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Bundesblatt

73. Jahrgang.

Bern, den 26. Oktober 1921.

Band IV.

Erscheint wöchentlich. Preis Franken im Jahr, FranTcen im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- una Postbestellungsgetinhr".

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu den Postulaten Seiler-Liestal und Weber-St. Gallen betreffend die Zinsfussverhältnisse im Hypothekarkredit und zum Postulat Nr. 887 betreffend Bereitstellung von Mitteln für Hypothekarkredite durch die Darlehenskasse der schweizerischen Eidgenossenschaft.

(Vom 25. Oktober 1921.)

Dem Bundesrat sind folgende drei Postulate, die sich alle auf den Hypothekarkredit beziehen, überwiesen worden: 1. Am 28. April 1920: «Der Bundesrat wird eingeladen, darüber Bericht zu erstatten, ob nicht die eidgenössische Darlehenskasse dem Hypothekarkredite Mittel zur Verfügung stellen solle.» 2. Am 10. Juni 1921, Postulat des Herrn Nationalrat Weber, St. Gallen : «Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht eine einheitliche Regelung der Zinsfussverhältnisse für Hypothekaranleihen in der ganzen Schweiz durchgeführt und ob nicht eventuell ein einheitliches Zinsfussmaximum festgesetzt werden sollte.» 3. Am 10. Juni 1921, Postulat des Herrn Nationalrat Seiler, Liestal: «Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht über die Zinsfussverhältnisse auf dem schweizerischen Kapitalmarkt umfassende Erhebungen zu machen seien, und beförderlichst darüber Bericht und Antrag einzureichen, wie für den Hypothekarkredit, insbesondere auf zweite Hypotheken, bessere Zinsfussverhältnisse geschaffen werden können.» Die drei Postulate stehen in engem Zusammenhang, sie verfolgen alle den gleichen Zweck, Herbeiführung besserer Verhältnisse für den Hypothekarkredit, weshalb es zweckmässig erscheint, sie gemeinsam in einem Bericht zu behandeln.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. IV.

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644 Wir haben mit der Prüfung der durch die Postulate aufgeworfenen Fragen unser Finanzdepartement betraut, welches der Lage des Hypothekarmarktes, im engen Einvernehmen mit der Leitung der Schweizerischen Nationalbank, schon vorher seine volle Aufmerksamkeit zugewandt hatte. So hatte das Finanzdepartement, im Einverständnis mit dem Postdepartement, bereits Ende Oktober 1920 von den bei der Bundeskasse in Depotrechnung angelegten Geldern aus dem Postcheck- und Giroverkehr eine Summe von vorläufig 30 Millionen Franken zur Förderung der Wohnbautätigkeit zur Verfügung gestellt. Es geschah dies in der Weise, dass Kantonalbanken und staatlich garantierten Hypothekarinstituten Depotgelder auf 8 oder 5 Jahre fest, zum Satze von 5% %, zur Verfügung gehalten wurden, um diese Institute soweit nötig instand zu setzen, Hypothekarkredite für Neubauten zu gewähren. Im Januar 1921 wurden weitere 20 Millionen und später noch 2% Millionen Franken zum gleichen Zwecke und zu den gleichen Bedingungen bereitgestellt, im ganzen also 52% Millionen Franken. Wir werden hiernach auf die mit dieser Massnahme gemachten Erfahrungen noch zu sprechen kommen.

Nachdem am 28. Dezember 1920 in einer engern Expertenkommission betreffend die Abänderung der Gläubigergemeinschaftsverordnung auch die Läge der Hypothekarbanken in der Schweiz eingehend besprochen worden war, lud das Finanzdepartement mit Rundschreiben vom 20. Januar 1921 die interessierten Kreise zu einer allgemeinen Aussprache in den Ständeratssaal ein. Es wurden eingeladen : 17 Hypothekarbanken, alle 25 Kantonalbanken, 6 Revisionsverbände, Vertreter der Schweizerischen Nationalbank, der Schweizerischen Bankiervereinigung, des Schweizerischen Städteverbandes, des Zentralverbandes schweizerischer Hausbesitzervereine und weitere Interessenten. Angesichts der vorauszusehenden grossen Teilnehmerzahl an der Konferenz erschienen gewisse vorbereitende Massnahmen notwendig, um die Aussprache von Anfang an auf die wichtigsten Punkte des Programms zu beschränken, weshalb die Eingeladenen gleichzeitig mit der Einladung um vorgängige Prüfung und Beantwortung folgender hauptsächlichster Programmpunkte ersucht wurden: 1. Ursachen der vermehrten Abhebung von Geldern sowie des Minderzuflusses neuer Gelder. In Aussicht zu nehmende Abwehrmassnahmen, insbesondere im Zusammenhang mit der Schaffung eines schweizerischen Pfandbriefes und der Heranziehung der eidgenössischen Darlehenskasse.

2. Zinsfussverhältnisse, Zinsfussmaximum.

645 Von der Mehrzahl der Angefragten gingen die Antworten so rechtzeitig ein, dass diese, zusammengestellt, als Diskussionsgrundlage der Konferenz vom 16. März 1921 dienen konnten.

Dem ersten Teil des Postulates des Herrn Nationalrat Seiler, Liestal : Erhebungen

über die Z i n s f u s s v e r h ä l t n i s s e schweizerischen K a p i t a l m a r k t

auf

dem

war damit, wenn auch nicht in der gewünschten umfassenden Weise, bereits Folge gegeben. Wir wollen uns zunächst über das Ergebnis der Umfrage bei den Bankinstituten und Interessenverbänden äussern, um später auf den Verlauf der mehrerwähnten Konferenz zurückzukommen.

Aus den Antworten ergibt sich, dass die Z i n s s ä t z e für fremde Gelder sehr verschieden sind. Der Zinsfuss für Obligationengelder wird angegeben mit 4 1/4--5 % für die Innerschweiz, 5--5% % f ur die Ost- und Nordschweiz und 5--6 % in der Westschweiz. Für Spargelder werden 4--5 % und für Kontokorrenteinlagen 8%--5 % vergütet. Notwendigerweise ergeben sich, je nach der Landesgegend, auch für die Hypothekarzinsen grosse Unterschiede. Es werden folgende Zahlen genannt: Urkantone und Wallis . . . . 4%--5 % Ostschweiz und Nordschweiz. . 5 --5 s/4 % Westschweiz 6 --6%% Die Festsetzung eines Maximalzinsfusses für Hypothekardarlehen auf eidgenössischem Bqden -- Postulat des Herrn Nationalrat Weber -- wird durchwegs abgelehnt, in der richtigen Erkenntnis, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Durchführung der Massnahme doch nicht vorhanden sind. Die vorstehenden Zahlen zeigen, dass schon die erstmalige Festsetzung auf grosse Schwierigkeiten stossen würde. .Gestützt auf die in den Kantonen mit dem Maximalzinsfuss gemachten Erfahrungen wird nachgewiesen, dass dem Hypothekargeschäft im allgemeinen und den Hypothekarschuldnern im besondern durch eine solche wirtschaftswidrige Massnahme ein sehr schlechter Dienst erwiesen würde.

Mit Bezug auf die anzuwendenden Mittel zur Herbeiführung besserer Verhältnisse auf dem Hypothekarmarkt wurden im übrigen die verschiedensten Vorschläge gemacht, was wiederum beweist, wie ungleich die Verhältnisse von Kanton zu Kanton oder gar von Eayon zu Eayon sind. Das Mittel der Erhöhung des Zinssatzes für fremde Gelder, um diese anzuziehen, ist sozusagen überall schon zur Anwen-

646 düng gelangt, zum Teil bis zur zulässigen Höchstgrenze. Jede Steigerung der Passivzinse bedingt notwendigerweise eine entsprechende Erhöhung der Aktivzinse, und letztere hat Kücksicht zu nehmen auf die Leistungsfähigkeit des Hypothekarschuldners. Weitere Vorschläge verlangen Abmachungen der Banken untereinander über die anzuwendenden maximalen Zinssätze, um Überbietungen zu vermeiden. Hierzu ist zu sagen, dass eine einheitliche Norm wohl nur auf kantonalem Boden oder sogar nur innerhalb beschränkter Eayons möglich sein dürfte. Es darf jedoch festgestellt werden, dass von einzelnen Eevisionsverbänden mit solchen Zinsfusskonventionen trotz aller Schwierigkeiten anerkennenswerte Erfolge erzielt wurden.

Wir müssen es uns versagen, hier sämtliche vorgebrachten Sänierungsvorschläge zu besprechen; die bezüglichen-Akten werden zur Verfügung Ihrer Kommissionen gehalten. Als einziges, allgemein wirksames Mittel zur Erleichterung der Lage wurde von der Mehrzahl der antwortenden Institute die Heranziehung der eidgenössischen

Darlehenskasse

bezeichnet. Aber auch da gingen die Vorschläge weit auseinander.

Während die einen einzig eine entgegenkommendere Handhabung der bestehenden Geschäftsbestimmungen wünschten und damit auszukommen glaubten, wurde von anderer Seite eine Änderung des Kassenstatuts postuliert. -Die Darlehenskasse müsse instand gesetzt werden, Vorschüsse für Hypothekarzwecke in grösserm Ausmass für mindestens l--3 Jahre zu gewähren.

Wie bereits erwähnt, dienten die vorstehend in gedrängter Kürze besprochenen Meinungsäusserungen als Diskussionsgrundlage für die Konferenz vom 16. März 1921 im Ständeratssaal, was gestattete, das Problem allseitig zu erörtern. Die Verhandlungen brachten jedoch nicht viel Neues, und auch hier wurde an erster Stelle die Heranziehung der Darlehenskasse gefordert als einziges Mittel, das rasche und sichere Hilfe bringen könne. Mehrfach wurde auch der Einführung des eidgenössischen Pfandbriefes das Wort geredet, wobei jedoch die Meinung vorherrschte, dass der gegenwärtige Zeitpunkt sich hierfür nicht eigne, dass aber die Vorarbeiten jetzt weitergeführt und zum Abschluss gebracht werden sollten.

Im Anschluss an die Konferenz und auf deren grundsätzlichen Beschluss betraute das Pinanzdepartement eine Kommission von 11 Mitgliedern mit der nähern Prüfung des ganzen Fragenkomplexes.

Neben der Hauptaufgabe: «Prüfung der Frage der Intervention der Darlehenskasse zu gunsten des Hypothekarkredits» wurden der

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Kommission noch folgende Aufgaben gestellt : «Prüfung der Pfandbrieffrage» und «Festsetzung des Ziiisfusses, sei es durch den Staat oder durch Abkommen unter den Banken, zur Vermeidung der Konkurrenz und Verteuerung der fremden Gelder».

Die Kommission hat das Ergebnis ihrer Beratungen in einem Bericht an den Chef des eidgenössischen Finanzdepartementes, vom 10..Mai 1921, niedergelegt. Sie hat vorerst die Bedürfnisfrage einer erneuten Prüfung unterzogen und gelangte zu deren Bejahung.

Eine gewisse Erleichterung am Geld- und Kapitalmarkt könne zwar festgestellt werden; diese komme aber dem Hypothekarwesen noch kaum merklich zugute. Die Kommission hat sodann die an der Hypothekarkonferenz vom 16. März 1921 mehrheitlich zum Ausdruck gekommene Auffassung, wonach rasche und sichere Hilfe für das Hypothekarwesen einzig durch eine Intervention der Darlehenskasse erreicht werden könne, zu der ihrigen gemacht. Die Hauptpunkte ihrer Vorschläge an das Finanzdepartement, betreffend Ergänzung des. BEB, vom 9. September 1914 über die Darlehenskasse der schweizerischen Eidgenossenschaft lauteten wie folgt : 1. «Die Darlehenskasse stellt sich in vermehrtem Masse für den Hypothekarkredit zur Verfügung, wobei die Finanzierung zunächst in bisheriger Weise durch Darlehenskassenscheine erfolgen soll. Dabei ist, wenn es die Umstände erlauben, eine Geldaufnahme seitens der Darlehenskasse durch Ausgabe von -Kassenobligationen und Anleihen und Kückdiskontierung von Wechseln zu ermöglichen und ins Auge zu fassen. Die Darlehenskasse soll selbst keine Pfandbriefe ausgeben.» 2. «Die bisherigen Geschäfte der Darlehenskasse sollen in gleicher Weise fortgeführt werden können neben den besondern Vorschüssen für Hypothekarzwecke.» 3. «Die Vorschüsse für Hypothekarzwecke sollen auf 2 Jahre fest gegeben werden mit nachheriger 6-monatiger Kündigungsfrist.» 4. «Die Abgabe der Darlehen erfolgt gegen Schuldschein mit Faustpfandverschreibung, wobei auf Ausstellung von Eigenwechseln verzichtet wird.» 5. «Der Zinsfuss bleibt unabhängig von demjenigen für kurzfristige Vorschüsse und soll in der Begel für ein Jahr zum voraus festgesetzt werden.» 6. «Die Darlehen für das Hypothekarwesen sollen auf den Kreis der am Hypothekargeschäft interessierten Institute beschränkt bleiben.»

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7. «Der Gegenwert der Vorschüsse darf nur für Hypothekarzwecke dienen. Der von den Darlehensnehmern ihren Schuldnern berechnete Zinsfuss soll denjenigen der Darlehenskasse um höchstens % % übersteigen.» 8. «Es soll die Möglichkeit des Übergangs in die Pfandbriefanstalt gewahrt bleiben.» 9. «Der Gewinn aus der Notenemission soll für die spätere Schaffung des zentralen Pfandbriefes zurückgelegt werden.» Den übrigen Programmpunkten «Pfandbrieffrage» und «Zinsfussmaximum» hat die Kommission eine eingehende materielle Behandlung nicht angedeihen lassen. Sie äussert sich in ihrem Bericht an das Finanzdepartement folgendermassen : «Was den erstem Punkt anbelangt, möchte die Kommission den erhaltenen Auftrag in Ihre Hände zurücklegen in der Erwägung, dass sie sich nicht für die richtige Instanz hält zur Behandlung der weitschichtigen Frage des Pfandbriefes, worüber bereits ein ausführliches Expertengutachten vorliegt, dessen Verfasser bei weitem Vorgehen zum mindestens mitzuberücksichtigen wären. Sie beschränkt sich darauf, zu erklären, dass sie die Vorbereitung des Pfandbriefes zur Einführung im geeigneten Moment für angezeigt erachtet, und begrüsst weitere Schritte Ihres Departementes in dieser Eichtung.

Über die Festsetzung des Zinsfusses konnte angesichts der vorgerückten Zeit nicht mehr diskutiert werden, weshalb eine Meinungsäusserung der Kommission über diesen Punkt nicht vorliegt. Der unterzeichnete Präsident erlaubt sich diesbezüglich zu bemerken, dass die Kommission bezüglich der staatlichen Zinsfestsetzung wohl einerseits zu keiner andern Meinungsäusserung kommen würde als die Mehrheit der in der Konferenz vom 16. März vertretenen Banken, und dass ihr anderseits für die Diskussion eines Abkommens unter den Banken für Festsetzung eines einheitlichen Zinsfusses die erforderliche breite Unterlage fehlen dürfte.

Da die Heranziehung der Darlehenskasse für den Hypothekarkredit zweifellos die praktisch wichtigste Frage bedeutet, mit der sich die Kommission zu befassen hat, betrachtet sie ihre Aufgabe mit der Überreichung beiliegenden Vorschlages als erfüllt.» Dem ausdrücklichen Wunsche der Kommission entsprechend, wurde ihr vorstehend erwähnter Bericht vorerst den Behörden der Nationalbank und der Darlehenskasse zur Kenntnis und Meinungsäusserung zugestellt. Letztere ist dem Finanzdepartement mit Brief des Direktoriums vom 2. Juni 1921 zugegangen. Sie lautet dahin, dass sich die Leitung der Nationalbank und der Darlehens-

649 kasse entschieden gegen eine Finanzierung des Hypothekarkredits auf dem Wege der Notenausgabe aussprechen.. Damit solle keineswegs erklärt werden, dass nicht auch weiterhin seitens der Darlehenskasse Kredite an Hypothekarinstitute zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebes oder an Hypothekarschuldner zur vorübergehenden Erleichterung der Placierung von Hypotheken und der Ermöglichung von Bauten oder Liegenschaftsankäufen zu gewähren seien. Es wird im Gegenteil mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass es gerade Aufgabe der Darlehenskasse sei, in solchen Zwangslagen einzuspringen und temporäre Hilfe zu gewähren. Im Bericht der Nationalbank wird sodann darauf hingewiesen, dass in der Zwischenzeit nach mehr als einer Eichtung Erleichterung eingetreten sei. Die Stagnation in Handel und Industrie drücke den Zinssatz auf dem Geldmarkt andauernd weiter herunter, so dass aus dem Beservoir des Geldmarktes nicht geringe Beträge in jenes des Kapitalmarktes übergehen. Weiter komme hinzu, dass der Eückzug des fremden Silbers im ersten Quartal des Jahres mehr als 50 Millionen Franken Silber den Banken als Anlage gebracht hat, indem die zirka 100 Millionen Franken, die an Fünffrankenstücken abgeliefert wurden, nur zur Hälfte durch Noten ersetzt werden mussten. Gerade den Kantonalbanken und den rein ländlichen Hypothekarinstituten seien ansehnliche Beträge thesaurierten Silbers neben beträchtlichen Ersparnissen zugegangen, womit ein weiterer Faktor der Verbesserung der Lage gegeben seit Das Finanzdepartement hat der Elferkommission unterm 8. Juni 1921 von der Stellungnahme, welche die Leitung der Nationalbank und der Darlehenskasse zu ihren Vorschlägen vom 10. Mai 1921 einnimmt, Kenntnis gegeben und sie um neuerliche Prüfung und Meinungsäusserung ersucht. Die Kommission gelangt in der Folge zu nachstehenden Schlüssen, die sie unterm 18. August 1921 durch ihren Präsidenten dem Finanzdepartement zur Kenntnis bringen liess: «Die von der Kommission vorgeschlagene Massnahme ist eine aussergewöhnliche, die sich im Moment der Beratungen aus ·der ungewöhnlich schwierigen Lage, in der sich der Hypothekarkredit befand, rechtfertigen liess. Heute, wo eine gewisse Entspannung am Markte zweifellos eingetreten ist, fragt es sich, ob die Êechtfertigung noch in gleichem Masse besteht. Nachdem sich ausserdem noch die Nationalbank
mit aller Deutlichkeit gegen den Entwurf ausgesprochen hat, glaubt die Kommission im gegenwärtigen Moment nicht mehr mit dem gleichen Nachdruck darauf bestehen zu können. Sie gibt aber erneut der Hoffnung Ausdruck, es möchte die Nationalbank, soweit sie selbst in Frage kommt, insbesondere dann aber die Darlehenskasse in allen an sie herantretenden Fällen, wo es sich um Erleichterung auf dem Gebiet des

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Hypothekarwesens handelt, eine large Praxis zur Anwendung bringen». Der Bericht schliesst mit der Feststellung, dass die Besserung inzwischen .doch gewisse Fort schritte gemacht habe, so dass ein Eingreifen vorläufig nicht in Frage kommen dürfte.

Bndlich möchten wir noch auf den G eschäftsberichf der Darlehenskasse für die Zeit vom 1. Juli 1920 bis 30. Juni 1921 hinweisen, wo die Zentralverwaltung zu den besprochenen Fragen ebenfalls Stellung nimmt. Der Bericht führt u. a. aus: «Nachdem dann inzwischen auf dem Geldmarkte eine starke Entspannung sich einstellte und auch auf dem Kapitalmärkte vermehrte Anzeichen einer Besserung sich geltend machten, und da insbesondere auch die Wohnungsnot in ihrer akuten Schärfe erheblich nachgelassen, verloren diese Postulate an Dringlichkeit und absoluter Notwendigkeit ihrer Verwirklichung; von ihrer weitern Verfolgung wurde deshalb vorläufig Umgang genommen.» Der Bundesrat hat Geschäftsbericht und Eechnung der Darlehenskasse am 20. September 1921 genehmigt mit dem Wunsch an deren Leitung, dass sie in allen an sie herantretenden Fällen, wo es sich .um Erleichterung der Kapitalbeschaffung im allgemeinen und auf dem Gebiet des Hypothekarwesens im besondern handelt, ein weitgehendes Entgegenkommen zur Anwendung bringe.

' Seit der Abfassung der vorstehend besprochenen Berichte hat die Entspannung auf dem Kapitalmarkt noch merkliche Fortschritte gemacht. Das Bedürfnis liegt heute mehr in der Eichtung nach billigem Gelde, und da muss der Hypothekenmarkt notgedrungen den allgemeinen Verhältnissen auf dem Geldmarkt folgen. Aber auch bezüglich der Zinsfussverhältnisse ist inzwischen eine Erleichterung eingetreten. Die Darlehenskasse hat den Zinsfuss für Vorschüsse am 11. August 1921 auf 4% % und die Nationalbank den Diskontosatz auf 4 % heruntergesetzt.

Bezeichnend für die Lage ist die Tatsache, dass von den Ende 1920 und anfangs 1921 zum Zinssatz von 5% % zur Verfügung gestellten Geldern aus dem Postcheckverkehr von zusammen 52% Millionen Franken bisher nur Fr, 25,100,000 abgehoben wurden.

Fr. 19,400,000 bleiben auf ausdrücklichen Wunsch der betreffenden Bankinstitute bis auf weiteres noch reserviert, während auf die restlichen Fr. 8,000,000 endgültig verzichtet wurde.

In diesem Zusammenhange darf auch auf das Zeichnungsergebnis des letzten 5% % Anleihens des Kantons Waadt hingewiesen werden,, das ebenfalls auf eine grössere Flüssigkeit des Finanzmarktes schliessen lässt.

651 Wir halten deshalb dafür, dass heute ein eigentliches Bedürfnisfür gesetzgeberische Massnahmen auf dem Gebiete des Hypothekarwesens im Sinne der vorliegenden Postulate nicht mehr besteht.

Mit der Elferkommission erachten wir es jedoch als angezeigt, die Lage stetsfort im Auge zu behalten, damit bei neuerdings eintretenden Schwierigkeiten raschestens Hilfsmassnahmen ergriffen werden könnten.

Die drei Postulate, zu denen wir in diesem Bericht Stellung genommen haben, stehen in engem Zusammenhange mit dem Postulat Nr. 799 «Einführung der Pfandbriefe», das sich noch im Stadium der Vorstudien befindet. Bekanntlich ist vom Verband schweizerischer Kantonalbanken seinerzeit die Verschiebung der Weiterbehandlung der bundesgesetzlichen Eegelung des Pfandbriefwesens verlangt worden. Der hierüber von den Verfassern des Gutachtens zur Frage der bundesgesetzlichen Eegelung des .Pfandbriefwesens einverlangte Ergänzungsbericht steht noch aus. Wir sind mit dem von verschiedenen Seiten geäusserten Wunsche, dass die Vorarbeiten für die Schaffung des Pfandbriefes jetzt weitergeführt werden sollen, einverstanden. Die betreffende Gesetzesvorlage soll nun mit tunlichster Beförderung vorbereitet werden, damit im gegebenen Zeitpunkt der Einführung des Pfandbriefes keine Hindernisse im Wege stehen.

Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen: 1. es sei von diesem Bericht in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen; 2. es sei den drei Postulaten betreffend das Hypothekarwesen zurzeit keine weitere Folge zu geben.

Wir benützen diesen Anlass, um Sie unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 25. Oktober 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Haab.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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1921

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26.10.1921

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