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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Rugel, Dampfschiffkapitäns in Romanshorn.

(Vom 22. November 1901.)

Tit.

Das Obergericht des Kantons Thurgau als Appellationsinstanz erklärte am 1. Juni 1901 den Potenten Rugel und den Emil Müller, Schiffmann in Güttingen, der fahrlässigen Schiffahrtsgefährdung schuldig, nachdem es in thatsächlicher Hinsicht folgendes festgestellt hatte: ,,Am Abend des 10. Oktober 1899 verließ das Dampfboot ,,Säntis der schweizerischen Nordostbahn fahrplanmäßig 9 Uhr 55 Minuten den Hafen von Romanshorn, um die gewöhnliche Kursfahrt Romanshorn-Lindau auszuführen, wobei auch die eidgenössische Post Beförderung fand. Bei der Ausfahrt aus der Hafenluke will der Kapitän des ,,Sänti -- der Angeklagte Rugel -- rechts von sich aus auf dem See ein Licht bemerkt haben, weshalb er annahm, es nähere sich ein Motorboot. Er befahl deshalb eine Rechtsschwenkung, um vorschriftsgemäß ausweichen zu können, und er gelangte auch bis ziemlich nahe an das heranfahrende Motorschiff, indem er die Fahrt seines Dampfschiffes verlangsamte und im letzten Moment noch ,,stoppen"' ließ und ,,rückwärts befahl. Allein nichtsdestoweniger erfolgte ein

999 Zusammenstoß, hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Motorboot im letzten Moment eine Linksschwenkung gegen das Dampfboot ausführte, wobei das Dampfschiff zwei Lecke erhielt, nebst andern geringfügigeren Beschädigungen, während dem Motorboot der Kiel vollständig abgetrennt wurde, wodurch die Gefahr eines Unterganges nahe lag, so daß sich die Mannschaft des letztern auf den ,,Säntisu rettete. Der Schaden am Dampfschiff belief sich auf Fr. 632. 85, am Motorschiff auf Mark 185. 44. Die beiden Schiffe konnten in den Hafen Romanshorn gebracht werden.tt Das Gericht nahm an, Kapitän Kugel habe bis kurz vor dem Zusammenstoß seines Schiffes mit dem Motorboot durchaus vorschrifts- und pflichtgemäß gehandelt, dagegen sei ihm zum Verschulden anzurechnen, daß er erst zu spät den Befehl zum ,,Stoppen"1 und Rückwärtsfahren gegeben habe, erst nachdem ihm Leute seiner Besatzung zugerufen, daß ein Durchfahren nicht mehr möglich sei. In diesem Verhalten erblickte das Obergericht wie auch das Bezirksgericht Arbon als erste Instanz eine fahrlässige Übertretung bestehender, für Rugel verbindlicher Dienstvorschriften.

,,Immerhin", fügen die Motive bei, ,,erscheint auch der Oberinstanz sein Verschulden als ein sehr leichtes, so daß sie sich damit begnügt, ihn in die zulässige Minimalstrafe von einem Tag Gefängnis zu verurteilen, da eben nach Art. 67 des Bundesstraf rechts eine bloße Ahndung durch Buße ausgeschlossen ist.a Rugel wurde bestraft mit einem Tag Gefängnis und Fr. 15 Geldbuße, eventuell weitern drei Tagen Gefängnis; der Mitangeklagte Müller, Führer des Bootes, mit vier Tagen Gefängnis und Fr. 40 Geldbuße, eventuell weitern acht Tagen Gefängnis.

Ferner haben dieselben im Verhältnis zu 1/4, (Rugel) und 8/4 (Müller) die im ganzen Fr. 149. 68 betragenden Gerichtskosten zu tragen, je unter solidarer Haft für das Ganze.

Rugel ersucht nun um Erlaß der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, unter Hinweis auf den im verurteilenden Erkenntnis selbst hervorgehobenen leichten Grad seines Verschuldens, damit auf ihm, einem durchaus unbescholtenen und noch nie vorbestraften Mann, nicht für sein ganzes späteres Leben der Makel einer erlittenen Freiheitsstrafe laste.

Aus den Urteilsmotiven ergiebt sich, daß das Gericht nur deswegen dazu gelangt ist, den Potenten nicht bloß zu einer Geldbuße, sondern außerdem noch zu Freiheitsstrafe zu verurteilen, weil dies durch das anzuwendende Gesetz positiv verlangt wurde.

Diese Thatsache und die geringe Fahrlässigkeit, welche nach den

1000 nämlichen Erwägungen dem Verurteilten zur Last fiel, rechtfertigen es, seinem Gesuche um gnadenweisen Erlaß der Gefängnisstrafe zu entsprechen, trotzdem die noch verbleibende Geldbuße eine nur geringfügige ist. Es darf dabei wohl der nicht unbedeutende Betrag der Gerichtskosten mit in Würdigung gezogen werden.

Wir stellen deshalb bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei dem Johann Rugel die Gefängnisstrafe von einem Tage in Gnaden zu erlassen.

B e r n , den 22. November 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

-S-O-S5-

1001

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Entschädigungsbegehren des Johannes Jenni, Ennenda.

(Vom 22. November 1901.)

Tit.

Mit Eingabe vom 23. September 1901 rekurriert Johannes Jenni, Fabrikhandlanger in Ennenda, gegen unsere Entscheide vom 19. April und 30. August dieses Jahres, mit welchen wir sein Entschädigungsbegehren abgewiesen haben. In dieser Eingabe besteht der Rekurrent darauf, daß er im Militärdienst infolge des Abfeuerns eines Schusses durch einen Dienstkameraden eine Verletzung des Trommelfelles des rechten Ohres erlitten habe, aus der ihm ein bleibender Nachteil am Gehör entstanden sei.

Wir beehren uns, Ihnen über diesen Fall hiermit Bericht und Antrag zu unterbreiten.

Nach den Angaben des Rekurrenten hat sich der Vorfall am letzten Diensttage des Wiederholungskurses des Bataillons Nr. 85, dem Jenni als Soldat angehört, zugetragen. Das Abfeuern des Schusses soll nahe am rechten Ohr Jennis erfolgt sein. Dieser meldete sich nicht beim Bataillonsarzte, sondern ließ erst am Tage nach der Entlassung sein Ohr durch Herrn Dr. Schönemann in Glarus untersuchen. Letzterer fand nichts Besonderes an demselben und beruhigte den Patienten, der dann auch bis um das Neujahr 1901 herum nichts mehr an dem Ohr bemerkte. Zu Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. IV.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Rugel, Dampfschiffkapitäns in Romanshorn. (Vom 22. November 1901.)

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27.11.1901

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