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Bundesblatt

73. Jahrgang.

Bern, den 6. April 1921.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Pranken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stam#ST# pft! £ de., in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu dem Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Aenderung und Ergänzung des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 1889 und Bericht

des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verordnung vom 4. April 1921 betreuend Aenderung und Ergänzung des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 1889.

(Vom 4. April 1921.)

l. Der Weltkrieg mit seiner einschneidenden Wirkung auf unsere Wirtschafts- und Kreditverhältnisse zwang auch die Schweiz schon in den ersten Kriegsmonaten, ihre Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung zu mildern und vor allem durch Stundungserleichterungen unverschuldet gefährdete Existenzen über Wasser zu halten.

Die Notverordnung vom 28. September 1914 betreffend Ergänzung und Abänderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs für die Zeiten der Kriegswirren sollte diesem Zwecke dienen.

Die Erleichterungen bestanden in der Möglichkeit, im Pfändungsverfahren statt der in Art. 123 des Sch. K. G. vorgesehenen Viertelszahlungen nunmehr Achtelszahlungen mit der Wirkung des Verwertungsaufschubs leisten zu können, in der Konkurs- und Wechselbetreibung dasselbe Ziel durch Fünftels- bzw. Drittelszahlungen zu erreichen und endlich eine alle Betreibungen des Schuldners umfassende generelle Stundung bis auf die Dauer von 6 Monaten unter bestimmten materiellen und formellen Voraussetzungen zu erwirken.

Diese Kriegsbestimmungen, die zum Teil sich sehr wohltätig erwiesen hatten, zum Teil aber auch unrichtig und unsorgfältig angewendet Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. I. ' 39

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worden waren, wurden nach Hinfall der Kriegsprämissen und Einholung gutachtlicher Äusserungen aus den Kantonen sukzessive abgebaut, zum Teil erst in der allerletzten Zeit.

Kaum war das Tor hinter der Notverordnung geschlossen, so pochte es aufs neue an die Türe der rechtsetzenden Bundesbehörden. Die Maul- und Klauenseuche mit ihren Verheerungen und Störungen, die Krise in der Uhren- und Stickereiindustrie riefen um Hilfe bei den Kantonen, beim Bundesrat. Man suchte mit Rat und Tat, vor allem durch Intervention bei Kreditinstituten zu helfen, womöglich ohne wieder ins ordentliche Eechtsleben eingreifen zu müssen. Aber immer dringlicher wurde trotzdem der Euf auch nach neuen rechtlichen Massnahmen. Die Motion Duft, die kleine Anfrage Obrecht, das Postulat Nicolet im Nationalrate zielten auf solche Massnahmen ab. Schon vorher war vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eine neue Umfrage bei den Hauptinteressentengruppen veranlasst worden, die nun auch auf die am meisten von der Krise berührten Kantone mit spezieller Begrüssung der Betreibungsbehörden ausgedehnt wurde. Die bis Ende Februar 1921 eingegangenen Antworten lehnten fast übereinstimmend die Einführung eines allgemeinen Rechtsstillstandes ab, verhielten sich zur Wiedereinführung der allgemeinen Betreibungsstundung ebenfalls eher zurückhaltend mit Ausnahme der betroffenen Landesgegenden, sprachen sich aber in der grossen Mehrheit für Erneuerung der Individu alstundung mit Ratenzahlungen -- wenigstens im Pfändungsverfahren -- aus.

2. Welche Gesichtspunkte ""sind für den Bundesgesetzgeber entscheidend ? -- Vor allem sind wir uns klar darüber, dass jeder Eingriff in das Zwangsvollstreckungsverfahren, wenn einmal der Vollstreckungstitel unzweifelhaft gegeben und das Mahnverfahren mit seinen Fristen abgelaufen ist, normalerweise im Interesse der Rechtsordnung und einer zuverlässigen nationalen Wirtschaftsordnung zu vermeiden ist. Wir haben deshalb keinen Augenblick an den Erlass eines allgemeinen Moratoriums gedacht. Für eine derartige Massregel, die den Landeskredit in unheilvoller Weise untergraben müsste, liegt auch nach den erhaltenen Auskünften keine Veranlassung vor.

Es darf vielmehr festgestellt werden, dass auch da, wo namentlich die Arbeitslosigkeit die Erfüllung der ökonomischen Verpflichtungen stark erschwert, die direkte
Verständigung zwischen Gläubiger und Schuldner, häufig gestützt auf den Rat des Betreibungsbeamten, in weitgehendem Masse korrigierend eingreift ; sind doch die Wechselbeziehungen der beiden Parteien oft so unter sich verankert, dass ein unvernünftiges Vorgehen des Gläubigers ihm selbst ins Fleisch

509 schneiden müsste. Wir können aus den gleichen Gründen den Kantonen auch nicht empfehlen, den Weg der Gewährung des Bechtsstillstandes nach Art. 62 Seh. K. G. zu beschreiten. Abgesehen von der diskutablen Frage, ob eine wirtschaftliche Krise ohne weiteres unter den Begriff eines Landesunglücks subsumiert werden kann, geht die Massregel über das Bedürfnis hinaus, indem sie, ohne auf eine individuelle Prüfung abzustellen, ganze Bevölkerungskreise der Zwangsexekution entzieht. Das würde dem Missbrauche rufen und zur Krediterschütterung ebenfalls beitragen.

8. Aufgedrängt hat sich in den Berichten der meisten angcfragten Betreibungsämter das Bedürfnis nach Wiedereinführung der Achtelszahlungen, und zwar mit derartiger Begründung, dass die Aufnahme in die ordentliche Gesetzgebung durch Änderung des Art. 123 Seh. K. G. geboten erscheint. Gewiss stehen auch Bedenken entgegen und sind solche geäussert worden : Man soll den Schuldner nicht an eine leichte Auffassung seiner Verbindlichkeiten, nicht an einen Schlendrian gewöhnen, die während des Krieges erkannten Vorzüge der Barzahlung nicht wieder verleugnen ; bei kleinen Forderungen stehen die mit der Eatenzahlung verbundenen Gebühren und Spesen des Betreibungsamtes oft in argem Missverhältnis zur Betreibungssumme und machen aus der Wohltat eine Plage. Diese Nachteile treten aber nur da ein, wo der Betreibungsbeamte seiner Aufgabe nicht gewachsen ist, sie aus Schwäche oder Profitmachern falsch anpackt. Im allgemeinen darf aber gesagt werden, dass namentlich in nicht allzu grossen Betreibungskreisen der Beamte die Schuldner wohl zu beurteilen weiss ; er kennt die Saumseligen, die auch bei 10 Baten noch hintendrein hinken würden ; er kennt auch die Ursachen der Zahlungsnot. Wir glauben darum, eine Erweiterung der Terminzahlungen in der Form verantworten zu können, dass die Bewilligung wie im bisherigen Art. 123 ja nicht eine obligatorische, sondern eine fakultative, ins Ermessen des .Betreibungsamtes gestellte ist. Gegen Willkür schützt das'sowohl dem Gläubiger als dem Schuldner zustehende Beschwerderecht. Dabei kann der Beamte ja der Höhe der Forderung, den momentanen und zu erwartenden Hilfsquellen des Schuldners, den Verhältnissen des Gläubigers auch dadurch Bechnung tragen, dass er auch grössere Eatenzahlungen als den Achtel verlangen darf. Er kann
auch nach der Art der Forderung unterscheiden. Dem Arbeitslosen, der Unterstützung erhält, wird er dio Wohltat nicht gegen die Forderung des Bäckers, des Milchlieferanten gewähren. Dem Kinokunden wird er versagen, was er dem sparsamen Familienvater gewährt. Es darf konstatiert werden, dass während der Geltung der Verordnung vom 28. September 1914 weniger über rnissbräuchliche Bewilligung der Achtelszahlungen durch die

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Betreibungsbeainten als über missbräuchliche Anwendung der allgemeinen Betreibungsstundung durch die Nachlassbehörden geklagt wurde, während doch die erstem als Einzelbeamte der Versuchung, ihren Wählern angenehm zu sein, noch mehr ausgesetzt sein dürften. Gerade weil die Erfahrung im grossen und ganzen gezeigt hat, class sich die Betreibungsbeainten eine gewisse Autorität gewahrt und ohne Gängelband bindender Vorschriften die richtige Auswahl zu finden gewusst haben, so dass der Artikel tatsächlich nur gegenüber schikanösen und xmvernünftigen Gläubigern zum Zwangsartikel geworden ist, nehmen wir auch Umgang davon, die Bewilligung an bestimmte vom Gesetzgeber aufgezählte Voraussetzungen, wie z. B. unverschuldete Zahlungsschwierigkeit, Arbeitslosigkeit u. dgl., zu knüpfen; das gesunde Ermessen wirkt richtiger als ein Eahmen, der bald zu weit, bald zu eng sein würde.

4. In den Berichten der Betreibungsbeamten über das verschiedenartige Verhalten der Gläubiger gegenüber den notleidenden Schuldnern ist auch davon gesprochen worden, dass als Druckmittel oft die Bestimmung des Art. 98, Alinea 3, Scb. K. G. missbraucht werde, wonach der Betreibungsbeamte gezwungen ist, auf Verlangen des Gläubigers die Pfandsache in amtliche Verwahrung zu nehmen oder Dritten zu übergeben. Es ist erfahrungsgemäss gerade der feinfühlige Schuldner, welcher durch diese Massregel geplagt und zu unverhältnismässigen Opfern gepresst wird. Für den Betreibungsbeamten ist es angesichts der positiven Vorschrift schwierig, auch ein von ihm als schikanös erkanntes Begehren abzuweisen, weil er nicht wissen kann, ob er z. B. im Falle des Verlustes der Pfandsache mit dieser Begründung der Verantwortlichkeit entgehen würde. Es dürfte deshalb das Richtige sein, die Verwahrung weder vom blossen Begehren des Gläubigers noch vom bloss subjektiven Ermessen des Betreibungsbeamten, seiner Willkür oder Bequemlichkeit, sondern von der objektiven Angemessenheit, die auch von der Beschwerdeinstanz überprüft werden kann, abhängig zu machen.

Die vorgeschlagene Textänderung des Art. 98 versucht, dieser Anschauung gerecht zu werden.

5. Mit den bis jetzt vorgeschlagenen Änderungen soll und kann demjenigen Schuldner geholfen werden, welcher der Pfändungsbetrei- ' bong unterliegt. Wie steht es mit den andern, die der Konkurs- und Wechselbetreibung
unterstehen? Für dieses als rasch, formell und streng wirkendes Verfahren gedachte System der Vollstreckung hat das ordentliche Eecht keine Stundung mit Ratazahlungen vorgesehen. Der kaufmännische Verkehr duldet die Abweichungen von den gesetzlichen Fristen nicht. Der Gläubiger, häufig auch in kauf-

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männischem Verkehr stehend, muss über seine Guthaben zur bestimmten Zeit disponieren können; die Sicherheit des Eingangs schafft den Kredit des Einzelnen und des Standes. Wenn trotzdem als Kriegsmassregel auch hier Fünftels- und Drittelszahlungen mit Stundungswirknng bewilligt wurden, so lag dies in den ausserordentlichen Verhältnissen begründet, wo alles auf den Kopf gestellt war, die Nichterfüllung deswegen auch nicht als Schande empfunden, schier erwartet und in die Berechnungen der Kriegszeit mit einkalkuliert wurde. Aus diesen Anschauungen müssen wir aber wieder herauskommen. Wir gehen deshalb mit der grossen Mehrheit der eingegangenen Berichte einig darin, dass die Art. 3 bis 11 der Notverordnung vom 28. September 1914 nicht wieder aufleben sollen.

6. Damit ist die Frage nicht ohne weiteres erledigt, ob nicht auch für diejenigen, denen nicht mit Achtelszahlungen geholfen werden kann, eine Eechtswohltat für Ausnahmesituationen gewährt werden solle, wie sie Art. 12 ff. der Verordnung vom 28. September 1914 geschaffen hatte. So erscheint es z. B. nicht als billig, wenn in Zeiten andauernder Arbeitslosigkeit der Arbeitnehmer, welcher vom Staate Unterstützung erhält, auch im Exekutionsverfahren begünstigt wird, während der Arbeitgeber, der vielleicht schon grosse Opfer durch Aufrechterhaltimg des Betriebs gebracht hat und keine Unterstützung bezieht, der Strenge des Gesetzes ausgeliefert ist. Es geht nicht an, ihn auf den Eechtsbehelf der Nachlassstundung nach Art. 295 Seh. K. G. zu verweisen. Er will keinen Nachlass an der Kapitalforderung, er will nicht einmal einen Zinsverlust des Gläubigers ; er braucht nur Luft, um sich erholen zu können. Für diese Fälle erscheint die Einführung einer Notstundung, wie wir sie nennen möchten, berechtigt, und zwar sowohl für die Betreibung auf Pfändung, als auf Konkurs. Sie muss aber, um nicht dem Missbrauch ausgesetzt zu sein und damit der Krediterschütterung zu rufen, mit bestimmten Kautelen versehen sein. Eine solche liegt vor allem in der zeitlichen Begrenzung, die wir immerhin bis auf die Dauer von 6 Monaten ausdehnen; denn wegen rein vorübergehender leichter Hemmungen, die mit Hilfe der Nächststehenden und durch geringfügiges Entgegenkommen des Gläubigers behoben werden können, soll die Ausnahmemassregel weder nachgesucht noch bewilligt werden.
Die wichtigste Schranke wollen wir dadurch setzen, dass die Wohltat überhaupt nicht nur an eine individuelle Vorprüfung, wie sie nach der Verordnung vom 28. September 1914 stattfand und heute auch wieder aufgenommen wird, gebunden sein soll, sondern an die objektive Konstatierung eines weiter um sich greifenden Notstandes, wie dies bei den Bestimmungen über den Eechtsstill-

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stand vorgesehen ist. Es ist die kantonale Begierung, welche das Bedürfnis nach der Ausnahmemassregel feststellen und seine Ausdehnung sowohl räumlich, wenn nicht das ganze Kantonsgebiet in Frage kommt, als auch nach den Interessekreisen umschreiben soll. Die Notwendigkeit einer bundesrätlichen Genehmigung schafft eine weitere Garantie gegen allzu nachgiebige Behandlung nicht völlig/berechtigter Gesuche. Die kantonale Begierung wird, bevor sie sich an den Bundesrat wendet, pflichtgemäss alles aufwenden, um auf normalem Wege der Schwierigkeiten Herr zu werden, durch eigene materielle und moralische Unterstützung, Binfluss auf Gläubiger, Kreditinstitute und dergleichen mehr. Nur ausserordentliche Verhältnisse dürfen die Massregel rechtfertigen; Hauptanwendungsfall wird die andauernde, weitverbreitete Arbeitslosigkeit, die Unterbindung von Bohstoffzufuhr, von Absatz auf längere Zeit sein. -- Endlich liegt ein wirksamer Schutz gegen Missbrauch der Bechtswohltat darin, dass derjenige, welcher sie anruft, ein öffentliches gerichtliches Verfahren mit Prüfung seiner Angaben durchmachen muss, worin vor allem seine Schuldlosigkeit an der prekären Lage dargetan oder, doch glaubhaft gemacht werden rnuss. Durch alle diese objektiven und subjektiven Voraussetzungen und die daran anknüpfenden Verfahrensvorschriften glauben wir der Notstundung den Ausnahmecharakter, der ihr unbedingt anhaften soll, gewahrt zu haben.

7. Als Prüfungsbehörde glaubten wir diejenige kantonale Instanz bestimmen zu sollen, die auch im Falle des Nachlassvertrages und der Nachlassstundung ähnliche richterliche Funktionen auszuüben hat. Das Verfahren selbst lehnt sich an die frühere Verordnung an, da in dieser Sichtung während der Praxis der Kriegsjahre wenig Klagen laut wurden ; gegenüber dem Verfahren bei der Nachlassstundung sind diejenigen Abweichungen vorgenommen, die dem Unterschiede der Massregeln selbst entsprechen. So ist die Bestellung eines Sachwalters hier nicht obligatorisch; sie ist in einfachen Fällen entbehrlich, da die vorgeschriebene Aufnahme eines Güterverzeichnisses in Verbindung mit den paulianischen Anfechtungsmöglichkeiten und der Erstreckung der Halbjahresfrist von Art. 286 und 287 Seh. K. G. um die Dauer der Stundung den Gläubigern genügenden Schutz bieten dürfte. Bei grössern Vermögenskomplexen und unübersichtlichem
Betriebsverhältnissen kann der Sachwalter mit den nötigen Aufsichtskompetenzen bestellt werden. Wie in der frühern Verordnung ist vorgesehen, dass die Stundungsbewilligung an die Leistung von Abschlagszahlungen geknüpft wird; das wird dann angeordnet werden, wenn man mit Bestimmtheit während

513 der Dauer der Stundung Eingänge für den Schuldner erwartet, die' ohne Betriebsstörung für à conto-Zahlungen verwendet werden können. Dass Bagatellforderungen und die konkursrechtlich privilegierten Guthaben der Dienstboten Angestellten und Arbeiter nicht der Stundungseinrede begegnen sollen, haben wir ebenfalls aus der Vierzehnerverordnung herübergenommen. Ebenso sind in der frühern Weise die Voraussetzungen des Widerrufs der Notstundung geordnet.

Über die Verordnung sind wir hinausgegangen, indem wir eine mögliche Verlängerung der 6monatlichen Stundung um höchstens 4 Monate ins Auge fassten. Sie kann aber nur erfolgen innert der kantonalen Geltungsdauer der Eechtswohltat, entspricht somit den Verlängerungen, wie sie während des Krieges durch Ergänzungen der ersten Verordnung nötig geworden sind. Ausgeschlossen wird das direkte Anhängen einer Nachlassstundung an die Notstundung. Wer während der letztern zur Überzeugung gekommen ist, dass er ohne Nachlass sich nicht halten kann, hat sich darum schon während der Nötstundung zu bewerben. -- Die Einfügung der Bestimmungen über die Notstundung ins Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz wird sich am besten im Anschluss an den 11. Titel über den Nachlassvertrag vollziehen, wenn sie auch systematisch eher dem 2. Titel, Abschnitt 3 -- Eechtswohltaten der Betreibungsferien und des Eechtsstillstandes -- eingegliedert würde.

8. Unsere Vorlage ist so umgrenzt worden, dass sie nicht nur der jetzigen regional trostlosen Lage bestimmter Schuldnerkreise entspricht, sondern dem ordentlichen Eechte zur Anwendung in allen derartigen Ausnahmefällen einverleibt werden soll. Ist aber mit der beabsichtigten Gesetzesänderung der jetzigen Notlage abzuhelfen ? Wir haben damit zu rechnen, dass auch bei einer beschleunigten Behandlung des Entwurfs in den Eäten und widerspruchsloser Aufnahme im Schweizervolke schon der Beferendumsfrist wegen ein halbes Jahr verstreichen könnte bis zum Inkrafttreten. Damit kämen -wir für eine Eeihe bedrohter Existenzen, die uns um Hilfe angefleht haben, zu spät. Können wir durch einen dringlichen Bundes beschluss, ohne Eeferendumsklausel, abhelfen ? Nein ; denn es handelt sich um die Abänderung eines Gesetzes mit allgemeiner Geltung.

Hilfe bringen können die ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates, welche ihm gestatten, ausnahmsweise
eine solche Änderung des Bundesgesetzes sofort in Kraft zu setzen, wenn dies im wirtschaftlichen Interesse des Landes unumgänglich notwendig erscheint.

Diese Voraussetzung trifft nach den Berichterstattungen verschiedener Kantone zu. Gewiss hat der Bundesrat wiederholt erklärt, dass er selbst gar kein Bedürfnis mehr empfinde, von den ausser-

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ordentlichen Vollmachten weitern Gebrauch zu machen; er weiss auch, dass eine weitverbreitete Strömung dagegen besteht. Soll er aber deswegen im Einzelfalle vor einer offenbar wohltätigen Anwendung, die aus den Eäten selbst heraus von den verschiedensten Gruppierungen der Volksvertreter verlangt wird, aus doktrinärer Ängstlichkeit zurückschrecken? Wir glauben das um so weniger verantworten zu können, als wir ja die ausserordentliche Massnahme sofort den Raten vorlegen und sie als solche nur solange andauern lassen, als entweder die Bundesversammlung oder das Schweizervolk sie gutheissen. Die Bäte haben es sowieso nach dem Bundesbeschluss vom 3. April 1919 in der Hand, der Weiterdauer einer Notverordnung ein Ende zu setzen. Sofern sie sich aber damit einverstanden erklären, geben wir die ausdrückliche Erklärung ab, dass wir die Verordnung als solche nur solange bestehen lassen werden, bis das Schicksal der von den Eäten durchberatenen Abänderung des Bundesgesetzes sich entschieden haben wird. Wird das Referendum dagegen ergriffen und die Vorlage vom Volke verworfen, so werden wir das auch als Entscheid über die Notverordnung respektieren und diese sofort ausser Kraft setzen. Nimmt das Volk die Vorlage ausdrücklich oder stillschweigend an, so gehen die Bestimmungen der Notverordnung ins ordentliche Recht über. In Tat und Wahrheit liegt also in unserrn Vorgehen kein Einbruch in die demokratische Auffassung vom Wesen der Gesetzgebung, sondern eine Versöhnung derselben mit dringlichen Augenblicksforderungen gesunder Verwaltung. Wir stellen Ihnen aus diesen Gründen den Antrag: die Gesetzesvorlage anzunehmen und in der Zwischenzeit bis zu deren. Inkrafttreten dem Weiterbestehen der gleichzeitig vorgelegten Notverordnung Ihre Sanktion zu verleihen.

B e r n , den 4. April 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Sehnlthess.

Der Bundeskanzler : Steiger.

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