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Bericht der

nationalrätlichen Alkoholkommission über die Geschäftsführung und Rechnung der. Alkoholverwaltung pro 1900.

(Vom 30. Oktober 1901.)

Tit.

I. Gesetzgebung.

Am 25. Oktober 1885 wurde der Art. 32bis in die Bundesverfassung aufgenommen und damit die Regelung der Alkoholfrage dem Bunde übertragen. Hierfür hatten sich 230,250 Stimmen (134/2 Kantone) ausgesprochen; dagegen hatten 157,463 Bürger (62/2 Kantone) gestimmt. In Ausführung dieses Verfassungsartikels wurde sodann das ,,Bundesgesetz betreffend gebrannte Wasser" vom 23. Dezember 1886 von den eidgenössischen Behörden erlassen und in der Volksabstimmung vom 15. Mai 1887 mit 267,122 annehmenden Stimmen gegen 138,496 verwerfende sanktioniert. Durch dieses Gesetz war das Alkoholmonopol eingeführt worden und zum ersten Male hatte sich der Bund mit einem großartigen Betriebe auf kaufmännischer Grundlage, mit dem Ein- und Verkaufe eines allgemeinen Konsumartikels zu befassen und zu gleicher Zeit Brennereien von Genossenschaften und Privaten zu schützen und zu überwachen. Sowohl die Vorberatungen als die Durchführung des Monopoles waren eine schwierige Arbeit, welche der Bundesrat mit Sachkenntnis und

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praktischem Geschicke bewältigte. Das Gesetz von 1886 hat seine Probe gut bestanden und die im Jahre 1900 durchgeführte Revision hat weder das Fundament noch die Hauptpfeiler desselben erschüttert; veränderte Verhältnisse haben dieselbe hervorgerufen. Die wesentlichen materiellen Neuerungen gegenüber dem bisherigen Zustande, welche uns das Alkoholgesetz vom 29. Juni 1900 bringt, sind folgende: 1. Für die Lieferung der Inlandsbrennereien, welche annähernd l/± des Landesbedarfes an Sprit und Spiritus betragen soll, wird bestimmt, daß dieses Quantum 30,000 Hektoliter nicht überschreiten dürfe. Die Aufstellung dieses Maximunis war durch die fortwährende Zunahme des Absatzes an denaturiertem Sprit geboten.

2. Als Großhandel wird, wie bisher, eine Lieferung von mindestens 40 Litern betrachtet, doch muß dieselbe nicht mehr aus einer Sorte bestehen, sondern darf aus zwei Sorten von je 20 Litern zusammengesetzt sein. Diese Änderung bedeutet eine teilweise Berücksichtigung der Begehren der Liqueur- und Spirituosenhändler.

3. Der Preis der gebrannten Wasser zu technischen und Haushaltungszwecken wird je weilen für ein Jahrfünft auf Grund der aus den vorausgegangenen fünf Jahresabschlüssen sich ergebenden Einstandskosten festgesetzt.

4. Die Strafbestimmungen erfuhren eine durch die Praxis gebotene Abänderung und einige zu hohe Ansätze wurden reduziert.

Während der Revisionsarbeit stellte es sich heraus, daß neue Formen dem Gesetze wohl anstehen würden. Auf die Initiative des Ständerates hin wurde dasselbe umgearbeitet ; es wurde eine neue Gliederung des Gesetzes in verschiedene Abteilungen vor^ genommen, eine Anzahl Bundesbeschlüsse, welche sieh eingelebt hatten, ·wurden demselben einverleibt und mehrere Bestimmungen des Brennereipflichtenheftes, sowie andere durch die Praxis eingelebte Ausführungen fanden darin Aufnahme. So repräsentiert sich das Alkoholgesetz in einem neuen Kleide, welches demselben gut ansteht. Am 29. Juni 1900 wurde das neue Gesetz von der Bundesversammlung erlassen, das Referendum wurde nicht angerufen und der Bundesrat beschloß, es habe das Gesetz am 12. Oktober 1900 in Kraft zu treten. Eine allgemeine Vollziehungsverordnung zu diesem Gesetze trat am 16. Januar 1901 in Wirksamkeit ; dieselbe umfaßt auch die Revision des Brenaereipflichtenheftes. Die Entwürfe zu letzterem, wie zur Vollziehungsverordnung

861 überhaupt, waren der Alkoholdelegation zur Vernehmlassung mitgeteilt worden.

Nachdem sich das nun revidierte Alkoholgesetz eingelebt haben wird, soll der Erlaß eines Organisationsgesetzes an Hand genommen und damit das einzig noch anhängige Postulat erledigt werden.

II. Organisation und Personelles.

Die Zahl der Beamten, Angestellten und Arbeiter hat sich um zwei vermindert 5 es sind heute ihrer 74, im Jahre 1896 waren es 76. Es entfallen: 31 auf das Centralamt in Bern; 17 auf das Lagerhaus und die Rektifikationsanstalt Delsberg; 7 auf das Lagerhaus Burgdorf; 10 auf das Lagerhaus Romanshorn ; 9 auf Brennereikontrolldienst; Total 74.

Eine außerordentliche Gratifikation für Überlassung eines neuen Denaturierungsverfahrens wurde an unsern Chemiker, Herrn Dr. Lang, ausgerichtet und dieselbe dem Denaturierungsconto belastet.

Die Ausgaben der Central Verwaltung zeigen in einer Rubrik eine bedeutende Vermehrung gegenüber dem Vorjahre. Für Miete, Beleuchtung, Bureaukosten und Drucksachen, Bibliothek, Laboratorium etc. figurieren in der Rechnung pro 1898 Fr. 42,249 ,, ,, ,, ,, 1899 ,, 34,229 im Budget pro 1900 . . ,, 40,000 in der Rechnung pro 1900 ,, 50,521.

Die außergewöhnliche Höhe dieser Posten im Berichtsjahre ist beinahe ausschließlich durch den Drucksachenconto hervorgerufen worden ; sowohl das neue Alkoholgesetz als die Vorbereitungen für Erneuerung der Brennlose und die Herausgabe des neuen Brennereipflichtenheftes haben bedeutende Mehrausgaben verursacht. Wir halten es für wahrscheinlich, daß dieser Posten im Jahre 1901 den budgetierten Ansatz von Fr. 40,000 nicht überschreiten wird.

Die an unsere 9 Controleure ausbezahlten Beträge für Salär, Reiseentschädigungen etc. entsprechen dem Ansätze des Budgets.

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III. Einkauf.

a. Inlandsware.

Der Bezug der Inlandsware hat im Jahre 1900 26,524 Metercentner gleich 22Ya °/o des Landesverbrauches von 118,028 Metercentnern betragen. Es ist zu bemerken, daß ein gewisser Anteil dieses Quantums auf ,,Vorbranda fällt und daher das nächste Jahr wieder in Abrechnung fallen wird.

Der Metercentner der Inlandsware kostete :

1896 1897 1898 1899 1900

Fr.

, , , '.n

89. -- 87. 85 88. 10 87. 32 83. 53

Diese .Zahlen bedeuten einen allmählichen, bescheideneu Rückgang. An der Lieferung waren 63 Winter- und 3 Jahresbetriebe beteiligt, erstere mit 93 %, letztere mit 7 % des obgenannten Quantums. An der Inlandsbrennerei sind 10 Kantone beteiligt: Bern, liefert 55%, Solothurn 13%, Thurgau 8%, Freiburg 8 % und weitere 6 Kantone je l--4 %.

Während im Jahre 1899 infolge mißratener Kartoffelernte die Hälfte des Inlandssprits aus inländischen Körnerfrüchten erstellt wurde, haben 1900 für volle 4/s Kartoffeln Verwendung gefunden. Zum zweiten Male wurde gestattet, inländisches Obst zu brennen, und es wurde hierfür ein Quantum von 15,374 Metercentner beansprucht.

b. Auslandsware.

Auch dieses Jahr wurden die bessern Sorten Sprit aus Deutschland und die billigern aus Österreich-Ungarn bezogen, im ganzen 81,000 Metercentner, wovon */4 aus ersterem und s/4, aus letzterem Lande. Der Durchschnittspreis betrug Fr. 28. 52 (1899 : 31. 34), wozu noch Fr. 23. 06 für Zoll und Fr. --. 69 für Frachten gerechnet werden müssen. Seit 1889 wurden im ganzen 931,343 Metercentner Sprit aus dem Auslande bezogen, hiervon entfallen 726,301 Metercentner auf Österreich-Ungarn, 200,813 Metercentner auf Deutschland und 4229 Metercentner auf Italien (Durchschnittspreis Fr. 34. 24).

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IV. Verkauf.

Während der Absatz des Trinksprits in den ersten sieben Monaten des Jahres 1900 noch ein normaler war und im Einklänge mit dem aufgestellten Budget sich bewegte, ging der Verkauf schon in den Monaten August und September zurück, und dieser Rückgang steigerte sich dann in bedeutendem Maße bis zum Schlüsse des Berichtsjahres. Der gute Ausfall der Obst- und Weinernte hatte sich rasch fühlbar gemacht und wird seine Einwirkung auch auf die nächsten Jahre erstrecken. Anstatt der im Budget vorgesehenen 64,000 Metercentner wurden nur 60,250 Metercentner Trinksprit abgeset/t, und der Landesverbrauch bezifferte sich nur auf 58,444 Metercentner. Der Bedarf an Denaturierungsware hat im Jahre 1900 zum ersten Male denjenigen des Trinksprits überstiegen, ei- betrug 59,584 Metercentner (4000 Metercentner mehr als im Vorjahre). Im Jahre 1890 hatte dieser Verbrauch nur 26,729 Metercentner betragen, seither ist er ohne Unterbruch jedes Jahr gestiegen. Wir stehen also, Trinksprit und Denaturierungsware zusammengerechnet, vor einem Total des Landesverbrauches von 118,028 Metercentner, wovon der vierte Teil 29,507 Metercentner oder 34,752 Hektoliter betragen würde.

Es geht daraus hervor, daß es sehr am Platze war, im neuen Alkoholgesetze ein Maximum für das Inlandskontingent festzusetzen.

V. MonopolgeMhï auf Qualitätsspirituosen.

Wir haben hier nur eine Einnahme von Fr. 655,263 zu verzeichnen, während das Budget eine solche von Fr. 690,000 vorgesehen hatte. Dieser Ausfall von Fr. 45,000 ist durch die Mindereinfuhr von Spirituosen (Liqueurs etc.) verursacht worden.

Der Import unterliegt Schwankungen, das Jahr 1899 hatte uns eine Einnahme von Fr. 694,000 gebracht, es ist schwierig, hier eine bestimmte Norm aufzustellen.

VI. Strafbestimmungen.

Wegen unerlaubtem Brennen von Kartoffeln, Bierabfällen, ausländischen Trestern etc. wurden 18 Strafverfügungen erlassen, und es wurden von den Betreffenden Fr. 1782 für umgangene Monopolgebühren und Fr. 4638 für Bußen und Kosten, also im ganzen Fr. 6420 bezahlt. Von den Bußen wurde 1/3 an die betreffenden Kantone, 1/a an die Gemeinden abgeliefert, und das

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Übrige erhielten die Verleider oder, wenn es Angestellte der Alkoholverwaltung waren, der Verleiderfonds, welcher nun Fr. 4084 beträgt. An drei Controleure wurden Gratifikationen im Gesamtbeträge von Fr. 520 ausgerichtet.

Vielerorts wird den Übertretungen des Alkoholgesetzes offenbar zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Berichtsjahre wurden der Verwaltung nur aus zwei Kantonen Strafverfügungen gemeldet, und wenn wir die Anzahl derselben seit 1890 überblicken, so sind aus 10 Kantonen gar keine Meldungen erfolgt, und doch darf angenommen werden, daß auch hier Übertretungen vorgekommen sind.

Am gewissenhaftesten scheinen die Kantone Waadt, Glarus, Graubünden, Schaffhausen und Solothurn die Vorschriften des Alkoholgesetzes über den Kleinverkauf zu überwachen. Der Bund kann hier nicht einschreiten, denn die Überwachung der in Betracht kommenden Vorschriften des Alkoholgesetzes ist Sache der Kantone.

VII. Rechnung und Bilanz.

Der Überschuß der Betriebsrechnung beträgt rund Fr. 6,459,000 und steht Fr. 51,000 unter dem Voranschlage und Fr. 210,000 unter dem Ergebnisse von 1899. Dieser Ausfall ist im wesentlichen durch den verminderten Absatz von Trinksprit entstanden.

Die gute Wein- und Obsternte von 1900 hatte sofort ihren Einfluß auf den Verkauf ausgeübt und denselben vom September an stark beeinträchtigt. Das Budget pro 1901 hatte dann diesem Umstände Rechnung getragen und einen entsprechend kleinern Konsum vorgesehen. Infolge der guten Jahresbilanz vom Jahre 1899 war ein Aktivsaldo von Fr. 103,000 auf neue Rechnungübertragen worden, wodurch es ermöglicht wurde, die im Voranschlage vorgesehene Verteilung von Fr. 2. 20 auf den Kopf der Bevölkerung auszurichten.

Eine Subkommission, bestehend aus je 3 Mitgliedern der beiden Alkoholkommissionen (des National- und Ständerates), hat sowohl die Rechnung als auch die Buchführung geprüft und beantragt Ihnen, die Alkoholrechnung pro 1900 zu genehmigen, welchem Vorschlage wir beipflichten.

Schlußerörterungen.

Seit dem Bestehen des Monopoles (1887) sind rund 74 J /2 Millionen an die Kantone verteilt worden.

865 Der Durehschnfttskonsum von monopolpflichtigem Branntwein ist mit al/2 Liter per Kopf nach der vorläufig festgesetzten Bevölkerungszahl von 1900 (3,327,336) zu verzeichnen. Der Konsum des monopolfreien Branntweins wird gewöhnlich auf l Liter per Kopf veranschlagt, für das gute Obst- und Weinjahr 1900 dürften indessen l J /2 Liter per Kopf der Wirklichkeit näher kommen, so daß wir den Konsum auf 6 Liter à 50 Grade berechnen müssen.

Wir schließen unsern Bericht, indem wir Ihnen beantragen, der Geschäftsführung und der Rechnung der Alkoholverwaltung pro 1900 die Genehmigung zu erteilen.

Z ü r i c h , den 30. Oktober 1901.

Namens der Kommission, Der Berichterstatter :

J. J. Abegg.

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13.11.1901

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