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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten.

(Vom 24. Mai 1921.)

I.

Der Bundesrat hat immer, wenn es sich um die Frage des Fortbestandes der ihm erteilten ausserordentlichen Vollmachten handelte, den Standpunkt vertreten, dass dieselben nach Massgabe der jeweiligen Verhältnisse schrittweise abzubauen und völlig aufzuheben seien, sobald die Lage es irgendwie gestatte. In diesem Sinne hat er Ihnen mit Botschaft vom 18. Dezember 1918 den Erlass des dann am 3. April 1919 gefassten Beschlusses betreffend Beschränkung der Vollmachten vorgeschlagen, sich ferner mit der Motion des Nationalrates vom 18. Februar 1921 betreffend die Handhabung jenes Bundesbeschlusses einverstanden erklärt und vor allem keinen Anlass versäumt, um in der Liste der Notverordnungen Streichungen vorzunehmen und die Zahl der noch bestehenden. Bundesratsbeschlüsse auf das absolut gebotene Mindestmass herabzusetzen. Das als Beilage zum XVI. Neutralitätsbericht erschienene neueste Verzeichnis der noch bestehenden Notverordnungen legt zur Genüge Zeugnis davon ab, in welchem Umfange er mit seinen auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten gefassten Beschlüssen bereits aufgeräumt hat.

Heute sind wir in der Lage, noch einen weitern Schritt zu tun und Ihnen die Aufhebung dieser Vollmachten zu beantragen.

Haben auch die wirtschaftlichen und öffentlichen Verhältnisse unseres Landes noch nicht wieder jenen Zustand relativ ruhiger Fortentwicklung der Vorkriegsjahre erreicht, so lässt sich doch immerhin hoffen, dass die Zeit, da die stete und unmittelbare Handlungsbereitschaft der Exekutive eine absolute Notwendigkeit war, vorbei ist. Wir glauben es verantworten zu können, auf

222 die ausserordentlichen Vollmachten künftig zu verzichten, und unterbreiten Ihnen deshalb den Entwurf zu einem entsprechenden Bundesbeschluss.

II.

Es kann selbstverständlich keine Rede davon sein, mit dem Hinfall der ausserordentlichen Vollmachten ohne weiteres plötzlich auch alle die bundesrätlichen Beschlüsse und Verordnungen als aufgehoben zu erklären, die auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten erlassen wurden. In dieser Beziehung muss vielmehr sukzessive, immerhin aber so rasch wie möglich, abgebaut werden. Diese Ansicht ist auch jeweils in den verschiedenen Anträgen auf Aufhebung der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914 und 3. April 1919 zum Ausdruck gekommen.

Die noch bestehenden Vorschriften lassen sich in zwei Kategorien einteilen. In die erste Gruppe gehören Beschlüsse, die der Bundesrat, sobald der Zeitpunkt gekommen ist, einfach aufheben wird, ohne sie durch einen gesetzgeberischen Erlass zu ersetzen. Dies gilt beispielsweise für alle Beschlüsse über Einfuhrmonopole des Bundes mit Ausnahme des Getreides; im weitern aber auch für viele andere Vorschriften, die zufolge der Rückkehr normaler Verhältnisse nicht mehr nötig erscheinen.

In die zweite Gruppe gehören diejenigen Beschlüsse und Verordnungen, die durch normale gesetzgeberische Erlasse des Bundes ersetzt werden müssen. Um ein Beispiel zu erwähnen, verweisen wir auf den Bundesratsbesehluss über die Ursprungszeugnisse. Solche Zeugnisse werden noch auf lange Zeit im internationalen Handelsverkehr notwendig sein, und wir bereiten daher ein Gesetz vor, das diese Materie regeln soll. Das gleiche gilt für eine Reihe von Beschlüssen im Gebiete des Militärund Justizwesens.

Der Ihnen unterbreitete Entwurf sieht aber auch vor. dass der Bundesrat unter Vorbehalt der nachherigen Genehmigung durch die Bundesversammlung heute noch bestehende Beschlüsse abändern kann. Wir werden selbstverständlich, wie Ihnen übrigens die Erfahrung der letzten Monate beweist, von dieser Möglichkeit nur im Notfall Gebrauch machen, müssen aber dringend bitten, uns diese Befugnis zu erteilen. Denn es kann sich sehr leicht das Bedürfnis ergeben, im Interesse eines sukzessiven Abbaues vorübergehend neue Vorschriften aufzustellen, und ebenso kann es notwendig werden, bestehende Beschlüsse, die noch nicht aufgehoben werden können, den veränderten Verhältnissen anzu-

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passen. Wir erinnern beispielsweise an die Bundesratsbeschlüsse über die Arbeitslosigkeit oder über den Mieterschutz, wo sich sehr leicht infolge einer raschen Verschiebung der wirtschaftlichen Verhältnisse das Bedürfnis ergeben könnte, bestehende Vorschriften durch andere zu ersetzen. Es wäre nun offenbar durchaus nicht praktisch und überaus schwerfällig, wenn in einem solchen Falle die Bundesversammlung selbst die Abänderung eines bundesrätlichen Beschlusses vornehmen müsste. Überdies aber ginge dadurch erfahrungsgemäss viel Zeit verloren, und es müssten dadurch sehr leicht grosse Inkonvenienzen entstehen.

Der Bundesbeschluss enthält schliesslich noch die Weisung an den Bundesrat, die bestehenden Beschlüsse, sobald es die Umstände erlauben, aufzuheben. Erscheint eine solche Vorschrift auch nicht als notwendig, so nehmen wir trotzdem keinen Anstand, sie aufzunehmen.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des nachstehenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss.

(ienehmigen Sie, sehr geehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 24. Mai 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

Beilage erwähnt.

224 (Entwurf.)

ßundesbeschluss betreffend

die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 24. Mai 1921, beschliesst: Art. 1. Die dem Bundesrat durch den Bundesbeschluss: vom 3. April 1919 betreffend die Beschränkung der ausserordent.liehen Vollmachten des Bundesrates*) übertragenen Befugnissewerden aufgehoben.

Art. 2. Beschlüsse und Verordnungen des Bundesrates, die gestützt auf den Bundesbeschluss vom 3. August 1914**) betreffend Massnahmen zum Schütze des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität oder gestützt auf den erwähnten Bundesbeschluss vom 3. April 1919 erlassen und noch nicht aufgehoben worden sind, bleiben vorläufig in Kraft. Sie können unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Bundesversammlung vom Bundesrat, soweit es dringend erforderlich ist, abgeändert werden.

Die vorstehend genannten Beschlüsse und Verordnungen sind, sobald die Umstände es erlauben, vom Bundesrat aufzuheben.

Art. 3. Dieser Bundesbeschluss wird dringlich erklärt und, tritt sofort in Wirksamkeit.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 255.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXX, S. 347.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten. (Vom 24. Mai 1921.)

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