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1389

III. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Massnahmen gemäss Bundesbeschluss vom 18, Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr.

(Vom 13. Mai 1921.)

In Ausführung von Artikel 3 des Bundesbeschlusses vom 18. Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr beehren wir uns, Ihnen nachstehenden Bericht zu übermitteln.

Gemäss Antrag der begutachtenden Kommission wurde durch Bundesratsbeschluss vom 29. April 1921 (siehe Beilage) die Einfuhr folgender Warenkategorien von der Einholung einer Bewilligung abhängig gemacht: 1. Gewisse Halbfabrikate der Eisenbranche, 2. Gewisse Eisenwaren, 3. Waren aus edeln Metallen und vergoldete oder versilberte Waren, 4. Automobile, 5. Klaviere, 6. Möbel.

Im speziellen sei mit Bezug auf die einzelnen Warengattungen noch folgendes bemerkt: 1. H a l b f a b r i k a t e der Eisenbranche. Die in Betracht fallenden schweizerischen Walzwerke, die vor dem Krieg während Jahrzehnten einen befriedigenden Absatz ihrer Produkte im Inland aufwiesen, sind heute durch die deutsche und französische (lothringische) Konkurrenz fast völlig aus dem Felde geschlagen. Der Eingang von Bestellungen und die Absatzmöglichkeit sind derart zurückgegangen, dass mit einer völligen Einstellung der Werke gerechnet werden musste. Dadurch wären wieder Hunderte von Arbeitern arbeitslos geworden. Anderseits ist die heutige schwierige Lage der schweizerischen Eisenwerke zur Hauptsache den gestörten

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Valutaverhältnissen zuzuschreiben, und es ist als sicher anzunehmen, dass mit, einer Stabilisierung der Wirtschafts- und Geldverhältnisse auch die schweizerische Walzindustrie im Umfang ihrer frühern Produktion wieder konkurrenzfähig sein wird. Für die Zwischenzeit .soll durch eine Beschränkung der übermässigen Einfuhr die Situation ·auf dem Arbeitsmarkt für diese Branche verbessert werden. Da die schweizerischen Bisenwerke nicht alle Profile der in Frage kommenden Halbfabrikate in genügendem Masse zu produzieren imstande sind, -wurde die Einschränkung im Einverständnis mit den Abnehmern vor allem für die kleinern Profile vorgenommen, während die grössern wie bisher uneingeschränkt und ohne Belastung durch eine Einfuhr:gebühr importiert werden können. Dadurch soll der schweizerischen Produktion auf dem Gebiete, wo sie leistungsfähig ist, ein gewisser vorübergehender Schutz geboten werden, während die Interessen der Maschinenindustrie und des Gewerbes infolge der ungehinderten Einfuhr der übrigen Halbfabrikate nicht tangiert werden dürften.

2. Eisenwaren. In gleicher Weise ist auch die Produktion der schweizerischen Eisenwarenfabrikation durch die übermässige Valutaeinfuhr stark reduziert. Auch hier haben sieb die Verhältnisse in den letzten Monaten noch wesentlich zugespitzt. Die übermässige Valutaeinfuhr kann durch folgende Zahlen illustriert werden: 1913

ZOI.POS.

709

q

Stahlspäne

wovon

q

q

1498

D.

1848

1142

3085

D.

Oe.

1529 884

770 ,774

Nieten und Schrauben unter 11 mm Durchmesser . . 2770 Fischbänder 407 Drahtstifte 681

3408 808 3129

779 .784 a

Pfannen Kassenschränke

508 1463

D.

D.

D.

Oe.

D.

D.

2862 805 1950 739 412 1043

764/765 Drahtseile 768

D. = aus Deutschland.

680

1920

313 704

Oe. = aus Österreich.

3. Waren aus edeln Metallen und vergoldete oder ·versilberte Waren. Neben den fatalen Folgen der billigen Valutaproduktion des Auslandes, wodurch unsere schweizerischen Etablissemente, die Gold- und Silberwaren produzieren, zur Arbeitslosigkeit verurteilt werden, ist es in dieser Branche vor allem auch die Vermittlertätigkeit durch Schieber von zweifelhaftem Ruf, die zum Sundesblatt. 73. Jahrg. Bd. III.

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194 Aufsehen mahnt. Die hier in Betracht fallenden Artikel sind in hervorragendem Masse Vertrauensartikel, und die Fälle der Übervorteilung durch gewissenlose ausländische Agenten sind häufig.

Die mangelnde Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Industrie folgt ausser den billigen Arbeitslöhnen der valutaschwachen Länder noch daraus, dass die betreffende ausländische Edelmetallindustrie die Bohstoffe, Silber und Gold, wesentlich billiger zur Verfügung gestellt erhält. So erwähnt die Eingabe des Verbandes der deutschschweizerischen Gold- und Silberwarenfabrikanten, dass heute der Verkaufspreis der deutschen Lieferanten für verarbeitetes Silber (800/1000 fein) Fr. 97 betrage, während die schweizerischen Fabrikanten per Kilogramm Eohbarrensilber Fr. 108. 60 auszulegen haben.

In ähnlichem Masse liefere Deutschland vollwertige Goldwaren inklusive Form zu demselben Preis, wie in der Schweiz das Gold gekauft werden müsse. Das führe zusammen mit den niedrigen Löhnen des Auslandes zu einer Unterbietung auf dem schweizerischen Markte von 80--40 %. Inwieweit Vermögensverschiebungen bei dieser Art von Waren mitsprechen mögen, kann nicht festgestellt werden. Die Einfuhrziffern lind -werte sind folgende: ZollpOS-

1913

Wert

1920

q

in 1000 Fr.

q

887 Waren aus Kupfer und Kupferlegierungen, vergoldet und versilbert 576 849 873 Plattierte, vergoldete oder versilberte Waren 647 1,377 874a Gold- und Silberschmiedwaren . . . 139 3,497

Wert in 1000 Fr.

662 1,843

wovon q

Wert

in 1000 Fr,

D. 532 1,511

841 3,430 D. 548 2,139 224 7,922 D. 120 5,222

Von der eigentlichen Bijouterieposition sind nur Ketten und Bracelets unter Einfuhrbeschränkung gestellt worden. Für die übrigen Artikel ist eine Einfuhrbeschränkung weniger nötig und wäre auch schwer durchführbar.

Für den Schutz dieses Industriezweiges spricht noch, dass das Produktionsgebiet teilweise mit dem Gebiete der Uhrenindustrie zusammenfällt, wo schon seit langer Zeit grosse Arbeitslosigkeit besteht. Wenn es gelingen sollte, dadurch für die betreffenden Gegenden eine gewisse Erleichterung zu schaffen, wäre mit der Massnahme, die nur Luxusartikel betrifft, schon viel erreicht.

195 4. Automobile. Die Importzahlen für Automobile sind folgende : Zollpos.

1913 q

1920 q

wovon q

913f> Automobile, nicht mit Leder überzogen und nicht gepolstert 4586

45,735

D. 24,334 Fr. 8,768 It.

2,057

9146 Automobile, mit Leder überzogen oder gepolstert . . 6008

71,775

D. 26,410 Ver. St. 21,813 Fr. 9,793 It.

7,716

Wenn auch zugegeben werden muss, dass das Auto in den letzten sechs Jahren in hervorragendem Masse das Pferdefuhrwerk ersetzt hat, so konnte doch eine derartige Steigerung der Einfuhr, wie sie sich aus obigen Zahlen ergibt, nicht ohne schwere Folgen für die inländische Automobilindustrie bleiben. Unter den importierten Wagen befanden sich auch viele Maschinen aus der Liquidation der Heeresbestände der uns umgebenden Staaten. Die Lage der schweizerischen Automobilindustrie, die einige Firmen von grosser Leistungsfähigkeit umfasst, ist deshalb eine ausserordentlich prekäre geworden. Abgesehen von den Unternehmen, die Personenautos fabrizierten und die den Betrieb eingestellt haben, ist aber auch unsere im In- und Ausland geschätzte Lastwagenfabrikation aufs höchste bedroht. Es darf auch daran erinnert werden, dass der Bundesrat einem Gesuch der zürcherischen Kegierung um Notstundung für die Automobilfabriken entsprechen musste.

Bei der Durchführung dieser Einfuhrbeschränkung wird natürlich darauf Eücksicht zu nehmen sein, dass diejenigen Typen, die in unserm Lande nicht hergestellt werden, trotzdem nach Bedürfnis zur Einfuhr zugelassen werden.

5. Die schweizerische Klavierindustrie, die einige Firmen von Euf umfasst und ca. 200 Arbeiter beschäftigt, ist schon seit längerer Zeit durch die Valutaeinfuhr zur Untätigkeit verurteilt. Dadurch entsteht die Gefahr, dass die für die Industrie notwendigen Qualitätsarbeiter ihr verloren gehen und dass dann bei Bückkehr günstigerer Produktionsverhältnisse aus diesem Grunde eine Wiederaufnahme der Produktion erschwert würde. Abgesehen von den ausländischen Qualitätsmarken, deren Einfuhr nicht beschränkt werden soll, wird

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aber heute vor allem billige Valutaware, mit der dem schweizerischen Publikum nicht gedient ist, durch Schieber importiert. Trotz der geringern Qualitäten der Instrumente ist die Preisdifferenz in der Begel gerade nur so gross, um die inländische Konkurrenz aus dem Felde zu schlagen. Der beträchtliche Valutagewinn kommt weder dem schweizerischen Käufer noch vielfach auch dem schweizerischen Händler zugute. Er fliesst vielmehr in die Tasche des ausländischen Agenten. Produktion und Handel waren deshalb einig im Verlangen nach einer Beschränkung der Einfuhr. Die Importzahlen sind folgende : Zoilpos.

P

1913

1920

wovon

q

q

q

957 Pianos und Flügelklaviere . . . . 5062

9891

D. 7420 Oe. 1906

6. Möbel. Durch den Bundesratsbeschluss vom 6. Dezember 1919 betreffend die Vermeidung von Arbeitseinstellungen infolge übermässiger Einfuhr ausländischer Fabrikate wurde die Einfuhr von Erzeugnissen der Möbelindustrie untersagt. Der Beschluss stützte sich auf die ausserordentlichen Vollmachten und bedeutet eine der wenigen Notverordnungen, die im Geschäftskreis des Volkswirtschaftsdepartements auf wirtschaftlichem Gebiete noch in Kraft bestehen. Die Möbeleinfuhrbeschränkung hat unbestritten ihre wohltätigen Folgen gehabt und das Anwachsen der Arbeitslosigkeit in einem wichtigen Produktionszweig verhütet. Die Verhältnisse sind heute so, dass an eine Aufhebung nicht gedacht werden kann; dagegen hielten wir dafür, dass die Schutzmassnahmen zugunsten der Möbelindustrie nunmehr unter den Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr'gestellt werden sollen. Materiell wurde am damaligen Bundesratsbeschluss nichts geändert.

Preisgestaltung.

Mit den Vertretern sämtlicher Fabrikationszweige wurde eingehend auch die Möglichkeit eines weitern Preisabbaues besprochen.

Die Produzenten der Halbfabrikate der Eisenindustrie haben den Grundpreis des Stabeisens vom Höchstpreis von Fr. 80 per 100 kg auf Fr. 33 herabgesetzt. Mit dem Erlass der Einfuhrbeschränkung trat eine weitere Eeduktion um Fr. 6 in Kraft. Ebenso sind die von den Metallwarenfabriken auf den Vorkriegspreisen erhobenen Aufschläge von 160--180% auf 100--130% zurückgegangen.

Mit dem Erlass der Einfuhrbeschränkung trat eine weitere Eeduktion von 15--20 % in Kraft.

197 Mit Bezug auf die Erzeugnisse der Edelmetallindustrie, der Automobile und Klaviere kann der Vielgestaltigkeit der Fabrikate wegen ein Preisabschlag prozentual nicht angeführt werden. Die Preisgestaltung geht aber auch hier im Sinne des Abbaues vor sich.

Das Bestehen einer Einfuhrbeschränkung wird dem Bundesrat die Möglichkeit an die Hand geben, die Verhältnisse in den geschützten Branchen zu verfolgen und gegebenenfalls den nötigen Druck auszuüben.

Wir

beantragen Ihnen, Sie möchten von den getroffenen Massnahmen in zustimmendem Sinne Kenntnis nehmen.

Bern, den 13. Mai 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

Beilage : Bundesratsbeschluss vom 29. April 1921 betr. die Beschränkung der Einfuhr.

198 (Beilage.)

Bundesratsbeschluss betreffend

die Beschränkung der Einfuhr.

(Vom 29. April 1921.)

Der schweizerische B u n d e s r a t , gestützt auf den Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr*) und die am 14. März 1921 erlassene Vollziehungsverordnung **), in Ergänzung seiner am 14. März***), 5.+) und 8.++) April 1921 gefassten einschlägigen Beschlüsse, beschliesst : Art. 1. Bis auf weiteres wird die Einfuhr folgender Warengattungen von der Einholung einer Bewilligung abhängig gemacht: a. Halbfabrikate der Eisenbranche, Zolltarifnummern : aus 714 Eundeisen bis und mit 30 mm Dicke, 715, aus 7186 Flach- und Quadrateisen bis und mit 80 mm grösste Breite, aus 721 Fassoneisen bis und mit 30 mm grösste Breite, 722/724, aus 730 b Eisenblech von l bis weniger als 3 mm Dicke in den Normalformaten l auf 2 m und 1,25 auf 2,5 m; &. Eisen waren, Zolltarifnummern 709, 764/771, 774/776, 779, 783a, 784a, 787/7886, 7896, 790; c. Waren aus edeln Metallen und vergoldete oder versilberte Waren, Zolltarifnummern 837, 873, 874a, aus 874 ö: Armbänder und Ketten ; d. Automobile, Zolltarifnummern 913& und 914b; e. Klaviere, Zolltarif nummer 957; /. Möbel, Zolltarifnummern 259/267, 268a/b.

*) Siehe **) Siehe ***) Siehe t) Siehe ff) Siehe

Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 130.

Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 193.

Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 195.

Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 209.

Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 226.

199 Art. 2. Der gegenwärtige Beschluss tritt am 3. Mai 1921 in Kraft. Das Volkswirtschaftsdepartement und das Zolldepartement sind mit seinem Vollzuge beauftragt. Die Behandlung der Einfuhrgesuche wird der Sektion für Ein- und Ausfuhr des Volkswirtschaftsdepartementes übertragen.

Der Bundesratsbeschluss vom 6. Dezember 1919 betreffend Vermeidung von Arbeitseinstellungen infolge übermässiger Einfuhr ausländischer Fabrikate*) wird aufgehoben.

Bern, den 29. April 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Schulthess.

Der Bundeskanzler: Steiger.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 985.

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III. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Massnahmen gemäss Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend die Beschränkung der Einfuhr. (Vom 13. Mai 1921.)

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1921

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1389

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18.05.1921

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