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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 4. April 1921, um 18 Uhr, zur Fortsetzung der Februartagung zusammengetreten.

Im Nationalrate hielt bei der Sessionseröffnung Herr Vizepräsident Müller folgende Ansprache: Bevor ich die Verhandlungen unseres Rates eröffne, habe ich einer Ehrenpflicht zu genügen durch den Nachruf an einen Kollegen, der uns vorzeitig durch den Tod entrissen wurde.

Am 17. März starb G u s t a v B e t t e x . Wohl erschien seine Gesundheit vor einigen Jahren als erschüttert, aber er hatte sich wieder so vollständig erholt, dass die plötzlich eintretende schwere Erkrankung, die von einem Tage auf den andern zum Tode führte, seine Angehörigen wie ein Blitz aus heiterm Himmel traf.

Gebürtig aus Combremont-le-Petit, geboren 1868 in Lausanne,machte er seine Schulstudien am Collège Cantonal und am Gymnasium in Basel, war nach Absolvierung seiner Ausbildung drei Jahre Lehrer und hat seit 31 Jahren das ,,Feuille d'Avis de Montreux" redigiert.

Seine Neigungen führten ihn früh ins öffentliche Leben.

Seine .Befähigung, seine Arbeitskraft und sein ganzes Wesen Hessen. ihn in rascher Folge in eine Reihe wichtiger Beamtungen in der Gemeinde, im Bezirk und im Kanton gelangen.

Seit dem März 1917 vertrat er den Bezirk Montreux im Grossen Rat seines Kantons, und von Anfang an machten ihn seine Eigenschaften zu einem der Führer seiner Partei und zu einem gerne gehörten Redner des Rates und führten zu seiner Wahl in den Nationalrat.

Er unterlag zwei Jahre später bei der ersten Anwendung der Proportionalwahl mit wenigen Stimmen, nahm aber einige Wochen später als Nachfolger des zum Bundesrat gewählten Herrn Chuard seinen Platz im Nationalrat wieder ein. Hier war er ein überzeugter und überzeugender Vertreter der Hotelindustrie und nahm in hervorragender Weise auch in andern Fragen an den Beratungen teil, so 1920 als Referent über das eidgenössische Arbeitsamt. Auch war er bestimmt, in der Frage des Couponssteuergesetzes die Kommission zu vertreten, wie ihn auch das Vertrauen des Bundesrates in die Rekurskommission für die Kriegsgewinnsteuer berief.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. I.

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Aber seine literarischen Neigungen führten ihn immer wieder aur schrifstellerischen Tätigkeit zurück, und zahlreiche Broschüren wie die über ,,Montreux1*, über ,,Die schweizerischen Alpen in der Kunst und Literatur" u. a. zeigten seinen feinsinnigen 'Geist.

Bettex war kein militanter Politiker, aber die grosseri Momente des politischen Lebens fanden ihn stets auf seinem Posten, immer bereit, mit dem Einsatz seiner Persönlichkeit für seine Überzeugungen einzustehen, und ehrend gedenken wir heute des dahingeschiedenen Kollegen.

Aber während hier der unerbittliche Tod mit rascher, und rauher Hand sein Opfer aus den Reihen unseres Rates herausgriff, riss er wenige Wochen vorher in dem höchsten. Gericht unseres Landes eine schmerzlich empfundene Lücke, nur dass er hier als Erlöser gekommen ist und nach langer schwerer Krankheit ein hoffnungslos gewordenes Leiden sanft beendigt hat. Die sterbliche Hülle von Bundesrichter Dr. E m i l S c h u r t e r wurde am 24. Februar im Krematorium in Bern den Flammen.übergeben. Emil Schurter, geb. 1864, durchlief die Schulen Zürichs, studierte an den Universitäten von Zürich, Heidelberg, Berlin und Rom die Rechte und schloss sie mit einer Dissertation über die Grundzüge des materiellen Beweisrechtes erfolgreich ab. Er praktizierte einige Jahre als Rechtsanwalt in Zürich, trat aber 1899 ins zürcherische Obergericht, und bereits im Dezember 1904 erfolgte seine Wahl ins Bundesgericht, wo er der staatsrechtlichen Abteilung zugeteilt wurde. Alle Eigenschaften, die schon den jungen Juristen auszeichneten, die Beherrschung des Stoffes, die gründliche Bildung, die grosse Belesenheit und Vertrautheit mit der Literatur und Rechtsprechung befähigten ihn, der bisher ausschliesslich auf dem Gebiete des Zivilrechts gearbeitet hatte, sich rasch und gründlich auch in das öffentliche Recht einzuarbeiten, und während Jahren widmete er seine Ferien den Vorarbeiten für einen einheitlichen schweizerischen Zivilprozess, die er im Auftrage des schweizerischen Juristen Vereins übernommen hatte.

Aber seine geistigen Interessen erschöpften sich nicht in der Fachwissenschaft. Neben der Musik, die er gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Reichel betrieb, war seine 'eigentliche Erholung die liebevolle Versenkung ia das Studium der Sprachen. Die Landessprachen waren ihm in Wort und Schrift
geläufig, und seine Gründlichkeit liess ihn an sämtliche andern Kultursprachen so herantreten, dass er ihren Geist ebenso erfasste wie ihre Literatur. Dabei blieb der vielseitig begabte · und

573 geistig glänzend ausgerüstete Mann immer eine einfache schlichte Natur, Feind jeder Pose und Phrase.

Einem reichen Leben wurde ein viel zu frühes Ziel gesetzt.

Ein hochbetagter Vater betrauert seinen Sohn, und das Bundesgericht hat an ihm ein Mitglied von gewaltiger Arbeitskraft und umfassendem Wissen und Können verloren.

Ich ersuche die Mitglieder des Rates, sich zu Ehren der Verstorbenen von ihren Sitzen zu erheben.

Im Ständerate widmete Herr Präsident Dr. Baumann den beiden Verstorbenen ebenfalls einen warmen Nachruf.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 29. März 1921.)

Am 23. März 1921 hat der niederländische Gesandte dem Bundespräsidenten die Urkunde übermittelt, durch welche die Königin der Niederlande das in Bern am 30. Juni 1920 abgeschlossene Abkommen zur Erhaltung oder Wiederherstellung durch den Weltkrieg geschädigter gewerblicher Eigentumsrechte ratifiziert hat.

Die niederländische Ratifikationsurkunde ist im eidgenössischen Bundesarchiv hinterlegt worden.

(Vom 30. März 1921.)

Der zwischen den Kantonen St. Gallen und Appenzell A.-Rh.

abgeschlossenen Übereinkunft betreffend die Fischerei in den Grenzgewässern, vom 4./7. März 1921, wird die Genehmigung erteilt.

(Vom 31. März 1921.)

Gemäss einer Mitteilung der spanischen Gesandtschaft in Bern werden die Kantone inskünftig den verschiedenen spanischen Konsularbezirken in der Schweiz wie folgt zugeteilt: Konsularbezirk Genf: die Kantone Genf, Waadt, Neuenburg, Freiburg, Wallis und Tessin.

Konsularbezirk Basel : die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Solothurn und Aargau.

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Schweizerische Bundesversammlung.

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1921

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14

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06.04.1921

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571-573

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