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Schweizerisches Bundesblatt.

XVl. Jahrgang. l.

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Nr. 12.

12. Marz 1864.

Bundesrathsbeschluss in

Aachen des Rekurses des Ulrich Siedler, von Ragaz, Kts. St. fallen, betreffend Vollziehung eines gerichtlichen

Urtheils.

(Von. 28. Oktober 1863.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat in Aachendes Herrn Bezirkssorsters Ulrich Schedl er in Ragaz, betref-

fend Vollziehung eines gerichtlichen Urtheils,

nach angehortem Berichte des Jnstiz - und Volizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben :

l. Am 5. Juli 1862 hat Reknrrent den Hrn. Hofstetter, zum Tabor in Ragaz, zubanden des Hrn. Jakob Büchi, Bauunternehmer, von und zu Eschlikon , Kantons Thurgau , sür die Forderung von Fr. 20. 05 als Ersaz für Schädigungen, welche durch eine Expertise festgestellt worden, rechtlich betreiben lassen.

Hr. Hosstetter hat als Bevollmächtigter des Hrn. Büehi die Forderuug und die behauptete Beschädigung bestritten , unter Vorbehalt der ihm weiter zustehenden Einreden.

^ . . Bei der hieraus am 15. Juli 1862 stattgesundenen Verhandlung vor dem Vermittleramte Ragaz sind lant dem am 17. Juli expedirten Leitseheiue erschienen: Hr. Schedler, als Klager, gegen ,,Hrn. Jakob Büehi Bundesblatt. Jahrg. XVl Bd.I.

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,,von Esehlikon, Kts. Thurgan, für denselben mit Vollmacht . Hr. Eolestin ^Hofstetter zunt Tabor in Ragaz.^ ^lm 1.). August l 862 sand die erste Verhandlung vor dem UnterBerichte des Ventes Sargans in Ragaz statt. ^ür den Beklagten erschien Niemand, vielmehr hat Hr. Hosstetter an. l4. August der Gerichtskan^lei schriftlich angezeigt, da^ er von den. Beklagten nur Vollmacht erhalten habe, denselben vor Vermittleramt und nicht auch vor Gericht zu vertreten. Das Gericht zog daher in Betracht, dass, da der Beklagte ausser dem Kanton wohne, er nach Art. 47 des Zivilprozesses pslichtig gewesen wäre, sich durch einen Bevollmächtigten vor Gericht vertreten zu lassen, und hat erkannt, es seien die Parteien peremtorisch vorzuladen. Dieses

geschah auf den 16. September ^862. Am l0. gleichen Monats machte

Hr. Buchi der Gerichtskanzlei die Anzeige, dass Hr. Hosstetter bevollmächtigt sei. Der Beklagte war jedoch am 16. September wieder nicht repräseutirt, worauf das Gericht das .klägersehe Rechtsbegehren durch Kontumaz-

.urtheil gutgeheißen hat.

2.

nach die suchte er hat ihn

Herr Sehedler verlangte nun bei dem Friedensriehteramte SirVollziehung dieses Urtheils, und als diese verweigert wurde, das Er^natnr der Regierung des Kantons Thurgau nach. Lettere jedoch mit Befchluss vom 21. März 1863 abgewiesen, gestüzt

daraus, dass die Reehtskräftigkeit eines Zivilurtheils vor Allem von der Zuständigkeit des nrtheilenden Gerichtes abhan^e , dass der beklagte Buchi einen gesezlichen Wohnst im Kanton St. Gallen nicht gehabt, somit dort der Gerichtsstand des Wohnortes gegen ihn nicht begründet gewesen sei, und dass, da er weder personlich, noeh durch einen Bevollmächtigten bei den Verhandlungen vor dem Untergeriehte Sargans aus die Klage sich eingelassen habe, d.efe- ^leztere auch nicht als prorogirter Gerichtsstand anerkannt werden konne.

3. Mit Eingabe an den Bundesrath vom 29. August 1863 hat Herr Fürsprecher Good in Mels, Ramens des Herrn Schedler, gegen diesen Beschluss.rekurrirt, und .^eftüzt auf Art. 49 der Bundesverfassung das Gesueh gestellt, dass die Regierung von Thurgau angewiesen werden mochte, dem fraglichen Urtheile Vollzug zn verschaffen, und zwar (mit Jnbegriff der Broze^osten) für den Betrag von Fr. 1l0. 45 Rp.

Jn rechtlicher Beziehung wird geltend gemacht .

a. Der Beklagte Buchi sei zur Zeit, als der Brozess vor Vermittleramt Ragaz anhängig gemacht worden sei, mit seiner ganzen Familie in Wallenstadt, Kantons St. Gallen, niedergelassen gewesen, und derselbe habe auch vor diesem Amte durch seinen Bevollmächtigten auf die Klage geantwortet, somit den St. Gallischen Gerichtsstand anerkannt, denn naeh Art. 12 des dortigen Zivilprozesses werde der Gerichtsstand durch Bestellung der Vorladung vor Vermittleramt begründet und konne dnrch eine naehherige Wohnnngsänderung des Beklagten nicht mehr ausgehoben werden. Raeh Art. 13 des

247 gleichen Gesezes werde das Gericht kompetent, insofern diese Kompetenz nicht bestritten werde.

b. Der Beklagte habe die Kompetenz des St. Gallischen Gerichts nie bestritten, auch von dessen Bevollmächtigten sei dieses nie geschehen.

Er habe gegen die Vollziehung des Urtheils bloss protestirt . weil er nicht gehörig zitirt worden, was aber unwahr fei.

c. Angenommen auch, der Beklagte Buchi habe im Kanton St. Gallen nie gesezliehe Niederlassung gehabt, so stehe dem Kläger, da seine Entsehädignngsklage aus einer strafbaren Handlung entsprungen sei, nach Art. 5, Litt. .^ des Zivilprozesses die Wahl zu, den Beschädiger an seinem Wohnorte oder am Orte der That zu belangen,

welche freilich hier in den gleichen Gerichtskreis gehöre.

4. Die Regierung des Kantons Thnrgau, nach Vernehmlassnng des J. Büehi, hat diesen Rekurs unterm 17. Oktober 1863 beantwortet und den Antrag, dass derselbe abzuweisen sei, dahin begründet : ad .^. Der Beklagte bestreite, dass er als Niedergelassener, oder auch nur als .Aufenthalter, im Kanton St. Gallen gewohnt habe. Die in Ragaz verakkordirten Strassenarbeiten habe er von seinem Domizil in Eschlikon aus geleitet. Der Beweis sür das behauptete Domizil im Kanton St. Gallen sei weder versucht, noeh geleistet worden.

ad. ^. Die .Anerkennung des Gerichtsstandes seze vorans, dass der Beklagte vor Gericht, nicht bloss vor dem Vermittleramte, ans die Klage emlässlich geantwortet habe. Der Reknrrent müsse selbst zugestehen , dass dieses nicht geschehen sei.

ad c. Es handle sich bloss um Bezahlung der Kosten für Wiederherstellung einer Strasseneinf^hrt. Diese Ansprache sei offenbar eine per^nliehe und rein zivilreehtlicher .^atnr. Dureh die Beweisausnahme bezüglieh des Sehadens und seiner Grosse, die natürlich nur an .^.rt uno Stelle habe stattfinden konnen, sei der Beklagte seinem natürlichen Richter nicht entzogen worden.

Jn E r w ä g u n g : 1) dass die Frage, ob die Vollziehung eines Zivilnrtheils tn einem andern Kanton verlangt werden könne, nach .^lrt. 4.^ der Bundesverfassung davon abhängig ist, ob dasselbe ..rechtskräftig, som.t ^or Allem aus von einem kompetenten Gerichte erlassen worden sei ; 2) dass im vorliegenden Falle das Gericht Sargans ursprünglich jedenfalls nicht kompetent war, indem die Behauptung des Rekurrenten, dass der Schuldner in diesem Geriehtssprengel seinen festen Wohn..

fiz gehabt, in keiner Weise belegt und an und für sieh sehr unwahrscheinlich ist, und indem die weitere ..Behauptung, daß das Gericht Sargans als foruni delicti zuständig gewesen sei, unmog-

lich ernsthaft diskutier ist;

248 3) das. somit nur in Frage bleibt, ob das Gericht Sargans als pro-

rogirter Gerichtsstand geurtheilt habe,

4) dass diese Frage nun ganz entschieden bejaht werden muss, indem der Beklagte die Kompetenz jenes Gerichtes bis zu seinem Spruche nicht nur mit keinem Worte bestritten , sondern noch durch mehrsache Erklärungen ausdrüklich anerkannt hat, da er nicht bloss vor Vermittleramt Raga^ sieh durch ein .m Spezialbevollmäehtigten vertreten liess, sondern in Folge des Erkenntnisses des Untergerichtes

Sargans vom 19. Angnst 1862, welches die Kanzlei anwies, die

Bestellung eines Bevollmächtigten von ihm zu verlangen, dem Geriehtssehreiber in Ergänzung eines gleichartigen Schreibens vom 1 . September, unterm 10. September die formiche .Anzeige machte, ,,dass Hr. Hofstetter zum Tabor bevollmächtigt sei wegen der For^ dernng mit Schedler,^ b e s e h l o s se n .

1. Es sei der Rekurs begründet und demzufolge der Beschluss der Regierung von .......lmrgau vom 21. März 1863 aufgehoben.

2.

Es sei der Rekursbeklagte gehalten, den Rekurrenten sur die ihm durch gegenwärtigen Rekurs erlaufenen Kosten angemessen zu ent-

schädigen.

3. Sei dieser Beschluss der Regierung von Thnrgau zuhanden des Rekursbeklagten und dem Re^knrrenten unter Rüksendung der Akten mitzutheilen.

Also beschlossen, B e r n , den 28. Oktober

1863.

..^m Ramen des schweiz. Bundesrathes,

Der Bundespxäsident: ^ Fornerod.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ^ ^ .

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Bundesrathsbeschluss in Aachen des Rekurses des Ulrich Siedler, von Ragaz, Kts. St.

Gallen, betreffend Vollziehung eines gerichtlichen Urtheils. (Von. 28. Oktober 1863.)

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12.03.1864

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