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Bericht des
Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Friedrich Speich, Taglöhners, in Klein-Hüningen.
(Vom 18. Juni 1901.)
Tit.
Speich wurde am 18. Mai 1901 vom Grenzwächter Schuhmacher ertappt, als er auf dem für zollpflichtige Waren verbotenen ,,Rheinweg" von Hüningen-Elsaß her kommend in der Rocktasche verborgen zwei Schachteln Zündhölzchen mit gelbem Phosphor im Gewicht von 350 Gramm in die Schweiz einschmuggeln wollte. Nach dem Rapport des Grenzwächters Schuhmâcher vom 20. Mai gab Speich bei der Arretierung an, daß die eine der beiden Schachteln einem gewissen Fischer in KleinHüningen gehöre, welcher nach Aussage des Speich schon früher solche Zündhölzchen eingeschmuggelt haben soll.
Polizeimann Bitterli vom Polizeicorps des Kantons BaselStadt, dem Speich vom Grenzwächter zugeführt worden, schließt seinen Rapport vom 21. Mai dahin : ,,Im übrigen muß bemerkt werden, daß Speich ein unzurechnungsfähiger Schnapser ist, der nicht einmal lesen und schreiben kann; derselbe wohnt im hiesigen Armenhause. " Auf Grund der gesammelten Akten wurde Speich am 7. Juni 1901 vom Polizeigericht des Kantons Basel-Stadt wegen verbotener Einfuhr von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor auf
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Grund der Art. 4 und 9 des Buodesgesetzes vom 2. November 1898 zu einer Geldbuße von Fr. 100, beziehungsweise 20 Tagen Gefangenschaft verurteilt.
Mit Eingabe vom 8. Juni stellt der Verurteilte das Gesuch um gnadenweisen Erlaß der Strafe mit Hinweis auf seine Armut und unter der Behauptung, daß ihm das Verbot der Einfuhr von Phosphorzündhölzchen nicht bekannt gewesen.
Es mag dahingestellt bleiben, ob die letztere Schutzbehauptung des Potenten Glauben verdiene, da sie im Widerspruch steht mit dem Amtsrapport des Grenzwächters, welcher den Speich arretierte.
Sie kann aber keinenfalls gehört werden, denn die Übertretung von Bundespolizeigesetzen von der Art des hier in Frage kommenden stellt sich dar als ein Formaldelikt, das auch ohne Nachweis eines subjektiven Verschuldens Strafe nach sich zieht. Die Armut des Potenten aber bildet lediglieh einen Grund zu angemessener Reduktion des für dergleichen Fälle zu hoch erscheinenden gesetzlichen Strafminimums.
Wir stellen deshalb bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei die dem Petenten aufgelegte Geldbuße im Wege der Begnadigung zu reduzieren auf Fr. 10, welche für den Fall der Unerhältlichkeit umgewandelt werden in zwei Tage Gefangenschaft.
B e r n , den 18. Juni
1901.
Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :
Brenner.
Der Kanzler der Eidgenossenschaft; Bingier.
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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Friedrich Speich, Taglöhners, in Klein-Hüningen. (Vom 18. Juni 1901.)
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Bundesblatt
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Jahr
1901
Année Anno Band
3
Volume Volume Heft
25
Cahier Numero Geschäftsnummer
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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum
19.06.1901
Date Data Seite
710-711
Page Pagina Ref. No
10 019 670
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