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Schweizerisches Bundesblatt.

53. Jahrgang. L

Nr. 4.

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23. Januar 1901.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Rudolf Baumberger, Weichenwärters, in Biberist.

(Vom

22. Januar 1901.)

Tit.

Rudolf Baumberger, Weichenwärter, in Biberist, wurde durch Urteil des Amtsgerichtes Bucheggberg-Kriegstetten, Kanton Solo; thurn. vom 29. August 1900 der fahrlässigen Gefährdung eines Eisenbahnzuges schuldig erklärt und verurteilt: a. zu sechs Tagen Gefängnis, b. zur Zahlung einer Geldbuße von Fr. 20, welche in vier Tage Gefängnis umzuwandeln sind, falls nicht innert drei Monaten deren Bezahlung erfolgt, c. zur Tragung der Untersuchungskosten mit Fr. 3 Gerichtsgebühr.

Er sucht nun darum nach, daß ihm auf dem Gnadenwege Strafe und Kosten erlassen werden, indem er geltend macht, daß er sich einer Schuld an dem stattgefundenen Eisenbahnunfalle nicht bewußt sei und daß die ihm auferlegte Strafe nicht im Verhältnisse zu der Schuld stehe, die ihm im schlimmsten Falle Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. I.

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66 zur Last gelegt werden könne, daß namentlich eine Freiheitsstrafe im vorliegenden Falle zu hart sei.

Das verurteilende Erkenntnis des Amtsgerichtes stellt in thatsächlicher Hinsicht fest, daß Weichenwärter Baumberger während eines bahndienstlichen Manövers eine von ihm zu besorgende Weiche in dem Momente umgelegt habe, als von einer Reihe zusammengekuppelter und in Bewegung begriffener Eisenbahnwagen der erste ,,bereits in die Weiche hineingefahren gewesen1', und daß ,,folgerichtig dann auch die Entgleisung erfolgt sei". Immerhin wird vom Gericht selbst angenommen, Baumberger sei jedenfalls bei Bedienung der Weiche etwas aufgeregt gewesen, und als strafmildernd in Betracht gezogen, daß er zur kritischen Zeit erst seit kurzem als Hülfswärter in Anstellung gestanden habe.

Aus dem Vorfall entstand nur ein geringfügiger Materialschaden, Personen scheinen überhaupt nicht in ernste Gefahr geraten zu sein.

Die thatsächlichen Ergebnisse des Gerichtsverfahrens und die Qualifikation der Handlungsweise des Angeklagten durch den Strafrichter sind für die Begnadigungsinstanz maßgebend in dem Sinne, daß keine Rücksicht genommen werden darf auf die Behauptung des Potenten, er habe die fatale Manipulation mit der Weiche nicht vollzogen, beziehungsweise es sei dies in einer solchen momentanen Verwirrung und Aufregung geschehen, daß ihm eine strafbare Fahrlässigkeit nicht zur Last gelegt werden könne. Er hat daher jedenfalls nicht Anspruch auf vollständigen Erlaß von Strafe und Kosten. Dagegen rechtfertigt sich nach der bisherigen Praxis die Streichung der Gefängnisstrafe auf dem Wege der Begnadigung, da angenommen werden kann, der Richter habe solche neben der Geldbuße nur deswegen verhängt, weil er durch das geltende Strafgesetz dazu gezwungen war, und da die im Urteile selbst angeführten Strafmilderungsgründe den Fall als einen in objektiver und subjektiver Beziehung verhältnismäßig leichten erscheinen lassen.

Gestützt auf diese Erwägungen stellen wir bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag Es sei dem Baumberger die durch das vorgenannte Urteil des Amtsgerichtes. Bucheggberg-Kriegstetten auferlegte Gefängnis-

67 strafe von sechs Tagen zu erlassen, im übrigen aber sein Gesuch abzuweisen.

B e r n , den 22. Januar 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Rudolf Baumberger, Weichenwärters, in Biberist. (Vom 22. Januar 1901.)

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1901

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04

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23.01.1901

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65-67

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