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Schweizerisches Bundesblatt.

XVI. Jahrgang. ll.

Nr. 36.

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26. August 1864.

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der

kommission de.... Nationalrathes über die Botschaft des Bundesraths betreffend das

(vom 10. Dezember 1863.)

Die vielen Rekurse, welche der Bundesversammlung zum Entscheide vorgelegt werden, haben schon ost zu dem Wunsche veranlagt, dass in geeigneter Weise gegen diesen Andrang Abhülfe geschafft werde , allein fo wie man verstehen wollte, diese Wünsche zu verwirklichen, begegnete man so vielen Hindernissen, dass man immer nieder darauf zurükkam, die Sache zu belassen wie sie gegenwartig ist. Wir berufen uns in dieser Beziehnug speziell auf die Schutznahme des Nationalraths von. 6. Juli

1860.

Diese Behörde hatte durch Beschluss vom 22. Dezember 1857

einem Bundesgeseze gerufen , krast welchem hierzu geeignete Rekurssalle dem Entscheide des ......mndesgerh.ht..... unterstellt .werden konnten. Raeh Anhorung eines umfassenden und gründlichen Berichtes, welchen der seither verstorbene Hr. Nationalrath Müller erstattete, pflichtete die Versammlung dem Antrage des Bundesrathes bei, den Gegenstand aus sich beruhen zu lassen.

Schon früher, nämlich ani 20. Heumonat 1857, war der Bundesrath eingeladen worden, der Bundesversammlung einen Gesezesentwurf über die sür die Geltendmaehung des Rekursrechtes gegen Beschlüsse des Bundesrathes zu beobachtenden Fristen vorzulegen.

Mit vollem Grnnd bemerkt der Bundesrath, dass es nicht angehe, ..u die Versäummung einer Frist den Verlust eines konstitutionellen Rechts

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506 als Ordnungsstrafe zu knüpfen. Die kommission stimmt dem Antrage bei, auch diesem Bostulat keine weitere Folge zu geben.

Am 27. Jenner 1863 wurde dann vom Ständerath der Beschluss gefasst : Der Bundesrath wer^e mit Begutachtung der Frage beauftragt, ob und welche, die Reknrse an die Bundesbehorde normirende Grundsäze ^u dem ^weke ausgestellt werden konnten , un. eine trolerhaste .Ausbeutung des Reknrsreehtes mogliehst ^n verhindern.

Der Ständerath wollte aber nur den. M i s s b r a u eh ^es Rekursrechtes entgegentrete... Der Bundesrath, in seinen. Berichte vom l l . Rovember 1863 beantragt, abermals dem postulate keine weitere Folge zu geben , und ^var in folgender Fassung .

Es wolle die h. Bundesversammlung sich einstweilen mit den von..

Bundesrathe selbst getroffenen Massregeln, betreffend Beschränkung des Suspensivesfektes von Rekursen und ...^orge für angemessene VartheientSchädigung, genügen lassen und den eingangs erwähnten ^ostulaten keine weitere Folge geben.

Eine Sehlnssnahme in diesem ^inne würde also gleichzeitig die Billigung derjenigen Massregelu enthalten , weiehe der Bundesrath in dieser Beziehung von sich aus getroffen hat, daher die kommission sich veranlagt fand, diese Sache einer nähern Vrüfnng zu unterstellen.

Die erste Massregel, welche hier in ^rag.. kommt, ist die ...l.nordnung , dass in Fällen , wo eine Varthei das Rekursreeht nur benuzen wollte, un.. Zeit zu gewinnen und die Saehe zu verschleppen, der Bundesrath der ^oll^iehung ihren Gang liess und den Rekursen nur in so weit Snspensivkrast gewährte, als dnreh die Vollziehung der rekurrirten ..^ehlnssnahu..e unheilbare Raehtheile erfolgt wären.

Die kommission ist mit diese^n Vorgehen des Bundesrathes voll^ konunen einverstanden, und sie darf dieses um so eher ausspreehen, als davon noeh keinerlei Uebelstände sich g.^eigt haben;--- also ein Beweib,

dass der Bundesrath in Vollziehung dieses Grundsazes d^.s richtige Mass einhält. Die kommission glaubt aber, da der Bundesrath hier in deu..

Gebiete seiner eigenen .Kompetenz gehandelt, und da die Vollziehung ansfehliesslieh seine ^aehe ist, bedürfe es keiner ausdrnkliehen Genehnugnng der Bundesversammlung und s...i eine solche deswegen aueh nieht auszusprechen.

Als zweite Massregel ^nr Verhütung von Missbrauch de... Rekursrechtes bezeichnet der Bundesrath : Jn n e u e s t e r . ^ e i t habe er angefangen, in allen fällen, wo ihm eine Entschädigung einer ^arthei dnreh die andere angefressen zu sein schien, im Entscheide einen ausdrükliehen Vorbehalt zu Gnnsten der obsiegenden ^arthei zu maehen, der regelmässig dahin laute. ,, .^s sei der

^unterliegende Theil gehalten, deu obsiegenden für die ihm dnreh die Re,,knrsbesehwexde erwachsenen kosten angemessen ^u entschädigen.^

507 .Die kommission anerkennt, dass der Bundesrath auch hiermit seine Befugniss nicht überschreitet, aber sie konnte der Versammlung eine Genehmigung dieser Massregel um so weniger empfehlen, als sie mit den

Ansichten des Bundesrathes gar nicht einig geht.

Es mogeu wohl Fälle vorkommet, wo eine Barthei durch muthwilligen Rekurs ihrem Gegner Kosten verursacht, ihn zu Auslagen für Rechtsschriften u. dergl. veranlasst. aber es wird schwer zu bemessen sein, wo die Selbsttäuschung aushort^ wo der Mutwillen anfängt, und diese

Massregel wird den Bundesrath sicher aus den schlüpfrigen Boden der Willkür führe...

Zudem ist es kaum irgendwo übli.h, dass bei Erledigung von Be-

schwerden an die Verwaltung^- und Vollziehnngsbehor^eu Bartheikosten gesprochen werden. Solehe Beschwerden sind immer von Amtes wegen zu untersuchen . .^enn sie von der Be.^orde unbegründet erfunden werden, muss die Abweisung erfolgen . ob ein dahin zielender Gegenantrag .einer Widern Barthei vorliege oder ni.ht. Es steht also den Beteiligten srei, ob und was sie aus eine Besehwerde antworten wollen; was sie thnn, geschieht ans freiem Entschluss, ste haben also keinen rechtlichen Anspruch auf Ersa^ ihrer daherigen Kosten, besonders da kein Gesez besteht, welches sur solche Falle der obsiegenden Barthei Kostenersaz ^nsiehert.

.^ie frühere Bra^is des Bundesraths , wonach er si.h mit dieser Entsehädigungssrage gar nicht befasste. war gewiss die richtigere, seiner Stellung angemessener und das Bestreben , die Reknrse zu vermindern, sollte nicht dazu verleiten, von dieser Uebung abzugehen.

Will aber der Bundesrath sich dennoch mit der Entsehädigungsfrage befassen, so müsste er ....eiter gehen und in seinem Entscheide zugleich anssprechen, wie viel die eine Barthei der andern als Entschädigung zu bezahlen habe, denn er kann am besten bestimmen, was nach seiner Ansicht ..angemessen^ ist. er sollte nicht sur die Festsezung der Kosten einen besondern Rechtsstreit provoziren, und ^.oar einen Streit von sehr unsicherem Erfolge, bei welchem mau in manchem Kanton verlegen sein wird , wie und wo man diese Kosten einklagen soll. Eiu bloss grun^sä^ieher Spruch wird Manchem mehr ...^ehaden als Rnzen bringen.

Jm Weitern sagt der Bundesrath.

,,Er glaube auch iu denjenigen Reknrssälleu, welche an die BundesVersammlung gelangen und v^u ihr erledigt werden, aulasslich der ihm übertragenen Vollziehung iu Zukunft einen ahnlichen Zusa^ machen zu sollen, da die Gründe gan^ die gleichen s^ien, wie bei den vom Bundesrath erledigten Rekursen. -. Er glaube hiesür keine b e s o n d e r e B e w i l l i g u n g v o n .......eite d e r B u u d e s v e r s . a m m l u u g e i u f o r d e r u zu s o l l e u , wolle jedoch, indem er anf Diesen Buukt besonders ausu.er^sam n.acht, deren Verfügungeu gewärtigen.^ Was die kommission oben anführte, um ihre Ansicht zu begründen,

508 dass die Vollziehuugsbehorde sieh nicht mit der Kostenfrage beschäftigen soll, gilt in erhohtem Massstabe für die Bundesversammlung , und diese wird schwerlich geneigt sein, bei Erledigung von Rekursen jeweileu noch darüber zu berathen, ob der eine Betheiligte dem andern Kosten zu verguten habe.

.^ Rimmt aber die Bundesversammlung keine solche Bestimmung in ihre Sehlussuahme aus, so steht dem Bundesrath auch nicht die Besugniss zu, etwas darüber zu verfügen. Damit würde der Bundesrath, nach Ansicht der kommission, seine Berechtigung übersehreiten ; er dars an der Schlnssnahme nichts ändern, er kann sie nicht mit einem Znsaz vermehren, so wenig als er unter dem Titel der Vollziehung etwas davon streichen kann.

Da der Bundesrath hierüber die Verfügungen der .^m.desversammlnng gewärtiget, so beantragen wir Jlmen, in formlieher Schlussnahme zu erklären, der Bundesrath solle den Entscheidungen der Bnndesversamm^ lung keinen Znfaz über Bartheientschädignng beifügen.

Am Schlösse seines Berichtes bespricht der Bundesrath noch einige Vorschlage, wie die Rekurse an die Bundesversammlung vermindert werden konnten. Es sind damit keine Antrage verbunden, daher die Eommission auch nicht veranlasst ist, diese ^ors.hläge ei..lässli.h zu besprechen.

Gleichwohl will sie in Kürze einige Bemerkungen machen .

Sämmtliehe Vorschläge wären nur durch Veränderung der Bundesversassung ausführbar, und niemand wird daran d....ke.., desswegen eine Revision einzuleiten.

Die kommission wäre aber auch. materiell mit den Vorschlagen nicht einverstanden.

Der erste geht dahin : Es sollen alie Rekurse gegen Urtheile oder Beschlüsse kantonaler Gerichtsstellen Direkt und abscheulich dem Bundesgeriet zur Erledigung übertragen werden.

Diese .Ausscheidung ist zn formal und bei der Verschiedenheit der Organisation in den Kantonen gar nicht zulässig, weil die gleiche Ma..

terie, z. B. Erlediguug der Eheeinsprüehe, an eine^n Orte von den Gerichten, an andern ^rten von den Voll^eh...ngsbel,.orden behandelt wird.

Der zweite Vorschlag (betretend direkter Rekurs an die Bundesversauunlung) ist aller Bea.^tnng werth , er betrisft aber nur die Form der Behandlung einzelner Rekurse und liegt aus.er dem Bereich der vorliegenden ^rage.

. ^ Der dritte Vorschlag be^vekt eine sehr weit gehende Beschränkung des Rekursrechtes, eine Beschränkung,
welche fast der vo.ligen Vernichtung dieses Rechtes gleichkommt^ denn ^wenn der Bundesrath vorschlägt.

der Bundesversammlung bleibe vorbehalten, bei Besehwerden von Kautonen oder Bürgern über Versügungen des Bundesrathes diesem sür d i e Z u k u n f t uaeh Massgabe ^er Bundesverfassung die passend scheinenden Weisungen zu erlheilen,

509 so heisst das mit andern Worten : Die Entscheidungen des Bundesrathes sind für den gegebenen Fall unbedingt maßgebend; die Bundesversammlung kann dieselben nicht abändern. Die Kantone und Bürger, welche sich verlezt glauben, konnen nur verlangen, dass die Bundesversammlung sür die A n k u n f t gegen die Wiederholung et.va begangener Mißgriffe Vorsorge treffe.

Sieher wird der Art. 74, Sa^ 15 der Bundesverfassung nie in diesem Sinne ausgelegt und nie in diesem ...^inne umgeformt werden ; denn es ist eines der sehousten Rechte des Bürgers, dass er in allen Fällen , wo er seine versassungsmässigen Rechte verlezt glaubt , mit seiner Besehwerde bis an die oberste Behorde des Landes gelangen und ihren Entscheid anrufen kaun ; das Volk und die Kautone werden dieses Recht nie ausgeben.

Die kommission sehliesst mit folgenden Anträgen: 1. Dem postulate vom 29. Juli 1857, betreffend Fristbestimmung zur ^eltendmaehnug des Rekursreehtes gegen Beschlüsse des Bundesrathes, und demjenigen vom 27. Januar 186.^, betreffend Aufstellung von Grundfäzen, um eine trolerhafte Ausbeutung des Rekursreehtes möglichst zu verhindern, wird keine weitere Folge gegeben.

2.

Der Buudesrath wird eiugeladen, bei Vollziehung von Sehlussnahmeu der Bundesversammlung über Erledigung von Rekursen keinen Vorbehalt wegen Vartheientsehädigung beizufügen.

Bern, den 10. Dezember 1863.

Ramens der Eommission : ^)

^. ^er.

.^ Bestehenden^ den .^erren Jager, Demiéville. Wirz, Salis, Anderwerr.

^te. Dieser Bericht kam erst am 5. Juli 18^4 im Nationalrath zur Be^ handlung, welcher obige Anträge unverändert annahm, jedoch erfolgte am 8. gl.^ts.

vom Ständerath eine abdeichende Schlußnahme. Die Angelegenheit ist daher noch pendent.

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Bericht der Kommission des Nationalrathes über die Botschaft des Bundesraths betreffend das Rekurswesen. (Vom 10. Dezember 1863.)

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