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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 17. Januar 1921, um 18 Uhr, zur Fortsetzung der ordentlichen Wintersession zusammengetreten.

Im Ständerat hielt bei der Sessionseröffnung Herr Präsident Dr. Bau mann folgende Ansprache: Herr Vizepräsident l Meine Herren Ständeräte!

Bevor wir zu unserer Arbeit übergehen, möchte ich nicht unterlassen, des herben Verlustes zu gedenken, den unser Rat durch den Hinscheid seines Mitgliedes, Herrn Ständerat Fazy, erlitten hat. Geboren am 31. Januar 1842 war der Verstorbene der Nestor unseres Kollegiums. Was wir schon in der Dezembersitzung befürchten mussten, ist seither eingetroffen. Am 22. Dezember letzten Jahres erlöste ein sanfter Tod den verdienten Genfer Magistraten von seinen Leiden. Ein langes, arbeitsreiches Leben, der Wissenschaft und dem Vaterlande gewidmet, hat damit seinen harmonischen Abschluss gefunden.

In Bern geboren, wo sein Vater damals französische Literatur unterrichtete, kam Henry Fazy im Alter von 4 Jahren in seine Vaterstadt Genf zurück, wo ihm eine sorgfältige Erziehung zu Teil wurde. Frühzeitig enthüllte der junge Fazy die Eigenschaften, die den künftigen Historiker auszeichnen sollten. Verschiedene historische Schriften sind das beredte Zeugnis seines eifrigen jugendlichen Studiums und seiner unabhängigen Denkweise. Nach kurzer Tätigkeit als Archivar und Geschichtsprofessor wandte er sich der Politik zu. Als Vertreter der radikalen Partei wurde er schon 1870 in den Staatsrat des Kantons Genf gewählt, dem er zunächst bis 1875 angehörte. Im Jahre 1897 neuerdings in diese Behörde gewählt, blieb er deren Mitglied bis zu seinem Lebensende. Das ihm anvertraute Finanzdepartement verwaltete er mit grosser Treue und Sachkenntnis, und diese Tätigkeit verschaffte ihm inner- und ausserhalb des Kantons hohes Ansehen auf dem Gebiete der Finanz- und Steuerpolitik. Dem Nationalrat gehörte der Verstorbene in den Jahren 1896--99 und 1902--1918

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an. Noch steht in der Erinnerung aller sein Protest, den er als Alterspräsident des Nationalrates im Jahre 1914 gegen die Verletzung der Neutralität Belgiens aussprach. Es war die Sprache des Herzens, des Mitleides mit einem unglücklichen Volke, die sich in seinen Worten kundgab.

Im Jahre 1918 siedelte er in unsern Rat über und nahm hier den verwaisten Platz seines verstorbenen Kollegen Lachenal ein. Auch hier, wie vorher im Nationalrat, ergriff er das Wort oft und mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit und geistvollen Frische.

Seine körperliche Gebrechlichkeit, die Folge einer schweren Erkrankung in frühern Jahren, ertrug er mit Mannesmut. Sein starker Geist wusste den schwachen Körper zu meistern. Sein tiefgründiges Wissen und wohl auch seine historische Auffassung der politischen Vorgänge bewahrten den radikalen Parteimann vor Einseitigkeit. Das sicherte ihm die Achtung und persönliche Zuneigung auch seiner politischen Gegner. Wer endlich das Glück hatte, ihm persönlich näher zu treten und auch ausserhalb des Rates mit ihm zu verkehren, der freute sich über die liebenswürdige und anregende Unterhaltung, die unser Kollege zu führen wusste und in der er keine Unterschiede der Partei und Konfession kannte.

So ist denn ein lieber, hochverdienter Miteidgenosse von uns gegangen. Mit dem Genfervolke werden auch wir diese ehrwürdige, feine Magistratengestalt in dauerndem und ehrenvollem Andenken behalten. Gelehrter und Politiker in einer Person -- es sind nicht allzuviele, die das von sich sagen können. Mögen sie niemals in unserem Parlamente fehlen !

Ich ersuche Sie, sich zu Ehren unseres verstorbenen Kollegen von Ihren Sitzen zu erheben.

Im Nationalrat gedachte Herr Präsident Garbani-Nerini ebenfalls des verstorbenen Kollegen Fazy von Genf.

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