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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 30. September 1921 über Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung.

(Vom 30. September 1921.)

Im Winter 1920/21 war von verschiedener Seite das Begehren um Revision des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung gestellt worden. Nach Prüfung dieses Begehrens durch das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement beschlossen wir am 16. April dieses Jahres, von einer Revision abzusehen. Wir Hessen uns dabei von der Erwägung leiten, einerseits dass der fragliche Bundesratsbeschluss das Ergebnis einer Verständigung zwischen Bund, Kantonen, Arbeitgebern und Arbeitern sei, von dem nicht ohne zwingende Not abgewichen werden sollte, und anderseits, dass einem grossen Teil der vorgebrachten Wünsche ohne Revision durch Wegleitungen oder Ausführungsvorschriften entsprochen werden könnte.

Als letztes Frühjahr ein Preisrückgang einsetzte, wurde in der Öffentlichkeit und in zahlreichen Eingaben die Herabsetzung der Höchstbeträge für Arbeitslosenunterstützung verlangt. Mit Kreisschreiben vom 31. Mai 1921 unterbreitete das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Frage den Kantonsregierungen zur Beantwortung, gleichzeitig mit den weitern Fragen, ob die lange Dauer der Krisis nicht eine Abänderung der bestehenden Vorschriften über die Unterstützungsdauer erheische und ob noch weitere Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses geändert werden sollten. Die Antworten der Regierungen enthielten wertvolle Anregungen, gingen aber in den entscheidenden Fragen sehr auseinander. Es waren namentlich die von der Arbeitslosigkeit stark

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betroffenen Kantone, welche den Zeitpunkt einer Herabsetzung der Unterstützungsbeträge nicht für gekommen erachteten. In bezug auf die Unterstützungsdauer wiesen die Kantonsregierungen mehrheitlich darauf hin, dass die Frage für ihren Kanton bedeutungslos sei, weil in der Praxis die Verlängerungen über das Minimum von sechzig Tagen bereits durchgeführt werden.

Bei den auseinandergehenden Meinungen der Kantonsregierungen in der Revisionsfrage hielt es das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement für zweckmässig, eine mündliche Aussprache herbeizuführen. Mit Kreisschreiben vom 12. August abbin berief es die Vertreter der Kantonsregierungen auf den 31. August und 1. September zu einer Konferenz nach Bern, wobei ausser der Revision auch die Frage der Arbeitsbeschaffung besprochen werden sollte. Vorgängig dieser Konferenz fand am 26. August unter der Leitung des eidgenössischen Arbeitsamtes eine Besprechung des ganzen Fragenkomplexes durch die Vertreter der wirtschaftlichen Verbände statt.

Das Ergebnis dieser Konferenzen ist dahin zusammenzufassen, dass von einer Generalrevision sozusagen übereinstimmend abgeraten wurde. Bezüglich einer teil weisen Revision gingen die Ansichten auseinander ; die Vertreter der Arbeitgeber befürworteten sie im Sinne einer Herabsetzung der Unterstützungsbeträge und vor allem einer gänzlichen Befreiung der Arbeitgeber von der Beitragspflicht ; die Arbeitervertreter sprachen sich gegen eine Revision aus mit Rücksicht darauf, dass sie von ihr keine Besserstellung der Arbeitslosen erwarteten ; sie kündigten aber für den Fall der Revision eine Anzahl Postulate an.

In der Konferenz mit den Vertretern der Kantonsrogierungen herrschte die Meinung vor, dass sich eine Revision nur auf das Allernotwendigste beschränken und insbesondere eine Herabsetzung der Unterstützungen im gegenwärtigen Momente nicht vorgenommen werden sollte.

Mit Rücksicht auf diese Verhandlungen haben wir uns entschlossen, von einer Generalrevision abzusehen. Eine solche hätte im Zeitpunkt des Abbaus der ausserordentlicben Vollmachten doch wohl auf dem Wege des dringlichen Bundesbeschlusses durch die Bundesversammlung vorgenommen werden müssen. Bei der ausserordentlichen Verschiedenheit der Auffassungen auf diesem Gebiete würde die parlamentarische Behandlung der Angelegenheit naturgemäss wesentlich Zeit erfordern. Wir müssen aber rasch handeln ; zudem ist es gefährlich, an einem System, das sich mit grosser Mühe ein-

415 gebü.rgert hat, im kritischsten Moment einschneidende Änderungen vorzunehmen. Wir haben daher die bestehenden Vorschriften nur in einigen besonders dringlichen Punkten geändert. Dabei haben wir einige neue Grundsätze aufgestellt, welche in Verbindung mit den neuen Vorschriften über Arbeitsbeschaffung, die im Bundesratsbeschluss vom 20. September 1921 betreffend Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der zudienenden Ausführungsverordnung des Volkswirtschaftsdepartements vom gleichen Tage niedergelegt sind, den Zweck verfolgen, das System der Bariinterstützung so viel als möglich durch dasjenige der Arbeitsbeschaffung zu ersetzen.

Es ist in der Öffentlichkeit wiederholt verlangt worden, das gegenwärtige System der Arbeitslosenunterstützung sei durch die Arbeitslosenversicherung abzulösen. Das Volkswirtschaftsdepartement setzte schon anfangs 1920 eine Expertenkommission ein zur Prüfung der Grundlagen für eine Arbeitslosenversicherung. Die Kommission hat ihre Aufgabe durchgeführt. Auf Grund ihrer Beratungen hat das eidgenössische Arbeitsamt das Material geprüft und verarbeitet; allein es ist ausgeschlossen, eine wirksame Versicherung gegen Arbeitslosigkeit im gegenwärtigen Momente einzuführen. Sie setzt Beiträge der Versicherten und genügende finanzielle Mittel der Versicherungskassen voraus. Beide Faktoren versagen in der gegenwärtigen Krisis. Die Staaten, die in den letzten Jahren eine Arbeitslosenversicherung einführten, waren grösstenteils gezwungen, die Beiträge der Versicherten aus den öffentlichen Mitteln zu bestreiten und dadurch die Versicherung wieder durch das System der Unterstützung zu ersetzen. Wir müssen uns daher während der Dauer der ausserordentlichen Krisis weiter mit dem bisherigen System behelfen und die Einführung der Versicherung auf spätere Zeiten verschieben.

Die eingeführten Neuerungen sind in Art. l des beiliegenden ,,Bundesratsbeschlusses vom 30. September 1921 über Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung"1 enthalten. Wir haben zu den einzelnen Bestimmungen dieses Artikels folgendes zu bemerken : Ad 1. Schon bisher führten Kantone und Gemeinden in anerkennenswerter Weise Bildungskurse für Arbeitslose durch ; doch bestand keine rechtliche Grundlage, die Arbeitslosen zum Besuche solcher Kurse zu zwingen. Diese Lücke
soll durch die neue Vorschrift ausgefüllt werden.

Ad 2. Nach der bisherigen Fassung des Art. 8, Abs. l, war der Normalverdienst eines Arbeitslosen in der Regel nach dem

416 Durchschnitts verdienst der letzten drei Monate vor Beginn, der Arbeitslosigkeit zu berechnen. In Gegenden, wo die Arbeitslosigkeit schon vor längerer Zeit einsetzte und ein Lohnabbau eintrat, ist der so berechnete Durchschnittsverdienst höher als der nunmehrige ortsübliche Lohn. Wird der frühere dreimonatliche Durchschnittsverdienst zugrunde gelegt, so ist es möglich, dass die Arbeitslosenunterstützung sich dem ortsüblichen Lohn nähert.

Das hat seine Nachteile, weil es den Arbeitslosen nicht zur Arbeit anspornt und den Arbeiter, der Beschäftigung hat, unter Umständen davon wegzieht. Die neue Fassung des Art. 8, Abs. l, beugt dem vor, indem sie vorschreibt, dass auf den normalen Verdienst zur Zeit des Bezuges der Arbeitslosenunterstützung abzustellen sei.

Dem Art. 8 ist ferner ein neuer Schlussabsatz beigefügt worden, der die Möglichkeit schafft, einen Teil der Barunterstützung durch eine entsprechende Naturalleistung zu ersetzen.

Es wird damit einem vielfach geltend gemachten Wunsche entsprochen. Der Grundsatz darf aber nicht schablonenhaft durchgeführt- werden. Es wäre zum Beispiel nicht zu billigen, wenn Familienväter, deren Familien zu Hause ohnedies die täglichen Mahlzeiten zubereiten müssen, gezwungen würden, in einer Volksküche zu essen. Die Ausführungsvorschriften und besondern Weisungen werden vor Missbräuchen schützen müssen.

Die übrigen Bestimmungen des Art. 8 bleiben unverändert.

Wir haben mit Rücksicht auf das Ergebnis der vorerwähnten Konferenzen insbesondere davon Umgang genommen, die Höchstbeträge für die Unterstützungen im gegenwärtigen Moment herabzusetzen. Wir behalten uns aber vor, auf die Frage zurückzukommen, wenn die Verhältnisse es rechtfertigen.

Ad 3. Absatz l entspricht inhaltlich dem bisherigen Art. 9, Abs. l und 2.

Absatz 2 bringt die Neuerung, dass unterstützte Arbeitslose auch zur Arbeit angehalten werden können, wenn es nicht möglich ist, sie bei' Notstandsarbeiten oder andern Lohnarbeiten zu beschäftigen.

Wird ein Arbeitsloser auf diese Art und Weise beschäftigt, so soll er die Arbeitslosenunterstützung erhalten und, wenn die Beschäftigung eine bestimmte Dauer, z. B. einen ganzen Tag, beträgt, überdies einen Zuschlag. -Dieser Zuschlag rechtfertigt sich, weil der Arbeitende grössere Ansprüche bezüglich Nahrung und Bekleidung hat als der Beschäftigungslose, und weil der

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Arbeitende grundsätzlich besser gestellt sein soll als der Nichtarbeitende.

Die hier vorgesehene Art der Beschäftigung ist im allgemeinen nur durchführbar bei öffentlichen Arbeiten. Es ist Sache des Vollzuges, hierüber nähere Vorschriften zu erlassen. Die Neuerung bezweckt, soviel als möglich die Barunterstützung ohne Arbeit zu vermeiden.

Ad 4. Die wachsende Arbeitslosigkeit lässt es zweifelhaft erscheinen, ob die Arbeitslosen in genügendem Masse bei Notstandsarbeiten beschäftigt werden können. Es ist daher wiederholt das Verlangen gestellt worden, notleidende Betriebe zu subventionieren, damit ihnen die Weiterbeschäftigung des Personals ermöglicht werde. Das Problem ist ausserordentlich heikel, weil es leicht zu Missbräuchen führen kann, indem Betriebe, die vielleicht aus eigener Kraft noch durchzuhalten vermocht hätten, ohne zwingende Not sich um eine Subvention bewerben. Wir haben uns trotz dieser Bedenken angesichts der immer mehr um sich greifenden Krisis entschlossen, die Möglichkeit der Subventionierung einzuführen. Eine Subvention darf aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen gewährt werden, die wir in der Hauptsache in Ziffer 4 umschrieben haben. Auch hier werden Ausführungsvorschriften und Weisungen den richtigen Weg weisen müssen. Wir sind uns bewusst, dass die Neuerung einen Versuch darstellt, über dessen Gelingen sich nichts Bestimmtes voraussagen lässt. Sollten die Erfahrungen ungünstig sein, so werden wir nicht zögern, die Neuerung wieder abzuschaffen.

Die schweizerische Uhrenindustrie hat an uns das Begehren gestellt, es möchte ihr in besonderer Weise durch eine ausserordentliche Bundeshilfe die Fabrikation und der Export erleichtert werden. Die dahinzielenden Vorschläge werden zurzeit geprüft, und es ist möglich, dass wir Ihnen hierüber noch eine spezielle Vorlage unterbreiten werden. Bis das erfolgt, kann den einzelnen Betrieben der Uhrenindustrie auf Grund der Bestimmung von Ziffer 4 geholfen werden.

Ad 5. Die lange Dauer der Wirtschaftskrisis hat die meisten Kantone veranlasst, die Unterstützungsdauer über das Minimum von 60 Tagen hinaus zu verlängern. Verlängerungen von mehr als 30 Tagen bedurften bisher der Genehmigung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, das in der Praxis dazu gelangt ist, die Genehmigung von vorneherein für eine unbestimmte Dauer zu erteilen.

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Wir wollen mit der neuen Fassung der Vorschriften über die Unterstiltzungsdauer eine Anpassung an die bestehende Praxis und die neuen Verhältnisse herbeiführen, indem wir einerseits die Verlängerungen ausschliesslich in die Zuständigkeit der kantonalen Behörden legen und anderseits für Schweizerbürger eine Verlängerung um weitere 60 Tage vorschreiben, sofern die Voraussetzungen zur Unterstützung noch gegeben sind.

Soll, wie es unsere Absicht ist, die Barunterstützung soviel als möglich durch die Arbeitsbeschaffung ersetzt werden, so ist es logisch, die Beschäftigung von Arbeitslosen bei Arbeiten, welche von Bund, Kantonen oder Gemeinden zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgeführt werden, auf die Dauer der Unterstützung anzurechnen ; andernfalls würde der Ansporn zur Anordnung solcher Arbeiten dahinfallen.

Ad 6. Die neue Fassung des Art. 12 bedingt eine kleine redaktionelle Änderung des Art. 14, Abs. 4, indem die dortige Verweisung auf den alten Art. 12, Abs. 4, nicht mehr zutrifft.

Trotz der Verlängerung der Unterstützungsdauer wird an der Beitragspflicht des Arbeitgebers nichts geändert. Diese erstreckt sich zeitlich, wie bisher, nur auf 90 Tage und soll dem Umfange nach über den Höchstbetrag, wie er in Art. 18 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 festgesetzt ist, nicht hinausgehen.

Ad 7. Wir halten es für zweckmässig, dass die eidgenössische Rekurskommission begutachtende Instanz in allen grundsätzlichen Fragen der Arbeitslosenfürsorge sei. Dieser Grundsatz ist in Art. 40, .Abs. l, zum Ausdruck gebracht worden.

Ferner erachten wir es als notwendig, beizufügen, dass auch die Weisungen, die das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement erlässt, verbindlichen Charakter haben. Nur, wenn dies der Fall ist, kann nach und nach eine einheitliche Durchführung der Vorschriften über Arbeitslosenfürsorge und dadurch eine grössere Rechtssicherheit und eine Abnahme der Streitfälle erreicht werden.

Diese Auffassung liegt dem neuen Wortlaut des Art. 41, Abs. l, zugrunde.

Ad Art. 2. Da einige der neuen Bestimmungen nicht von heute auf morgen zur Anwendung gelangen können, haben wir dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement die Befugnis erteilt, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Beschlusses zu bestimmen.

41$ Das Verfahren in Streitsachen, wie es in den Art. 27 und 33 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 geordnet ist, hat sich als schwerfällig und kostspielig erwiesen. Es sind daher Vereinfachungen zu treffen. Da hierüber aber noch Verhandlungenmit den Kantonen und den interessierten Verbänden notwendig sind, so haben wir das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt^ zu gegebener Zeit die zweckmässig erscheinenden neuen Bestimmungen zu erlassen.

Gestützt auf Ziffer T, Abs. 3, des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates beehren wir uns, Ihnen vom vorerwähnten ,,Bundesratsbeschluss vom 30. September 1921 über Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung" Kenntnis zu geben und Ihnen seine Genehmigung zu empfehlen.

B e r n , den 30. September 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler : Steiger.

Beilage: Bundesratsbeschluss vom 30. September 1921 betreffend Arbeitslosenunterstützung.

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Beilage.

Buiidesratsbeschluss über

Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung.

(Vom

30. September 1921.)

Der s c h w e i z e r i s c h e Bundesrat, gestützt auf den zweiten Absatz von Ziffer I des Bundesbeschlusses vom 3.' April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates, beschliesst: Art. 1. Der Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung wird wie folgt abgeändert und ergänzt : 1. Dem Art. 5 wird folgender neuer Schlussabsatz beigefügt: Die Kantone sind ermächtigt, den Besuch von Bildungskursen für unterstützte Arbeitslose verbindlich zu erklären. Sie können diese Befugnis auch an die Gemeinden übertragen.

Arbeitslose, die sich grundlos weigern die Kurse zu besuchen, verlieren den Anspruch auf Unterstützung.

2. Absatz l des Art. 8 erhält folgende neue Fassung: Die Unterstützung bei gänzlicher Arbeitslosigkeit beträgt 60 °/0 oder, wenn der Arbeitslose eine gesetzliche Unterstützungspflicht erfüllt, 70 °/o des normalen Verdienstes. Als normaler Verdienst gilt der Betrag, den der Betreffende bei normaler Arbeitsgelegenheit zu der Zeit, in der er die Unterstützung bezieht, verdienen könnte.

Dem Art. 8 wird ferner folgender neuer Schlussabsatz beigefügt: Die Kantone sind ermächtigt, die Barunterstützung teilweise durch eine entsprechende Naturalleistung zu ersetzen.

Sie können diese Befugnis auch an die Gemeinden übertragen.

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3. Der Art. 9 erhält folgende neue Fassung: Ist für den Unterstülzungsberechtigten nur eine Arbeit zu finden, die ihm weniger einträgt als die ihm zukommende Unterstützung bei gänzlicher Arbeitslosigkeit, so erhält er eine Zulage'. Diese soll mindestens die Differenz ausgleichen, aber den Betrag der Unterstützung bei gänzlicher Arbeitslosigkeit nicht überschreiten. Bei ihrer Berechnung sind vom Verdienst die besondern Auslagen abzuziehen, die durch Übernahme der neuen Arbeit entstehen. Die Zulage ist von der Wohnsitzgemeinde auszuzahlen und gemäss den Vorschriften der Artikel 13 u. ff. zu verteilen.

Unterstützungsberechtigte, die keine Lohnarbeit finden, können von der Wohnsitzgemeinde sonstwie zur Arbeit angehalten werden gegen Auszahlung der Unterstützung und, je nach der Dauer der Beschäftigung, eines Zuschlages. Die Unterstützung ist auszuzahlen und zu verteilen wie die Unterstützung bei gänzlicher Arbeitslosigkeit. Der Zuschlag ist in der Regel von der Gemeinde zu tragen, für welche die Arbeiten ausgeführt werden.

Um die Übernahme einer Arbeit zu erleichtern, kann ferner einem Arbeitslosen vom zuständigen kantonalen Departement eine ausserordentliche Unterstützung oder ein unverzinsliches Darlehen gewährt werden. Wird der Betrag von Fr. 200 überschritten, so ist die Genehmigung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements einzuholen.

4. Es wird folgender neuer Art. 9 bis aufgenommen: Durch besondere Vereinbarungen können einzelnen Betrieben, die infolge der Wirtschaftskrisis zur Einstellung der Arbeit und Entlassung des Personals gezwungen wären, Beiträge unter folgenden Bedingungen gewährt werden: a. es muss damit die weitere Beschäftigung von Personal, das sonst entlassen werden müsste, gesichert sein; b. die Beiträge dürfen nur gewährt werden, wenn der Betriebsinhaber ohne sie mit Verlust arbeiten würde ; c. die Beiträge dürfen insgesamt die Summe nicht übersteigen, welche an Arbeitslosenunterstützung an das Personal, das arbeitslos geworden wäre, voraussichtlich hätte bezahlt werden müssen; d. die Rückerstattung der Beiträge ist vorzubehalten für den Fall, dass die Betriebsergebnisse dies rechtfertigen.

422 Kann der gleiche Zweck durch Darlehen erreicht werden, ist diese Form, zu wählen.

Diese Zuwendungen gehen je zur Hälfte zu Lasten von Bund und Kanton. Die Bestimmungen des Art. 14, Abs. l--3 sind anwendbar.

Unter Umständen kann auch die Heranziehung der Solidaritätsfonds zur Lastentragung zur Bedingung gemacht werden.

Betriebe, die sich die Ausrichtung der Zuwendungen durch unrichtige Angaben verschaffen, sind zur Rückerstattung verpflichtet. Überdies bleibt die strafrechtliche Verfolgung der Fehlbaren vorbehalten.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement erlässt über die Anwendung und Durchführung dieser Bestimmungen nähere Vorschriften.

5. Der Art. 12 erhält folgende neue Fassung: Die Dauer der Unterstützung für gänzlich Arbeitslose beträgt erstmals 60 Tage (Werktage) innert Jahresfrist.

Sie ist für Schweizerbürger auf begründetes Gesuch hin um weitere 60 Tage (total bis auf 120 Tage innert Jahresfrist) zu verlängern, sofern die Voraussetzungen der Unterstützung noch zutreffen.

Im übrigen sind die Kantone befugt, Verlängerungen nach ihrem Ermessen zu verfügen.

Das Gesuch um Verlängerung ist bei der Wohnsitzgemeinde einzureichen.

Die Kantone bestimmen das Verfahren und die zur Entscheidung zuständigen Amtsstellen.

Die Beschäftigung Arbeitsloser bei Arbeiten, welche von Bund, Kanton oder Gemeinden zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgeführt werden, kann auf die- Dauer der Unterstützung angerechnet werden.

6. In Abs. 4 des Art. 14 werden die Worte ,,gemäss Art. 12, Abs. 4t


7. Die Art. 40, Abs. l, und 41, Abs. l, erhalten folgende neue Fassungen : Art. 40, Abs. l : Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement übt die Oberaufsicht über den Vollzug dieses Beschlusses aus und erlässt

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die erforderlichen Weisungen. In der Regel soll die eidgenössische Rekurskommission zur Begutachtung- herangezogen werden.

Art. 41, Abs. l : Die Ausführungsvorschriften und Weisungen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und von diesem genehmigte kantonale Vorschriften sind verbindlich.

Art. 2. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses.

Es ist ermächtigt, die Vorschriften der Artikel 27--33 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 im Sinne der Vereinfachung des Verfahrens in Streitsachen abzuändern.

B e r n , den 30. September 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schultkess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 30. September 1921 über Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung. (Vom 30. September 1921.)

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