Industrie" und Mitunterzeichnete um Aufhebung der Zollbehandlungsgebüh auf den Postpaketen vom Auslande.

(Vom

22. Januar 1901.)

Tit.

Unterm 4. Dezember 1900 haben Sie dem Bundesrat ein Schreiben der Union vaudoise du Commerce et de l'Industrie in Lausanne, datiert 30. November 1900, zur Berichterstattung überwiesen, mittelst welchem die genannte Vereinigung eine von der Finanz- und Handelsdirektion Glarus, von verschiedenen Vereinen, Vereinigungen, Gesellschaften, Handelskammern, Berufssyndikaten etc. (Total 60 Vorstände) unterzeichnete Petition um Aufhebung der Zollbehandlungsgebühr auf den Poststücken aus dem Auslande nach der Schweiz an Ihre h. Behörde gerichtet hat.

In dieser Petition wird der Gedanke ausgesprochen, daß der Bezug einer Zollbehandlungsgebühr auf Poststücken aus dem Auslande von der Bundesversammlung beschlossen worden sei, um dem Bunde einen Teil der zur Durchführung der Versicherungsgesetze notwendigen Finanzquellen zu verschaffen, daß aber nach Verwerfung der Versicherungsvorlage der Weiterbezug der erwähnten Gebühr durch nichts mehr gerechtfertigt sei.

Bundesblatt 53. Jahrg. Bd. I.

12

166

Wir beehren uns, folgendes mitzuteilen : I.

Der schweizerischen Postverwaltung werden vom Ausland« Postpakete zur Beförderung an Adressaten in der Schweiz zugeleitet auf G-rund der nachstehend angegebenen Verträge und Übereinkommen : 1. Vertrag betreffend die Auswechslung von Poststücken, abgeschlossen in Washington am 15. Juni 1897 (A. 8. n. F.

XVI, 998).

2. Vertrag zwischen der schweizerischen und der britischen Postverwaltung betreffend die Auswechslung von Poststücken, vom 12./20. Juli 1896.

3. Übereinkommen zwischen der schweizerischen Postverwaltung und der K. D. Reichspostverwaltung für den schweizerisch-deutschen (ausgenommen den unmittelbaren schweizerischbayerischen und schweizerisch-württembergischen Verkehr), sowie zwischen der schweizerischen Postverwaltung einerseits und der königlich bayerischen Postverwaltung und der königlich württembergischen Postverwaltung anderseits für den unmittelbaren Verkehr zwischen der Schweiz und Bayern, sowie zwischen der Schweiz und Württemberg, vom 12. August 1900 (A. S. n. F.

XVIII, 162).

4. Übereinkommen betreffend Regelung der besonderu Beziehungen zwischen der schweizerischen und der österreichischen Postverwaltung, vom 12. August 1900 (A. S. n. F. XVIII, 180).

5. Übereinkommen betreffend die Regelung der besondern Beziehungen zwischen der Postverwaltung der Schweiz und der Postverwaltung von Ungarn, vom 12. August 1900 (A. S. n. F.

XVIÏÏ, 193).

6. Convention entre l'Administration des postes suisses et l'Agence continentale et anglaise du 24/28 aoftt 1886.

7. Vertrag zwischen der schweizerischen Postverwaltung und der Verwaltung der oberitalienischen Eisenbahnen, vom 14. Dezember 1880.

8. Vertrag zwischen der schweizerischen Postverwaltung und der französischen Ostbahn betreffend den gegenseitigen Austausch von Fahrpoststücken im Gewicht bis zu 50 kg. und von Wertsendungen, vom 30. August 1889.

167

9. Vertrag zwischen 1. der Postverwaltung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. der Gesellschaft der Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahn und 3. der Gesellschaft der westschweizerischen Eisenbahnen, vom 13. Dezember 1865.

10. Vertrag zwischen der schweizerischen Postverwaltung und der Dampfbootunternehmung auf dem Langensee betreffend ·die Beziehungen dieser Unternehmung zum schweizerischen Postdienste.

11. Conventione fra l'Amministrazione delle poste svizzere ·e la Società di Navigazione e ferrovie pel Lago di Lugano, del 1° Gennajo 1885.

12. Convention entre l'Administration dés postes suisses et M. Vadam à Maiche pour, le transport des articles de messageries par le service établi le 1er janvier 1883 entre Maiche et la Chauxde-Fonds.

· 13. Convenzione fra l'Amministrazione .delle poste federali ·e l'Impresa di messageria Valtellinese, del 15 novembre 1886 .(kommt auf den 31. Dezember 1900, weil gekündet, in Wegfall).

14. Vertrag zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die Auswechslung von Poststücken bis zum Gewicht .von 10 kg.

vom 30. November/22. Dezember 1898 (A. S. n. F. XVII, 55).

Im Washingtoner Vertrag betreffend die Auswechslung von Poststücken (ad l hiervor) ' ist den am Vertrag teilnehmenden A^erwaltungen ausdrücklich das Recht gewahrt, für die aus den Vertragsländern im Bestimmungsland eintreffenden Poststücke eine Zollbehandlungsgebühr zu beziehen. Der hierfür in Betracht fallende Vertragsartikel (Art. T) lautet wie folgt : ,,Im Bestimmungsland kann für die Bestellung und die Besorgung der Zollformalitäten eine Gebühr erhoben werden, deren Gesamtbetrag 25 Cts. für jedes Stück nicht übersteigen darf.

Wenn die beteiligten Verwaltungen nicht Gegenteiliges vereinbart haben, so wird diese Taxe bei der Bestellung des Stückes vom Adressaten- bezogen.a Etwas Gegenteiliges ist von seiteri der Schweiz nicht vereinbart worden.

Auch im Vertrag zwischen der schweizerischen und der britischen Postverwaltung betreffend die Auswechslung von Poststiicken (ad 2 hiervor) ist der schweizerischen Verwaltung das Recht zum Bezug einer Zollbehandlungsgebühr ausdrücklich gewahrt durch folgende Vertragsbestimmung (Ar.t. VII) : . . . .

168

,,Es ist gestattet, vom Adressaten in der Schweiz für Vertragung und Zollabfertigung eine Taxe bis zu 25 Cts. für jede Sendung zu erheben."

In den übrigen hiervor erwähnten Verträgen und Übereinkommen (ad 3 bis und mit 14) ist eine Bestimmung analog derjenigen im Washingtoner Poststückvertrag und derjenigen im Vertrag mit der britischen Postverwaltung nicht enthalten, d. h.

es ist nicht ausdrücklich gesagt, daß die Verwaltungen, bezw.

die Unternehmungen neben der reinen Transporttaxe für Vertragung und Mitwirkung bei der Verzollung der Sendungen noch eine besondere Gebühr beziehen dürfen. Das Fehlen einer solchen Bestimmung darf aber nicht so gedeutet werden, als würden die Verwaltungen und Unternehmungen das Recht nicht besitzen, für solche Leistungen, die mit dem Transport der Sendungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen, eine besondere, ihren Bemühungen entsprechende Nebengebühr zu erheben. Es hat bei den vertragschließenden Parteien vielmehr stets die Auffassung geherrscht, und es ist dieselbe bisher niemals angefochten worden, daß sowohl das Herkunfts- als das Bestimmungsland das Recht besitzen, ,,Fiskal-" oder Stempelgebühren auf den Sendungen zu erheben, und daß auch die Transportanstalten, bezw. Unternehmungen befugt seien, für Leistungen, die nicht unbedingt zur Beförderung der Sendungen gehören, eine Nebengebühr zu beziehen. Thatsächlich werden denn auch, wie wir weiter unten näher angeben werden, von unsern Nachbarländern solche Nebengebühren erhoben, und zwar in Form von Zollbehandlungs- oder Faktagegebühren.

Das Bundesgesetz betreffend die Posttaxen, vom 26. Juni 1884 (A. S. n. F. VE, 584), enthält hinsichtlich der Taxbehandlung der Sendungen im Verkehr mit dem Auslande lediglich folgende, im Art. 28 niedergelegte Bestimmung: ,,Mit Bezug auf Postsendungen, welche von dem Auslande kommen oder dorthin abgehen, ist der Bundesrat ermächtigt, unter Beachtung der bestehenden Verträge oder ändern Vereinbarungen mit den betreffenden ausländischen Transportanstalten die erforderlichen Taxbestimmungen und sonstigen Vorschriften festzusetzen."

Wir vermögen in dieser Gesetzesbestimmung nichts zu erblicken, das dem Bezug einer Zollbehandlungsgebühr auf den Postpaketen aus dem Auslande entgegenstehen würde, im Gegenteil halten wir dafür, diese Bestimmung verleihe dem Bundesrat

169 unter der Bedingung, daß die Verträge und Vereinbarungen dies zulassen, ausdrücklich das Recht, eine solche Gebühr vorzuschreiben.

Auch das Bundesgesetz über das Zollwesen, vom 28. Juni 1893 (A. S. n. F. XIII, 692), enthält keine Bestimmung, daß die Postverwaltung für ihre Bemühungen bei der Verzollung der Postpakete aus dem Auslande eine Gebühr nicht beziehen dürfte.

Der Art. 2 des Zollgesetzes schreibt nur vor, daß die Postsendungen von der ,,statistischen Gebühr" befreit seien. Die statistische Gebühr, die bei der Ausfuhr von Waren erhoben wird, kann aber mit der Zollbehandlungsgebühr nicht identifiziert werden.

U.

Es könnte die Frage aufgeworfen werden, wen die Zollbehandlungsgebühr hauptsächlich trifft, ob sie nicht vielleicht für einzelne an der Grenze gelegene Städte und Ortschaften fühlbarer sei als für den innern Teil des Landes. In dieser Beziehung verweisen wir auf nachstehende Zusammenstellung-.

Auf den Kopf der Wohnbevölkerung in der Schweiz und auf das Jahr berechnet entfällt ein Postpaket (genau 0,s) aus dem Auslande. Diejenigen Orte, welche unter dieser Durchschnittszahl stehen, empfinden den Bezug einer Zollbehandlungsgebühr weniger, diejenigen, welche darüber stehen, stärker.

Es sind bei 133 größern Ortschaften Erhebungen darüber gemacht worden, welche derselben über dem Durchschnitt von l Paket auf den Kopf der Wohnbevölkerung stehen ; dabei hat sich herausgestellt, daß nur die 38 nachstehend genannten Poststellen eine höhere Durchschnittszahl aufweisen, nämlich: Aarau 1,9 Lausanne l,» Baden 3 Lenzburg . . . . . l , s Basel . . . . . . 1,1 Liehtensteig . . . . l,» Bellenz '1,9 Locamo . . . . . . 2 Bern .

2 Lugano l,s Biel 2 Luzern . . . . . . 2 , t Burgdorf . . . . . 1,2 Montreux . . . , . 6,t Chaux-de-Fonds . . . 1 , 8 Neuenburg . . . . . 1,7 Chiasso 8,9 Nyon . . . . . . 1,2 Davos-Platz . . . . 4 Ölten 1,5 Freiburg 1,3 Örlikon . . . . . . l,i Genf 4,2 Ragaz < . . . . . . l,s Interlaken . . . . . l,i Rapperswil. >, ; · . ·. 3\j

170

Borschach Thun 1,6 l,* Samaden Vevey V V St. Gallen Winterthur .

2,, U St. Moritz (Graubünden) 9,i Wohlen (Aargau) *,» Schaffhausen Zofingen . . .

1,3.

l,i Solothurn .

Zürich . . . .

U :V Bei diesen Ermittlungen fallt in erster Linie auf, daß von den 133 größern Städten und Ortschaften, die doch einen ganz wesentlichen Teü des Postverkehrs darstellen, in Bezug auf den Verkehr der Postpakete aus dem Auslande nur die hiervor bezeichneten 38 Poststellen über dem Durchschnitt stehen.

In zweiter Linie darf darauf hingewiesen werden, daß von den .38 über dem Durchschnitt stehenden Städten und Ortschaften wiederum eine ganze Anzahl nicht sehr voneinander abweichende Durchschnittsverkehrszahlen aufweist. Also auch hier ist, mit Ausnahme von Orten, wo specielle Verhältnisse vorhaüden sind, eine gewisse Gleichmäßigkeit des Auslandsverkehrs vorhanden.

Wesentlich über dem Durchschnitt stehen: Baden St. Gallen 3 2,,.

Chiasso .

St.

Moritz »,i; 8,9 Dav os-Platz 4 Vevey 2,8, ; Genf 4,2 Wohlen V Luzern Zürich 3,5 2,!

Montreux 6,4 Es ist unverkennbar, daß diese Zahlen durch drei Faktoren beeinflußt werden, nämlich: durch die Fremdenindustrie, durch das Vorhandensein einer verhältnismäßig großen Zahl von Ausländern, die mit ihrer Heimat einen regeren Verkehr unterhalten und durch das Bestehen einer für gewisse Bedürfnisartikel besonders auf das Ausland angewiesenen Industrie.

Einer oder mehrere dieser Faktoren treffen bei allen 11 vorstehend genannten Orten zu. Bei Chiasso kommt neben dem Vorhandensein einer verhältnismäßig großen ausländischen Bevölkerung hinzu, daß daselbst mehrere Speditionshäuser bestehen, die eine Vermittlerrolle im Handel zwischen Deutschland und Italien übernehmen.

Angesichts aller dieser Thatsachen erseheint der Ausspruch nicht zu gewagt, der Auslandsverkehr an ankommenden Paketen entfalle nicht nur auf einzelne Gebiete oder Ortschaften an der Grenze, sondern ziemlich gleichmäßig auf alle Landesteile.

171

m.

Die Postverwaltung besorgt in Bezug auf die Postpakete aus dem Auslande als Vertreter des Zollpflichtigen folgende Zollformalitäten : a. Bei Verzollung an der Grenze : die Übergabe der Zolldeklarationen an das Eiogangszollamt; die Übergabe derjenigen Pakete an das Zollamt, welche von den Zollorganen zur Revision verlangt werden ; die Abholung der Papiere und revidierten Stücke auf dem Zollamt; die Vormerkung des Zollbetrages auf der Begleitadresse (eventuell dem Gebührenbordereau), die Weiterrechnung desselben in Form einer Nachnahme und den Einzug beim Adressaten (eventuell, wenn Zollfrankozettel vorliegen, beim Versender), sowie die Ablieferung, beziehungsweise Vorausbezahlung des Zollbetrages an das Zollamt.

b. Bei Paketen, die nicht an der Grenze, sondern bei einem Zollamt im Innern zu verzollen sind, sowie solchen, die in ein Niederlagshaus gehen oder zur Transitabfertigung bestimmt sind : die Übermittlung der Zolldeklarationen an das Grenzzollamt; die "Wiederabholung derselben nach Ausfertigung des Geleit-, beziehungsweise Transitscheines durch das Zollamt; Versendung des Transitscheines und der übrigen Papiere, sowie des zugehörenden Paketes an das Zollamt im Innern, beziehungsweise das Niederlagshaus oder Ausgangsbureau ; Avisierung des Adressaten, daß er sich zur Besorgung der ihm mit Bezug auf Begleit-, beziehungsweise Transitschein auffallenden Formalitäten einflnde ; Rücksendung der Scheine an das Eingangszollamt zur Löschung.

Die Post haftet dem Zoll gegenüber für die richtige Rückleitung der Scheine in dem Sinne, daß sie für nicht zurückgelangte Scheine in der Höhe des Zollbetrages verantwortlich erklärt wird.

Im Jahr 1899 gelangten 2,374,823 Postpakete aus dem Ausland zur Einfuhr in die Schweiz. Es sind das, wenn die Sonntage außer Betracht gelassen werden, täglich 7587 Pakete. Schon diese Zahl weist, auch wenn die Leistungen der Post für das einzelne Paket nicht sehr große sind, darauf hin, welche Summe von Arbeit den Grenzeingangspostbureaux aus der Mitwirkung der Post beim Verzollungsgeschäft erwächst.

Von den zur Einfuhr gelangenden Postpaketen müssen cirka 20 % auf Verlangen der Zollorgane diesen letztern zur Revision überbracht und nach beendigter Revision wieder abgeholt werden.

Bei einer Einfuhrzahl von 2,374,823 Paketen per Jahr müssen

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demnach -- ebenfalls die Sonntage außer Betracht gelassen -- täglich cirka 1500 Pakete den Revisionszollämtern zugestellt und wieder abgeholt werden. Diese Arbeit nötigt die Postverwaltung, bei den Grenzeingangspostbureaux zahlreiche Angestellte mehr zu halten als der gewöhnliche Verkehr erfordern würde. Es erwachsen der Postverwaltung aus der Mitwirkung bei der 'Verzollung der Postpakete an Stelle des Zollpflichtigen demnach nicht unerhebliche Ausladen.

"o^ Auch der Einzug des Zollbetrages bei den Adressaten der Sendungen verursacht der Post einen besondern Mühewalt. Die Zollbeträge müssen von den Postbureaux an der Grenze, welche die Zollformalitäten besorgen, als Nachnahmen weiter gerechnet werden und am Bestimmungsort ist der Zoll vom Adressaten einzuziehen. Es liegt demnach die gleiche Arbeit vor wie bei gewöhnlichen Nachnahmen. Bei den Nachnahmen erhebt die Post gestützt auf Art. 22 des Posttaxengesetzes außer der Transporttaxe eine Provision von 10 Cts. von je 10 Fr. oder einen Bruchteil dieses Betrages. Diese Provision wird auf den Zollbeträgen nicht bezogen ; deren Bezug würde sich aber, vom postalischen Standpunkt aus betrachtet, rechtfertigen.

Der Post fallen mit Bezug auf die Zollbehandlung der Pakete aus dem Auslande ähnliche Aufgaben zu, wie sie den Eisenbahnen für die durch deren Transportgeschäfte zur Einfuhr gelangenden Waren aufliegen. Nur sind die von der Post verlangten Leistungen in der Regel etwas geringer als diejenigen der Eisenbahnen; es liegt das begründet in der Verschiedenheit der zu transportierenden Waren. Die Post befaßt sich mit dem Transport der kleinern Sendungen, die Eisenbahnen übernehmen vorwiegend den Großverkehr; ein Unterschied besteht auch in der Stellung der beiden Transportanstalten zur Staatsverwaltung.

Im Reglement und Tarif betreffend den Bezug der Nebengebühren hat der Bundesrat den Eisenbahnen den Bezug einer Zollbehandlungsgebühr ausdrücklich gestattet und hierfür einen Tarif aufgestellt, und überdies hat er ihnen erlaubt, auf den Zollbeträgen über Fr. 10 eine Provision von 2 %o zu erheben. Außer dieser Provision beziehen die Eisenbahnen für ihre Mitwirkung bei Verzollung der Warfen im Minimum eine Deklarationsgebiihr von 10 Cts. und für den Transport von Eil- oder gewöhnlichen Gütern von den Güterschuppen nach dem Zolllokal, für Reisegepäck oder umgekehrt: pro 100 kg. Gewicht 30 Cts., im Minimum aber 40 Cts.

173

iv.

·

x

.

Wir haben schon vorstehend kurz angedeutet, daß unsere Nachbarstaaten von der Fakultät, auf den Postpaketen aus der Schweiz Nebengebühren in der Form von Zollbehandlungs- oder Factagegebühren beziehen zu dürfen, Gebrauch machen. Es geschieht dies wie folgt: D e u t s c h l a n d bezieht, wenn die Verzollung der Postpakete aus der Schweiz nach Deutschland von einem Postbeamten an Stelle des Adressaten ausgeführt wird, eine Verzollungsgebühr von 20 Pf. für jedes Paket.

Ö s t e r r e i c h verlangt für- den Transport der Pakete vom Postamt zum Zollamt 10 Heller und für die Vermittlung des .Zollverfahrens durch einen Postbeamten in Vertretung des Adres^ säten 20 Heller von jeder Sendung. Bei Paketen, die am Zollamtsorte selbst bestellt werden, muß der Adressat die Verzollung selbst vermitteln. Thatsächlich macht sich die Sache demnach so, daß an Orten, wo ein Zollamt besteht, eine Gebühr von 10 Heller und an ändern Orten eine solche von 30 Heller bezogen wird.

I t a l i e n bezieht auf auf Potsstücken (Pakete bis 5 kg.) aus der Schweiz eine Stempelgebühr von 10 Cts. für jedes Stück; wenn aber der Zollbetrag höher ist als Fr. 10, wird die Stempelgebühr auf 60 Cts. bestimmt. Der Transport der Fahrpoststücke, also der Pakete über 5 kg. Gewicht, wird in Italien durch die Eisenbahnen auf eigene Rechnung besorgt. Die Eisenbahnen beziehen auf diesen Sendungen eine Kommissionstaxe von 25 Cts.

und eine Zollbehandlungsgebühr von 10 Cts. per Stück, jedoch nur dann, wenn die Verzollung an der Grenze stattfindet. Verlangt der Versender des Stückes, daß die Verzollung am Bestimmungsort vorgenommen werde, damit der Adressat die Möglichkeit hat, zugegen zu sein, so wird gefordert Fr. 1. 35 für einen ,,acquit à cautiona und 15 Cts. für jede Plombe, die an den Zollverschluß, unter den das Stück gelegt wird, angebracht werden muß.

F r a n k r e i c h verlangt für die Postpakete (colis postaux) aus der Schweiz eine Factagegebühr von 25 Cts. per Stück. Die französischen Eisenbahnen beziehen für Warensendungen über 5 kg. Gewicht, welche ihnen zum Transport zugeleitet werden, eine Zollbehandlungsgebühr von 50 Cts. für Sendungen, die nicht revidiert werden müssen, und das Doppelte, wenn eine Revision

174

durch die Zollorgane notwendig ist ; bei Geldsendungen betrügt die Gebühr 25 Cts. bis Fr. 1000 Wert und für je Fr. 1000 mehr 10 Cts.; bei Wertsendungen werden bezogen 50 Cts. bis zu Fr. 1000 Wert und für je Fr. 1000 mehr 25 Cts. ; bei Musikdosen Fr. 2 und bei Uhren aller Art bis zum Wert von Fr. 1000 Fr. l und für je Fr. 1000 mehr Wert 25 Cts. Außer diesen hohen Gebühren werden noch bezogen: für Stempel 35 Cts. ] Einschreibung 10 ,, [ Total 55 Cts.

Statistik 10 ,, l V.

Aus den Erwägungen, welche sich aus den vorstehenden, den thatsächlicheri Verhältnissen entsprechenden Darlegungen ergeben, gelangte der Bundesrat anläßlich der Aufstellung des sogenannten Zukunftsbudgets zu der Ansicht, der Bezug einer Zollbehandlungsgebühr sei auch in der Schweiz gerechtfertigt.

Er beauftragte daher durch Beschluß vom 28. April 1899 die Postverwaltung, vom 1. Januar 1900 an auf den Postpaketen aus dem Ausland nach der Schweiz eine Zollbehandlungsgebühr von 10 Cts. für jedes Stück zu erheben.

Bei Beratung. der Finanzlage des Bundes und der Beschaffung der Mittel zur Durchführung der Versicherungsgesetze haben die eidgenössischen Räte durch Beschluß vom 5./6. Oktober 1899 den Bundesrat jedoch eingeladen, für die Mitwirkung der Post bei der Verzollung von Poststücken aus dem Auslande vom 1. Januar 1900 an eine Gebühr von 20 Cts. zu beziehen. Dieser Einladung ist der Bundesrat nachgekommen und vom 1. Januar 1900 an wird diese Gebühr von 20 Cts. bezogen. Dieser Ansatz wurde auch dem betrefienden Einnahmeposten im Budgetentwurf für das Jahr 1901 zu Grunde gelegt. Die daherige Einnahme ist auf Franken 510,000 veranschlagt. Für den Fall der Aufhebung der Zollbehandhmgsgebühr würde diese Einnahme ganz wegfallen und bei Ermäßigung derselben von 20 auf 10 Cts. auf Fr. 255,000 herabgesetzt werden.

Seit dem Beschluß der eidgenössischen Räte betreffend die Zollbehandlungsgebühr hat sich der Bundesrat schon wiederholt mit Eingaben zu befassen gehabt, welche sich gegen den Bezug dieser Gebühr richteten und deren Aufhebung verlangten.

Am G. November 1899 hat die ,,Société des libraires et éditeurs de la Suisse romande" den Bundesrat mittelst einer Ein-

175 gäbe ersucht, bei Aufstellung des Budgets pro 1900 die Einladung ö1 der Bundesversammlung an den Bundesrat zum Bezüge einer Zollbehandlungsgebühr von 20 Cts. auf den Poststücken aus dem Auslande einer neuen Prüfung zu unterziehen in dem Sinne, daß untersucht werde, welche Konsequenzen diese Maßnahme haben werde. Dabei wurde die Überzeugung ausgesprochen, daß diese neue Prüfung den Bundesrat veranlassen werde, der Bundesversammlung zu beantragen, es sei der erwähnten Einladung nicht Folge zu geben.

Der Buudesrat hat am 11. Dezember 1899 beschlossen, es sei auf dieses Gesuch nicht einzutreten.

Die Société des libraires et éditeurs de la Suisse romande hat die Petition, die uns heute beschäftigt, mitunterzeichnet.

Am 6. Dezember 1899 hat die neuenburgische ,,Chambre cantonale du commerce, de l'industrie et du travail* in Verbindung mit dem Conseil de commerce au Locle, der Société des intérêts généraux de l'industrie horlogère au Locle, der Intérêts généraux du commerce au Locle, der Société des fabricants d'horlogerie de la Chaux-de-Fonds, der Société des intérêts généraux du commerce et de l'industrie à la Chaux-de-Fonds vom Bundesrat verlangt, die Erhebung der Zollbehandlungsgebühr zunächst zu verschieben und · die Frage neuerdings zu prüfen im Sinne des gänzlichen Wegfalls dieser Gebühr oder, wenn ein gänzlicher Wegfall nicht möglich erscheine, Ermäßigung Aet Gebühr auf 10 Cts. In jedem Falle seien Sendungen mit Waren schweizerischen Ursprungs, die wieder nach der Schweiz eingeführt werden, von der Zollbehandlungsgebühr zu befreien. (Das letztere wäre in der Praxis undurchführbar, weil den Postorganen alle und jede Kontrolle über den urspünglichen Herkunftsort der importierten Waren abgeht und sie nicht befugt sind, die Postpakete auf ihren Inhalt zu untersuchen.)

Durch Beschluß vom 21. Dezember 1899 haben wir auch dieses Gesuch abgelehnt.

Die neuenburgische Chambre cantonale du commerce, de l'industrie et du travail, Chambre du commerce du Locle und die Société des fabricants d'horlogerie de la Chaux-de-Fonds gehören mit zu den Petenten.

Am 20. April 1900 hat Herr Sebastian Böser, Speditionsgeschäft in Luino, beim Bundesrate das Gesuch eingereicht, es sei die Zollbehandlungsgebühr auf denjenigen Sendungen nicht zu erheben, welche zur Transitabfertigung deklariert sind. Mit

176

Rücksicht darauf, daß diese Sendungen (Ad III, o, hiervor) der Postverwaltung keineswegs einen geringern Mühewalt verursachen als andere Sendungen, haben wir dieses Gesuch unterm 1. Juni 1900 ebenfalls abgewiesen.

Am 2. August 1900 hat der Vorort Zürich des schweizerischen Handels- und Industrievereins an unser Post- und Eisenbahndepartement ein Schreiben gerichtet, aus welchem zu entnehmen war, daß der genannte Vorort, veranlaßt durch eine Anregung der Société industrielle et commerciale de Lausanne, eine Umfrage bei seinen Sektionen veranstaltet hat zu dem Zwecke, daß sich die letztern über die Beibehaltung oder Abschaffung der Zollbehandlungsgebühr auf Postsendungen aus dem Auslande äußern. Das Resultat der Umfrage war, daß sich gleich viel Sektionen für als gegen die Zollbehandlungsgebühr aussprachen ; die Hälfte der Sektionen des schweizerischen Handelsund Industrievereins hatte sich überhaupt nicht vernehmen lassen, woraus gefolgert werden dürfte, daß sie der Frage geringe Bedeutung beimessen. Der Vorort des schweizerischen Handelsund Industrievereins sprach den Wunsch aus, das Post- und Eisenbahndepartement möchte über die Frage des Bezugs einer Zollbehandlungsgebühr eine Prüfung anordnen und ihn seiner Zeit vom Ergebnis derselben benachrichtigen. Das Post- und Eisenbahndepartement hat hierauf unter Hinweisung auf den Beschluß der eidgenössischen Räte geantwortet, daß dem Wunsche seiner Ansicht nach nur dann entsprochen werden könnte, wenn ein Auftrag hierzu von der Bundesversammlung vorliegen würde.

Die Überweisung der Petition an den Bundesrat zur Berichterstattung hat dem letztern nunmehr Gelegenheit geboten, die ganze Angelegenheit noch einmal einläßlich zu erörtern, und wir kommen dabei zu nachstehenden Schlußfolgerungen: Wenn die Petenten darauf abstellen, daß die Zollbehandlungsgebühr auf Postpaketen aus dem Auslande zum Bezüge gelangt sei, um einen Teil der zur Durchführung der Versicherungsgesetze notwendigen Mittel zu beschaffen, und daß nach Ablehnung der letztern in der Volksabstimmung die mehrgedachte Gebühr durch nichts mehr gerechtfertigt 'sei, so ist einer solchen Auffassung entgegenzutreten. Abgesehen davon, daß trotz des negativen Volksentscheides die Frage der Versicherung nicht endgültig begraben ist, sondern in dieser oder jener Form in nicht allzu ferner Zeit wieder
aufgenommen werden wird und inzwischen die Äufnung des Versicherungsfonds nicht sistiert werden sollte, sind die damaligen Beschlüsse der Bundesversammlung zur Ver-

177 besserung der Finanzlage des Bundes unabhängig vom Schicksale der Versicherungsvorlage gefaßt worden. Wenn ferner der Bundesrat die vorstehend erwähnten wiederholten Gesuche konsequent ablehnend beschieden hat, so wollte er sich in erster Linie nicht in Widerspruch setzen mit einem vor so kurzer Zeit gefaßten, klar und deutlich lautenden Beschlüsse der Bundesversammlung.

Eine neue Gelegenheit für diese letztere, auf ihren Beschluß eventuell zurückzukommen, bot sich anläßlich der Beratung des Budgets pro 1901.

Wir hatten in unserer Botschaft (S. 48, beziehungsweise Bundesbl. 1900, IV, 248) diese Zollbehandlungsgebühr und deren Wirkung noch ganz speciell hervorgehoben und beigefügt, der Bundesrat sei trotz einer anläßlich der Behandlung des Geschäftsberichtes im Ständerate gemachten Anregung nicht im Falle, von sich aus eine Änderung zu beantragen. Die Petition der Union vaudoise war damals schon bei den eidgenössischen Räten hängig, und die berichterstattenden Budgelkommissionen haben nicht ermangelt, diese Position speciell ins Auge zu fassen.

Allein von keiner Seite ist ein bezüglicher Antrag gestellt worden, und das Budget pro 1901 ist samt dieser Zollbehandlungsgebühr in Kraft erwachsen. Das Eintreten auf die Petition würde somit ein Zurückkommen auf das bereits mit einem Deficit von nahezu 3 Millionen Franken abschließende Budget pro 1901 bedeuten.

In Festhaltung des Standpunktes, welchen er schon gegenüber drei vorangehenden, gleichlautenden Gesuchen eingenommen hat, ist daher der Bundesrat nicht in der Lage, die Gutheißung der Petition der Union vaudoise und Genossen zu befürworten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 22. Januar

1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

178

# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Costantino Bonomi, Vorarbeitergehülf der Gotthardbahn in Göschenen.

(Vom 29. Januar 1901.)

Tit.

Bonomi wurde vom Bundesstrafgerichte durch Urteil vom 24. Oktober 1900 des Vergehens der fahrlässigen Gefährdung eines Eisenbahnzuges im Sinne des Art. 67 b des Bundesstrafgesetzes schuldig erklärt und zu zehn Tagen Gefängnis und Fr. 30 Geldbuße verurteilt unter Auferlegung einer Gerichtsgebühr im Betrage von Fr. 100 und der Untersuchungskosten und Kosten des Hauptverfahrens im Betrage von Fr. 957. 20.

Was die Kostenfolge anbetrifft, so hat er bei uns ein Gesuch nm Reduktion auf Fr. 300 eingereicht und wir haben diesem Gesuch unterm 12. laufenden Monats entsprochen. Er richtet nun aber an die Bundesversammlung das weitere Gesuch, daß ihm die Strafe oder mindestens die Gefängnisstrafe im Gnadenwege erlassen werden möchte.

Der Eisenbahnunfall, um welchen es sich bei der Anklage ' O gegen Bonomi handelte, ereignete sich am Abend des 3. Januar 1900, kurz nach 10 Uhr, im großen Gotthardtunnel auf Seite von

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Eingabe der ,,Union vaudoise du Commerce et de l'Industrie" und Mitunterzeichnete um Aufhebung der Zollbehandlungsgebühr auf den Postpaketen vom Auslande. (Vom 22. Januar 1901.)

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30.01.1901

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165-178

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