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der

Mehrheit der nationalräthlichen Commission fur Begutachtung des

der Frau Genant gegen Hrn.

Baron von Buttlar-Brandenfels, in Kantons Neuenburg, betreffend Gerichtsstand.

(Vom 15. Juli l 864.)

Tit..

Frau Witwe Karoline Josephe Wilhelmine Denant, geb. Horlma..., von Frankfurt a/M., wohnhast in Würzburg, macht gegen Hrn. Alexander F a v r e in Eortaillod, Kts. Reuenburg, der in den Akten als Baron von Buttlar Brau d e u s e l s figurirt , eine Forderung von mehr als

Fl. 140,000 für behändigte Werthsehristen geltend.

Der daher entstandene Anstand liegt nun den eidgeuossisehen Räthen als eine Forums streitsrage zur Entscheidung vor, indem es sieh nämlieh einzig um die Frage handelt : ob die Witwe Denant, wie sie behauptet, ihre Klage vor die bernerisehen Gerichte bringen konne, oder ob das Begehren des Herrn Buttlar begründet sei. welcher den Renenburger Richter

als allein zuständig erklärt.

Wie hieraus ersiehtlieh, handelt es sich darum, zu ermitteln, ob der Beklagte zur Zeit, als ihm von seiner Gegenpartei die Vorladung zukam, wirklieh in Bern niedergelassen war, oder ob er bereits in Eortaillod Wohnsiz genommen hatte. Art. 50 der Bundesverfassung schreibt vor .

517 ,,^er ausrechtstehende schweizerische Schuldner, welcher einen festen Wohnsiz hat , muss für personliche Ansprachen vor dem Richter seines Wohnortes gesucht, nnd es ..darf daher für .Forderungen auf das Vermogen .eines solchen ..usser dem Kanton, in welchem er wohnt, kein Arrest gelegt werdend Dass Hr.^ Bnttlar seit ungefähr drei Jahren seinen Woh..^ in Bern hatte un^ noch bis znm 1. März 1864 daselbst verblieb, wird von beiden Parteien zugegeben, erst über das seitherige Verhältniss befinden sich dieselben im Widerstreit. Jhre Kommission wird nun solgende Vunkte zu prüsen haben : 1) Hat Hr. Baron von Bnttlar seinen in Bern gehabten Wohnsiz vor dem 5. Marz 1864 ausgegeben^ 2) Hat er vor dem genannten Zeitpunkt diesen ersten Wohnsi^ gegen Eortaillod,^ Kls. Reueuburg, vertauschte

A. E r st e F r a g e.

Die ^u ertheileude Antwort gewinnt eine entscheidende Wichtigkeit, wenn man bedenkt, dass ^rau genant unteren 5. Mär^ dem Hrn. von Bnttlar durch den Gerichtspräsidenten von Bern eine Vorladung aus den 11. gl. Mts. zu einer Audienz zustellen liess, um über eine Beweissührung zu ewigem Gedaehtniss , wie sie das berueris^he Gerichtsverfahren zulässt, zu verhandeln. Der mit dieser^Vorladuug beauftragte Weibel sagt aus. Der am besagten Tage noch in Bern befindliche Hr. v. Buttlar habe ihm ungefähr zwei Stunden nach dieser Notifikation eiue sehristliche Mittheiluug zukommen lassen, dahin lautend.

.,Jeh bitte den Hrn. Weibel ..^ehwei^er, in seiner Jntimationsbeseheinigung ^u bemerken, dass seit dem 1. Marz abhin mein Wohnsi^ nicht mehr in Bern ist, und dass ich hier .nur auf der Durchreise bin, um der Versammlung des Verwaltungsrathes der eidgenossisehen Bank beizuwohnen. Mein Wohnsi^ ist in l^ortaillod, .^ts. Reuenburg. ^ Hr. v. Bnttlar erschien bei dem auf den 1t. Mär^ angeordneten Vortritt nicht, liess sich aber durch Hrn. Advokat .^teck vertreten, welcher sieh aus die Wiederholung dessen beschränkte, was er bereits tags zuvor in einer schriftliehen Verwahrung angezeigt hatte, nämlieh, dass sein Klient seinen Wohnsi^ nicht mehr in Bern habe.

^ie Weigerung des Hrn. v. Buttlar, sieh zu stellen und in Aachen einzutreten, hatte die Versällung desselben in die Kosten der Audienz zur Folge, sowie eine erneuerte Vorladuug aus .^eu 30. Mär^, au welchem Tage ihm der Eid über die Thatsacheu zugeschoben werden sollte, auf welche sich die Reklamation der ^rau ^euaut stü^t. Run wandte sich der Anwalt des Hrn. Buttlar an den Bundesrath mit dem Gesuch nm vorläufige Einstellung dieser Verhandlungen. Judessen blieb dieser Schritt ersolglos, indem der Gerichtspräsident von Bern, ohne Rüksicht aus die

518 bundesräthliche Anzeige, m Sachen vorgehen und m contumaciam dahin sprechen ^u konuen glanbte , dass die Abwesenheit des Hrn. Buttlar als verweigerte Eidesleistung werde ausgelegt werden. Jm Weitern wurde er, unter Androhung der gesezliehen Strafen, zur Herausgabe der in seinen Händen befindlichen Schriften aufgefordert.

^egen diese, unterm 30. Mär., ergangene Verfügung des BezirksGerichtspräsidenten von Bern rekurrlrte Hr. Buttlar au den Bundesrath, welcher am 27. Mai 1864 diesen Rekurs begründet fand und die Aushebnng des gegen den Rekurrenlen eingeleiteten Verfahrens ausspraeh.

Werfen wir nun einen prüfenden Blik auf die von den .^treitpar.^ teien angeführten Thatsachen.

Vorerst ist zu bemerken, dass der Beauftragte des Hrn. Buttlar sieh am 2. März den bei der Volizei niedergelegten Heimatschein des leztern

erstatten liess, gegen Rükgabe der Aufenthaltsbewilligm.g und Stimm^ karte. Als Ergänzung und znr llnterstüzung dieses ersten Schrittes findet sieh bei den Akten solgende Erklärung :

,,Der unterzeichnete Vorsteher der Fremdenpolizei der gemeinde Eor^ taillod bescheinigt und erklärt, dass ihm von Se^te des Hrn. Alexander Favre , Baron v. Buttlar^.Brandensels , der Heimatschein mit der in dessen ^amen abgegebeneu Erklärung behändigt worden ist, dass derselbe vou heute au, den 4. März 1864, in hiesiger Ortsehast, l... h. in Betitl^ortaiilod, im Hanse des .^rn. .^arl Bürl^, Domizil nimmt.

"Eorlailiod, den 4. Mär^ 1864.

^L. T.^

..Der Voli^eivorsteher .

,,(.^) Ul^ss^ Engine Henr^.^

Diesen Thatsaehen gegenüber ^uacht Frau Denant folgendes geltend .

.^. Die Zuxükziehung der bei der Stadtpoli^ei Bern uiedergelegten Schriften geschah auf erschlichene Weise, in frandem le^^s, d. .h. Baron p. Buttlar ist hierbei mit einer Haftigkeit verfahren, dass die Juteressirten nicht in den ^all gesezt werden konnten, ihre Re.hte gegen ihn zu wahren.

Rach den Verordnungen vou 1838 und 1853 durften ihm nämlieh seine Schriften erst nach einer Bekanntmachung im Amtsblatt und aus Vorweis einer nach Verfluss des darin ^u erwähnenden Termius aufzustellenden ^Erklärung über ^lehtbeanstandnng ^urükgegeben werden. ^^ur durch Unwahrheit konnte es Hrn. Buttlar gelingen, zu seinem ^weke zu gelangeu , indem er, uni dem sonst ^u gewärtigeuden Absehlag vorzubeugen, anzeigte, dass er sieh .-- nicht im Kauton Reueuburg, sondern in Biel, niederlassen werde.

Die diesfälligen Behauptungen der Frau Denant sind vielleicht nichât vou der Wichtigkeit, welche sie ihnen beimisst. Gesezt auch, Hr. Buttlar habe wirklich den ihm nachgesagten Schleichweg betreten und es sei ihn.

^egli.kt, behufs der Rükerlauguug seines Heimatscheius die angerufenen

Volizeiverordnungen zu umgehen , so bleibt gleiehwol richtig , dass die

5l.^

allsallige Weigernng der ^tadtpoli^.i Bern, ihm seine ^..hriften herauszugeben, seiner Rükkehr und Niederlassung in seinem Heimatkauton Reuenburg kein ernstliches Hindern^ entgegengestellt hatte. ^udem scheinen diese Verordnungen streng abwendbar nur aus die eigentlichen Riedergelassenen und nicht auf blosse Aufenthalter. Hr. Buttlar gehorte aber ^u den leztern.

b. Es scheint so ziemlich festgestellt , ^ dass Hr. Bnttlar zur ^eit, als er seine Heimatschriften sich znrükgeben lies., Bern nicht verlassen hatte.

Denu es geht ans der Erklärung des mit der Vorladung aus den 11.

Mär^ beauftragten Wedels hervor , dass derselbe in seiner Woh...nug , Aarbergergasse, war. Auch wurde erst ungefähr zwei Standen nach Zustelluug der Vorladung von Hrn. Butllar diesem Weibel eine Christliche Erklärung zugeschlkt, dass er uicht mehr in Bern domizilirt sei, sondern in l^ortaillod steh niedergelassen habe.

Roch mehr: Der Gerichtspräsident von Bern hat, zur Rechtsertigung seiner Verfügung vom 30. März, welche den Rekurs des Hrn.

Buttlar hervorrief, konstatirt, dass dieser die Behauptung der Frau Denaut, er habe bis zum 9. März Bern nicht verlassen, nicht bestritten und dem-

nach implicite zugegeben hat.^

Diese Angaben berechtigen ^. den. Schlösse, dass Baron v. Buttlar bis zum 5. März, ungeachtet seiner Erktärnngen an ^ie ^oli^ei, seineu srühern Wohnort nicht ausgegeben hatte.

Uebrigens muss bemerkt werden, dass di^ so wi.htige ^rage Faktisches in den Pikten nicht vollständig aufgeklärt erseheint.

über

Aus der einen ^eite ist man zu der Behauptung beree^tigt , dass Herr v. Buttlar ani 4. März nicht personlich^ in Eortaillod war, da die Erklärung der Domi^ilsübersiedlnng nur in s e i n e m R a m e n dem Voli.^eivorstand von l^ortaillod abgegeben wurde, selbst ohne Angabe des Ramens des Repräsentanten. Ueberhaupt spricht uichts fnr das dortig^ Erseheinen Buttlars. .^,war hat er den.. Miethvertrage, datirt Eortaillod^

den 4. Mär^, seine Unterschrift beigefügt, allein niehts beweist, dass diese

Schrift in Eortaillod , oder aueh nur unter de^n angegebenen Datum, unterzeichnet wurde.

gegentheils lässt Alles annehmen, dass Bnttlar es bei einer einfachen Willensbeknndung bewenden li.^ss, dass er .--. diese zu seinem Schule für hinreichend ansehend ^-- seinen Aufenthalt in Bern selbst nach dem 5. März fortgesezt hat. Diese Anschauungsweise erscheint um so begründeter, als Herr Bnltlar, dessen ganzes Vermögen in Vapieren zu bestehen scheint und der einer der Verwalter der eidgenossischeu Bank ist, das grossi Jnteresse hatte, sieh nicht vom Eentrnm seiner Geschäfte zu entfernen.

Auffallend ist jedenfalls der Widerspruch zwischen und seinem thatsäehlich.en Benehmen.

seiner Sprache

520 Warn.n liess er in das Protokoll, welches der Weibel am 5. März ..^usassen hatte,^ die Bemerkung aufnehmen, dass er nur aus der Durehr e i s e und um einer Versammlung des Bankrathes beizuwohnen, in Bern sei^ Er war also in Bern nur wie ein Reisender, der zur Besorgung seiner Jnteressen dahin kam, warum sagte er aber dann nicht, von woher er kommet Doch ge.viss nicht von Eortaillod, wo er sich tags zuvor zur Abgabe einer Domizilserklärnug hatte vertreten lassen. Sichtlich verrathen sein Auftreten und seine Sprache eine Befangenheit, ein Bemühen, sich den Schein zu geben , als habe er Bern verlassen (w.... er gleichwol sich noch befand), um sich als in Eortaillod niedergelassen a...szugeben, wohin er sich^ doch nicht begeben hatte.

Der Bnndesrath hat bei Behandlung dieser Frage dieselbe viel mehr beseitigt als gelost.

^o sagt er im a.hten Erwägungsgrunde seines Be-

Schlusses vom 27. Mai . ,,Die Erwerbung dieses spatern und das Aus-

geben des sri.hern Domizils geschah, ehe den. Hrn. v. Buttlar die rechtliehe ^nndmachung und Vorladung vor das Richteramt ^ Bern zugestellt wurde, bevor also eine ^ilispeudeuz vorhanden war, welche ihn den.. bernaschen Richter unterworfen hatte, gegen dessen Zuständigkeit er auch sofort Einsprache erhob. ^ Wenn die vom Bundesrath angenommenen Thatsachen richtig waren, so hätte^ Jl..re .^ommission nieht ge^ogert, sich der in seinem Beschlusse ausgesprochenen Anficht anzuschließen , allein aus den Akten erhellt eben das gerade Gegentheil, so dass man zu der Annahme versucht wird, ^er Bundesrath habe zwei Dinge verwechselt, die es nicht sein sollten, namlieh die der Volici in Bern anzeigte A b s i c h t , diese ^tadt zu verlassen, und die wirkliche T h a t s a e h e d^.s Aufgebeus dieses Wohnortes.

B.

^ w e i t e . ^ r a g e.

Es sragt sich nun . ob ungeachtet des verlängerten Wohnens des Hrn. Buttlar ^u Bern dennoch, uach seiner Erklärung der Domizilsübersiedelung nach Eortaillod, dafür zu halten sei, er habe unterm 4. März in le^term ^rte ein g es e t l i c h e s Dou.izil erworben.

Diese Behauptung des Rek..rre..ten stüzt sich auf die oben angeführte Erklärung des Voli^eivorstehers v.^n Eortaillo^, indem man darin den Vertreter des .^rn. Buttlar sa^en lässt. dass er mit h e u t e , den

4. März 18^4, in d i e s e m O r t e Domizil nimmt. Es wird

daher das Reneub^rger Gesez darüber ^n befragen sein , ob er alle von demselben vorgeschriebenen Riederlafsnngsbedingungen erfüllt habe oder

nicht.

Das Eivilges.^buch von ^euenbnrg driikt sieh wie folgt aus .

,,.^rt. 53. Der Domizilsweehsel geschieht dnrch wirkliches Wohnen au einem andern Orte, verbunden mit der Absicht, daselbst seine hauptsächliche Niederlassung zu nehmen. ^ ^

52t ^Art. 54.

Der Beweis dieser Absicht ergibt sieh aus einer aus-

drüklichen Erklärung sowol an die ..Gemeinde oder Munizipalität des .^rtes.

den man verlasst, als an diejenige des Ortes, wohin man seinen Wohnsiz verlegt.^ Diese Artikel, welche nur die wortliche Wiedergabe der Artikel 103 und l 04 des Code Napoleon sinl.., zeigen aufs klarste, dass zur

Erwerbung eines Domizils zwei Bedinguugeu zu ersüllen sind. 1) das

wirkliche Wohnen an einem andern als dem bisherigen .Niederlassung^orte, in.d 2) die Abst.ht, an diesem Orte seine^ hauptsächliche Niederlassung aufzuschlagen ; mit andern Worten . Die Absicht der Domizils..

Änderung, wie ausgesprochen sie auch sei, genügt zur Vollziehung der leztern nicht, wenn sie nicht von einer Uebersiedlung des Geschästsizes, beziehungsweise dem wirkliehen Wohnen an einem andern als dem bisherigen Riederlassnngsorte begleitet ist, - gleichwie auch umgekehrt die einfache Wohnungsübersiedlung noch keinen Domizilwechsel mit sich bringt, wenn ihr nicht die Absicht zur Seite geht, den Geschästsiz an den neuen Aufenthaltsort zu verlegen.

Die bernisehe Gesezgebuug schreibt vor (bernischer Zivilprozess vom Jahr 182l, zehnte Sa.^ung): ,.Der Wohusiz einer Person ist au demjenigen Orte, wo sie sieh ordentlich niedergelassen. . . . . Hat Jemand ..wei o.^er mehrere Wol.nsi^e in verstiegenen ..^eriehtsbezirken , so soll er bei demjenigen beklagt werden, wo er zur Zeit der Anbringung der Klage seinen ordentlichen Aufenthalt hat.^ Kanu mau nnn sagen, dass der Baron v. Buttlar den Bedingungen genügt habe, welche ihm das nenenburgsehe Gesez auferlegte, um, vor der Notifikation vom 5. Mär^, in Eortaillod ein gehöriges Domizil zu bildend Es ist wirklich nicht moglich, sieh in diesem Sinne anzusprechen und die

Bestätigung des bundesräthlichen Beschlusses zu beantragen.

Zwar hat, wie bereits bemerkt, der Rekurrent die Absicht knndgegeben, sich in Eortaillod niederzulassen, indem er sich bei der dortigen Volizeibehorde anmeldete; allein - und h i e r a u f kommt Alles an --diese vereinzelte Willensäusserung, ohne dass auch die zweite, vom Art. 53 des ueuenburgisehen Gesezbuches vorgeschriebene Bedingung, d. h. das wirkl icheW o h n e n , erfüllt wäre, erscheint durchaus unfähig, ein Domizil mit seineu gesezlichen Folgen zu begründen. Herr v. Buttlar ist daher nicht im Falle, zur Geltendmachnng seines Rekurses sich aus das Gese^.

seines Heimatkautous zu stüzen, und zwar um fo weniger, als er den Grundsaz anerkenuen mnss , dass man ans den Zeitpunkt der Zustellung einer gerichtlichen Vorladung und nicht aus den für das Erscheinen festgesezen Tag znrükgehen mnss, um den Gerichtsstand und die Zuständigkeit des Richters in Fällen von Domizilwechsel zu bestimmen.

Herr v. Buttlar wird nun aber wahrscheinlich finden, dass diese Ansicht der Mehrheit Jhrer Kommission eine zu weit gehende Strenge euthalte , da sie ihre Begründung lediglich ans dem Wortlaut eines Gesez-

.^...nde^blatt. Jahrg. X^I. Bd. II.

3^

522 buches schopft, ohne der mischen Lage Rechnung zu tragen, in welche ihn die Eigentümlichkeit der bernischen Gese^gebnng verseht. ,,Jch habe, sagt er, ausdrüklieh meinen Willen angezeigt, Bern zu verlassen und mich in Eortaillod, meinem Heimatkanton, sestzusezen, und diess muß genügen.^ Es ist Jhrer Kommission ni.ht moglieh, diese Behauptung des .).'.eknrreuteu gelten zu lassen. Der Unistand, dass er sich durch Jemand vertreten liess, der in s e i n e m R a m e n in Eortaillod die erwähnte Erkläxnng abgab, und der weitere, dass er selbst eine Miethung im Hause des Hrn. Bürk^ unterzeichnete, sind keineswegs einem w i r k l i c h e n W o h n e n dortselbst gleichzuaehteu , wi^ es das Reuenbnrger Gesezbneh vorschreibt, d. h. einer ernstlichen und thatsachl.ehen Besitznahme von der neuen Wohnung und Uebertragung des Si^es seiner Gesehäste. Die vom Rekurrenten angerufene Unterschrift des Mietvertrages ist nichts weniger als ein Beweis, dass er dieselbe in Eortaillod beisezt.., da er am besagten Tage die Vermittlung eines Dritten brauchte, nm seine Absicht, dortselbst Domizil zu nehmen, anzeigen.

Wollte aber^ hinwider behauptet werden, Rekurreut habe, gemass^nlassung des bernischen Gesezes, zwei Domizile gehabt, das eine in Eortaillod, das andere in Bern, so war er am 5. Mär^ an diesem leztern Orte zu belangen, da er offenbar den Si^ seiner Geschäfte h i e r l.^atte und hier der Organisation und der Verwaltung der eidgeuossischen Bank,^ die er mit bedeutenden Einzahlungen versah, oblag.

Die Ansicht, man habe sich nicht so strenge an die Bedingungen zu halten, welche die Geseze für Bildung eines ordentlichen Domizils vorschreiben, würde die bedenklichsten Uebelftände und unentwirrbare ..^er..

wiklungen zur ^.olge haben. Das Domizil gilt bei den Juristen und

beinahe in allen Gesezbüchern als ein rechtliches Verhält^iss zwischen einer Verson und einem ....^rte, wo diese Berson in Hinsieht ans Ausübung ihrer Rechte und Erfüllung ihrer Vflich.^n, stetsfort als anwesend augesehen wird.

Kann mau nnn, ohne die elementarsten Grnndsäze bei .^eite ^u schieben, ^annehmen, .^r. v. Buttlar sei bereits am 5. März,. eiu Tag nach seiner Meldung, sich dort feststen zu wollen, in Eortaillod nieder gelassen gewesen^ Wenn ein Glänbiger i^u ^alle gewesen wäre, an diesem angeblichen neuen Domizil eine Vorladung, eine reehtliehe ^ordexung an ihn zu richten, wen hätte er gefunden..' Niemand hatte die im Hause Bür^ ihm reservirte Wohnung inne, es fand sich daselbst keine Spur von Wohnungsbenuzung, nieht das geringste Mobel war ans der Aarbergergasse dahin geschafft worden. Es ist uicht zu übersehen, dass die materielle T^atsache des Wohnens au. neuen Domizil vom. Geseze wohlweislich vorgeschrieben ist, und zwar sowol i^u Juterefse von Drittpersouen als in demjenigen des Niedergelassenen selbst. Zum Beleg für.diese Ansehauungsn^eise dürsten einige Anführungen hier am Vla.^e sein.

523 Einer der geartetesten Juristen Frankreichs, Hr. Monrlon, spricht sich in seinen Repetitioueu über den Code Napoléon (1855, Band l, Seite 192) wie folgt ans: ,,Die Absicht, seine Hauptniederlassung an einem neuen Orte zu nehmen, ohne noch wirklich daselbst zu wohnen, bleibt ebenfalls wirkungslos, so augenscheinlich dieselbe auch fei. Baul hat der Mairie von Marseille, wo er niedergelassen ist, seine .Absicht erklärt, sein Domizil nach Baris zu verlegen^ er hat einer Mairie von Baris durch einen Beauftragen die gleiche Erklärung abgeben lassen ; seine Meubel sind bereits in Baris angelangt, wo er selbst Anschaffungen gemacht hat.

Er reist dahin ab,^ stirbt aber unterwegs: iu diesem. Fall hat ein Uebergang seines Domizils nicht stattgefunden. Er ift iu Marseille gestorben und eben daselbst wird die Rachlassverhandlung erofsnet.^

,,Die Domizilsänderung , sa^t Baillet (Handbuch des sranzofisehen Rechts, .^d Art.^ I03), erscheint nicht vollzogen, wenn man eine Wohnung an dem Orte beibehält, den man verlassen zn wollen erklärt hat.

Ju diesem Falle ist die am frühern Domizil abgegebene Vorladung nicht

ungültig. ^

.^

Diese Auslegung, welche mau als den Ausdruk sicht der frau^osischen Juristen und Beamten ansehen liegenden Rechtsstreit uni so mehr Gewicht, als, wie ^euenburgex Eode die Artikel des sranzosisehen Eode

der einhelligen Aukann , hat im vorbereits bemerkt, ^er wortlieh wiedergibt.

Alles vorstehend Gesagte führt anss klarste zum .^chluss , dass der Reknrreut Bnttlar am 5. März 1864 kein gesezliches Domizil in Eor^.

taillod erlaugt und folglich. dasjenige in Bern beibehalten hatte.

Die ^weite ^rage sodann, ob die Klage der Frau Denant eine personiiehe und also nur an. gesezliehen Domizil des Beklagten anzubringeude sei, bietet nicht die geringste Schwierigkeit, da .^.r. Buttlar selbst sie in diesem ...^inne auffaßt. Hieraus folgt, dass derselbe nach Art. 50 der Bundesverfassung der Klägerin vor seinem natürlichen Riehter , dem Gerichtspräsidenten von Bern , Rede zu stehen hatte.

Aus der Eigenlhumliehkeit und dem ungewöhnlichen und ausnahmsweiseu Charakter der Vorschriften .^er bernischen Brozedur über das Beweisverfahren, Einwendungen herleiten, kann Rekurrent mit Grund nicht.

Er mag nach Belieben ein Verfahren tadeln, wodurch vor der Bro^.ssanhängigkeit Rechtsu.ittel gegen die Gegenparlei erwirkt und ihm selbst der Eid Angeschoben werden kann; er darf aber nicht aus dem Auge verlieren, dass er aus freien .^tüken in Bern Domizil genommen hatte und also am 5. Mär^ nicht daran denken konnte, eine ansnal^ns.veise .Stellung ^n beanspruchen. Eben so wenig kann ihm entgehen, dass es ihm durchaus frei stand, durch frühere und vorsichtigere Zurükziehung uaeh Eortaillod der ihn beunruhigenden bernischen Brozedur auszureichen. Ju dieser Beziehung muss daraus hingewiesen werden , dass Frau Denant in ihrer

524 Rekursschrist gegen den Entscheid des Bundesrathes bemerkt, sie mache.

für die Hauptstreitsache nicht die Kompetenz der bernisehen Gerichte geltend, sondern werde gegentheils Hrn. v. Buttlar da belangen, wo er ^ur Zeit der Klaganbringung seinen Wohnsiz haben werde. diesem Richter komme es dann. ihrer Meinung nach. zu, mit der Hauptstreit^sache auch das Gewicht der vorausgegangenen Verhandlungen zu würdigen , welche sie vor dem bernischen Richter durchführen wolle.

Vou diesen Erwägungen geleitet, beantragt die Mehrheit der Kom.^ mission (HH. Gras, Vine. Fischer und der Berichterstatter, Hr. Bossi wohute der Kommissionssizung nicht bei; die Minderheit besteht aus e i n e m

Mitgliede, Hrn. Bucher) --.. :

Es sei der Rekurs des Hrn. Baron von Bnttlar gegen den Ent-

scheid des Gerichtspräsidenten von Bern vom 30. März 1864 als unbe-

grüudet abgewiesen und mithin dem Rekurs der Frau Denaut gegen den bundesräthlichen Beschluß vom 27. Mai abhin Folge zu geben.

Bern, den 15. Juli 1864.

Der Berichterstatter :

^. ^acheboud.

^ o r e . Der Nationalrath hat unter obigem Datum den Beschluß des Bun..

desrathes bestätigt, der Ständerath hinwieder am 1^. Juli den .^erschub der An^ geIegenl^eit auf die Septembersesfion beschlossen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Commission für Begutachtung des Rekurses der Frau Denant gegen Hrn. Alexander Favre, Baron von Buttlar-Brandenfels, in Cortaillod, Kantons Neuenburg, betreffend Gerichtsstand. (Vom 15. Juli 1864.)

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1864

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36

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26.08.1864

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516-524

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10 004 513

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