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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des J. Erni, Tramführers der kantonalen Straßenbahnen in Basel.

(Vom 18. Oktober 1901.)

Tit.

Am 26. Februar 1901, abends, stießen an der Allschwylerstraße in Basel zwei Straßenbahnwagen zusammen, von denen der eine durch den Petenten Erni bedient wurde, der andere durch den Tramführer Karl Känzig. Die beiden Fahrzeuge bewegten sich auf dem nämlichen Geleise in normaler Fahrgeschwindigkeit gegen einander und es wäre, wie vom Polizeigerichte als erster Instanz in den Urteilserwägungen ausdrücklich festgestellt wird, jedem der Führer bei gehöriger Aufmerksamkeit möglich -gewesen, die Gefahr des Zusammenstoßes rechtzeitig zu entdecken und zu vermeiden, da ungeachtet einer Kurve der Fahrbahn die Wagen auf 90 Meter Distanz gegenseitig sichtbar blieben. Von den Gerichten erster und zweiter Instanz, wurde angenommen, die Schuld an dem Zusammenstoß liege in mangelhafter Beobachtung der Fahrstraße durch die Tramführer, die angenommen hätten, ihre Fahrzeuge bewegen sich auf verschiedenen Geleisen.

Die Folgen des Unfalles waren körperliche Verletzungen der Billeteure und der Führer beider Wagen, ferner ein Materialschaden von Fr. 830.

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Das Polizeigericht erklärte sowohl Erni als Känzig der fahrlässigen Eisenbahngefährdung schuldig und verurteilte jeden derselben zu einer Strafe von l Tag Gefängnis und Fr. 10 Geldbuße mit folgender Begründung hinsichtlich des Strafmaßes: ,,Bei der Strafzumessung fällt in Betracht, daß das Verschulden der Angeklagten nicht gering ist und daß verschiedene Verletzungen und ein großer Schaden aus demselben resultieren, andererseits daß beide Angeklagten bisher gut beleumdet sind und auch dienstlich ein gutes Zeugnis erhalten."

Erni appellierte gegen das polizeigerichtliche Urteil an das Strafgericht. Das letztere bestätigte indessen den Vorentscheid aus den von der ersten Instanz angeführten Gründen. Nunmehr ersucht Erni um gnadenweisen Erlaß der ganzen Strafe, eventuell wenigstens der Gefängnisstrafe.

Der Mitverurteilte Känzig hat gegen das Urteil des Polizeigerichtes nicht appelliert und auch kein Begnadigungsgesuch gestellt.

Erni wurde von den zuständigen Gerichtsbehörden des Vergehens der fahrlässigen Eisenbahngefährdung schuldig erklärt und es liegt jedenfalls kein Grund vor, die ihm auferlegte Strafe im Wege der Begnadigung g ä n z l i c h aufzuheben. Das Bundesgesetz, welches der Richter anzuwenden hatte, schreibt apodiktisch vor, daß, wer das genannte Delikt begangen, in gewöhnlichen Fällen mit Gefängnis bis auf ein Jahr, verbunden mit Geldbuße, und, wenn ein beträchtlicher Schaden entstanden, mit Gefängnis bis auf drei Jahre und mit Geldbuße zu bestrafen sei. In den Erwägungen des Polizeigerichtes wird der durch den Zusammenstoß der beiden Tramwagen verursachte Materialschaden ausdrücklich als ein großer taxiert, so daß es sich fragen dürfte, ob nicht nach der Ansicht dieses Gerichtes der Fall als ein besonders schwerer zu erachten wäre. Immerhin ist zu bedenken, daß die Folgen von Unfällen auf gewöhnlichen Eisenbahnen hinsichtlich des Schadens an Rollmaterial, Gütern und Geleisen zumeist noch von weit höherem Belange zu sein pflegen als diejenigen dieses Tramunfalles.

Die Bundesversammlung hat in neuerer Zeit mehrfach den Begnadigungsgesuchen solcher Personen, die wegen fahrlässiger Eisenbahngefährdung zu Gefängnis und Geldbuße verurteilt worden waren, wenigstens darin entsprochen, daß die Freiheitsstrafe erlassen wurde und es liegt ein Entwurf des Bundesrates in Beratung, durch welchen mittelst Revision des Art. 67 b des Bundesstrafreehtes dem urteilenden Richter die Möglichkeit gegeben

412 werden soll, dieses Vergehen bloß mit Geldbuße zu bestrafen.

Immerhin soll auch nach der Revision des Gesetzes Gefängnisstrafe nicht ausgeschlossen werden und sollte stets auf die Umstände des einzelnen Falles Rücksicht genommen und nicht aus dem Auge verloren werden, daß es sich beim Eisenbahnbetrieb um ganz besonders schwere Gefährdung von Menschen und von Eigentum handelt. Jedenfalls dürfte es nicht angehen, dann eine Milderung der Strafe wirklich Schuldiger eintreten zu lassen, wenn dadurch die Sühne für eiu solches Vergehen auf das Maß einer bloßen leichten Ordnungsbuße reduziert würde. Dies wäre aber für Erni der Fall bei Aufhebung der mit nur Fr. 10 Geldbuße verbundenen eintägigen Gefängnisstrafe. Zudem läge in einer solchen Abänderung des Urteils der Basler Gerichte eine durchaus ungerechtfertigte Besserstellung dieses einen Schuldigen gegenüber dem Karl Känzig, welcher die ihm auferlegte ganz gleiche Strafe anerkannt und weder gegen das Urteil des Polizeigerichtes appelliert noch um Begnadigung nachgesucht hat.

Wir stellen deshalb bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei das Begnadigungsgesuch des J. Erni abzuweisen.

B e r n , den 18. Oktober 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Rudolf Bärtschi, Schreiners in Oppligen (Kanton Bern).

(Vom 18. Oktober 1901.)

Tit.

« Petent wurde am 16. August dieses Jahres in Wangen (Kanton Bern) betroffen, als er bei Privatpersonen Bestellungen auf hausrätliche Gegenstände (Möbel) aufnehmen wollte. Da er nicht im Besitze einer Taxkarte im Sinne des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden war, erfolgte seine Vorzeigung wegen Übertretung dieses Gesetzes und die bernischen Gerichte verurteilten ihn erst- und zweitinstanzlich zu Fr. 50 Geldbuße und Tragung der Kosten.

Bärtschi ersucht um gnadenweisen Erlaß von Buße und Kosten. Er bestreitet, daß das erwähnte Bundesgesetz mit Grund gegen ihn zur Anwendung gebracht worden sei und macht ferner geltend, er befinde sich gegenwärtig in solcher ökonomischer Bedrängnis, daß er die Beträge nicht bezahlen könne, die ihm durch die Gerichtsurteile auferlegt worden seien. Von Seiten der Regierung des Kantons Bern wird auf Anfrage bestätigt, daß die ökonomischen Verhältnisse Bärtschis ganz ungünstige seien, er versteure an seinem Wohnorte Oppligen weder Vermögen noch Erwerb.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des J. Erni, Tramführers der kantonalen Straßenbahnen in Basel. (Vom 18. Oktober 1901.)

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23.10.1901

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