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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Rekurs des Karl Keller in Hohenems.

(.Vom 29. März 1921.)

I.

Karl Keller, geb. 1876, von Bernhardszell, Sticker in Hohenems, Vorarlberg, Blumenstrasse 10, war beim Divisionsgericht 6 in die Untersuchung gegen Schuler und 10 Mitbeteiligte betreffend Schmuggel verwickelt. Er wurde am 2. Februar 1919 beim Grenzübertritt verhaftet und blieb in Untersuchungshaft bis am 19. März 1919.

Durch Verfügung des Oberauditors vom.

22. August 1919 wurde das Verfahren gegen ihn mangels Beweises für einen strafbaren Tatbestand ohne Entschädigung eingestellt. Sein Gesuch vom 18. Mai 1920 um Ausrichtung einer Entschädigung in Anwendung von Art. 122, Absatz 3, der Militärstrafgerichtsordnung wegen angeblich unschuldig erlittener Untersuchungshaft hat das eidgenössische Militärdepartement durch Verfügung vom 2. Juni 1920 abgewiesen, weil die Massnahmen des Untersuchungsrichters als durch die Umstände gerechtfertigt erschienen. Der Bundesrat hat am 3. Dezember 1920 den Rekurs des Keller vom 29. September 1920 gegen die Verfügung des eidgenössischen Militärdepartementes aus dem gleichen Grunde abgewiesen.

II.

In Weiterziehung des bundesrätlichen Entscheides gelangt Keller mit Eingabe vom 3. Januar 1921 an die eidgenössischen Räte. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Behandlung seines Rekurses scheint Keller stillschweigend vorauszusetzen. Seine Eingabe enthält wenigstens keine Ausführungen, welche diese Zuständigkeit begründen sollen. Wir halten letztere für nicht gegeben und erachten es daher für wichtig, die Frage nach der formellen Seite vorerst zu prüfen.

III.

Wenn Keller seine Eingabe als staatsrechtliche Beschwerde auffassen will, so ist zu erwähnen, dass nach Art. 178, Ziffer l, und Art. 190 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege eine der Voraussetzungen des staatsrechtlichen Rekursverfahrens ist, dass der Rekurs gegen kantonale Ver-

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fügungen und Erlasse gerichtet ist. Diese Voraussetzung trifft in concreto nicht zu. Der angefochtene Beschluss des Bundesrates vom 3. Dezember 1920 hat daher nicht den Charakter eines Entscheides im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren ; er kann daher nicht nach Art. 192 des genannten Bundesgesetzes an die Bundesversammlung weitergezogen werden (vgl. Salis, Bundesrecht II, S. 5--8, Burkhardt, Kommentar zur Bundesverfassung, S. 743 ff., Berichte des Bundesrates 'vom 7. Juli 1913 und 10. September 1918 im Bundesblatt 1913 III S. 774 ff.

und 1918 IV S. 609/10).

Aber auch dann,_ wenn man die vorliegende Eingabe als verwaltungsrechtliche Beschwerde betrachtet, mangelt der Bundesversammlung die Kompetenz-zu deren Behandlung. Gegen die Beschlüsse des Bundesrates gibt es nur dann ein Rechtsmittel, wenn die Bundesgesetzgebung ein solches vorsieht (vgl. Bundesblatt 1911 V S. 329). Letzteres trifft im vorliegenden Falle nicht zu ; eine Weiterziehung ist daher nicht möglich. Die Praxis der Bundesversammlung war früher allerdings eine schwankende ; sie hat sich aber namentlich durch den grundsätzlichen Entscheid vom 30. Juni/4. Oktober 1905 in Sachen Spani dieser Auffassung angeschlossen, und ihre seitherige Praxis darf als feststehend betrachtet werden (vgl. Bundesblatt 1918 IV S. 609/10, 1914 I S. 398, 1913 III S. 774 ff., 1907 I 346/7, 1905 I 494 ff.; in allen diesen Fällen hat sie, in Übereinstimmung mit dem Antrage des Bundesrates, Nichteintreten beschlossen).

Im vorliegenden Falle kommt noch dazu, dass nach Art. 122, Absatz 3, Militärstrafgerichtsordnung die Zubilligung einer Entschädigung an den Beschuldigten im freien Ermessen des Bundesrates steht und daher in der Ablehnung einer solchen Entschädigung keine Rechtsverletzung liegen kann.

Bei dieser Sachlage erübrigt sich, auf die materielle Seite der Eingabe Kellers einzugehen.

Wir beantragen Ihnen daher, aus formellen Gründen auf die Eingabe Kellers nicht einzutreten.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 29. März 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u h d e s p r ä s i d e n t : Schulthess.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Rekurs des Karl Keller in Hohenems. (Vom 29. März 1921.)

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