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1348

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Massnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit.

(Vom 10. Juni 1921.)

Die Verhältnisse zwingen uns, mit dem Antrag an Sie zu gelangen, weitere Mittel fui: die Förderung von Arbeiten, die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unternommen werden, bereitzustellen. Der mit Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 zu diesem Zwecke bewilligte Kredit von 15 Millionen Franken erweist sich als unzulänglich. Die betreffende Botschaft datiert vom 24. Dezember 1920. Unser damaliger Antrag stützte sich im wesentlichen auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes bis Ende November 1920. In diesem Zeitpunkte betrug die Zahl der gänzlich Arbeitslosen 18,514, diejenige der teilweise Arbeitslosen 28,443.

Die Bundesversammlung hat bei Erlass des genannten Beschlusses vom 18. Februar 1921 geglaubt, der Verschärfung der Arbeitslosigkeit genügend Rechnung zu tragen durch Erhöhung der vom Bundesrat beantragten 10 Millionen auf 15 Millionen Franken*).

Die Hoffnung, diese Summe werde hinreichen, um der Arbeitslosigkeit -- soweit dies mit solchen Mitteln überhaupt möglich ist -- Herr zu werden, und die Krise werde gegen das Frühjahr hin zurückgehen, hat sich nicht erfüllt. Leider verschlimmert sich die Lage noch immer.

Am 4. April betrug die Zahl der gänzlich Arbeitslosen 49,107, diejenige der teilweise Arbeitslosen 95,119. In der ersten Zahl sind die ungefähr 9000 damals bei Notstandsarbeiten beschäftigten Personen Inbegriffen, so dass in jenem Momente etwa 40,000 Arbeiter und Arbeiterinnen gänzlich ohne Arbeit waren.

Der Bundesrat sah sich deshalb veranlasst, den eidgenössischen Katen in der Aprilsession mitzuteilen, dass er voraussichtlich genötigt sein werde, den am 18. Februar bewilligten Kredit von 15 Millionen Franken zu überschreiten. Er ersuchte die Räte, zuzu*) Damals betrug die Zahl der gänzlich Arbeitslosen 40,619 und diejenige der teilweise Arbeitslosen 82,392.

490

stimmen, dass der Betrag dieser Überschreitung allfällig 5 Millionen Franken erreichen dürfe. Zugleich teilte der Bundesrat mit, dass er, sofern die Lage sich nicht wesentlich ändere, genötigt sein werde, in der Junisession mit einem abermaligen Kreditbegehren an die Kate zu gelangen.

Die Verhältnisse des Arbeitsmarktes haben sich nun seither noch erheblich verschlimmert, so dass die Bewilligung eines weitern Kredites, um der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsbeschaffung zu steuern, nicht zu umgehen ist.

Am 9. Mai 1921 war der Stand dei1 Arbeitslosigkeit folgender: gänzlich Arbeitslose 52,418 davon bei Notstandsarbeiten beschäftigt 11,025 verbleiben ohne irgendwelche Beschäftigung 41,393 teilweise Arbeitslose 99,370 Wir verweisen auf die Übersicht über die Lage und bisherige Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Betriebsgruppen der Beilage 1. Die gänzlich Arbeitslosen (Stichtag 9. Mai 1921) verteilten sich auf die einzelnen Kantone gemäss der Tabelle auf Beilage 2.

Schon am 30. Dezember 1920 hatte das eidgenössische Amt für Arbeitslosenfürosrge die Kantone im Hinblick auf die damals bevorstehende Kreditbewilligung gebeten, hinreichende Arbeitsgelegenheiten vorzubereiten. Mit Kreisschreiben des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, vom 21. Februar 1921, sind den Kantonen sämtliche Grundlagen übermittelt worden zum Vollzug do* Bundesbeschlusse ·; vom 18. Februar 1921. Trotz aliedem ist bisher nur für eine verhältnismässig kleine Zahl der gänzlich Arbeitslosen Arbeitsgelegenheit beschafft worden. Manche Kantone erklären sich ausserstande, mit den ihnen aus den Mitteln des Bundesbeschlus^es vom 18. Februar 1921 zugeteilten Kreditquoten der Arbeitslosigkeit Herr zu werden. Durch die lang andauernde Krise sind Kantone und Gemeinden bereits an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt.

Der geschilderte Zustand sollte so bald und so vollständig als möglich behoben werden. Die Arbeitslosen selbst empfinden es zumeist a's äusserst bemühend, Arbeitslosenunterstützung beziehen zu müssen, ohne eine Gegenleistung dafür geben zu können. Aber auch diejenigen gänzlich Arbeitslosen, die keine Unterstützung beziehen, machen darauf Anspruch, dass ihnen Arbeitsgelegenheit beschafft werde. Über kurz oder lang werden sonst auch sie gezwungen sein, Unterstützung zu begehren. Wie folgende Tabelle zeigt, hat Jvotx; dei' Bereitstelluns; von Notstandsarbeiten nicht nur die Zahl

Beilage 1. -- Annexe 1.

Uebersicht über die Lage und bisherige Entwicklung der Arbeitslosigkeit.

Metallbearbeitun g, Ulaschinenmdnstrie

Uhreniudustrie, Bijouterie

Industrie du bâtiment Industrie métallurgique et industrie du bois et industrie d. machines

Industrie horlogère et bijouterie

Bangewerbe und Holzbearbeitung Zeitpunkt Etat 1 Q9A 1Ì7AU

Bekleidung, Ausrüstung Textilindustrie

Graphisches Gewerbe, Papierindustrie

Vêtement, équipement Arts graphiques et industrie textile et industrie du papier

Etat actuel et développement du chômage.

Hotel- nnd Wirtschaftswes (n Hôtels, restauran te

Landwirtschaft, Gärtnerei

Handel

Ouvriers sans connaissances professionnelles

Agriculture et jardinage

Commerce

et cafés

Ungelernte Arbeiter

Insgesamt -- En tout Schweiz -- Suisse

arbeitslos -- chômeurs arbeitslos -- chômeurs arbeitslos -- chômeurs arbeitslos -- chômeurs arbeitslos -- chômeurs arbeitslos -- chôme urs arbeitslos -- chômeurs arbeitslos -- chômeurs arbeitslos -- chômeurs arbeitslos -- chômeurs *) 1 091

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Ende Juli . .

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Ende August .

Fin août Ende September Fin septembie .

Ende Oktober .

Fin octobre. . .

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Ende Dezember Fin décembre .

Ende Januar .

Fin janvier . .

Ende Februar .

Fin février . .

Ende März . .

Fin mars Ende April . .

Fin avril . .

9. Mai

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335

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350

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133

14 4,916

564

115

205

28

--

--

204

70

426

112

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80

--

--

356

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394

--

--

488

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--

291

39 i 8,038

580

491

911

72

--

--

508

201

515

135

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126

--

--

584

--

--

834

-

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570

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--

221

76

8,534

1056

876

1,845

130

-

509

294

556

152

--

179

--

--

736

--

--

808

--

--

793

--

--

288

127

9,855

1464

5,657

223

--

626

339

751

350

--

266

--

--

1071

--

737

202

--

347

--

--

2198

--

1226

1594

--

--

1334

--

972

546

204 13,230

2577

--

--

1713

--

1,299

884

6,939

1782

5,121

4,092

1,261

8,949

5,382 1,893

10,379

7,274 2,B23 15,512

i-

267

--

--

687

357

378 13,312 2741

1979 27,362

282

--

158

774

341

820

214

--

517

--

--

3084

--

--

14,066 3,558 47,636

2306

1854 18,071 5442

6149 39,109

445

74

1250

809

324

1177

276

--

628

13

--

4908

376

--

24,993

8,504 4011

1626 19,094 6276

6676 47,626

547

85

1275

648

286

1403

325

675

11

--'

5870

1119

--

31,957 10,748 82,930

1346

338

--

602

7

5

6569

1230

--

31,361 11,921 88,689

1350

322

--

600

8

--

6798

808

--

36,892 12,417 95,374

1658

388

--

655

7

--

7236 ;

887

1

99

3322

5

6147

13

570

4544

37

4660

17

745

4568

259 15,213 4630

2490 16,649 5912

6080 48,890

434

103

1643

493

266

5314

40

809

5325

254 16,387 6556

2977 18,983 6364

6544 51,632

423

107

1537

364

196

5801

26

667

5551

275 19,984 7839

3414 18,730 6389

6099 52,455

475

108

1872

420

160

i

) In diesen Zahlen sind die in den nicht genannten Betriebsgruppen angemeldeten arbeitslosen Personen inbegriffen.

2

602

9,183

1933

4562

i

--

2,901

1

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;

--

,

--

) In den Ziffern von Ende April und vom 9. Mai sind auch die bei Kotstandsarbeiten beschäftigten Personen als gänzlich Arbeitslose mitgezählt worden ; der Kanton Zürich hat allerdings nur die Gesamtzahl seiner Notstandsarbeiter gemeldet. Diese sind somit nur im Gesamttotal, nicht aber in
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1 ;

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10,326 3,188

23,443

9,659 71,922

39,908 12,510 99,370

!

*) Ces chiffrer comprennent aussi les personnes annoncées comme sans travail appartenant aux groupes d'entreprises qui ne sont pas mentionnés sur ce tableau.

3 ) Les chiffres de fin avril et du 9 mai indiquant le nombre des personnes atteintes par un chômage total comprennent, pour la première fuis, [aussi les ouvriers occupés à des travaux dits de chômage; le canton de Zurich n'a toutefois annoncé que le chiffre 'total des ouvriers occupés à ces travaux. Ces ouvriers sont donc seulement compris dans ' le chiffre total et non dans les chiffres de chaque groupe d'entreprise. Tous les cantons ensemble ont annoncé, au 9 mai, 11,025 ouvriers occupés à des travaux de chômage.

i

491 der Unterstützten, sondern auch ihr Verhältnis zu der Gesamtzahl der gänzlich Arbeitslosen rasch zugenommen. Das ist nicht etwa auf eine flauere Handhabung der Kontrollvorschriften zurückzuführen, sondern auf den Umstand, dass infolge der langen Dauer der Verdienstlosigkeit immer mehr Arbeitslose in bedrängte Lage geraten.

Der gänzlichen Arbeitslosigkeit geht auch meistens schon eine teilweise Arbeitslosigkeit voraus.

gänzlich Arbeitslose Datum 1920-21

männlich

weiblich

davon unterstützt männlich weiblich '/o der ganzi. 7 . . % der ganz' Zahl °Arbeitslosen Arbeitslosen2,763 26,, 1250 39,2 4,508 31,9 1537 43U 10,484 41)9 4485 46,4 15,467 48,4 5991 55,7 52;1 6497 54,5 16,333 19,203 52,o 8077 65,0 20,264 50,8 8189 65,4

November 10,326 3,188 Dezember 3,565 14,127 Januar .

24,993 9,659 Februar .

31,957 10,748 21. März . .

31,361 11,921 25. April*) .

36,892 12,417 9. Mai*) . .

39,908 12,510 Demnach fet die Zahl der unterstützten arbeitslosen Männer bis am 9. Mai beständig gestiegen und hat sich an diesem Tage auf 20,264 oder auf 50,8 % aller männlichen Arbeitslosen belaufen.

Zum weitaus grössten Teil handelt es sich um Arbeiter, die sich mehr oder weniger zur Ausführung von Notstandsarbeiten eignen und ·die es vorzögen, bei solchen Verdienstgelegenheit zu finden, statt der Arbeitslosigkeit preisgegeben, Unterstützung beziehen zu müssen.

Zu ihrer Beschäftigung kämen im allgemeinen Arbeiten in Betracht, deren Kosten zu 80 % und mehr in Arbeitslöhnen bestehen (Strassenbauten, Weganlagen, Erdbewegungen, Kiesaufbereitung, Bach- und Flussverbauungen). Die Beschaffung dieser Notstandsarbeiten wird an Bund und Kanton daher keine höhern finanziellen Anforderungen stellen als die Ausrichtung der Unterstützungen gemäss Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919.

Der Bund hat bis anhin zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit folgende Kredite bewilligt, die teilweise zugleich der Bekämpfung der Wohnungsnot dienten: 1. mit Bundesbeschluss vom 27. Juni 1919 betreffend Massnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit: 20 Millionen Franken für Beiträge à fonds perdu an Bauarbeiten12 Millionen Franken zur Gewährung von 4 %igen Grundpfand, darlehen an Wohnhausneubauten; 29 20 31 28

*) In den Ziffern vom 25. April und 9. Mai sind die bei Notstandsarbeiten beschäftigten Personen als gänzlich Arbeitslose mitgezählt worden ; alle Kantone zusammen haben am 9. Mai 11,025 Notstandaarbeiter gemeldet.

492 davon waren zu verwenden: a. gemäss Bundesratsbeschluss vom 23. Mai 1919: 10 Millionen Pranken für Beiträge à fonds perdu an Notstandsarbeiten ; b. gemäss Bundesratsbeschluss vom 15. Juli 1919 betreffend Förderung der Hochbautätigkeit: 10 Millionen Franken für Beiträge à fonds perdu und 12 Millionen Franken für 4 %ige Darlehen; 2. mit Bundesratsbeschluss vom 11. Mai 1920 betreffend Milderung der Wohnungsnot durch Förderung der Hochbautätigkeit (von der Bundesversammlung am 30. April 1920 genehmigt): 10 Millionen Franken für Beiträge à fonds perdu; 3. mit Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 betreffend Massnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit: 15 Millionen Franken, die gemäss Bundesratsbeschluss vom 19. Februar 1921 für Beiträge à fonds perdu an Notstandsarbeiten und an Wohnbauten, nach Wahl der Kantonsbehörde,, verwendet werden können.

4. In der Aprilsession stimmten die Bäte zu, dass der Bundesrat den zuletzt genannten Kredit um eine Summe überschreite, die bis 5 Millionen Franken betragen könne.

Insgesamt hat der Bund bis heute zum Zwecke der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit somit 50 Millionen Franken für Beiträge à fonds perdu und 12 Millionen Franken für 4 %ige Grundpfanddarlehen bewilligt. Mit Ausnahme der unter 3. und 4. angeführten 20 Millionen, sind diese Kredite schon fast ganz den Kantonen zur Verfügung gestellt worden. Die betreffenden Bauten sind zum Teil bereits vollendet, zum Teil sind sie noch in Ausführung begriffen.

Über die Verwendung der Kredite und die Gesamtkostenvoranschlagssumme der damit angeregten Arbeiten gibt im übrigen folgende Zusammenstellung Aufschluss :

493 Bundesratsbeschllisse vom

23. Mai 1919

15. Juli 1919 11. Mai 1920 Total

Gesamtkostenvoranschlagssumme

Bundesleistungen Bemerkungen Beiträge

Darlehen

Fr.

Fr.

Fr.

61,500,000

8,600,000

--

Hauptsächlich subventionierteArbeiten: Meliorationen, Gewässerkorrektionen, Kanalisationen, Wasserversorgungen, Strassen- u. Brückenbauten, öffentl. Gebäude,Schiessanlagen u. Hotelrenovationen.

103,800,000 10,500,000 8,000,000 > Wohnbauten.

80,000,000 7,800,000 2,200,000 245,300,000 26,900,000 10,200,000

Zwölf Millionen von den zuletzt bewilligten 20 Millionen Franken wurden sofort nach einem vom Bundesrat am 19. Februar 1921 genehmigten Verteilungsplan unter die Kantone verteilt. Jedem Kanton ist der ihm zufallende Anteil am 22. Februar 1921 mitgeteilt worden. Seit dieser Verteilung sind mehreren Kantonen, die besonders unter der Industriekrise leiden, weitere Zuwendungen gemacht worden. Von den genannten 20 Millionen Franken bleiben heute noch etwa 5 Millionen verfügbar.

Die Auswirkung des Bundesratsbeschlusses vorn 19. Februar 1921 geht leider sehr langsam vonstatten. Trotzdem die Kantone, wie gesagt, schon im Dezember 1920, unter Hinweis auf die damals bevorstehende Kreditverteilung, ersucht worden sind, ungesäumt an die Bereitstellung von Arbeiten zu gehen, konnten in vielen Kantonen bis heute noch keine neuen Arbeiten in Angriff genommen werden. Der Grund liegt darin, dass die Kantone und Gemeinden jeweilen abwarten müssen, bis sie die Kredite des Bundes zugesprochen erhalten, ehe sie die ihrerseits erforderlichen Mittel beschaffen können.

In vielen Kantonen müssen diese Kredite durch das Volk bewilligt werden. Dazu kommt die Ausarbeitung der Verordnungen und Weisungen über den Vollzug im einzelnen. Erst nachdem diese Vorkehren getroffen sind, können die Arbeiten in rechtlicher, technischer und finanzieller Beziehung endgültig vorbereitet, die Subventionsgesuche eingereicht und die Subventionen nacheinander von der Gemeinde, dem Kanton und dem Bunde bewilligt werden. Hierzu

494

ist um so mehr Zeit erforderlich, je mehr Gesuche vorliegen und je weniger es infolgedessen möglich ist, alle zu berücksichtigen. Bisher mussten in der Eegel sehr viele Projekte mangels genügender Kredite ausgeschieden werden. Die Sichtung der Projekte und die Prüfung hinsichtlich der Subventionsmöglichkeit, unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse, insbesondere derjenigen des Arbeitsmarktes, erfordern oft geraume Zeit. Soll deshalb die Krise, die nun einen sehr besorgniserregenden Umfang angenommen hat, und deren Ende noch immer nicht abgesehen werden kann, bekämpft werden, wie es das Landesinteresse erfordert, so muss ein Weg der Subventionierung der Notstandsarbeiten gefunden werden, welcher der Aktion Stetigkeit zu verleihen erlaubt. Um dies zu erreichen, ist entweder ein sehr grosser Kredit zu bewilligen, wobei es dem Bundesrat anheimgestellt werden müsste, die Subventionserteilung, sobald die Krise zurückgeht, einzuschränken oder gänzlich einzustellen, oder aber es sind von den eidgenössischen Bäten bei jeder Session so lange kleinere Kredite zu bewilligen, bis die Krise überwunden sein wird. Bis dahin könnte dem Bundesrat auch ein laufender Kredit im Eahmen eines gewissen monatlichen Höchstbetrages (z. B. 2,5 Millionen Franken) eröffnet werden.

Der erste Weg, die Erteilung eines grossen Kredites (z. B. von 40 bis 50 Millionen Franken), wäre insoweit gefährlich, als damit zu viele Arbeiten auf einmal angeregt werden könnten. Die bisher gemachten Erfahrungen liessen überdies befürchten, dass in gewissen Berufen des Baugewerbes Arbeitermangel entstünde und dass folglich nach ausländischen Arbeitern gerufen würde. Verweigerten die zuständigen Organe dann die Bewilligung zu deren Einreise, so hätte dies Entrüstung zur Folge. Ausserdem würde mit diesem Vorgehen den Kantonen die Zurückweisung der weniger subventionswürdigen Projekte erschwert. Indessen soll Gewähr dafür geboten sein, dass den Gesuchen nur insoweit stattgegeben werde, als gute Gründe es rechtfertigen.

Der dritten Lösung, wonach auf unbestimmte Zeitdauer, d. h.

bis die Krise überwunden sein wird, ein Kredit von z. B. 2,5 Millionen Franken pro Monat gewährt würde, werden die eidgenössischen Eäte wohl kaum zustimmen wollen. Auf alle Fälle müsste der laufende Kredit entweder nach der Zeit oder dem Gesamtbetrage oder nach
diesen beiden Beziehungen begrenzt werden, wodurch jedoch zum mindesten ein Teil des erstrebten Vorteiles wieder hinfällig würde.

In der Ausführung wäre dieser Weg offenbar der zweckmässigste, indem er die wünschbare Stetigkeit der Aktion am besten herstellte.

Es wird wohl nicht zu umgehen sein, wie bisher von Fall zu Fall den eidgenössischen Eäten die Bewilligung kleinerer Kredite

495

zu beantragen. Wir werden jeweilen besorgt sein, diese Vorlagen möglichst frühzeitig einzubringen, damit die auf Grund des neuen Kredites angeregten Arbeiten jeweilen begonnen werden können bevor die frühern Kredite erschöpft sind, so dass also die Arbeitsbeschaffung in dem erforderlichen Umfange ohne Unterbrechung fortgesetzt 'werden kann.

Es erübrigt uns noch, einiges über die künftige Entwicklung des Arbeitsmarktes beizufügen. Leider sind die Aussichten sehr trübe.

Allerdings ist anzunehmen, dass der kommende Sommer und Herbst keine wesentliche Verschlechterung der Lage bringen wird; doch sehen wir dem Winter 1921/22 mit grosser Besorgnis entgegen.

Viele Firmen, welche die Arbeitszeit verkürzt haben, werden infolge der Absatzstockung und der dadurch entstandenen Immobilisierung ihrer Kapitalien bald gezwungen sein, ihre Betriebe ebenfalls einzustellen. Zahlreiche Entlassungen drohen. Das zögernde Verhalten in der Frage des Erlasses von Einfuhrbeschränkungen hat dazu geführt, dass sehr grosse Vorräte fremder Waren ins Land hereingekommen sind. Die Händler hegten die Erwartung, dass diese Massnahmen eine Preissteigerung bewirkten, weshalb sie sich im letzten Momente noch in den betreffenden Waren auf längere Zeit hinaus eindeckten. Diese Vorräte müssen nun erst abgesetzt werden, bevor die Schweizerfirmen neue Bestellungen erhalten. Es wird noch einige Zeit dauern, bis eine merkliche Milderung der Krise einsetzt, soweit eine solche mit der Steigerung der Inlandsaufträge überhaupt möglich ist.

Eine gründliche Behebung der Krise kann nur die Besserung der Verhältnisse irn Auslande bringen. Immerhin wird sieh unsere Industrie nicht so bald wieder auf die Höhe schwingen können, die sie vor dem Krieg und während desselben erreicht hatte. Einmal muss sie sich in vielen Beziehungen den neuen Verhältnissen anpassen.

Sodann haben die während des Krieges eingesetzten Bestrebungen zur Nationalisierung der Industrie grosse Fortschritte gemacht.

Viele Absatzgebiete sind dadurch gänzlich verloren gegangen, und es bedarf grosser Anstrengungen unserer Industrie, um sie zurückzugewinnen und neue zu erschliessen. Ein gewisser Abbau der Industrie muss und wird deshalb eintreten, ob dauernd oder nur vorübergehend, kann heute nicht gesagt werden. Das Personal der betroffenen Industriebetriebe muss sich diesen
Verhältnissen anpassen, d. h. sich einer gewissen Umorientierung unterziehen. Auch diesem schwierigen Problem ist volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Kredite, die der Bund eröffnet, sollten denn auch die Wirkung haben, einen Teil der Arbeiter neuen Beschäftigungsarten zuzuführen.

496 Die Unterstützung von Notstandsarbeiten und von Wohnbautert durch Bund, Kantone und Gemeinden' wird sobald als möglich ein Ende finden müssen. Wir glauben jedoch, dass gegenwärtig nicht daran gedacht werden könne. Solange noch so viele Arbeiter trotz guten Willens keine Beschäftigung finden können und unterstützt werden müssen, ist es erste Pflicht des Staates, Arbeitsgelegenheit m beschaffen, damit die Auszahlung von Arbeitslosenunterstützungen auf ein Minimum beschränkt werden kann. Dafür, dass die Bundeskredite nicht übermässig in Anspruch genommen werden, sorgen die Kantone und Gemeinden, deren ohnehin notleidende Finanzen durch die Aktion ja ebenfalls in grossem Masse in Anspruch genommen werden.

Der beiliegende Beschlussesentwurf sieht die Bereitstellung eines weitern Kredites von 15 Millionen Franken vor. In dieser Summe soll der in der Aprilsession angekündigte Betrag von 5 Millionen Franken, um den der mit Bundesbeschluss vom 18. Februar 1921 bewilligte Kredit überschritten werden darf, Inbegriffen sein. Der begehrte Kredit sollte, wie der letzte zu diesem Zwecke bewilligte, aus allgemeinen Bundesmitteln bestritten werden. In dieser Beziehung verweisen wir auf die Begründung am. Schlüsse unserer Botschaft vom 24. Dezember 1920.

Wir beantragen Ihnen, beiliegenden Entwurf zum Beschlusszu erheben und diesen als nicht allgemein verbindlich auf 1. Juli 1921 in Kraft zu erklären.

Bern, den 10. Juni 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,..

Der Bundespräsident:

Schnlthess.

Der Bundeskanzler: Steiger.

497

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Massnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 10. Juni 1921, beschliesst: Art. 1. Dem Bundesrat wird ein Kredit von 15 Millionen Franken eröffnet für die Förderung von Arbeiten, die zur Bekämpfung, der Arbeitslosigkeit unternommen werden.

Art. 2. Der Bundesrat wird beauftragt, die nötigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen und die Bedingungen festzusetzen, unter denen der Bund Beiträge gewährt.

Art. 3. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft.

498 Beilage 2. -- Annexe 2.

Stand der Arbeitslosigkeit in den einzelnen Kantonen am 9. Mai 1921.

Etat du chômage dans les différents cantons, au 9 mai 1921.

Gänzlich Arbeitslose -- Chômage total Kantone -- Cantons

männlich hommes ')

3,739 Zürich Appenzell A.-Rh. u. St. Gallen 6,723 Solothurn 1,385 Nôuchâtel 3,861 7,255 Bern .

Basel-Stadt .

. . 1,979 Basel-Land 1,028 Thurgau 1,585 Genève . . .

3,673 Graubünden 622 Vaud 1,850 Fribourg 1,424 Luzern 728 290 Glarus Schaffhauseii . . . . .

579 Aargau . . .

. . .

232 Ticino 609 141 Appenzell I.-Rb Valais 1,047 129 Schwyz · .

· · Uri 247 Z u g. . . .

59 Obwalden Nidwaiden . .

. . .

Eidg. Zentralstelle . . .)

723 Centrale fédérale . . .]

Gesamt-Total am 9. Mai 1921 1 39,908 Total général au 9 mai 1921 j

weiblich femmes Total

614 3,127 389 1,496 1,898 522 1,175 646 1,063 9 350 419 69 261 23 74 85 40 71 91 1 6

4,353 9,850 1,774 5,357 9,153 2,501 2,203 2,231 4,736 631 2,200 1,843 797 551 602 306 694 181 1,118 220 248 65

81

804

davon unterstutzt dont secourus männlich weiblich hommes femmes

Total

1,071 343 4,863 2727 1,218 362 2,389 1246 4,609 1356 1,126 302 364 497 908 297 574 210 100 2 926 108 227 353 327 15 264 243 367 6 66 24 235 24 124 22 385 2 86 45 20 15 5

1,414 7,590 1,580 3,635 5,965 1,428 861 1,205 784 102 1,034 580 342 507 373 90 259 146 387 131 20 20

12,510 52,418 20,264 8189 28,453

') In diesen Ziffern sind aiich die bei Notstandsa rbeiten beschä Ftigteu Personen als gänzlich A ^beitslos e mitge zählt w orden ; alle K intone zusammen haben 11,025 Notstaiidsarbei ter gern eldet.

*) Ces chiffres indiquant l e noìribre des persomles atte intes p ar un chômage total comprennent auss i les ouvriers occupés 4 des tr anaux dits de chômage; tous les con tons et isemble ont aimoncé 11,025 ouvriers occupés à ces il'avcmx.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Massnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit. (Vom 10. Juni 1921.)

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Jahr

1921

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24

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1348

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15.06.1921

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489-498

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