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Kreisschreiben des

Bundesrates an die Regierungen der Kantone betreffend die Prüfung der Eignung von Personen, die sich um das Schweizerbürgerrecht bewerben.

(Vom 2. Dezember 1921.)

Getreue, liebe Eidgenossen l Die öffentliche Meinung unseres Landes legt mit Recht Gewicht darauf, dass die Bewerber um die schweizerische Staatsangehörigkeit einer sorgfaltigen Prüfung unterstellt werden, bevor ihnen die bundesrätliche Bewilligung zur Erwerbung eines Kantons- und Gemeindebürgerrechts erteilt wird. Diese Prüfung soll sich gemäss Art. 2 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1903 über die Erwerbung des Schweizerbürgerrechts sowohl auf die Beziehungen des Bewerbers zu dem bisherigen Heimatstaate als auf dessen sonstige persönliche und Familienverhältnisse erstrecken..

Über allfällige Vorstrafen des Bewerbers in der Schweiz, gibt jeweilen das Zentralstrafenregister sichern Aufschluss; leider ist es nach dem Stande der ausländischen Gesetzgebungen nicht möglich, über die Einbürgorungskandidaten regel mässig Strafregisterauszüge des Heimatstaates beizubringen.

Die Prüfung darf sich aber nicht auf die Nachforschung nach strafrechtlichen und polizeilichen Vorstrafen beschränken, sondern soll die gesamte Lebensführung des Bewerbers an den schweizerischen Wohnorten, wo er seit seiner Einwanderung ansässig war, ins Auge fassen. Es muss insbesondere auch der Frage Aufmerksamkeit geschenkt werden, ob der Bewerber den schweizerischen Verhältnissen und Anschauungen assimiliert ist oder sich zur Assimilation eignet, wobei ebensowohl auf die persönlichen als auf die ethnischen Faktoren Gewicht zu legen ist.

Wie Ihnen bekannt ist, werden von uns die Informationen über die Einbürgerungskandidaten durch Vermittlung der Bundesanwaltschaft eingeholt, die sich zu diesem Behufe an die kantonalen Polizeidirektionen wendet. Die eingehenden Antworten-.

17» sind nun aber oft zu unbestimmt und so allgemein gehalten, das» sie den Bundesbehörden nicht ermöglichen, sich über den Kandidaten ein sicheres Urteil zu bilden ; die Frage, ob der Bewerber seiner Herkunft nach sich zur Anpassung an unsere schweizerische Eigenart eigne, bleibt vielfach unbeantwortet. Einzelne Kantonebegnügen sich damit, den Bericht eines untergeordneten Polizeiorgans einzusenden, wobei die kantonale Polizeibehörde sich jeder eigenen Ansichtsäusserung über dea Kandidaten enthält.

Diese Verhältnisse veranlassen uns, Ihneu den dringenden Wunsch auszusprechen, es möchten die kantonalen Polizeibehörden den Erhebungen über die Ausländer, die sich um das Schweizerbürgerrecht bewerben, vermehrte Aufmerksamkeit schenken. Esist für unser Land -- für die Gesamtheit sowohl, als namentlich auch für den Kanton und die Gemeinde, wo die Einbürgerung erfolgen soll -- von höchster Wichtigkeit, dass keine Elementezum Bürgerrecht zugelassen werden, deren Vorleben nicht intakt ist oder die vermöge ihres Kulturstandes und ihrer ethnischen Eigenschaften in unserm Volkstum als Fremdkörper erscheinen müssten. Wir legen besonders Wert darauf, dass über die Eignung jedes Bewerbers von der zuständigen Regierungsdirektion des Kantons, wo derselbe wohnt, ein Urteil abgegeben werde ; e» wird dies die kantonalen Oberbehörden veranlassen, allfällig ungenügende Informationen, die ihnen von den untern Organen zugehen, in geeigneter Weise vervollständigen zu lassen.

Falls Sie uns nichts anderes berichten, glauben wir annehmen zu dürfen, dass die Anfragen betreffend die Eignung der Einbürgerungsbewerber, wie bisher, an Ihre kantonale Polizeidirektion zu leiten und von dieser zu beantworten sind.

Indem wir gerne erwarten, dass Sie unsern Bemühungen,, die Bewerber um das Schweizerbürgerrecht einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, volles Interesse entgegenbringen werden, benützen wir den Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 2. Dezember 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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Kreisschreiben des Bundesrates an die Regierungen der Kantone betreffend die Prüfung der Eignung von Personen, die sich um das Schweizerbürgerrecht bewerben. (Vom 2.

Dezember 1921.)

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1921

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07.12.1921

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178-179

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