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I. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Sommersession 1921.)

(Vom 10. Mai 1921.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über nachstehende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

13. Otto Baumann, geb. 1904, Lehrling, Schottland (Kt. Aargau).

14. Joseph Badet, geb. 1893, Kommis, Biel (Kt. Bern).

15. Albert Schulder, geb. 1899, Student, Muttenz (Kt. Basellandschaft).

(Bundesaktenfälschung ; Betrug oder Unterschlagung.)

In Anwendung von Art. 61 des Bundesstrafrechts und kantonaler Bestimmungen betreffend Unterschlagung und Betrug wurden verurteilt : 13. Otto Baumann am 21. Januar 1921 vom Obergericht des Kantons Aargau zu einer in der Zwangserziehungsanstalt Aarburg zu verbüssenden Freiheitsstrafe von 4 , Monaten und Fr. 30 Busse.

Baumann war geständig, sich der Verfälschung einer Bundesakte und der Unterschlagung in 4 Fällen im Gesamtbetrage von Fr. 178. 70 schuldig gemacht zu haben. Sein Lehrmeister, ein Notar, hatte ihn beauftragt, zwei Zahlungen von Fr. 13 und Fr. 12. 20 an das Grundbuchamt Kulm zu machen, welche Beträge Baumann nicht ablieferte. Ebenso verwendete er eine vom Kassier der Feuerwehr geleistete Zahlung von Fr. 3. 50 in eigenem Nutzen. Sodann verfälschte er eine Postcheckquittung von Fr. 54. 70 in der Weise, dass er die Zahl 5 in eine Null verwandelte und vor diese Zahl die Ziffer 2 setzte, so dass die Quittung nunmehr auf Fr. 204. 70 lautete, nämlich den Betrag, den er gemäss der Weisung des Arbeitgebers bei der Post einzahlen sollte. Der Beklagte behielt die Differenz

133 von Fr. 150 zurück. Nach der Darstellung der Verteidigung verbrauchte er die veruntreute Summe teils zum Ankauf von handelswissenschaftlichen Büchern, teils anlässlich eines Schützenfestes.

Der Verteidiger des Verurteilten ersucht, Baumann die gerichtlich erkannte Freiheitsstrafe zu erlassen. Die Konkurrenz zwischen eidgenössischem und kantonalem Eecht habe zu einem unbefriedigenden Ergebnis geführt. Die Strafe sei zu hart. Werde der erst 16jährige Jüngling aus seiner Lehre herausgerissen, um die vier Monate zu verbüssen, so hätte das die schwerwiegendsten Folgen.

Der jetzige Lehrmeister würde ihn nicht mehr aufnehmen; auch wäre Baumann mit dem Makel einer verbüssten Gefängnisstrafe beladen.

Der Gesuchsteller bereue die begangenen Handlungen schwer und setze alles daran, die Scharte auszuwetzen. Das Begnadigungsrecht müsse hier korrigierend eingreifen.

Die Akten ergeben, dass der bedingte Straferlass nach aargauischem Eecht deshalb nicht gewährt werden konnte, weil der Gesamtstrafe als schwerstes Delikt die Bundesaktenverfälschuug zugrunde zu legen war, demnach die Gesamtstrafe als bundesrechtlich zu gelten hatte. Aus dem letzten Grunde ist die Bundesversammlung gemäss feststehender Praxis zur Behandlung des Begnadigungsgesuches zuständig, und zwar in ganzem Umfang, ohne dass die kantonale Begnadigungsbehörde sich mit der Angelegenheit zu befassen hat.

Das um Stellungnahme ersuchte aargauische Obergericht bemerkt, Baumann wäre bei vorhandener Zuständigkeit zweifellos die Strafe bedingt erlassen worden, weshalb beantragt werde, nunmehr die bedingte Begnadigung zu gewähren. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau bemerkt demgegenüber, nach den mehrfachen Verfehlungen des Gesuchstellers sei. dieser moralisch ungut veranlagt und habe eine bessere, strenge Erziehung dringend nötig. Wohl deshalb habe ihm das Obergericht bewilligt, die Strafe in der Zwangserziehungsanstalt Aarburg zu verbüssen, und gleichzeitig die Strafe auf vier Monate erhöht, damit längere Zeit auf den Jüngling eingewirkt werden könne. Mit Rücksicht auf den Erziehungs- und Besserungszweck sollte von einer bedingten Begnadigung abgesehen werden.

Bemerkt wird noch, Baumann könnte die Strafe, wenn er innert l1/* Jahren rückfällig werden sollte, nicht mehr in der Zwangserziehungsanstalt verbüssen, sondern müsste, weil ISjährig
geworden, ins Zuchthaus verbracht werden.

Die Akten verschaffen den Eindruck, dass Baumann den Fehltritt offensichtlich bereute, was er im Verlaufe des Strafverfahrens durch unumwundene Aussagen an den Tag legte. Wir entschliessen uns deshalb, die bedingte Begnadigung zu beantragen. Dagegen

134 muss Baumann -- wir möchten hierin den Ausführungen der aargauischen Staatsanwaltschaft Eechnung tragen -- nachhaltig beeinflusst werden. Es sollte ihm deshalb eine längere Probezeit auferlegt und die Stellung unter Schutzaufsicht verfügt werden. Namentlich letztere Massnahme erachten wir hier als notwendig, wobei über die Durchführung mit den kantonalen Behörden nähere Verbindung aufzunehmen wäre.

Wir beantragen Stellung unter Schutzaufsicht bis zum 20. Altersjahr.

14. Joseph Badet am 22. Oktober 1920 vom Gerichtspräsidenten von Biel zu 8 Tagen Gefängnis und Fr. 5 Busse.

Badet wies laut Urteil am 16. März 1920 zum Nachteil der S. B. B. zwischen Mett-Grenchen ein einfaches Billet vor, auf dem das Datum des Ausgabetages ausgekratzt war.

Badet, der Busse und Kosten bezahlt hat, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Wie im Strafverfahren hält er an der Behauptung fest, am 16. März allerdings mit einem Billet gefahren zu sein, das die Gültigkeit verloren hatte; dagegen habe er an diesem Billet nichts verändert. Es sei dies ein Billet gewesen, das er Anfang März an einem Samstag löste in der irrtümlichen Meinung, sein Arbeiterabonnement in dem Mittagzug nicht verwenden zu dürfen. In der Folge habe er richtigerweise doch vom Abonnement Gebrauch gemacht. Am 16. März sei er ohne Geld gewesen und habe dann versucht, mit dem Anfangs März gelösten Billet durchzukommen. Man möge ihm mit Bücksicht auf seine bisherige Aufführung die Schande des Gefängnisses ersparen. Eine Bundesaktenfälschung habe er nicht begangen, auch seien die Bundesbahnen nicht geschädigt worden.

Die Akten ergeben, dass bezüglich der Veränderung, die an dem in Betracht kommenden Billet vorgenommen wurde, eine genaue Expertise erfolgte, deren Ergebnis überzeugt. Wir halten dafür, das Urteil gebe keinen Anlass, im Begnadigungswege auf die Darstellung des Gesuchstellers zurückzukommen. Es zeigt sich ferner, dass Badet mit einem geschickten Manöver versuchte, den Vorfall vom 16. März zu verschleiern. Als er in Grenchen vom Bahnpersonal über die Gültigkeit des Billets ausgefragt wurde, bejahte er diese.

Beunruhigt über den zu gewärtigenden Verlauf der Angelegenheit begab sich Badet jedoch gleichen Tags nach Mett zurück. Er löste nun ein Billet Mett-Grenchen mit dem Ausgabedatum vom 16. März, überbrachte es dem Bahnpersonal in Grenchen und versuchte darzutun, er habe dieses Billet bereits zur Zeit des Vorfalles im Mittags-

135 zug besessen und lediglich mit dem früher gelösten, ungültig gewordenen Billet verwechselt. Bahndienstliche Erhebungen stellten die Vorgänge dann richtig.

Die Mitberichte der bernischen Behörden und die beigelegten Zeugnisse lauten, günstig. Badet ist verheiratet und Vater eines Kindes. Sämtliche Arbeitgeber bezeichnen ihn als tüchtigen und ehrlichen Angestellten. In seiner gegenwärtigen Stellung in der Uhrenindustrie soll er einen Vertrauensposten bekleiden. Der Polizeikommissär der Stadt Biel schreibt, das Portkommen Badets wäre gefährdet, wenn er die Gefängnisstrafe verbüssen müsste. Das Begnadigungsgesuch wird deshalb befürwortet. Dasselbe geschieht vom Gemeinderat Biel, dem Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes und der kantonalen Polizeidirektion.

Nach Überprüfung der Angelegenheit ist unseres Erachtens zu sagen, dass der Verschleierungsversuch Badets zu seinen Ungunsten spricht. Hinzu kommt, dass die Ausführungen des Gesuchstellers mehrfach den Eindruck verschaffen, er betrachte die Angelegenheit ·denn doch zu sehr als Bagatelle. Immerhin entschliessen wir uns, gestützt auf die Berichte der kantonalen Behörden, zu dem Antrage, Badet die Freiheitsstrafe bedingt zu erlassen. Wir halten aber dafür, die Aktenlage habe in andern der Begnadigungsbehörde unterbreiteten Fällen von Billetverfälschungen jeweils für die Gesuchsteller in wesentlich günstigerem Sinne gesprochen. Wir berücksichtigen dies derart, dass wir beantragen, Badet eine Probezeit von fünf Jahren aufzuerlegen. Beigefügt sei, dass vorgängig ernstlich erwogen wurde, ob Badet nicht doch abgewiesen werden sollte oder ob es alffällig angezeigt sei, durch Umwandlung der Freiheitsstrafe die Busse zu verschärfen. Letzten Endes schien die bedingte Begnadigung den Vorzug zu verdienen.

15. Albert Schnider am 27. Oktober 1920 vom Kriminalgericht des Kantons Basellandschaft zu einem Tag Gefängnis und Fr. 10 Busse.

Der Vater des Gesuchstellers wies am 30. August 1920 zwischen Muttenz und Basel ein Streckenabonnement vor, das auf seinen Sohn Albert ausgestellt war. Er wurde hierfür wegen Betrugs zu zwei Tagen Gefängnis verurteilt; der Vollzug wurde unter Auferlegung einer Probezeit von 5 Jahren bedingt aufgeschoben. Die nähere Überprüfung des Abonnements ergab ausserdem, dass es verfälscht war, indem die Eintragungen «17. Juli 1920 bis 15. August 1920» in 81. Juli bis 29. August abgeändert waren. Die Verfälschung hatte Albert Schnider begangen.

136 Albert Schiùder ersucht, ihm die Gefängnisstrafe bedingt zu erlassen. Der Vater lebe in ärmlichen Verhältnissen. Er selbst studiere ohne Stipendien und sei oft ohne Mittel.

Die Polizeidirektion des Kantons Basellandschaft befürwortet das Gesuch gestützt auf eingezogene Erkundigungen, die nicht» Nachteiliges ergeben hätten, und nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.

Mit der kantonalen Behörde verweisen wir ausserdem auf die Urteilserwägungen und beantragen den bedingten Erlass der Gefängnisstrafe unter Auferlegung einer Probezeit von fünf Jahren.

Damit wird dasselbe Ergebnis erreicht wie unter Anwendung des bedingten Strafvollzuges nach kantonalem Recht gegenüber Vater Schnider, welche Lösung sich geradezu aufdrängt.

Anträge : Bei allen bedingter Erlass der Gefängnisstrafe, bei Baumann Auferlegung einer Probezeit und Unterstellung unter Schutzaufsicht bis zum 20. Altersjahr, bei Badet und Schnider Auferlegung einer Probezeit von fünf Jahren.

16. Werner Althaus, geb. 1896, Angestellter, Bözingen (Bern).

(Patenttaxen der Handelsreisenden.)

Werner Althaus wurde am 27. September 1920 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern gestützt auf das Bundesgesetz betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892 verurteilt zu Fr. 20 Busse und zur Nachzahlung der halbjährlichen Patenttaxe im Betrage von Fr. 100.

Laut Urteil versuchte Althaus am 1. September 1920 bei einem Velohändler in Grenchen und andern Wiederverkäufern Bestellungen für Velobestandteile aufzunehmen. Bestraft wurde er, weil er ohne Ausweiskarte für Handelsreisende war.

Althaus ersuchte am 7. Oktober 1920, ihm Busse und Nachzahlung der Patenttaxe zu erlassen. Er sei infolge Überarbeitung als Handelslehrling nervenkrank geworden und lange ohne Verdienst gewesen. Im Frühjahr 1919 habe er sich dann nach einer leichtern Beschäftigung umgesehen und schliessh'ch mit Veloartikeln zu handeln begonnen. Es sei aber wenig gegangen, weshalb er sich nach wiedergewonnener Gesundheit entschlossen habe, wieder eine feste Stelle zu erlangen. Am 1. September 1920 habe er in Grenchen lediglich die ihm verbliebenen Eestposten abzugeben versucht.

Das scharfe Urteil begreife er nicht; auch habe man ihm gesagt, er sei irrtümlicherweise als Hausierer bestraft worden. Man möge ferner

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berücksichtigen, dass die Eltern von schwerer Krankheit heimgesucht seien und seinen Verdienst benötigten.

Die Überprüfung der Angelegenheit ergab zunächst, dass Althaus jedenfalls zu Unrecht angehalten wurde, Fr. 100 als Patenttaxe zu entrichten. Dieser Punkt gibt jedoch heute zu weiterer Erörterung deshalb nicht Anlass, weil inzwischen das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, das nach feststehender Praxis über Gesuche um Erlass oder Eückerstattung von Patenttaxen entscheidet, entsprechend dem Antrag des solothurnischen Polizeidepartements die Taxe erliess.

Die Handelsabteilung (Dienst für Patenttaxen) schreibt zudem, eineBusse von Fr. 5 oder höchstens 10 hätte genügt.

Da es sich nach den Akten um eine geringfügige Verfehlung handelt und die Mitberichte der kantonalen Behörden von dem Gesuchsteller einen günstigen Eindruck verschaffen, beantragen wir die Fr. 20 gänzlich zu erlassen.

A n t r a g : Erlass der Busse von Fr. 20.

17.

18.

19.

20.

Arnold Buhofer, geb. 1854, Weinhändler, Boniswil (Kt. Aargau), Martin Strebel, geb. 1879, Landwirt, Geltwil (Kt. Aargau).

Emil Staubli, geb. 1874, Landwirt, Althäusern (Kt. Aargau).

Pierre Barbier, Holzhändler, La Chaux-de-Fonds (Kt. Neuenburg).

(Forstpolizei.)

Gestützt auf die Bundesratsbeschlüsse vom 23. Februar 1917 betreffend Überwachung der Holznutzung in den privaten Nichtschutzwaldungen und vom 20. April 1917 betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen (A. S. n. F. XXXIII, 87 und 212), in Verbindung mit kantonalen Ausführungserlassen, wurden verurteilt : 17. Arnold Buhofer am 24. September 1920 vom Obergericht de» Kantons Aargau zu Fr. 230 Busse.

Buhofer schlug im letzten Winter rund 33 Festmeter Holz, ohne die notwendige Bewilligung zu haben.

Das Bezirksgericht Kulm hatte Buhofer freigesprochen, weil er lediglich eine «Bäumung» vorgenommen habe, die nicht nur unanfechtbar, sondern geradezu am Platze gewesen sei. Wegen eines Formfehlers dürfe Buhofer nicht bestraft werden. In der Folge wurde der anhand der massgebenden forstpolizeilichen Bestimmungen unhaltbare Freisprach vom Obergericht des Kantons Aargau auf-

138 gehoben, wobei jedoch der Gerichtshof gleichzeitig folgendes erklärte: «Sollte Buhofer sich an die Begnadigungsinstanz wenden wollen, so steht das Obergericht nicht an, jetzt schon auszusprechen, dass es ein solches Gesuch zur Entsprechung empfiehlt, hauptsächlich aus dem Grunde, weil der Beklagte nicht vorbestraft ist, weil er das Holz, soviel aus den Akten ersichtlich, nicht etwa zu Handelszwecken, sondern zu Bauzwecken im eigenen Gewerbe verwendet hat und weil der anzeigende Kreisförster selber erklärt, er würde die Bewilligung, wenn sie rechtzeitig eingeholt worden wäre, erteilt haben.» Unter Hinweis auf die Stellungnahme des aargauischen Obergerichts wird heute für Buhofer im Begnadigungswege um Erlass ·der Busse von Fr. 230 ersucht.

Wir beantragen mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 50.

Nach dem Gutachten des von der ersten Instanz bestellten Sachverständigen handelt es sich bei der eingeklagten Abholzung um den Best eines im Laufe der Jahre ausgeführten Lichtschlages, d. h. eine Abholzung, die vom forsttechnischen Standpunkt aus durchaus gerechtfertigt war. Es hat auch der anzeigende Förster selbst erklärt, er würde die Bewilligung zu diesem Holzschlag, wenn sie rechtzeitig eingeholt worden wäre, erteilt haben. Diese Tatsachen sowie die übrigen vom Obergericht selbst zugunsten einer Begnadigung angeführten Gründe dürfen unseres Erachtens berücksichtigt werden.

Immerhin halten wir im Interesse der Wirksamkeit dieser wichtigen forstpolizeilichen Bestimmungen einen gänzlichen Erlass der Busse nicht für angebracht.

18. und 19. Martin Strebel und Emil Staubli, beide am 18. August 1920, vom Bezirksgericht J|[uri, Strebel zu Fr. 580, Staubli zu Fr. 486 Busse.

Beide haben als Eigentümer von Waldparzellen Kahlschläge vorgenommen, ohne die erforderliche Bewilligung eingeholt zu haben.

Sowohl Strebel wie Staubli ersuchen um gänzlichen Erlass der Busse. Strebel macht geltend, im August 1919 sei ihm die Scheune abgebrannt. Da er über die Barmittel zum Wiederaufbau nicht verfügt habe, sei mit dem Baumeister vereinbart worden, dass Strebel das zum Bau verwendete Holz mit Lieferungen aus seinem Privatwald kompensiere. Der Gemeinderat habe sein Vorgehen, leider zu Unrecht, für erlaubt gehalten. Der Gebüsste sei durch den Brand
schwer geschädigt worden. Irgendeinen Nachteil habe seine Handlungsweise nicht verursacht. Staubli schreibt, von dem Erfordernis einer Schlagbewilligung nichts gewusst zu haben. Sämtliches Holz

139 sei für einen Scheunenanbau, also nicht in gewinnsüchtiger Absicht, verwendet worden.

Nach den Urteilserwägungen hielt das Bezirksgericht Muri dafür, die vorliegend auszusprechenden Bussen seien in keinem Verhältnis zu der Art der Verfehlungen, und es sei Sache des Begnadigungsverfahrens, einzugreifen. Strebel wird zur gänzlichen, Staubli zur teilweisen Begnadigung empfohlen.

Nach Überprüfung der Akten gelangen wir zu dem Ergebnis, dass es sich um leichtere Verfehlungen handelt. Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei sind wir namentlich der Auffassung, es dürfe, wie in frühern Begnadigungsfällen, sowohl bei Strebel wie bei Staubli berücksichtigt werden, dass die Holznutzungen dem eigenen Bedarf dienten. Anderseits ist zu beachten, dass sich die Aussagen Strebeis mit den Aussagen des Gemeinderates nicht decken und dass Staubli laut Bericht des anzeigenden Kreisforstamtes die Untersuchung durch unrichtige Angaben erschwerte. Eine gänzliche Begnadigung würde deshalb unseres Erachtens auch hier einer wirksamen Durchführung der forstpolizeilichen Vorschriften nicht dienen. Wir beantragen Ermässigung des Bussenansatzes von Fr. 10 bis zu Fr. 3, d. h. bei Strebel Herabsetzung der Busse bis Fr. 174, bei Staubli bis Fr. 145.

20. Pierre Barbier, verurteilt am 12. Januar 1921 vom Gerichtspräsidenten von Delsberg zu Fr. 800 Busse.

Barbier übernahm die strafrechtliche Verantwortung für die der Firma Barbier & Giuliano zur Last gelegte Zuwiderhandlung gegen die Forstpolizei. Es handelt sich um den Schlag von 64 Kubikmeter Holz ohne Schlagbewilligung.

Barbier & Giuliano ersuchen um Herabsetzung der Busse.

Sie berufen sich auf den Umstand, dass ihnen ein Organ der Forstpolizei gestattet habe, mit dem Schlag zu beginnen, bevor die nachgesuchte Bewilligung erteilt worden sei. Ein Schneefall habe die Holzer dann veranlasst, an der näher bezeichneten Stelle nicht weiter zu fällen, sondern, mit geringerer Mühe, im Hochwald zu schlagen.

Dies hätten sie unternommen ohne Einverständnis der Firma, weshalb auch Barbier kein Verschulden treffe.

Die Forstorgane des Kantons Bern und ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen nachdrücklich, Barbier abzuweisen. Wir übernehmen diese Anträge und verweisen für Einzelheiten auf die Mitberichte selbst. Laut Urteilserwägungen erging der in Frage stehende Schlag auf Weisung der Firma Barbier & Giuliano. Der Schlag im Hochwald war von

140 keiner Seite erlaubt, sondern gegenteils mehrfach untersagt worden.

Es ist bezeichnend, dass die Firma die ganze Angelegenheit durch ihren Advokaten führen Hess, ohne sich durch persönliches Erscheinen vor dem Eichter um das Verfahren näher zu kümmern. Es kann nach den Umständen dieses Falles keine Eede davon sein, nachträglich im Begnadigungswege leichthin auf die Schuldfrage zurückzukommen, während es Barbier in der Hand gehabt hätte, diese Bechtsfrage im Wege der Appellation vom bernischen Obergericht, im Wege der Kassationsbeschwerde sogar vom Bundesgericht überprüfen zu lassen.

Dass letzteres nicht versucht wurde, ist allerdings verständlich, indem sich aus den forstpolizeilichen Berichten ergibt, dass der in Frage stehende Holzschlag die Folge eines derjenigen Spekulationsgeschäfte war, die dem Bundesratsbeschluss vom 20. April 1917 betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen gerufen haben. Die Art des Geschäftes und des missbräuchlich erfolgten Holzschlages führt unseres Erachtens notwendidigerweise zur Abweisung des Gesuches.

A n t r ä g e : Bei Buhofer Herabsetzung der Busse bis Fr. 50, bei Strebel bis Fr. 174, bei Staubli bis Fr. 145, bei Barbier Abweisung.

21. Eugen Quebatte, geb. 1892, Fabrikarbeiter, Grenchen (Kt.

Solothurn).

22. Gottlieb Salzmann, geb. 1899, Handlanger, Trimbach (Kt.

Solothurn).

23. Emil Weber, geb. 1888, Giessereiarbeiter, Nuglar (Kt. Solothurn).

24. Friedrich Plüss, geb. 1887, Sattler, Solothurn, Florastrasse 353.

25. Karl Zehnder, geb. 1884, Fabrikarbeiter, Bern, Breitfeldstrasse 33.

26. Hermann Mühlestein, geb. 1898, Handlanger, Neuenstadt (Kt. Bern), 27. Adolf Wälti, geb. 1896, Hilfsmonteur, Bern, Stauffacherstrasse 4 a.

28. Otto Moy, geb. 1891, Uhrenmacher, Grenchen (Kt. Solothurn).

29. Edmond Gentil, geb. 1890, Acheveur, Grenchen (Kt. Solothurn).

30. Otto Brennecke, geb. 1882, Handelsangestellter, Interlaken (Kt. Bern).

31. Albert Riesen, geb. 1894, Maler, Solothurn, Schaalgasse 146.

32. Albert Zollinger, geb. 1883, Kaufmann, Zürich I, Gessnerallee 52.

141 38. Erwin Schwarz, geb. 1886, Stenograph, Bern, Greyerzstrasse 85.

34. Charles Humbert, geb. 1881, Uhrenmacher, Sonvilier (Kt. Bern).

(Militärpflichtersatz.)

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden: 21. Eugen Quebatte, verurteilt am 27. Dezember 1920 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu 3 Tagen Gefängnis, .die Militärsteuer von Fr. 18 für 1920 betreffend; ·22. Gottlieb Salzmann, verurteilt am 20. Dezember 1920 vom Amtsgericht Ölten-Gösgen zu 3 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 12. 60 für 1920 betreffend ; 23. Emil Weber, verurteilt am 11. Dezember 1920 vom Amtsgericht Dorneck-Thierstein zu 3 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 30 für 1920 betreffend.

Wir behandeln die drei Fälle gemeinsam, da sie zu einigen allgemeinen Bemerkungen veranlassen: Alle Gesuchsteller bezahlten den Militärpflichtersatz vor der Urteilsfällung. Bei Quebatte und Salzmann erging die Verurteilung in Unkenntnis der Zahlung, wogegen im Falle Weber das urteilende Gericht ausdrücklich in Betracht zog, dass Weber die Bezahlung Jahr für Jahr trölerhaft hinausziehe, bis Strafanzeige eingereicht sei, ein Verhalten, das trotz der endlich ·erfolgten Bezahlung einen Freispruch nicht rechtfertigen könne.

Im Anschluss hieran ist festzustellen, dass die Bundesversammlung in der Tat regelmässig begnadigt, wenn die Bezahlung des Militärpflichtersatzes vor der Verurteilung erfolgte. Die im Falle Lehmann entgegen dem bundesrätlichen Antrag beschlossene Abweisung (Antrag 59 des III. Berichtes vom 6. Mai 1919, Bundesbl. 1919, II, 166/167) zeigt jedoch, dass selbst in derartigen Fällen die Begnadigung nicht ausnahmslos gewährt wird. Allerdings zahlte Lehmami ·erst nach ergangener erstinstanzlicher Verurteilung, gegen die er appellierte, aber immerhin vor erfolgtem rechtskräftigem Entscheid.

Der Abweisungsentscheid der Bundesversammlung in Sachen Flükkiger (Bundesb . 1908, III, 880) sodann betrifft einen Gesuchsteller, der bereits vor der erstinstanzlichen Verurteilung bezahlte, jedoch trotzdem abgewiesen wurde, weil er sich als liederlicher, arbeitsscheuer Bursche erwies. Durch verwerfliches Gebaren oder infolge anderweitiger schwerwiegender Verumständungen kann der Gesuchsteller im Einzelfall die Wohltat der Begnadigung demnach

142 durchaus verwirkt haben. Immerhin wird die Verweigerung der Begnadigung in Fällen von der Verurteilung vorangehender Begleichung der Schuld die Ausnahme sein. Anderseits liegt es heute nahe, die Gewährung bedingungsloser Begnadigung zugunsten der zur Anwendung gelangten Begnadigung unter einer Bedingung und Auferlegung einer Probezeit einzuschränken, indem die letztere Möglichkeit auch in derartigen Fällen gute Dienste leisten kann.

Sollte man darin eine gewisse Änderung der bundesrätlichen Antragspraxis erblicken, so ist diese damit zu rechtfertigen, dass in der Inanspruchnahme der bedingten Begnadigung auch für solche Fälle die Möglichkeit liegt, den besondern Verumständungen der einzelnen Begnadigungssache in vermehrtem Masse Bechnung zu tragen.

Zugleich wird diejenige kantonale Gerichtspraxis besser berücksichtigt, die, im Gegensatz zu andern Kantonen, je nach Lage des Falles verurteilt, obschon der Angeschuldigte vorgängig der Hauptverhandlung bezahlt hat. Wir verweisen diesbezüglich auf einen Entscheid des Zürcher Obergerichts vom 26. November 1918 (Schweizerische Juristenzeitung 1919, 114) und unsere allgemeinen Ausführungen zu Begnadigungssachen betreffend schuldhafte Nichtentrichtung des Militärpffichtersatzes im II. Bericht vom 14. Mai 1920 (Bundesbl. 1920, III, 2 ff.). Damals nahmen wir zu der Begnadigungspraxis in Fällen von der Verurteilung vorangegangener Begleichung des Militärpffichtersatzes nicht Stellung, was in Ergänzung der damaligen Darlegungen nunmehr geschieht.

Unsere Auffassung geht demnach heute dahin, dass in derartigen Fällen die Abweisung von Gesuchen an sich möglich ist, dass zwar regelmässig entsprechend der bisherigen Praxis Begnadigung eintreten wird, jedoch als geboten erscheint, nach Lage des Einzelfalles lediglich von der Begnadigung unter einer Bedingung Gebrauch zu machen.

Zu 21 : Zum Gesuche Eugen Quebattes um Erlass der drei Tage Gefängnis bemerken wir, dass Quebatte die Fr. 18 am 4. Dezember 1920 bezahlte und am 27. Dezember verurteilt wurde. Der Gesuchsteller ist gut beleumdet. Er hat für eine vierköpfige Familie aufzukommen. Da die Verurteilung erging, ohne dass dem Gericht die Tilgung der Steuerschuld bekannt war, und die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers Milde nahelegen, beantragen wir mit dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn
die gänzliche Begnadigung.

Zu 22: Für Gottlieb Salzmann wird um Erlass der Gefängnisstrafe ersucht und angebracht, die Militärsteuer sei am Tage der Urteilsfällung, aber dieser vorgängig, entrichtet worden. Der zwölfjährige Bruder des heutigen Gesuchstellers habe den urteilenden

143 Richter davon benachrichtigen sollen, jedoch den erhaltenen Auftrag infolge mangelnder Einsicht nicht ausgeführt. Dieses Missgeschick könne jedoch dem Gesuchsteller deshalb nicht zur Last gelegt werden, weil er selbst dem Verdienste habe nachgehen müssen.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn bestätigt, dass die Schuld am 10. Dezember, morgens 7% Uhr, bezahlt wurde und die Verurteilung in Unkenntnis hiervon zwei Stunden später erfolgte.

Da die Begnadigung ohne weiteres eintreten dürfte, könnten nähere Ausführungen unterbleiben. Im Hinblick auf eine (bedingt erlassene) Gefängnisstrafe aus dem Jahre 1919 wegen Fälschung und Betrugs, weil Salzmann als arbeitsscheu bezeichnet wird und am 22. April 1919 für die Dauer eines Jahres in eine Zwangsarbeitsanstalt versetzt werden musste, beantragen wir lediglich Begnadigung unter Auferlegung einer Probezeit und der Bedingung ordnungsgemässer Entrichtung des Militärpflichtersatzes bis und mit 1924.

Zu 23 : Emil Weber schreibt, er habe bezahlen wollen, den Sektionschef aber nicht angetroffen und das Geld dann anderweitig verwendet, wie es in dieser schweren Zeit zu gehen pflege. Am nächsten Zahltag habe er neuerdings die Schuld tilgen wollen, jedoch sei inzwischen die Anzeige bereits erfolgt, weshalb er das Geld der Gerichtskanzlei in Dornach geschickt habe. Er ersucht um Erlass der drei Tage Gefängnis, da er doch seiner Pflicht nachgekommen sei. Man möge berücksichtigen, dass er für drei Kinder sorgen müsse.

Wir haben bereits erwähnt, dass das urteilende Gericht Weber seines trölerischen Verhaltens wegen verurteilte trotz der erfolgten Zahlung. Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn empfiehlt, abweisenden Antrag zu stellen, überlässt jedoch den grundsätzlichen Entscheid darüber, ob die schuldhafte Hinauszögerung der Bezahlung auch strafbar sei, den eidgenössischen Behörden. Nach Überprüfung der Akten beantragen wir, Weber abzuweisen. Wir erinnern an den hiervor bereits erwähnten Entscheid der Bundesversammlung in Sachen Flükiger und halten dafür, das vorliegende Urteil entspreche den vorhandenen Verumständungen. Weber ist zudem vorbestraft, letztmals 1918 mit 10 Tagen Gefängnis wegen Diebstahls.

24. Friedrich Plüss, verurteilt am 20. Dezember 1920 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu 3 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 26.10 für
1920 betreffend.

Plüss ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, da er seit 1918 an schwerer, doppelseitiger Lungentuberkulose leide, vom 12. Juli 1918 bis zum 4. Februar 1920 gänzlich arbeitsunfähig gewesen sei und zudem vor dem Urteilstermin Fr. 15 anbe/ahlt habe.

144 Die Akten und die Vernehmlassung des Polizeidepartementes des Kantons Solothurn ergeben die Richtigkeit dieser Anbringen.

Plüss ist seit dem Jahre 1918 Witwer. Die vier Kinder sind in der Verwandtschaft untergebracht. Bis- in die letzte Zeit habe Plüss für dieselben gesorgt, heute könne er lediglich noch Beiträge leisten.

Der Gesuchsteller ist gut beleumdet. Unseres Erachtens drängt sich bei diesen Verhältnissen der Erlass der Gefängnisstrafe geradezu auf. Plüss wäre wohl nicht verurteilt worden, wenn er sich an der Hauptverhandlung eingefunden und seine Sache vertreten hätte.

Angesichts der ' vorhandenen Umstände kann das damalige Ausbleiben jedoch nicht dazu führen, den in misslichen Verhältnissen lebenden, unbescholtenen Mann ins Gefängnis zu bringen.

25. Karl Zehnder, verurteilt am 2. Dezember 1920 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu 2 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 16. 50 für 1919 betreffend.

Zehnder begründet sein Gesuch um Erlass der Gefängnisstrafe namentlich damit, dass seine Frau nervenkrank sei und eines der zwei Kinder an einem Gebrechen leide. Die Nichtentrichtung der Militärsteuer beruhe nicht auf Böswilligkeit, sondern weil er das Geld lür die Familie verbraucht habe.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern beantragt, Zehnder in Anbetracht des unbescholtenen Leumundes zu begnadigen. Ebenso wird das Gesuch empfohlen vom Begierungsstatthalter von Bern, der zudem feststellt, Zehnder habe am 5. März 1921 die Militärsteuer nachträglich bezahlt. Mit der Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen wir im Hinblick auf den guten Leumund und die Familienverhältnisse des Gesuchstellers, Zehnder die Gefängnisstrafe zu erlassen unter Auferlegung einer Probezeit und der Bedingung ordnungsgemässer Entrichtung der Militärsteuer bis und mit 1924.

26. Hermann Mühlestein, verurteilt am 17. November 1920 vom Gerichtspräsidenten von Neuenstadt zu 2 Tagen Gefängnis und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 37. 50 für 1920 betreffend.

Mühlestein führt aus, es sei ihm bei der herrschenden Arbeitslosigkeit unmöglich gewesen, früher zu zahlen. Er ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, die ihn hart treffen würde, da er noch nie bestraft sei und es auch nie zu werden wünsche.

Der Gemeinderat von Neuenstadt schreibt, Mühlestein habe in keiner Weise Anlass zu Klagen gegeben ; auch sei dein Gerneinderat bekannt, dass der heutige Gesuchsteller sein möglichstes getan habe, -um die Verurteilung zu vermeiden. Das Gesuch wird warm befür-

145 wortet. Es sei zwecklos, den Euf des jungen Mannes der Angelegenheit wegen zu beeinträchtigen. In gleichem Sinne äussert sich der Regierungsstatthalter des Amtsbezirkes. Die kantonale Polizeidirektion beantragt mit Eücksicht auf diese günstigen Berichte, Mühlestein bedingt zu begnadigen.

Es gehört sich, festzustellen, dass Mühlestein der Hauptverhandlung unentschuldigt fern blieb. Er scheint auch ohne Familienlasten zu sein. Man kann sich deshalb fragen, ob nicht Abweisung eintreten sollte. Zugunsten Mühlesteins ist zu berücksichtigen, dass das Kontumazurteil eigentlicher Urteilsmotive ermangelt und dass die kantonalen Berichte ausserordentlich günstig lauten. Unter Berufung auf die allgemeinen Erwägungen, die der Möglichkeit bedingter Begnadigung zugrunde liegen, entschliessen wir uns zu dem Antrag, Mühlestein die 2 Tage Gefängnis zu erlassen unter Auferlegung einer Probezeit und der Bedingung ordnungsgemässer Entrichtung der Militärsteuer bis und mit 1924.

27. Adolf Wälti, verurteilt am 27. September 1920 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu l Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 43. 50 für 1916 betreffend.

Für Wälti wird zwecks Erlasses der Gefängnisstrafe ausgeführt, er sei nicht in der Lage gewesen, früher zu zahlen. Wohl sei er, wenn er aufgefordert wurde zu erscheinen, dem Befehl jedesmal nachgekommen, habe aber jeweils dem Sektionschef erklären müssen, nicht zahlen zu können. Mittlerweile habe dann die gerichtliche Beurteilung stattgefunden, ohne dass man ihn vorgeladen, geschweige einvernommen hätte. Wälti sei nie in den Besitz der vorgeschriebenen Mahnungen gelangt. Die Anzeige scheine demnach zu Unrecht ergangen zu sein.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern schreibt, Wälti habe bis dahin zu Klagen nicht Anlass gegeben. Im Oktober 1920 habe er die Steuer bezahlt, so dass der Staat nicht zu Schaden komme.

Die verspätete Bezahlung sei zu verstehen, weil Wälti als Hilfsarbeiter nicht ständig verdient habe. Da die Steuer nunmehr bezahlt sei, wird das Gesuch zur Berücksichtigung empfohlen. Dasselbe geschieht seitens des Regierungsstatthalters des Amtsbezirkes, und die kantonale Polizeidirektion stellt den Antrag, Wälti bedingt zu begnadigen.

Demgegenüber beantragen wir in nachdrücklicher Weise, Wälti gänzlich abzuweisen. Es handelt sich um eine Steuerschuld aus dem Jahre 1916. Wälti, der ledig ist, wollte nicht bezahlen, weil er der.

Meinung war, zu hoch eingeschätzt zu sein (Abhörung vom 27, OkBnndeablatt. 73. Jahrg. Bd. III.

10

146 tober 1919). Es muss befremden, dass im Begnadigungsgesuch gesagt wird, die Beurteilung des Falles habe stattgefunden, ohne dass Wälti vorgeladen worden sei. Diese Behauptung wird durch die Akten einwandfrei widerlegt. Dem Angeschuldigten wurden vom Bichter weitgehende Zahlungsfristen gewährt: Den Pflichtersatz von 1916 betreffend erfolgte die Überweisung an den Polizeirichter am 6. Dezember 1918. In der Folge verstand es der Angeschuldigte, die Hauptverhandlung hinauszuschieben bis zum 27. September 1920.

Unseres Erachtens käme die Begnadigung hier geradezu einer Billigung des trölerhaften Verhaltens gleich. Es berührt schon eigenartig, dass Wälti lediglich mit l Tag Gefängnis bestraft wurde. Dies, trotzdem er über die Anzeige, laut Urteilserwägungen, dreimal angehört wurde, ohne «Gründe geltend machen zu können, die ihn entschuldigen würden». Sollte der Umstand, dass Wälti sich am 2. Februar 1920 zu einer Teilzahlung von Fr. 20 herbeiliess, das milde Urteil veranlasst haben, so ist diese Teilzahlung damit bereits derart ins Gewicht gefallen, dass einem weitern Entgegenkommen im Begnadigungswege schlechthin jede Grundlage genommen ist.

28. Otto Moy, verurteilt am 27. Dezember 1920 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu 8 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 89.60 für 1920 betreffend.

Moy schreibt, am 28. Januar 1921 bezahlt zu haben. Er habedie Steuerschuld nicht früher begleichen können, da er für Frau und Kinder sorgen müsse, während mehr als zwei Monaten ohne Arbeit gewesen sei und zurzeit nur an drei Wochentagen Beschäftigung habe. Man möge ihm, nach erfolgter Tilgung der Schuld, die Gefängnisstrafe erlassen.

In den Akten befinden sich zwei Polizeiberichte über den Gesuchsteller. Seine Angaben über den Verdienst werden näher erörtert. Moy soll eine kurze Zeit arbeitslos gewesen sein, und zwar im Zeitpunkt der Fälligkeit des Militärpflichtersatzes. Es wird jedoch auch die Meinung vertreten, Moy hätte bei gutem Willen zahlen können, ohne die Familie irgendwie zu beeinträchtigen. Die Mahnungen habe er missachtet und geglaubt^ mit Ausreden um die Sache herumzukommen. Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn betont, dass Moy das am 18. November 1920 gegebene Zahlungsversprechen nicht gehalten habe. Der Hauptverhandlung blieb er unentschuldigt fern. Er bekümmerte sich um die Angelegenheit
auch dann nicht, als ihm das Urteil eröffnet wurde. Erst als er die Aufforderung zum Strafantritt erhielt, bezahlte er die Steuer und reichte ein Begnadigungsgesuch ein. Das kantonale Polizei-

147

département schreibt, ein solches Vorgehen dürfe seines Brachten« nicht durch einen Gnadenakt gebilligt werden.

Man mag sich zunächst fragen, ob Moy nicht doch bedingt begnadigt werden könnte. Es wäre dann der Nachdruck auf den ersten Polizeibericht zu legen. Abschliessend gelangen wir jedoch dazu, in Berücksichtigung der Notiz des zuständigen Polizeiwachtmeisters und der Erwägungen des kantonalen Polizeidepartementes, Abweisung zu beantragen.

29. Edmond Gentil, verurteilt am 27. Dezember 1920 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu 4 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 58.10 für 1920 betreffend.

Gentil, der die Militärsteuer am 2. Februar 1921 bezahlt hat, schreibt, die frühere Begleichung sei ausgeschlossen gewesen. Er habe geglaubt, am 24. Dezember letzten Jahres bezahlen zu können; jedoch sei ein Sohn plötzlich erkrankt und habe sich längere Zeit in einem Berner Spital aufhalten müssen. Er verstehe nicht, wie in einer Zeit von Arbeitslosigkeit wie heute mit derartiger Strenge vorgegangen werden könne. Man möge ihm deshalb die Gefängnisstrafe erlassen.

Nach den Polizeiberichten, die, ähnlich den Urteilserwägungen, die Einkommensverhältnisse des Gesuchstellers näher darlegen, lebt Gentil auf grossem FUSS. Er hat für die Frau und ein Kind zu sorgen. Das Polizei département des Kantons Solothurn stellt fest, dass die Zahlungshinauszögerung bei den sehr guten Verdienstverhältnissen Gentils im Frühjahr und Sommer 1920 diesem ganz zur Last zu legen sei und nicht zuletzt auf seine Mentalität schliessen lasse. Er hätte die Militärsteuer mit Leichtigkeit rechtzeitig entrichten können. Im Anschluss hieran beantragen wir Abweisung.

80. Otto Brennecke, verurteilt am 2. Oktober 1920 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern zu 2 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 16. 50 für 1919 betreffend.

Brennecke ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Er sei einige Monate in Bern in knapp besoldeter Anstellung gewesen. Nunmehr arbeite er in der Werkstatt eines Bruders und befleisse sich, rechtschaffen durchs Leben zu kommen. Jedoch drohe ihm die Entlassung, falls er die Strafe verbüssen müsse. Die verspätete Bezahlung sei nicht auf bösen Willen, sondern auf die ehemaligen misslichen Verhältnisse zurückzuführen.

Die bernischen Behörden befürworten das Gesuch. Brenneck» habe sich gebessert. Die kantonale Polizeidirektion beantragt bedingte Begnadigung.

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·; Diesen Anträgen können wir, ähnlich wie im Falle Wälti, nicht zustimmen. Brennecke verwies schon am 2. August 1920 dem Untersuchungsrichter gegenüber darauf, dass er nun bei seinem Bruder Beschäftigung habe, und versprach damals sofortige Bezahlung.

Am 2. Oktober waren die Fr. 16. 50 noch immer nicht bezahlt und wurden es weiter nicht bis Ende Januar 1921. Es ist nicht wohl zu bestreuen, dass die Leistung dieses Betrages Brennecke möglich gewesen wäre. Brennecke ist wegen Diebstahls am 13. Dezember 1917 von den bernischen Assisen zu 9 Monaten Korrektionshaus verurteilt worden; er ist 39jährig, und die blosse Versicherung, er habe sich nunmehr gebessert, wirkt wenig überzeugend; insbesondere vermag sie an der Feststellung nichts zu ändern, dass Brennecke sich um die rechtzeitige Begleichung des Steuerbetrages und das hängige Strafverfahren wenig oder gar nicht kümmerte.

31. Albert Biesen, verurteilt am 27. Dezember 1920 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu 3 Tagen Gefängnis, die MilitärSteuer' von Fr. 33. 60 für 1920 betreffend.

Biesen schreibt, von Mitte Dezember 1920 bis zum 15. Februar 1921 arbeitslos gewesen zu sein. In dieser verdienstlosen Zeit habe seine Frau das zweite Kind geboren. Unter diesen Umständen sei ihm die Entrichtung der Militärsteuer bis heute nicht möglich gewesen, weshalb man die Gefängnisstrafe aufheben möge. Er verpflichtet sich, die Schuld bis zum 1. Mai gänzlich zu begleichen.

Die über Biesen veranlassten Erhebungen lauten nicht günstig.

D,ie Malermeister, bei1 denen er arbeitete, können demselben, kein gutes Zeugnis ausstellen. Im Jahre 1920 hatte Biesen Arbeit bis in den Dezember hinein, worauf er während drei Wochen infolge Unfalls 80 % des Lohnes ausbezahlt erhielt.

.

Wir-fragten uns, ob Biesen mit Bücksicht auf die Familie bedingt begnadigt werden könnte, falls er die Steuer, wie versprochen, tilgt. Da er aber den Eindruck eines wenig ernsten Mannes macht und aus den Jahren 1911 bis 1916 zehn zum Teil sehr erhebliche Freiheitsstrafen aufweist, halten wir in .Zustimmung zu dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn dafür, .die Aktenlage rechtfertige den Antrag, Biesen abzuweisen.

.

32. Albert. Zollinger, verurteilt am 5. November 1917 vom Gerichts; . p.räßidenten V von Bern zu 2 Tagen Gefängnis und 6 Mona.ten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. ,22,30
für 1909 betreffend.

.

. .. .

.

, ..

. . Für Zollinger wird mit Schreiben vom. 8. September 1920 .um Erlass der 2 Tage Gefängnis ersucht.

·.:.··_'. . . . · .

149 Dem Begnadigungsgesuch und den Akten ist zu entnehmen, dass gegen Zollinger im Jahre 1910 ein Strafverfahren eingeleitet wurde, das am 17. März 1910 wegen Landesabwesenheit des Angeschuldigten zur Einstellung und am 21. März 1910 zur Ausschreibung im bernischen Fahndungsblatt führte. Im Juni 1917 betrat Zollinger neuerdings die Schweiz, nachdem er aus. Deutschland ausgewiesen worden war. Im Juli 1917 wurde seine Anwesenheit in Bern festgestellt, das Strafverfahren wieder aufgenommen und Zollinger zur Begleichung der Militärsteuer eine dreimonatige Frist gesetzt. Nach unbenutzt abgelaufener Frist erfolgte am 5. November 1917 die Verr urteilung. In der Folge musste Zollinger zum Strafvollzug ausgeschrieben werden und wurde am 10, Juni 1920 in Bern neuerdings polizeilich angehalten, was zustande brachte, dass er gleichen Tags die Fr. 22. 80 zur Bezahlung hinterlegte.

Schon der kurze Überblick über den Verlauf der Angelegenheit zeigt, dass das Verhalten Zollingers eine Begnadigung kaum naheiegen könnte. Diese Auffassung wird durch die Mitteilungen eines Zürcher Polizeiberichtes noch verstärkt. Die nähere Überprüfung der Gerichtsakten ergibt jedoch, dass in Wirklichkeit zur Weiterführung des Strafverfahrens im Jahre 1917 die gesetzliche Grundlage fehlte, indem gemäss Art. 34 des Bundesstrafrechts die Verjährung der Strafklage vom Tage der letzten Untersuchungshandlung an berechnet wird und diese in der Ausschreibung vom 21. März 1910 zu erblicken ist, weshalb die für Strafsachen betreffend schuldhafte Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes massgebende Verjährungsfrist von drei Jahren damals längst verstrichen war. Es ist deshalb da die Militärsteuer zudem heute bezahlt ist, gerechtfertigt, diese Angelegenheit durch Ausspruch der Begnadigung zu erledigen, ohne dass weiter auf die Verhältnisse des Gesuchstellers eingetreten wird.

38. Erwin Schwarz, verurteilt am 27. September 1920 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu l Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 115.50 für 1918 betreffend.

Schwarz ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe und schreibt, die Verurteilung spreche jeder Gerechtigkeit Hohn, indem von einer schuldhaften Nichtentrichtung der Militärsteuer nicht die Bede sein könne. Er beruft sich diesbezüglich auf Geschäftsverluste aus dem Jahre 1919, die im August 1920 erfolgte Geburt
eines Kindes, die viele Auslagen verursacht habe, und übt Kritik an der Person des Gerichtspräsidenten. Über die Vorladung zur Hauptverhandlung, mitten in eine ohnehin schwierige Zeit hinein, sei er in Wut geraten, habe sie in eine Ecke geschmissen und in der Folge den Termin versäumt.

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Die Polizeidirektion der Stadt Bern, der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes, der Kreiskommandant und die kantonale Polizeidirektion beantragen Abweisung.

Wir übernehmen diese Anträge. Schwarz kümmerte sich um das Strafverfahren wenig. An einzelnen Terminen blieb er aus, einmal musste er sogar polizeilich vorgeführt werden. Zwischen der ersten Vorladung vom 29. Januar 1919 und dem Urteil vom 27. September 1920 liegt ein Zeitraum von mehr als 1% Jahren. In diesem Zeitabschnitt wurde ihm viermal Zahlungsfrist gewährt, und trotzdem trug er an die Schuld nur Fr. 20 ab. Das Kreiskommando Bern bemerkt, Schwarz habe die Selbstschatzungserklärung nie ausgefüllt und gegen die Taxationen nie Einsprache erhoben. Während er die Militärsteuer für 1919 bezahlt hat, schuldet er die Fr. 95. 50 für das Jahr 1918 noch heute, ebenso Fr. 45 für 1920. Es spricht nicht für den Gesuehsteller, dass er in den Gesuchsanbringen über eine Gerichtsperson loszieht und diese mit Namen nennt, während die Akten den bündigen Beweis liefern, dass der angefeindete Beamte mit dem Strafverfahren in keiner Weise etwas zu tun hatte. Es darf ferner darauf hingewiesen werden, dass Schwarz Ratenzahlungen von monatlich Fr» 10 versprochen hatte. Auch dieses Versprechen hielt er nicht.

34. Charles Humbert, verurteilt am 4. März 1921 vom Gerichtspräsidenten von Courtelary zu 5 Tagen Gefängnis, die MilitärSteuer von Fr. 22.50 für 1920 betreffend.

Für Humbert ersucht die Ehefrau um Erlass der Gefängnisstrafe. Sie bringt an, krank gewesen zu sein und deshalb unterlassen zu haben, den Steuerbetrag dem Sektionschef rechtzeitig zu übersenden. Die Schuld falle ihr zu. Humbert sei monatelang arbeitslos gewesen und werde heute mit Notstandsarbeiten beschäftigt. Wenn er die fünf Tage verbüssen müsse, gehe der Familie erneut der Arbeitslohn verloren.

Der Eegierungsstatthalter von Courtelary und die kantonale Polizeidirektion beantragen Abweisung. Der mit den polizeilichen Erhebungen beauftragte Landjäger vermutet, die Darstellung der Frau Humbert entspreche den Tatsachen nicht. Ihm gegenüber habe sich die Ehefrau darüber beklagt, dass Humbert ihr keinen Eappen in den Haushalt abliefere. In diesem Sinne sei sie auch bei der Ortspolizei vorstellig geworden. Nach den Akten kümmerte sich Humbert wenig um das Verfahren. Die Verurteilung wird insbesondere
erklärlich auf Grund des Versprechens, das Humbert im Termin vom 18. Februar 1921 abgab. Damals erklärte er: «Je prends l'engagement de payer la taxe jusqu'à la fin du mois. Si vous ne recevez pas de retrait de plainte, vous admettrez que c'est de la mauvaise foi de ma part.»

151 Da Humbert nicht vorbestraft ist, wurde überprüft, ob er allfällig bedingt begnadigt werden könnte. Da er aber nach dem Polizeibericht auch seinen Familienpflichten nicht nachzukommen scheint, versprechen wir uns von dem Versuch, Humbert derart zu beeinflussen, nicht viel und beantragen deshalb Abweisung.

Anträge : Bei Quebatte Erlass der Gefängnisstrafe, bei Salzmann bedingter Erlass unter Auferlegung einer Probezeit und der Bedingung ordnungsgemässer Entrichtung der Militärsteuer bis 1924, bei Weber Abweisung, bei Plüss Erlass der Gefängnisstrafe, bei Zehnder und Mühlestein bedingter Erlass wie bei Salzmann, bei Wälti, Moy, Gentil, Brennecke, Biesen Abweisung, bei Zollinger .Erlass der Gefängnisstrafe, bei Schwarz und Humbert Abweisung.

.

(Ausfuhrschmuggel.)

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss betreffend Bestrafung ·der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot vom 30. Juni 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 459) oder 12. April 1918 (A. S. n. F. XXXIV, 467) wurden verurteilt: 35. Ludwig Spirig, verurteilt am 28. Juni 1918 vom Bezirksgericht Unterrheintal zu 6 Wochen Gefängnis und Fr. 1500 Busse.

Spirig gestand nach hartnäckigem Leugnen, 53 kg Stickgarn, das er ohne Wissen seiner Mutter aus deren Stickerei genommen hatte, und hinzugekaufte 20 kg Nähfaden, alles im Werte von Fr. 1500

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zu Schmuggelzwecken in die Nähe der Grenze verbracht zu haben, In der Folge trugen fünf von Spirig geworbene Burschen die Ware an den Ehein, mussten jedoch unverrichteter Dinge zurückkehren, indem ihre Signale von der Gegenseite nicht erwidert wurden.

Spirig ersucht um Erlass der ihm auferlegten Gefängnisstrafen von zusammen 58 Tagen, Er habe sich im November 1918 dem Strafvollzuge entzogen, in Lustenau geheiratet und sei heute Vater eines Kindes. Die Frau stehe erneut vor der Niederkunft. Die Lebensmöglichkeiten würden stets schwerer. Man möge ihm die Freiheitsstrafen erlassen, damit er in die Schweiz ziehen, seiner Mutter in der Landwirtschaft beistehen und von seinem .Verdienst ratenweise die Bussen tilgen könne. Er bringt ferner an, rund 600 Tage Grenzdienst zur Zufriedenheit der Vorgesetzten geleistet zu haben.

Die Bundesversammlung hat einzig Stellung zu nehmen zu der Gefängnisstrafe von 6 Wochen, indem zwei Strafen von je 8 Tagen von Militärgerichten erkannt wurden. Wir beantragen Abweisung, zunächst, wie in frühern Fällen, aus dem Grunde, weil Spirig landesflüchtig ist. Er gehörte ferner zu den berüchtigsten Schmugglern im Grenzgebiet. Eine Begnadigung wäre auch deshalb unangebracht, weil laut Bericht der Oberzolldirektion, auf den wir Bezug nehmen, die mit Spirig Verurteilten ihre Gefängnisstrafen verbüsst und die Bussen in der Hauptsache bezahlt haben. Spirig schuldet demgegenüber aus fünf Verurteilungen, wovon vier militärgerichtliche, insgesamt an .Bussen noch über Fr. 8000. Er hat daran bis heute nichts abgetragen, obschon er laut Berichten imstande wäre, dies zu tun. Er soll in Lustenau mit einem Agentur- und Kommissionsgeschäft schön verdient haben.

36. Eobert Bosch, verurteilt am 6. Oktober 1919 vom Bezirksgericht Unterrheintal zu l Woche Gefängnis, Fr. 500 Busse und solidarischer Haftbarkeit für die Bussen Mitverurteilter.

Nach den Urteilserwägungen handelte es sich im Straffalle Eobert Bosch und Mitbeteiligte um eine Schmugglergesellschaft, die mit verschiedenen Waren, so mit Gold, Uhren, Faden, zu Verdienst zu kommen suchte, die also nicht lediglich in einem Einzelfall der Versuchung zum Schmuggeln nachgab. Bosch gestand, nach vorgängigem Leugnen, goldene Uhren im Gesamtwerte von Fr. 2170 ausgeschmuggelt zu haben.

Bosch ersucht, ihm, in Anrechnung der Untersuchungshaft,
die sieben Tage Gefängnis zu erlassen. Sein Vater habe in Lustenau eine Ferggerei, sei auf den Verkehr mit der Schweiz angewiesen und benötige hierzu den Gesuchsteller.

153 Mit der Oberzolldirektion erachten wir das Begnadigungsgesuch als gänzlich unbegründet. Bosch ist milde beurteilt worden, wie.die einleitenden Erwägungen des Gerichtsentscheides deutlich ergeben..

Um die Tilgung der durch die Verurteilung erwachsenen Verpflichtungen kümmerte er sich nicht im geringsten; dem Volhug der Gefängnisstrafe entzog er sich durch Wohnsitznahme im Ausland.

Wir beantragen ohne weiteres Abweisung.

87. Ernst Eaggenbass, verurteilt zu sechs Monaten Gefängnis und Fr. 6000 Busse, 88. Arthur Weingart, verurteilt zu Fr. 1000 Busse, beide am 16. September 1920 vom Obergericht des Kantons Thurgau.

Ein erstes Begnadigungsgesuch des Eaggenbass wurde von der Bundesversammlung entsprechend dem bundesrätlichen Antrag in der Dezembersession 1920 abgewiesen (zu vgl. Antrag 115 des II. Berichtes vom 19. November 1920, Bundesbl. 1920, V, 126 ff.).

Ernst Eaggenbass und ein zweiter Zollgehilfe standen mit einer Eeihe weiterer Personen zwecks Ausfuhrschmuggels im Komplott.

Im Zeitraum vom Juni bis Oktober 1918 gelang es ihnen, in beträchtlicher Weise Seidenstoffe, Baumwollstoffe, Kakao, Schokolade, Tee, Eeis, Kleider, Nähfaden, Seife, Schuhe, Koffer usw. über die Grenze zu bringen. Leiterin des Unternehmens war die seither verstorbene Frau Anna Schwarz, die allein oder mit ihrer Tochter, der nunmehrigen Frau Anna Brehm, in Winterthur und Zürich obgenannte Waren einkaufte und sie in Koffern oder Körben verpackt als Passagiergut nach Konstanz aufgab. Eaggenbass und ein anderer Zollgehilfe fertigten die Sendungen zollamtlich ab und liessen sie, wissend, dass es sich um Schmuggelware handle, in den Konstanzerzug umladen. In Konstanz wurden die Sendungen von einem Eisenbahnsekretär in Empfang genommen und einem Damenschneider übergeben, der sich am Weiterverkauf beteiligte. Ein kleinerer Teil der Waren, namentlich Kleider, wurde von Frau Brehm, damalige Vortisch, über den Emmishoferzoll geschmuggelt, indem sie sie auf dem Leib trug und die Grenze zu einer Zeit überschritt, da Eaggenbass Zolldienst hatte.

Der Schmuggelgewinn wurde unter den Hauptbeteiligten, so Frau Schwarz und Eaggenbass, geteilt.

Nicht im Zusammenhang mit diesem Komplott stehen zwei weitere Deliktsgruppen, die ebenfalls zur Verurteilung des Eaggenbass beitrugen. Eine Uhrenfabrik in La Chaux-de-Fonds sandte im Frühjahr 1919 einem Händler in Emmishofen Uhren mit dem Auftrage, sie im Schmuggelwege einer Firma in Berlin zukommen zu lassen.

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Die Uhren wurden in der Folge mit dem beigelegten Schmuggellohn an Frau Baggenbass übergeben, in der Meinung, dass Eaggenbass sie gelegentlich ausschmuggeln solle. Dasselbe war der Fall mit einer weitem Sendung Uhren, die von einem gewissen Müller Baggenbass überbracht wurde. Diese Sendung Uhren stammte von Arthur Weingart, der sie dem Müller verkaufte, obschon er zugegebenermassen annahm, dass die Uhren ausgeschmuggelt würden.

Baggenbass hat die Gefängnisstrafe von sechs Monaten am 8. Januar 1921 angetreten. Mit Eingabe vom 12. März eisuchte er, ihm den Best der Freiheitsstrafe in Gnaden zu erlassen. In längern Ausführungen, auf die wir in Einzelheiten verweisen, versichert er neuerdings, in der Schmuggelangelegenbeit dem Einfluss der Frau Schwarz unterlegen zu sein. Auch sei ihm von einem frühern Zolleinnehmer durch verlockende Aussichten auf andere Stellungen der Zolldienst so verleidet worden, dass ihm die Einsicht in die Tragweite seiner Handlungen anfänglich gefehlt habe. Im Oktober 1918 habe er, von der Angst überwältigt, mit Frau Schwarz gebrochen, ein Jahr später, als die Angelegenheit entdeckt wurde, reumütig gestanden. Seit der Entlassung aus dem Zolldienst betätige er sich als Vertreter einer ausländischen Firma für optische Artikel. Jedoch habe er, auf den Antritt der Gefängnisstrafe hin, sein Gesellschaftsverhältnis mit zwei Ausländern gelöst. Zurzeit müsse sich die im Geschäft gänzlich unerfahrene Frau durchhelfen, so gut es gehe. Seine Geschäftsverbindungen seien jedoch gefährdet, nicht zuletzt deshalb, weil sich seine frühern Mitgesellschafter in nächster Nähe niedergelassen hätten. Man möge sich unter diesen Umständen seiner Familie erbarmen. Die erlittene Strafe, die seine bitterste Lebenslehre ausmache, werde ihn nachhaltig beeinflussen.

In ähnlicher Weise schreibt die Mutter des Gesuchstellers, die, laut ihrer Eingabe, heute mit dem wenigen Geld, das sie für ihr Alter zurückgelegt hat, an die Tilgung der Busse beitragen muss.

Entsprechend den erneuten Stellungnahmen der Oberzolldirektion und der Bundesanwaltschaft hielt das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement Ende März dafür, es sei nicht angezeigt, den Strafvollzug zu unterbrechen. Da Baggenbass die Gefängnisstrafe am 8. Januar angetreten hat, endigt die Strafdauer am 3. Juli.

Im Hinblick auf seine schweren
Verfehlungen als Zollbeamter stellen wir mit Bezug auf die Gefängnisstrafe auch dem Widererwägungsgesuche gegenüber den Antrag auf Abweisung. Wir bestätigen diesbezüglich in ganzem Umfang unsere anlässlich des ersten Gesuches erfolgten Ausführungen. Anderseits ergibt das Schreiben der Mutter des Verurteilten, dass die alte Frau von der Angelegenheit in einer

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Weise betroffen wird, die nahe geht. Wir möchten ihr wenigstens -derart entgegenkommen, dass sie durch die Verfehlungen des Sohnes nicht um ihre Ersparnisse gebracht wird. Wir beantragen deshalb, ·die Busse von Fr. 6000 bis zu Fr. 2000 zu ermässigen. Derart wird Eaggenbass noch immer eine wesentliche Vergünstigung zuteil, die ihm als weiterer Ansporn dienen möge, seinen Familienpflichten nachzukommen.

Arthur Weingart ersucht um Ermässigung der Busse von Fr. 1000 bis zu Fr. 100. Hierzu wird in langatmiger Weise dargetan, dass Weingart von Müller bei dem Uhrenverkauf durch eine wertlose Bankanweisung übertölpelt worden sei. Die Benachrichtigung der Polizei durch Weingart habe dann ermöglicht, Müller des Schmuggels zu überführen. Die Busse sei unverständlich hart ausgefallen. Weingart sei heute Konkursit, suche sich und seine Familie als Bureauangestellter durchzubringen und könne die Fr. 1000 unmöglich aufbringen. Es drohe ihm demnach eine Umwandlungshaft von 200 'Tagen.

Wir beantragen mit der eidgenössischen Ober/olldirektion, die Busse, im Hinblick auf die misslichen Verhältnisse Weingarts, bis zu Fr. 400 zu ermässigen. Für die Eestbusse würde Weingart im Wege von Katenzahlungen weitgehende Erleichterung gewährt.

Der Gesuchsteller hätte es derart in der Hand, die Umwandlungshaft zu vermeiden. Dabei sollte es unseres Erachtens sein Bewenden haben.

89. Rudolf Derrer, am 14. September 1918 von der Oberzolldirektion gebüsst mit Fr. 1500, nebst Wertersatz von Fr. 1070 und solidarischer Haftbarkeit von Fr. 1215.

Derrer schmuggelte im April 1918 im Komplott mit neun andern in fortgesetzter Weise Waren im Gesamtwerte von über Fr. 6000.

Ein erstes Begnadigungsgesuch wurde in der Sommersession 1919 abgewiesen (zu vgl. Antrag 125 des IV. Berichtes vom 2. Juni 1919, Bundesbl. 1919, III, 451). Derrer hat nunmehr Fr. 665 abbezahlt und ersucht, ihm etwas von seiner Strafe zu erlassen. Er habe gegenwärtig bloss an vier Wochentagen Arbeit und bringe ·weitere Abzahlungen nicht mehr auf.

Mit der Oberzolldirektion beantragen wir Herabsetzung der Busse von Fr. 1500 bis zu Fr. 1000, so dass Derrer noch Fr. 835 zu zahlen hätte, weiterhin Erlass der eigenen Wertersatzpflicht und Aufhebung der Solidarhaft für die Wertersatzpflicht der Mitver-

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urteilten. Derrer war zwar ein beharrlicher, erfolgreicher Schmuggler; jedoch darf ihm heute zugute gehalten werden, dass er einen erheblichen Teil der Busse abbezahlt hat und es demnach an gutem Willen nicht fehlen liess. Er lebt in bescheidenen Verhältnissen und hat infolge der wirtschaftlichen Lage einen Drittel seines Arbeitslohneseingebüsst. Für Einzelheiten verweisen wir ausserdem auf. die Vernehmlassung der Oberzolldirektion.

40. Arnold Küster, verurteilt am 5. Juli 1918 vom Bezirksgericht Unterrheintal zu zwei Monaten Gefängnis, Fr. 2000 Busse, Wertersatz und solidarischer Bussenhaftbarkeit, Totalbetrag zirka Fr. 20,000.

Ein erstes Begnadigungsgesuch Küsters wurde in der Sommersession 1919, soweit einzutreten war, abgewiesen (zu vgl. Antrag 132.

des IV. Berichtes vom 2. Juni 1919, Bundesbl. Ì919, III, 456).

Arnold Küster war mit 41 andern in einem -Strafverfahren zu beurteilen, das mit 87 Verurteilungen und 5 Freisprüchen endigte.

Es handelt sich um drei sehr beträchtliche Garntransporte von Diepoldsau (St. Gallen) nach Österreich, vorgenommen in der Nacht, vom 12./13., 13./14. und 17./18. August 1917. Bezüglich der besondern Verumständungen verweisen wir auf die umfangreichen, Urteilserwägungen. .

Nach den Akten liess Arnold Küster wissentlich zu, dass zum Schmuggel bestimmtes Garn in sein Haus gebracht wurde. Dia Schmuggler der drei Transporte hatten bei Küster ihr Stelldichein und empfingen dort ihre Weisungen. Auch trug Küster jeweils einen Sack mit an den Rhein. Bei der Hausdurchsuchung wurde ein Sack.

mit 10 kg Baumwollgarn im Werte von Fr. 200 vorgefunden.

Küster, dessen erstes Gesuch den Erlass der Gefängnisstrafe bezweckte, schrieb damals, die Busse nehme er willig auf sich, obschon sie ihm schwer falle. Heute nimmt er Bezug auf die verbüsste Freiheitsstrafe und die geleisteten Eatenzahlungen von Fr. 400 und versichert, ein weiteres zu tun, sei ihm unmöglich. Er habe das Äusserstegeleistet und müsse für Frau und vier Kinder sorgen; auch sei das Urteil im Vergleich zu spätem Entscheiden überaus hart.

Der eingehende Bericht der Oberzolldirektion enthält eine genaue Darstellung der Küster obliegenden Verpflichtungen. Bi& zum Juli 1920 bezahlte Küster überhaupt nichts. Nach Abzug der Leistungen Dritter, wie Tilgung eigener Bussen, so dass die solidare Bussenhaftbarkeit Küsters wegfiel, oder Begleichung von Wertersatzanteilen, betrugen Küsters Verpflichtungen im Juli 1920 noch

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airka Fr. 3000, nach Abrechnung der geleisteten Teilzahlungen Anfang 1921 noch zirka Fr. 2500. Küster hat ein Heimwesen und betreibt mit eigenem Fuhrwerk den Botendienst von der Station Heerbrugg nach Diepoldsau und Schmitter, was ihm ein regelmässiges und gutes Einkommen gewährt. Die Oberzolldirektion hält dafür, dass die Angaben ·des Gesuches den Tatsachen nicht entsprächen und entstellt seien, um das Bedauern der Begnadigungsbehörde zu erwecken. Mit den bis heute erfolgten Teilzahlungen sei Küster keineswegs an der Grenze des ihm Möglichen angelangt. Vielmehr müsse nachdrücklich betont werden, dass es ihm, namentlich bei etwas massigem Lebenswandel und verringertem Wirtschaftsbesuch, nicht allzu schwer fallen dürfte> ; seine Verpflichtungen in absehbarer Zeit abzulösen, -ohne die Familie in Mitleidenschaft zu ziehen.

Gestützt auf diese Ausführungen und in Anbetracht des grosszügig und raffiniert angelegten Schmuggelkomplottes beantragen wir mit der Oberzolldirektion, das Begnadigungsgesuch abzuweisen.

41. Louise Haas-Dieth, verurteilt am 17. Februar 1920 vom Obergericht des Kantons Thurgau zu Fr. 500 Busse.

Louise Haas war in die Schmuggelangelegenheit verwickelt, ·die der Bundesversammlung anlässlich der Gesuche Jakob Vollen·weider und Kaspar Marbach bekanntgegeben wurde (Anträge 113 -und 114 des II. Berichtes vom 19. November 1920, Bundesbl. 1920, V, 123).

Ein deutscher Uhrenhändler, der sein Kontingent Uhren für Deutschland, überschritten hatte, wandte sich im Jahre 1918 an Konstanzer Kreise zwecks Beschaffung von Uhren auf dem Schmuggel·wege. In der Folge bezog der oben genannte Vollenweider von Schweizerfabrikanten Uhren im Werte von über Fr. 20,000. Die von den Fabriken direkt oder durch Vermittlung an Vollenweider gelangten Uhren überbrachte dieser in der Hauptsache der Frau Haas nach Emmishofenj von wo sie dann durch zwei andere Frauen über die Grenze geschmuggelt wurden.

Louise Haas ersucht um gänzlichen oder doch wesentlichen Erlass der Fr. ,500, Sie lebe in bescheidenen Verhältnissen und sei mit ·vier Kindern $uf den Verdienst des Mannes angewiesen. Sie sei in -die Angelegenheit ganz unbewusst verwickelt worden und habe Jseinen Nutzen gehabt.

Bereits in den Urteilserwägungen wird gesagt, Frau Haas sei ·verführt und ihre Sorglosigkeit sehr ausgenützt worden, Nach demi Bericht der. Ortsbehörden arbeitet der Ehemann der Gesuchstellerin :als.Knecht in .der Fuhrhalterei eines Bruders. Drei Kinder sind noch'

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schulpflichtig. Die Oberzolldirektion hält dafür, die Entrichtung der Fr. 500 sei in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, weshalb Umwandlung der Busse in Freiheitsstrafe eintreten müsste. Dieses Vorgehen wäre angesichts der Familienverhältnisse der Frau Haas und ihres sonst unbescholtenen Wesens eine unbillige Härte. Im Hinblick auf den kärglichen Verdienst des Familienhauptes bringeauch eine teilweise Herabsetzung wenig Linderung.

In Berücksichtigung dieser Umstände und der nicht schwerwiegenden Verfehlung beantragen wir in Zustimmung zu der Oberzolldirektion, die Fr. 500 zu erlassen.

42. Johanna Sautermeister, verurteilt am 17./18. Oktober 191& vom Bezirksgericht Rorschach zu Fr. 200 Busse, Fr. 227. 25 Wertersatzanteil, solidarischer Haftung für Bussen und Wertersatzanteile Mitbeteiligter, Totalbetrag ca. Fr. 1500.

Im Auftrage ihres Schwagers Schwegler (zu vgl. Antrag 88 des I. Berichtes vom 29. Oktober 1920, Bundesbl. 1920, IV, 526) war Johanna Sautermeister tätig bei der Beschaffung von Schmuggelware.

Johanna Sautermeister, die Busse und Wertersatzanteil bezahlt hat, ersucht um Aufhebung der noch vorhandenen Solidarhaft für Bussen und Wertersatzanteile Dritter. Sie sei auf ihren Verdienst angewiesen. Die Bezahlung von Fr. 427. 25 sei ihr bereits schwer genug gefallen.

Der Mitberieht der Oberzolldirektion enthält eine Aufstellung der Verpflichtungen, die der Gesuchstellerin obliegen. Ihre solidarische Haftbarkeit müsste heute beansprucht werden für Fr. 580. 80.

Johanna Sautermeister ist Kellnerin und auf ihren Verdienst angewiesen. Da sie die ihr gegenüber primär erkannte Busse und den Wertersatzanteil beglichen hat, in der Angelegenheit ihre Betätigung über Gehilfenschaft nicht hinausging und ihr ein guter Leumund ausgestellt wird, beantragen wir mit der Oberzolldirektion, die noch, bestehenden Verpflichtungen zu erlassen.

48 Johann Frei, verurteilt am 15. April 1919 vom Kantonsgericht St. Gallen zu 2 Wochen Gefängnis, Fr. 800 Busse, solidarischer Haftung für Bussen und Wertersatzanteile, Totalbetrag zirka Fr. 7000.

Ein erstes Begnadigungsgesuch Freis betreffend den Erlass der Gefängnisstrafe wurde in der Februarsession 1920 abgewiesen (zu vgl. Antrag 92 des II. Berichtes vom 2. Dezember 1919, Bundesbl.

1919, V, 718). Wir verweisen für das Tatbeständliche auf die damaligen Ausführungen. Frei betätigte sich im Schmuggelkomplott

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Bberhardt, Fédérer und Mitbeteiligte beim Empfang, Weitersenden und Verkauf der verschiedenen Warenlieferungen. Insbesondere ·wurden Waren auf Freis Anraten in einem der Schwiegermutter Freis gehörenden Schweinestall untergebracht.

Frei hat die Gefängnisstrafe nunmehr verbüsst und seine Busse bezahlt; dagegen besteht noch die solidarische Haftbarkeit für die Mitbeteiligten. Heute ersucht er, diese Haftbarkeit aufzuheben. Er sei bald sechzigjährig und schon ganz um seine Kräfte gekommen.

Vor Jahren habe er an einem Bruder Fr. 15,400 durch Bürgschaften verloren und -wenn er neuerdings für andere zahlen müsse, so komme er auch um das, was er bis heute durch angestrengte Arbeit noch habe zusammenhalten können. Man möge berücksichtigen, dass spätere Urteile bedeutend milder ausgefallen seien.

Die Oberzolldirektion möchte den Ausgleich mit andern Schmuggelfällen derart vornehmen, dass Frei für die Summe von Fr. 6587. 25 aus der Solidarhaft entlassen würde. Dagegen sei auf der Bezahlung einer Eestbusse von Fr. 250 durch Frei zu beharren. Es ist dies der Eest einer gegen Frau Kobler-Bösch erkannten Busse, die nicht erhältlich ist. Frau Kobler-Bösch ist die Schwiegermutter Freis und von ihm verleitet und in das Schmuggelkomplott -verwickelt worden.

Wir übernehmen diese Anträge, in der Meinung, der Erlass der Solidarhaft für Fr. 6587. 25 ermögliche Frei, sich zu behaupten, so dass er für die von ihm verleitete Verwandte mit dem Betrage von Fr. 250 aufkommen kann. Für Einzelheiten nehmen wir ausserdem Bezug auf den Bericht der Oberzolldirektion.

44. Wilhelm Sernatinger, am 25. Juni 1919 von der eidgenössischen Oberzolldirektion gebüsst mit Fr. 1200.

Das Begnadigungsgesuch Sernatingers ist heute gegenstandslos.

Dem Gesuchsteller wurde die Busse von den Zollbehörden im Wiedererwägungsverfahren am 5. März 1920 bis zu Fr. 800 ermässigt. In der Folge leistete er Teilzahlungen von zusammen Fr. 890. Als weitere Teilzahlungen ausblieben, wurde die Eestbusse am 11. Dezember 1920 in 82 Tage Gefängnis umgewandelt. Dem am 14. Februar den Zollbehörden eingereichten Gesuch um Erlass von drei Wochen Gefängnis gegenüber fand eine Unterbrechung des Strafvollzuges deshalb nicht statt, weil Sernatinger in eingeholten Berichten als arbeitsscheuer Taugenichts bezeichnet wird. Laut Mitteilung des Bezirksamtes Kreuzungen
war die Ausweisung Sernatingers, der Ausländer ist, aus dem Gebiete der Eidgenossenschaft bereits im Februar in die Wege geleitet. Nach dem Stande der Angelegenheit ist das Gesuch durch Nichteintreten zu erledigen.

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Anträge : Bei Spirig und Bosch Abweisung, bei Raggenbass Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 2000, bei Weingart bis zu Fr. 400, bei Derrer bis zu Fr. 1000 und Erlass von Wertersatzpflicht und Solidarhaft, bei Küster Abweisung, bei Louise Haas Erlass der Fr. 500, bei Johanna Sautermeister Erlass der Solidarhaft für Dritte, bei Frei Erlass der Solidarhaft für die Summe von Fr. 6587. 25, bei Sernatinger Nichteintreten.

45.

46.

47.

48.

49.

·50.

51.

Karl ab Egg, geb. 1863, Pfarrer, Frick (Kt. Aargau).

Emma Suter-Mösch, geb. 1872, Hausfrau, Frick (Kt. Aargau).

Uona Marx, geb. 1905, von Feldkirch-Altenstadt.

Maria Völker, geb. 1903, von Wien.

Maria Vycichl, geb. 1903, von Wiener-Neustadt.

Ernst Äschlimann, geb. 1878, Tramkondukteur, Bern.

Viktoria Weibel geb. Pawlak, geb. 1884, Hausfrau, Warmbach (Baden).

52. Engelbert Kirchmeier, geb. 1901, Hilfsarbeiter, Wittnau (Kt.

Aargau).

53. Theresia Traub, geb. 1898, Dienstmädchen, Baden (Kt. Aargau).

54. Ottilie Stenzel, geb. 1900, Dienstmädchen, Baden (Kt. Aargau).

55. Josef Grimm, geb. 1893, Musiker, Bern, 56. Charlotte Grimm, geb. 1894, Ehefrau des Josef. · 57. Wilhelm Ruprecht, geb. 1860, Schreinermeister, StuttgartGaisburg (Württemberg).

(Fremdenpolizei.)

Die nachstehenden Fälle beziehen sich auf Verurteilungen, ergangen in Anwendung der Verordnung betreffend die Kontrolle der Ausländer vom 17. November 1919 (A. S. n. F. XXXV, 939). Den Anträgen schicken wir voraus, dass es sich, soweit wir Erlass der Bussen beantragen, um geringfügige Verfehlungen und zumeist um Gesuchsteller handelt, die über bescheidene Geldmittel verfügen.

45--49. Karl ab Egg, Emma Suter-Mösch, Ilona Marx, Maria Völker, Maria Vycichl, verurteilt am 28. September, Uona Marx am 25. Oktober 1920 vom Gerichtspräsidenten von Laufen: bürg, je zu Fr. 20 Busse.

Die drei zu einem Ferienaufenthalt eingereisten Österreicherinnen Bona Marx, Maria Völker und Maria Vycichl hatten ihre rechtzeitige Anmeldung unterlassen, ebenso Pfarrer ab Egg und Frau SuterMösch die Anmeldung der von ihnen aufgenommenen Mädchen.

Pfarrer ab Egg ersucht für die drei Österreicherinnen und sich selbst um Erlass der Bussen, Frau Suter-Mösch desgleichen.

161 In Anbetracht der wohltätigen Absicht, in der die Aufnahme «der erholungsbedürftigen Mädchen erfolgte, sowie der Notlage der letztgenannten beantragen wir mit der Zentralstelle für Fremdenpolizei, die Bussen in sämtlichen Fällen zu erlassen.

50. Ernst Äschlimann, verurteilt am 13. Juli 1920 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu Fr. 20 Busse.

Äschlimann nahm ein 12j ähriges deutsches Mädchen in seiner Tamilie auf, ohne es als Logisgeber anzumelden.

Er ersucht um Erlass der Busse und der Kosten. Das aufgenommene Kind sei die Nichte eines Dienstkameraden, der eine Schwägerin aus Deutschland in seine Familie aufgenommen, jedoch zunächst für deren Kind in der Wohnung nicht Platz gehabt habe. Äschlimann habe dem Dienstkameraden einen Gefallen erwiesen, ohne zu ahnen, dass das Mädchen nicht gemeldet sei.

Die Polizeidirektion der Stadt Bern und der Begierungsstatt.halter I des Amtsbezirkes beantragen Abweisung, da es Sache Äschlimanns gewesen sei, sich über die fremdenpolizeilichen Bestimmungen ·zu erkundigen. Die eidgenössische Zentralstelle beantragt auf Grund der im Gesuche geltend gemachten Anbringen, die Busse zu erlassen.

Wir empfehlen dementsprechend die Begnadigung. Beizufügen ist, dass mangels Zuständigkeit zu den Verfahrenskosten nicht Stellung ·zu nehmen ist.

51. Viktoria Weibel geb. Pawlak, verurteilt am 30. September 1920 vom Gerichtspräsidenten von Bheinfelden zu Fr. 50 Busse.

Viktoria Weibel, damalige Schneider, brachte ihr Kind Josef, ·das sie ausserehelich geboren hatte, zu einer Schwägerin in die Schweiz, ohne dass für das Kind eine Einreisebewilligung bestanden hätte.

Für Frau Weibel wird um Erlass der Busse ersucht. Ihr nunmehriger Mann habe von dem Kinde Josef nichts wissen wollen.

Die Mutter habe es in der Verzweiflung zu den Verwandten gebracht.

Jetzt sei der Knabe im Badischen versorgt. Die Busse bedeute in deutscher Währung einige hundert Mark und könne unmöglich aufgebracht werden. Der urteilende Eichter empfiehlt auf Grund genauer Kenntnis der Verhältnisse den gänzlichen Erlass der Busse.

Mit der Zentralstelle für Fremdenpolizei übernehmen wir diesen Antrag.

52. Engelbert Kirchmeier, verurteilt am 17. Dezember 1920 vom Gerichtspräsidenten von Laufenburg zu Fr. 30 Busse.

Kirchmeier unterliess, rechtzeitig ein Gesuch um Verlängerung «der Aufenthaltsbewilligung einzureichen.

Bundesblatt. 73. Jahrg Bd. III.

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Er ersucht um Erlass der Busse und macht Unkenntnis der fremdenpolizeilichen Vorschriften sowie Armut geltend.

Es handelt sich um einen Österreicher, der in Wittnau in einemlandwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt wird. Die Busse würde ihm mehr ausmachen als der Barlohn eines Monates. Den Lohn hält er laut Bericht in der Hauptsache den bedrängten Eltern zu. Der Gemeinderat von Wittnau äussert sich über Kirchmeier sehr günstig.

Entsprechend der Stellungnahme des urteilenden Bichters und der Zentralstelle für Fremdenpolizei beantragen wir angesichts der Mittellosigkeit und des guten Leumundes, Kirchmeier gänzlich zu begnadigen. · 58. Theresia Traub, verurteilt am 25. September 1920 vom Gerichts^ Präsidenten von Baden zu Fr. 80 Busse.

Theresia Traub unterliess, rechtzeitig ein Gesuch um Verlängerungder Aufenthaltsbewilligung einzureichen.

Für das Dienstmädchen wird von der gegenwärtigen Herrschaft das Gesuch gestellt, die Busse, angesichts der Mittellosigkeit und1 des guten Leumundes, sowie des guten Glaubens in der Angelegenheit zu erlassen.

Es ist glaubhaft, dass das Dienstmädchen annahm und annehmen, durfte, ihre frühere Dienstherrschaft besorge innert nützlicher Frist die Verlängerung des Passes. Mit dem Bezirksgericht Baden und der Zentralstelle für Fremdenpolizei beantragen wir den Erlass der Busse.

54. Ottilie Stenzel, verurteilt am 16. August 1920 vom Gerichtspräsidenten von Baden zu Fr. 80 Busse.

Ottilie Stenzel hat sich nach ihrer Einreise in zwei Ortsgemeinden überhaupt nicht, in einer dritten verspätet gemeldet.

Sie ersucht um Erlass der Busse. Die Eeise in die Schweiz sei ihr erster Weg in die Fremde gewesen, die Unterlassung auf Unkenntnis zurückzuführen. Den Lohn' habe sie zu Anschaffungen dringend nötig.

Die aargauische Staatsanwaltschaft empfiehlt Abweisung des Gesuches, ebenso die Zentralstelle für Fremdenpolizei, da zu einer Begnadigung keine hinreichenden Gründe vorlägen. Die Akten ergeben, dass sich die Gesuchstellerin in ihrer ersten Stelle wenig befriedigend aufgeführt hat. Angesichts der mehrfachen Unterlassungen beantragen wir Abweisung, 55 und 56. Josef und Charlotte Grimm, verurteilt am 16. September 1920 vom Gerichtspräsidenten von Frutigen je zu Fr. 20 Busse.

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Die Eheleute Grimm hatten ein Einreisevisum zu Kurzwecken erwirkt, Hessen sich jedoch nach ihrer Einreise in Adelboden als Musiker anstellen.

In seinem Begnadigungsgesuch macht Grimm geltend, er und seine Frau hätten sich aus Not gezwungen gesehen, durch Musizieren ihr Brot zu verdienen. Man möge berücksichtigen, dass der Gesuchsteller lungenkrank sei, und die beiden Bussen mildern.

Die städtische Polizeidirektion von Bern beantragt Abweisung des Gesuches, da die Eheleute durch ihren gegenwärtigen Verdienst in die Lage versetzt seien, die obigen Bussen zu bezahlen. Der Eegierungsstatthalter von Bern sowie die Polizeidirektion des Kantons Bern schliessen sich dem Antrag der städtischen Polizeidirektion an.

Wir beantragen mit der Zentralstelle für Fremdenpolizei ebenfalls, die Eheleute Grimm abzuweisen.

57. Wilhelm Euprecht, verurteilt am 5. Oktober 1920 vom Gerichtspräsidenten von Baden zu Fr. 20 Busse.

Buprecht hatte anlässlich eines Aufenthaltes in Sulz unterlassen, sich anzumelden.

Er ersucht um Erlass der Busse. Die Anmeldung sei aus Un kenntnis unterblieben.

Der urteilende Eichter schreibt zu dem Gesuch, wenn den nunmehr freundnachbarlich gehaltenen Fremdenpolizeivorschriften Nachachtung verschafft werden solle, sei in einem solchen Falle nicht zu begnadigen. Da es sich, anders als in den meisten Fällen hiervor, nicht um einen Gesuchsteller handelt, dessen persönliche Verhältnisse eine besondere Milde nahelegen, übernehmen wir mit der Zentralstelle für Fremdenpolizei den Abweisungsantrag.

Anträge : Erlass der Bussen bei ab Egg, Emma Suter-Mösch, Ilona Marx, Maria Völker, Maria Vy.cichl, Äschlimann, Viktoria Weibel-Pawlak, Kirchmeier, Theresia Traub, Abweisung der Ottilie Stenzel, der Eheleute Grimm und Euprechts.

58. Jules Stauffer, geb. 1869, Händler, La Chaux-de-Fonds, Eue du Collège 20.

59. Johann Lüthy, geb. 1887, Küfer und Händler, Zürich I, Eindermarkt 11.

(Unbefugter Eierhandel.)

In Anwendung einer Verordnung des bernischen Eegierungsrates vom 16. August 1918 betreffend den Handel mit Eiern und die Eie rpreise, ergangen gestützt auf die Bundesratsbeschlüsse, vom

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10. Augast 1914 und 2. Februar 1917 (A. S. n. F. XXX, 376 und XXXIII, 40), wurden verurteilt: 58. Jules Stauffer am 23. August 1919 vom Gerichtspräsidenten der Freiberge zu Fr. 100 Busse und Fr. 29. 20 Kosten.

Stauffer kaufte im Frühjahr 1919 in den Dörfern der Freiberge ohne Bewilligung Eier auf. Am 24. Mai wurde er polizeilich angehalten, wobei man ihm zwei Körbe mit 32 Dutzend Eiern beschlagnahmte. In der Folge wurde der Erlös der amtlich verkauften Ware im Betrage von Fr. 110 entsprechend der kantonalen Verordnung auf Busse und Kosten verrechnet.

Stauffer ersucht, ihm die Busse zu erlassen. und die Bückerstattung der Fr. 110 anzuordnen. Die bernische Verordnung habe er nicht gekannt, er sei in ärmlichen Verhältnissen, habe damals das Geld zum Eierhandel vorgeschossen erhalten und könne die Einbusse nicht ertragen. Die Sperrmassnahmen der Kantone wegen der Maul- und Klauenseuche hätten ihn ohnehin schwer geschädigt.

Der Begierungsstatthalter der Freiberge will Stauffer zugute halten, dass er an den Machenschaften vieler anderer ein Beispiel fand und ihm, da er den Eierhandel nicht heimlich betrieb, den guten Glauben nicht rundweg abstreiten. Ein teilweiser oder der gänzliche Erlass der Busse könne befürwortet werden. Demgegenüber hält die Polizeidirektion des Kantons Bern dafür, die Art der übertretenen Vorschriften gebe einen Straferlass nicht zu. In den Akten befindet sich ferner ein Bericht neuenburgischer Polizeibehörden über die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers.

Nach Überprüfung der Angelegenheit regte die Bundesanwaltschaft am 23. Februar 1920 bei den bernischen Behörden an, Stauffer den noch verbleibenden Kostenbetrag von Fr. 19.10 zu erlassen.

Am 4. Februar 1921 gelangten die Akten an die Bundesbehörden zurück mit dem Bescheid, dass der Kostenbetrag eliminiert worden sei. Es ergibt sich somit, dass Stauffer .weitere Lasten aus der Angelegenheit nicht mehr zu tragen hat. Dabei dürfte es unseres Erachtens sein Bewenden haben. Die Konfiskation der Ware war damals die richtige Massnahme, und es sollte darauf nicht mehr zurückgekommen werden. Wir beantragen deshalb, den Gesuchsteller abzuweisen.

59. Johann Lüthy, verurteilt am 18. August 1919 vom Gerichtspräsidenten von Schwarzenburg zu Fr. 300 Busse.

Lüthy kaufte im Frühjahr 1919 in der Gegend um Schwarzenburg im ganzen etwa 2500 Eier auf, ohne eine Aufkaufsbewilligung zu besitzen. Lüthy ersucht um Erlass oder doch Ermässigung der

1-65 nicht bezahlten Fr. 150. Er habe nicht gewusst, dass zum Eierhandel eine Bewilligung erforderlich sei. Die Vorzeigung an den Bichter beruhe auf einer Denunziation von missgünstiger Seite. An der Hauptverhandlung habe er sich nicht verteidigen können, da er damals in Strafhaft gewesen sei. Die Busse sei zu hoch, da der Wert der beschlagnahmten Eier nur Fr. 252 betragen habe. Aus dem Bericht des Begierungsstatthalters von Schwarzenburg ergibt sich, dass der amtliche Verkauf der beschlagnahmten Eier Fr. 250. 50 einbrachte.

In der Folge erlangte Lüthy, dass ihm Fr. 100 ausgehändigt wurden.

Der Begierungsstatthalter beantragt, dem Gesuchsteller Fr. 75 zu erlassen, so dass Lüthy Fr. 225. 50 zu tragen hätte. Die kantonale Polizeidirektion beantragt Abweisung, da der Gesuchsteller auch wegen Schmuggels habe bestraft werden müssen.

Der Gesuchsteller ist den Bundesbehörden bekannt aus seinem des Schmuggelfalles wegen eingereichten Begnadigungsgesuch (Antrag 119 des II. Berichtes vom 19. November 1920, Bundesbl. 1920, V, 183). Lüthy betrieb den Eierhandel gewerbsmässig, wie seine Aussagen vor der Bezirksanwaltschaft Zürich ergeben. Es ist unglaubhaft, dass ihm die bestehenden Vorschriften nicht bekannt waren. Da Lüthy laut Urteilserwägungen Fr. 250 Gewinn erzielte, hat ihm die Busse von Fr. 800 in der Hauptsache nur diesen Gewinn entzogen.

Gründe, die eine Begnadigung ernstlich nahelegen könnten, liegen nicht vor.

Anträge: Abweisung in beiden Fällen.

60. Jules Rosset, geb. 1869, Beisender, Genf.

(Schleichhandel mit Milchprodukten.)

Jules Bosset wurde wegen Schleichhandels vom Polizeigericht des Kantons Genf am 9. Februar 1919 zu 14 Tagen Gefängnis und Fr. 400 Busse und am 81. März 1919 zu weitern Fr. 200 Busse verurteilt. Ein erstes Begnadigungsgesuch wurde in der Herbstsession 1919 abgewiesen (Antrag 7 des Berichtes vom 9. August 1919.

Bundesbl. 1919, IV, 409).

,,Rosset hat die Gefängnisstrafe verbüsst und bis heute an die Bussen Fr. 320 entrichtet. Er ersucht nunmehr um Erlass der verbleibenden Fr. 280 und macht geltend, arbeitslos zu sein, auch möge man berücksichtigen, dass er Familienvater sei.

Die Begnadigungsakten wurden der Staatsanwaltschaft des Kantons Genf unterbreitet, die in der Folge über Rosset neuerdiugs Polizeiberichte einholte. Wir haben in unserm Antrage

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vom 9. August 1919 die Einreiehung eines Begnadigungsgesuches -- angesichts der Verumständungen der in Betracht kommenden Vorfälle und des schlechten Leumundes den Rosset aufwies -- als starkes Stück bezeichnet. Auch die heutigen Polizeiberichte sind für Rosset keineswegs günstig. Jedoch hann als erbracht gelten, dass er in bedrängten Verhältnissen lebt, weshalb wir in Zustimmung zu der Genfer Staatsanwaltschaft beantragen, dem Gesuchsteller die Restbusse zu erlassen. Die Leistung der Fr. 320 dürfte ihm bereits schwer genug gefallen sein.

A n t r a g : Erlass der verbleibenden Fr. 280.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 10. Mai 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Schulthess.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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I. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Sommersession 1921.) (Vom 10. Mai 1921.)

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18.05.1921

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