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XVII. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914, 3. April 1919 und 19. Oktober 1921 getroffenen Massnahmen.

(Vom

28. Oktober 1921.)

Wir beehren uns, Ihnen im nachstehenden über die von uns vom 16. April 1921 bis zum 1. November 1921 auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914*), 3. April 1919**) und 19. Oktober 1921***) getroffenen Massnahmen Bericht zu erstatten.

Departement des Innern.

Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

1. T o r f v e r s o r g u n g . Auf den I.April 1921 sind alle Notverordnungen betreffend Torfausbeutung und Handel mit Torf ausser Kraft gesetzt worden mit Ausnahme der Departementsverfügung vom 15. Juni 1920 betreffend die Einfuhr von ausländischem Brenntorf. Durch Verfügung des eidgenössischen Departements des Innern vom 20. Juli 1921 konnte auch dieser Erlass noch aufgehoben werden, da von einer den Absatz unseres einheimischen Produktes schädigenden Konkurrenz durch aus-, ländischen Brenntorf heute nicht mehr die Rede sein kann.

Durch Bundesbeschluss vom 15. April 1921 betreffend die Verbilligung von Kohle und Torf wurde dem Bundesrat u. a. ein Kredit von Fr. 1,200,000 eröffnet zur Verbilligung der Torfvorräte (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 12. März 1921 betreffend die Verbilligung von Kohlen und Torf, Abschnitt VI).

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXX, S. 347.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 255.

***) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 741.

815 Im Bundesratsbeschluss vom 6. Mai 1921 betreffend die Verbilligung von Torf wurden die Bedingungen der Zuschussberechtigung festgesetzt und das eidgenössische Departement des Innern zur Durchführung der Verbilligungsaktion ermächtigt. Die Bestandesaufnahme und nachfolgende Kontrolle ergab insgesamt einen zuschussberechtigten Bestand von 38,943 Tonnen Maschinentorf und 15,279 Tonnen Handstichtorf.

Der Zuschuss wurde festgesetzt auf Fr. 20 per Tonne Maschinentorf und Fr. 15 per Tonne Handstichtorf, die zuerkannten Beiträge belaufen sich somit zusammen auf Fr. 1,008,045. Hierzu kommen die Kosten für die Durchführung der Kontrolle, ' für Drucksachen etc. im Betrage von Fr. 5332. 25. Die Zuschüsse wurden im Juli durch die eidgenössische Staatskasse den Kantonen überwiesen zur Verteilung an die einzelnen Produzenten.

Von einer ausdrücklichen Verpflichtung der Zuschussempfänger zur Einhaltung von entsprechend erniedrigten Verkaufspreisen (Höchstpreisen) konnte abgesehen werden, da ohnehin durch die allgemeine Marktlage die Brenntorfpreise sehr niedrig gehalten werden. Bei den andauernd schlechten Absatzverhältnissen wird der Produzent -- auch unter Einrechnung des Bundeszuschusses -- kaum den Gestehungspreis erreichen können.

2. F o r s t w e s e n . In Kraft bestehen noch die Bundesratsbeschlüsse vom 23. Februar 1917 betreffend Überwachung der Holznutzungen in den privaten Nichtschutzwaldungen und vom 20. April 1917 betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen.

Die von uns als wünschbar erachtete Überführung dieser Beschlüsse in die ordentliche Gesetzgebung des Bundes, durch Revision der Art. 30 und 46, Ziffer 7, des Bundesgesetzes vom 11. Oktober 1902 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei auf dem Wege eines diesfälligen Bundesbeschlusses, ist durch Botschaft an die Bundesversammlung vom 12. September 1921 nebst zudienendem Projekt der Gesetzesrevision . angebahnt worden.

Justiz- und Polizeidepartenient.

Justizabteilung.

1. A b b a u der N o t e r l a s s e . Der Bundesratsbeschluss vom 2. August 1917 betreffend kantonale Ausführungsvorschriften zu

816

dea ausserordentlichen Erlassen des Bundes (Gesetzsammlung, Bd. XXXIII, 8. 596) wurde, weil entbehrlich geworden, durch Beschluss vom 12. Juli 1921 (Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 553) aufgehoben. Am 1. August dieses Jahres ist ferner von der Betreibungsnovelle vom 28. September 1914 der bis dahin einzig noch geltende, die Ehrenfolgen betreffende Art. 24 gemäss Bundesratsbeschluss vom 9. Oktober 1920 (Gesetzsammlung, Bd. XXXVI, S. 638) ausser Kraft getreten.

2. Das P f a n d n a c h l a s s v e r f a h r e n für H o t e l g r u n d s t ü c k e gemäss der Verordnung vom 18. Dezember 1920 kann, wie das Bundesgericht festgestellt hat, nach einmal eröffnetem Konkurs nicht mehr eingeleitet werden. Das Justizdepartement hatte sich mit der Frage zu befassen, ob nicht die Verordnung durch Bestimmungen zu ergänzen sei, welche die Durchführung des Verfahrens auch im Konkurse des Hoteliers ermöglichen würden.

Das Departement gelangt zur Verneinung der Frage, aus der Erwägung, dass das spezifische Pfandnachlassverfahren nur noch für Schuldner in Betracht fällt, die seit Jahren unter der Krisis der Hotelindustrie litten und die Folgen eines dauernd schlechten Geschäftsganges längst voraussehen mussten, die daher auch in der Lage sind, das Verfahren einzuleiten, bevor sie durch den Konkursausbruch überrascht werden. Seltene Ausnahmefälle, in denen dies vielleicht nicht möglich ist, vermöchten doch noch nicht, die Abänderung der Verordnung zu rechtfertigen.

3. Die A n w e n d b a r k e i t der N o t s t u n d u n g gemäss Verordnung vom 4. April 1921 (Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, 8. 221) wurde bisher nachgenannten Industrien bewilligt: den Automobilfabrikationsfirmen im Kanton Zürich bis April 1922 ; der Uhrenindustrie und den ihr zudienenden Industrien, insbesondere der Schraubenindustrie im Kanton Solothurn, für Fabrikanten und ganz oder teilweise arbeitslose Arbeitnehmer bis April 1922 ; den Lohnstickereien, Lohnnähereien und Lohnausrüstereien in den Kantonen Zürich, Schwyz, St. Gallen, Thurgau und Appenzell A.-Rh., soweit mehrere solcher Betriebe in diesen Kantonen vorhanden sind, bis Ende April 1922, und den Stickereizeichnern im Kanton St. Gallen auf dieselbe Dauer. In diesen Gebieten können die durch die Anwendungsbeschlüsse erfassten Personen und Firmen bei der Nachlassbehörde eine Stundung bis auf
sechs Monate, unter Vorbehalt der Verlängerung, nachsuchen.

4. B e k ä m p f u n g der M i e t - und Wohnungsnot. Die Zahl der Kantone, die den Bundesratsbeschluss vom 9. April 1920

817 zur Anwendung gebracht haben, ist unverändert geblieben ; Baselland hat seine Verordnung revidiert. Das Justizdepartement hat eine Umfrage an die Kantone und die Verbände der Interessenten gerichtet, um sich über den Stand der Wohnungsnot zu orientieren und eine Grundlage zur Beantwortung der Frage zu gewinnen, ob und inwiefern zu einem Abbau der Ausnahmegesetzgebung auf diesem Gebiete geschritten werden könne, ob anderseits die Überführung einzelner ihrer Bestimmungen in die ordentliche Gesetzgebung ins Auge zu fassen sei. Die Ergebnisse der Untersuchung liegen noch nicht vor.

5. Zahlreicher als bisher waren die B e g e h r e n um Bew i l l i g u n g von H o t e l u n t e r n e h m e n gemäss Art. 52 ff. der Verordnung vom 18. Dezember 1920 (früher Art. 27 ff. der Verordnung vom 2. November 1915). Dank nachgewiesenem Bedürfnis konnten bewilligt werden ein Erholungsheim für Frauen in Heiligenschwendi (Kanton Bern), die Erweiterung eines Hotels auf Fafleralp im Lötschental, eine Pension bescheidensten Umfangs in Diemtigen (Simmeulal) und die vorübergehende Erweiterung eines Hotels in Genf durch Miete eines Nachbargebäudes mit Rücksicht auf die Völkerbundsversammlung und für die Dauer derselben. Die Eröffnung einer Fremdenpension in Bedigliora (Tessin) wurde wegen mangelnden Bedürfnisses abgelehnt. Ferner wurde die Schliessung einer Fremdenpension in Ouchy angeordnet, die, früher als Erziehungsinstitut (institut de jeunes gens) betrieben, ohne Bewilligung des Bundesrates dem Hotelgewerbe dienstbar gemacht worden war, da auch hier ein Bedürfnis nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Ein Gesuch um Bewilligung der im Jahre 1916 verbotenen Eröffnung eines neuen Hotels am Thunersee wurde infolge Konkurses der Eigentümerin gegenstandslos.

Einer kantonalen Behörde antwortete auf Anfrage das Justizdepartement, dass der Wiederaufbau eines abgebrannten Hotels ohne Vermehrung der bisherigen Bettenzahl keiner Bewilligung des Bundesrates bedürfe, weil darin weder die Schaffung eines neuen noch die Erweiterung eines bestehenden Hotelbetriebes liege. Der Bundesrat hat bereits früher entschieden, dass die Wiedereröffnung eines aus zufälligem Grunde (Tod des Besitzers) vorübergehend geschlossenen Hotelbetriebes nicht unter die Verordnung falle (Beschluss vom 25. April 1916 im Falle ImerDittmann). Anders wäre allerdings zu entscheiden, wenn ein Etablissement jahrelang infolge mangelnden Bedürfnisses geschlossen bliebe (vgl. Bundesbl. 1919, Bd. III, S. 125).

818 Polizeiabteilung.

Am 15. August 1921 ist der n e u e B u n d e s r a t s b e s c h l u s s v o m 2 8 . J u n i 1921 ü b e r d i e A u f h e b u n g d e s B u n d e s r a t s b e s c h l u s s e s vom 29. O k t o b e r 1918 b e t r e f f e n d die fremden Deserteure und Refraktäre in Kraft getreten.

Der Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1918 ging von der Untunlichkeit gleicher Behandlung der Deserteure und Refraktäre mit den übrigen Ausländern aus. Während für die letzteren der Grundsatz galt, dass dem Ausländer nicht ohne weiteres ein Rechtsanspruch auf dauerndes Verbleiben in der 'Schweiz zustehe, musste für die Deserteure und Refraktäre die entgegengesetzte Regel aufgestellt werden. Wegweisung oder Abschiebung konnten nicht zur Anwendung kommen, weil sie die Überantwortung des Betreffenden an eines der beiden Kriegslager bedeutet hätten und weil die in Betracht fallenden Strafen iingemein harte waren. Das Wesentliche an dieser, stets als vorläufig gedachten Sonderbehandlung der Deserteure und Refraktäre gemäss Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1918 bestand darin, dass die Kantone dazu verhalten wurden, diese Leute zu tolerieren.

Infolge der seit diesem Bundesratsbeschluss veränderten Sachlage können die von den Deserteuren und Refraktären im Heimatstaat zu gewärtigenden Strafen und die in Drittstaaten zu gewärtigenden Nachteile jeiien Zwang nur noch in Ausnahmefällen rechtfertigen. Für solche Ausnahmefälle sieht Art. 2 des neuen Bundesratsbeschlusses die Möglichkeit eines Toleranzzwanges vor, mit Rücksicht darauf, dass es sich einerseits um immer noch wechselnde Verhältnisse handelt und anderseits die Folgen der Wegweisung von den Kantonen oft gar nicht beurteilt werden können. Ohne Kenntnis der ausländischen Gesetzgebung und Rechtspraxis, sowie des Verhaltens anderer Staaten gegenüber fremden Deserteuren und Refraktären, können die Folgen der Wegweisung nicht abgesehen werden. Für die Ausnahmefälle, wo die Folgen der Wegweisung besonders harte wären, ist dem eidgen. Justiz- und Polizeidepartement durch die. erwähnte Bestimmung die Möglichkeit gewahrt, den Kanton zur Toleranz zu nötigen, wogegen der Bund wie bisher eine gewisse Bürgschaft für allfälligen Schaden leistet. Die praktische Folge der am 15. August 1921 in Kraft getretenen Neuregelung besteht darin, dass eine geringe Zahl von Deserteuren oder Refraktären noch unter dem bisherigen Regime verbleibt oder diesem neu unter-

819 stellt wird. Was bisher Regel war, wird damit immer seltenere Ausnahme.

Im übrigen werden die Deserteure und Refraktäre nach der Verordnung vom 17. November 1919 über die Kontrolle der Ausländer behandelt.

Die Bestimmung, wonach Deserteure und Refraktäre nicht von Kanton zu Kanton abgeschoben werden dürfen^ ist in den neuen Bundesratsbeschluss (Art. l") hinübergenommen worden.

A u t o m o b i l - u n d F a h r r a d v e r k e h r . Am 22. Mai 1921 hat das Schweizervolk einen neuen Verfassungsartikel 37bis angenommen, welcher das Gesetzgebungsrecht über den Automobilund Fahrradverkehr dem Bunde überträgt. Da der Kanton Graubünden seit 1911 den Automobilverkehr gänzlich verboten hat, das Bedürfnis nach diesem neuen Verkehrsmittel aber von vielen Volkskreisen immer stärker empfunden wird, sind schon einige Tage nach der Abstimmung Gesuche an den Bundesrat gelangt, «r möge, gestützt auf seine ausserordentlichen Vollmachten und auf den neuen Verfassungsartikel, gewisse Strassenstrecken für den Automobil ver kehr öffnen Das Oberengadin verlangte besonders eindringlich die Öffnung der Strasse Castasegna-St. Moritz, um der schwer darniederliegenden Hotelindustrie zu Hilfe zu kommen. Eine gemeindeweise Abstimmung wurde im Oberengadin und im Bergeil vorgenommen, welche sich nahezu einstimmig für die probeweise Öffnung der Strasse während ein oder zwei Monaten aussprach.

Eine Prüfung, ob der Bundesrat nicht, gestützt auf Absatz 2 des neuen Verfassungsartikels, die anbegehrte Massnahme beschliessen könne, weil diese Bestimmung dem Bund das Recht übertrage, gewisse Durchgangsstrassen von sich aus für den Automobilverkehr zu öffnen, erwies, dass dieser Weg nicht gangbar sei, weil der Verfassungsgrundsatz erst durch das künftige eidgenössische Gesetz ausgeführt werden müsste.

Es blieb also nur noch die Anwendung der ausserordentlichen Vollmachten übrig. Es handelte sich ja hauptsächlich darum, der notleidenden Hotelindustrie zu helfen, deren Notlage ohne Zweifel auf den Krieg zurückzuführen ist und für welche schon zahlreiche Bundesratsbeschlüsse kraft der Vollmachten gefasst worden sind. Die nahezu einstimmige Zustimmung der beteiligten Bevölkerung, die Unterstützung des Begehrens dnrch die bündnerische Regierung, welche den Vorwurf der Missachtung des bündnerischen Volkswillens nicht aufkommen Hess, und endlich îler provisorische Charakter und die sehr kurze Dauer der ge-

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wünschten Verfügung bewogen den Bundesrat, dem Gesuch za entsprechen, und so wurde die Strassenstrecke Castasegna-St. Moritz durch Bundesratsbeschluss vom 17. August 1921 für die Dauer eines Monates für den Automobilverkehr geöffnet. Dabei wurden die Ausführungsbestimmungen nach Genehmigung durch das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vom Kleinen Rat des Kantons Graubünden erlassen.

Heute ist der Beschluss durch Zeitablauf schon dahingefallen, Zentralstelle für Fremdenpolizei.

Das Jahr 1921 steht im Zeichen der Einführung neuer Erleichterungen und Vereinfachungen hinsichtlich der Einreise, der Anmeldung, der Kontrolle der Ausländer an der Grenze usw.v was einen weitern Abbau der Zentralstelle ermöglichte. In Vorbereitung ist eine neue Verordnung, welche voraussichtlich auf den 1. Dezember 1921 in Kraft treten kann und dazu bestimmt, ist, die Einreise und den Aufenthalt der Ausländer in der Schweiz, bis zur Abschaffung des Visums gegenüber den Angehörigen sämtlicher anderer Staaten bzw. bis zum Erlass eines eidgenössischen Niederlassungsgesetzes zu regeln ; sie überlässt dem Kantoa die Regelung des befristeten Aufenthaltes ohne Erwerbstätigkeit' und reserviert dem Bunde ausser dem befristeten Aufenthalt mit Erwerbstätigkeit nur noch das Mitspracherecht bei der Erteilung: von Niederlassungsbewilligungen.

Durch den Bundesratsbeschluss vom 20. Juni 1921 betreffend* Abänderung der Verordnung vom 17. November 1919 über die Kontrolle der Ausländer wurden die Ausländer, welche sich nicht länger als acht Tage, bzw. nicht länger als drei Monate bei Aufenthalt in Hotels usw., in der Schweiz aufhalten, von der polizeilichen A n m e l d u n g befreit. Eine Abmeldung wird bekanntlich) schon lange nicht mehr gefordert.

Die Ein- und Ausreise fi e h e n sind fallengelassen worden» Die Kontrolle darüber, ob die Ausländer die Schweiz nach Ablauf der ihnen bewilligten Aufenthaltsdauer wieder verlassen, liegt nun ausschliesslich den Kantonen ob.

Die F a h n d u n g an der Grenze wurde ganz an die Konsulate zurückverlegt, was eine raschere Abfertigung der Reisenden an der Grenze und in vermehrtem Masse die Abfertigung derselben in den Zügen ermöglicht.

Der Grenzübertritt im grossen Grenzverkehr ist über alle offiziellen Grenzübergänge, an welchen ein Z o l l a m t besteht, freigegeben worden.

821 Ein weiteres Abkommen betreffend S p e z i a l v i sum ist mit Italien getroffen" worden. Unterhandlungen sind im Gange mit Spanien, Luxemburg, Deutschland, Liechtenstein, Dänemark, Schweden, Norwegen und Portugal. Für die Angehörigen von Zentralund Südamerika, China und Japan wurde die Einführung des Spezialvisums verfügt, ohne dieselbe von der Gegenseitigkeitserklärung dieser Staaten abhängig zu machen, indem unsere Landsleute an der Einräumung von Einreiseerleichterungen durch diese entfernten Länder kein derartiges Interesse haben, welches es rechtfertigen würde, 'bei Ausbleiben der Gegenseitigkeitserklärung den genannten Staatsangehörigen die Einreiseerleichterungen nicht zuzugestehen.

Am 22. April 1921 hat der Bundesrat die neue G e b ü h r e n o r d n u n g zur Verordnung vom 17. November 1919 über die Kontrolle der Ausländer erlassen. Die früheren Gebühren wurden teils herabgesetzt (Transitvisum) mit Rücksicht auf die Resolutionen der Konferenz zur Besprechung von Transit- und Passangelegenheiten, die im Oktober 1920 auf Einladung des ,,Comité provisoire des communications et du transit" des Völkerbundes in Paris stattgefunden hat, teils sind sie, immerhin unbedeutend, erhöht worden, um die der Eidgenossenschaft und den Kantonen aus der Fremdenkontrolle erwachsenden Kosten besser decken zu können.

Die andauernde grosse A r b e i t s l o s i g k e i t in der Schweiz macht auch fernerhin Zurückhaltung bei der Erteilung von Einreisebewilligungen und Aufenthaltsverlängerungen an Ausländer, welche in der Schweiz eine Stelle annehmen wollen, notwendig.

Hingegen wurde das über den Winter sistiert gewesene Spezialverfahren für die Einreise von Bau- und Landarbeitern und unterem Hotelpersonal aus dem Tirol und aus Italien in den Kanton G r a u b ü n d e n , in Berücksichtigung der besondern Verhältnisse dieses Kantons, wieder in Kraft gesetzt und auf liechtensteinische Bauarbeiter ausgedehnt.

Im k l e i n e n G r e n z v e r k e h r mit Baden ist die Passierkarte für die ganze schweizerisch-badische Grenze eingeführt worden. Mit Württemberg steht der Abschluss eines Abkommens bevor. Hingegen haben die Unterhandlungen mit Bayern noch zu keinem positiven Resultat geführt.

Volkswirtschaftsdepartement.

I. Kohlenversorgung.

Nachdem die Kohlenverbilligungsaktion auf Grund des Bundesbeschlusses vom 15. April 1921 es der Kohlengenossenschaft er-

822

möglicht hatte, ihre noch verfügbaren Lagerbestände auf den Weltmarktpreis abzuschreiben und zu demselben zu verkaufen, wurden auch die Kantone vom Volkswirtschaftsdepartement eingeladen, diejenigen Massregeln zu treffen, die notwendig waren, um im Kleinverkauf der Kohle die entsprechende Preisreduktion zugunsten der Konsumentenschaft ohne Verzug durchzuführen.

Diejenigen Kohlensorten, über welche die Kohlengenossenschaft am 15. April nicht mehr verfügte, gab sie ihren Genossenschaftern zur Einfuhr frei. Von einer Regulierung der Preise dieser frei einzuführenden Ware wurde abgesehen in der Annahme, dass sich dieselben automatisch den Höchstpreisen der Kohlengenossenschaft anpassen werden.

Mit der Abschreibung der Lagerbestände auf den Weltmarktpreis bekam die Kohlengenossenschaft die Möglichkeit, ihre Vorräte auch bei freier Konkurrenz abzustossen, so dass die Einfuhr von Kohle auf den 2. Mai 1921 freigegeben werden konnte. Mit Rücksicht auf die grossen Gaskoksvorräte der schweizerischen Gaswerke blieb indessen der Import von Gaskoks, Schlackenkoks und allen Arten von Feuerungsrückständen des Gaskoks hiervon ausgenommen und ist vorläufig noch bis 31. Dezember 1921 von einer behördlichen Bewilligung abhängig gemacht.

Der Konzessionszwang für den Kohlenhandel wurde mit Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 9. Mai d. J. aufgehoben. Die Ausserkraftsetzung des Bundesratsbeschlusses vom 17. Juli 1918 betreffend die Brennmaterialversorguug des Landes konnte auf den 31. Juli 1921 vorgenommen werden.

II. Ausfuhrdienst.

Seit Erscheinen des XVI. Neutralitätsberichtes sind die Ausfuhrverbote weiter vermindert worden. Es erfolgte die gänzliche Freigabe 12 weiterer Zolltarifpositionen. Unter Ausfuhrverbot verbleiben vorläufig noch lediglich die Abfälle der Eisenbearbeitung {Pos. 708), Bruch- und Alteisen (Pos. 711), unbearbeitetes Gold, Silber und Platin (Pos. 869 a/c) und gemünztes Gold (Pos. 869 d), also von 1164 Positionen drei ganz und eine teilweise. Vom gemünzten Gold abgesehen, handelt es sich hier um für die Versorgung unserer Industrie wichtige Rohstoffe.

IM. Arbeitslosenfürsorge.

1. A r b e i t s m a r k t . Eine kleine Besserung war während der Berichtsperiode in den Saisonberufen, im Hotelgewerbe und

823 îm Baugewerbe zu verzeichnen. Bereits steht jedoch eine abermalige allgemeine Verschlechterung des Arbeitsmarktes in Aussicht. Es kann fast mit Bestimmtheit angenommen werden, dass in den meisten Industriezweigen die Lage sich während des kommenden Winters bedeutend verschlimmern wird. Über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit seit Ende April 1921 orientieren ·die folgenden Zahlen : Lebens- und Genussmittelindustrie Datum

1921 Ende April .

,, Mai .

,, Juni .

,, Juli .

,, Aug. .

·,, Sept. .

Teilw.

Arbeitslose

Gesamtzahl der Betroff.

1,180 1,696 641 869 1,234 566 1,204 1,024 1,096 2,994 1,307 2,176

2,876 1,510 1,800 2,228 4,090 3,483

Gänzlich Arbeitslose

Bekleidungsgewerbe, Lederindustrie

Teilw.

Gesamtunter- Gänzlich Arbeits- zahl der stützte Arbeitslose losi Betroff.

893 415

1,006 1,151

798 827 664 782

1,836 1,392 1,374 1,483

Baugewerbe, Malerei

1921 Ende April .

,, Mai .

,, Juni .

,, Juli .

4,130

4,152 3,936 4,420 n Aug. . 6,606 ,, Sept. . 6,999

95 141 178 265 425 402

4,225 4,293 4,114 4,685 7,031 7,401

1,452 1,286 1,342 1,744 2,609 2,896

Textilindustrie

1921 Ende April . 11,902 38,400 50,302 8,309 ,, Mai . 10,328 34,638 44,966 6,753 ,, Juni . 9,195 31,916 41,111 6,086 ,, Juli . 8,923 33,809 42,732 5,874 ,, Aug. . 8,413 27,158 35,571 5,287 ,, Sept. . 7,840 25,370 33,210 5,377

13,232 11,512 5,391 5,041 3,895 3,365

Unterstützte

14,238 12,663 7,227 6,433 5,269 4,848

573 623

1,045 884 881 779

Holz- und Glasbearbeitung

1,224 714 1,391 . 308 1,291 392 1,495 472 1,526 283 1,633 329

1,938 1,699 1,683 1,967 1,809 1,962

619 574 548 766 655 780

Graphisches Gewerbe und Papierindustrie

530 593 751 812 865 1,089

1,537 1,711 1,763 1,660 5,205 1,761

2,067 2,304 2,514 2,472 6,070 2,850

301 336 420 421 399 467

824 Metall-. Maschinen- und elektrotechnische Industrie Datum

1921 Ende April ,, Mai ,, Juni ,, Juli ,, Aug.

,, Sept.

.

.

.

.

.

.

Gänzlich Teilw.

Arbeits- Arbeitslose lose

Gesamtzahl der Betroff.

Unterstützte

Gänzlich Arbeitslos«

Teilw.

Arbeitslose

Gesamtzahl der Betroff.

5,579 6,824 6,666 7,206 8,061 8,624

21,966 25,812 24,753 26,552 26,969 28,936

3,369 3,769 3,591 4,167 4,599 4,950

9,533 13,152 15^665 16,357 19,685 20,323

18,983 17,267 15,053 15,458 12,829 12,826

28,514 30,419 30,718 31,815 32,514 33,149

16,387 18,988 18,087 19,346 18,908 20,312

.

.

.

.

.

.

1,672 2,014 2,129 2,276 2,371 2,451

--

1,672 2,014 2,129 2,276 2,371 2,451

716 752 889 1,022 1,070 1,117

Ungelerntes Personal

1921 Ende April ,, Mai ,, Juni ,, Juli ,, Aug.

,, Sept.

. 7,606 . 8,097 . 7,908 . 7,967 . 9,028 . 10,116

144 105 164 282

7,606 8,097 8,052 8,072 9,192 10,398

Unterstützte

7,261 9,965 11,022 11,744 13,414 13,620

Hotel- und Wirtschaftswesen

Handel

1921 Ende April ,, Mai ,, Juni ,, Juli ,, Aug.

,, Sept.

Uhrenindustrie, Bijouterie'

2,781 2,727 2,450 3,219 3,159 3,640

560 586 218 227 212 211

--

560 586 218 '227 212 211

104

Insgesamt Schweiz*)

47,949 52,635 54,039 55,605 63,182 66,646

95,374 87,741 76,116 79,888 74,309 69,421

143,323 27,280 140,376 28,039 130,155 28,988 135,493 31,600 137,491 33,782 136,067 35,659

*) Die Zahlen der Kolonne ,,Insgesamt Schweiz" enthalten auch die Arheitalosen der in der Tabelle nicht erwähnten Berufsgruppen.

Von den als gänzlich arbeitslos Gemeldeten wurden bei Notstandsarbeiten beschäftigt : Ende April 1921 8,978 Personen ,, Mai 1921 9,642 ,, ,, Juni 1921 8,863 ,, ,, Juli 1921 9,572 ,, ,, August 1921 11,515 ,, ,, September" 1921 . . . . 13,106 ,, Die relativ stärkste Zunahme der gänzlich und teilweise Arbeitslosen verzeichnet die Gruppe Metallbearbeitung, Maschinen-

825 sund elektrotechnische Industrie. In der Gruppe Uhreniridustrie und Bijouterie ist die Zahl der teilweise Arbeitslosen zurückgegangen, indem verschiedene Betriebe, die bisher mit beschränkter Arbeitszeit gearbeitet hatten, stillgelegt wurden ; dafür ist aber ·die Zahl der gänzlich Arbeitslosen in stetigem Wachsen begriffen.

In andern Wirtschaftsgruppen weist die Zahl der Arbeitslosen gi'össere oder kleinere Schwankungen auf. In der Textilindustrie ist die Zahl der gänzlich Arbeitslosen zurückgegangen, weil in «einzelnen Berufszweigen die Arbeit wieder aufgenommen werden konnte, dagegen ist die Zahl der teilweise Arbeitslosen von Ende Juni bis Ende Juli etwas gestiegen.

2. B e s c h a f f u n g von A r b e i t s g e l e g e n h e i t , a. Entsprechend der im letzten Neutralitätsbericht enthaltenen Mitteilung .gelangen die Restbeträge der zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Milderung der Wohnungsnot mit den Bundesratsbeschlüssen vom 23. Mai und 15. Juli 1919 und 11. Mai 1920 auf Grund der -ausserordentlichen Vollmachten bewilligten Kredite seit 31. März 1921 nach den Bestimmungen zur Verwendung, die der Bundesrat -am 19. Februar 1921 gestützt auf den Bundesbeschluss vom 18. gl. Mts. betreffend Massnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit erlassen hat. Hierüber werden wir daher im ordentlichen ·Geschäftsbericht Rechenschaft ablegen.

6. G e l e h r t e B e r u f e . Das Anwendungsgebiet des Bundesratsbeschlusses vom 16. Dezember 1919 betreffend Aktion zugunsten von arbeitslosem und ausserberuflich beschäftigtem Personal gelehrter Berufe ist mit Rücksicht darauf, dass namentlich auch die Künstler sehr unter Arbeitslosigkeit leiden, am 15. Juli ·durch zwei Zusatzbestimmungen erweitert worden.

Nach der ersten können Beiträge zuhanden der Vereinigungen ausgerichtet werden, die den Zweck verfolgen, arbeitslosen Personen künstlerischer Berufe das wirtschaftliche Fortkommen zu ·ermöglichen. Dabei dachte man vor allem an ,,Ensemble-Künstler11 {Musiker, Schauspieler etc.), aber auch an Künstlervereinigungen, «die Einrichtungen schaffen oder besitzen, vermöge deren unbemittelten Mitgliedern durch finanzielle Unterstützungen zur Ausübung ihres Künstlerberufes verhelfen wird. Auf Grund dieser Bestimmung haben wir z. B. dem schweizerischen Schriftstellerverein einen einmaligen Bundesbeitrag von Fr. 100,000 gewährt aur Bildung eines Fonds mit der Bestimmung, hilfsbedürftige schweizerische Schriftsteller von Begabung durch Werkbelehnung au 'unterstützen.

826

Die zweite Zusatzbestimmung ist speziell auf die Arbeitsbeschaffung für bildende Künstler gerichtet. Danach wurde von dem Kredit, der mit Bundesratsbeschluss vom 16. Dezember 1919bereitgestellt worden war, eine Summe von Fr. 300,000 ausgeschieden zur Erteilung von Aufträgen, insbesondere für dieAusschmückung eidgenössischer Bauten, ferner zur Ausarbeitung von Entwürfen und Modellen, die Zwecken des Bundes und seiner Anstalten oder einem öffentlichen Interesse dienen, und endlich zum Ankauf von Kunstwerken. Die Berücksichtigung der Künstler geschieht auf Grund von Wettbewerben.

Unter Heranziehung des Kredites für gelehrte Berufe konnte bis Ende August 1921 Arbeit beschafft werden für 37 Personen mit abgeschlossener Hochschulbildung, 17 Personen mit abgeschlossener Mittelschulbildung, 53 Künstler sowie 23 Hilfspersonen,, insgesamt also für 130 Personen. Davon oblagen am 1. September 1921 noch 80 der ihnen vermittelten Beschäftigung. Das Hilfspersonal belief sich dabei nur noch auf zwei Personen. Der Kredit ist bis 31. August 1921 wie folgt in Anspruch genommen worden : Gesamtkredit Fr. 1,500,000. -- Bewilligte Beiträge: an Abteilungen der Bundesverwaltung Fr. 347,460. -- an Kautone ,, 71,808.40 an den Schweiz. Schriftstellerverein . . . . ,, 100,000.-- ausgeschieden für Wettbewerbe zugunsten bildender Künstler . . . '. ,, 300,000. -- Total Rückbuchungen aus bewilligten, jedoch nicht voll beanspruchten Krediten .

Fr. 819,268. 40 ,,

6,422.25 ,,

812,846. IS

Am 1. September 1921 blieben noch verfügbar Fr.

687,153. 85-

c. Z e n t r a l s t e l l e für U m a r b e i t u n g und Verkauf von M i l i t ä r k l e i d e r n . Die Umarbeitung von Militärkleidern ist eingestellt worden, weil sonst bei dem grossen Vorrat an verarbeiteten Kleidern und infolge des Preisabbaues grössere Verluste hätten entstehen können.

827 Das vorhandene Kleiderlager wird nun liquidiert. Es ist anzunehmen, dass mit Eintritt der kältern Jahreszeit die Nachfrage nach diesen hauptsächlich für Arbeiter und Sportleute geeigneten Kleidern steigen wird.

3. U n t e r s t ü t z u n g s w e s e n , a. U m f a n g d e r U n t e r s t ü t z u n g . Infolge der zunehmenden Krise war es im Jahre 1921 unmöglich, gewisse Berufsarten vom Bezug der Unterstützung auszuschliessen, wie das mit Bundesratsbeschluss vom 18. Mai 1920 geschehen war. Die Unterstützungen wurden demgemäss entsprechend den Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 ausgerichtet.

Über die nach gepflogenen Beratungen mit den Kantonen und den wirtschaftlichen Verbänden am 30. September 1921 erfolgte teilweise Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung verweisen wir auf den Ihnen unterm 30. September 1921 erstatteten besondern Bericht.

Die A r b e i t s l o s e n k a s s e n wurden infolge der anhaltenden Krise sehr stark beansprucht. Wir haben daher am 15. Juni beschlossen, ihnen pro 1921 Vorschüsse in der Höhe von 1/s der ausbezahlten Unterstützungen auf Grund von quartalweisen Abrechnungen zu gewähren. Die Arbeitslosenkassen wurden ersucht, die Verbandsunterstützung nicht auszurichten, solange eine öffentliche Unterstützung gewährt wird, und da und dort Abstriche zu machen, damit die Kassen nicht vorzeitig erschöpft werden.

Da hinsichtlich der Dauer, während welcher die Kantone die Gemeinden zur teilweisen Tragung der Unterstützungskosten heranziehen können, Unklarheit herrschte, wurden die Kautone am 15. August darauf hingewiesen, dass die Belastung der Gemeinden bis zur Hälfte des dem Kanton obliegenden Anteils für die ganze Dauer der Unterstützung zulässig sei.

b. In der U n t e r s t ü t z u n g der A u s l a n d s c h w e i z e r ist eine Vereinfachung eingetreten, indem vom 6. Mai 1921 hinweg nur noch folgende Stellen sich damit befassen : Der Polizeiabteilung liegt die Unterstützung und die eventuelle Heimschaffungder Schweizer im Ausland ob, mit Ausnahme der in Russland weilenden Schweizer, für welche die Abteilung für Auswärtiges sorgt; die Innerpolitische Abteilung unterstützt die zurückgekehrten: arbeitsunfähigen Auslandschweizer, und das eidgenössische Arbeitsamt befasst sich nur noch mit den Auslandschweizern, die in der Schweiz wohnen und seit weniger als sechs Monaten dahin-, zurückgekehrt sind.

828

c. U n t e r s t ü t z u n g der A u s l ä n d e r . Zu den Ländern, mit denen die Schweiz in bezug auf Arbeitslosenunterstützung in ein Gegenseitigkeitsverhältnis getreten ist,'gehören nunmehr auch Luxemburg, Liechtenstein und die Tschechoslowakei, indem festgestellt worden ist, dass für diese Länder die Voraussetzungen zutreffen, die gemäss Art. 3 des ßundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung erfüllt sein müssen.

Mit andern Staaten schweben zurzeit Unterhandlungen.

"ov d. A u s z a h l u n g e n bis 3 1 . ' A u g u s t 1921. Die vom Bund geleisteten Beiträge an die ausbezahlten Arbeitslosenunterstützungen betragen : A. gemäss Bundesratsbeschluss vom 5. August 1918 (Unterstützung der Arbeiter) . . Fr. 3,069,243 B. gemäss Bundesratsbeschluss vom 14. März Ì919 (Unterstützung der Angestellten) . ,, 27,658 C. gemäss Bundesratsbeschluss vom 5. April 1919 (Unterstützung solcher Arbeitsloser, die nicht unter die Bundesratsbeschlüsse vom 5. August 1918 und vom 14. März . 1919 fallen) ,, 1,325,062 D. gemäss Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919 (der die vorgenannten Beschlüsse ersetzt, inkl. Vorschüsse gemäss Verfügungdes Volks Wirtschaftsdepartements vom 13. Juli 1921) ,, 8,731,094 In dieser Zahl sind die an Bundespersonal und Auslandschweizor gewährten Unterstützungen nicht eingerechnet.

Es wurden ausserdem noch folgende Unterstützungen zugesprochen : für arbeitsloses Bundespersonal ,, 1,465,554 für Auslandschweizer ,, 2,015,855 Zusammen

Fr. 16,634,466

e. R e k u r s e . Vom 20. März bis S.September 1921 hat ·die eidgenössische Rokurskommission für Arbeitslosenfürsorge in 12 je zweitägigen Sitzungen an Rekursen erledigt:

829 A. Rekurse gegen Entscheide über die Unt'erstützungsberechtigung B. Rekurse gegen Entscheide über die Kostenverteilung C. Rekurse direkt erledigt durch Präsident und Sekretär gemäss Art. 23, 30 und 31 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 Insgesamt Gesamtzahl der erledigten Rekursfälle : 1231.

H an g ig waren am 8. September 1921 Fälle nach A ,, B Zusammen

deutsch

französisch

368

540

125

31

55 548

112 683

80 38 118

120 -- 120

Gesamtzahl der am 8. September noch unerledigten Rekursfälle: 238.

Entsprechend der Verschärfung der Arbeitslosigkeit hat auch die Zahl der Rekurse gegenüber dem Vorjahre bedeutend zugegenommen. Die Rekurse betreffen in der Mehrzahl die Uhren-, Metall-, Textil- und Stickereiindustrie.

IV. Liquidation kriegswirtschaftlicher Organisationen und Abbau der Noterlasse.

1. Die e i d g e n ö s s i s c h e K o h l e n k o m m i s s i o n ist im Zusammenhang mit der Freigabe der Kohleneinfuhr und des Kohlenhandels aufgehoben worden ; das gleiche ist mit den Stellen der eidgenössischen Inspektoren für Kohlenversorgung und des Experten für Gasversorgung der Fall.

Die S c h w e i z e r i s c h e K o h l e n g e n o s s e n s c h a f t und die H a u s b r a n d z e n t r a l e sind in Liquidation getreten.

Die V o l k s t u c h A.-G. hat am 1. Mai, am 1. Juli und am 20. September 1921 auf ihren Waren neue Preisabschläge eintreten lassen. Die Preisreduktionen seit anfangs September 1920 erreichen bei den Damenstoffen 36,s °/o Herrenstoffen 26,3 % Herrenkonfektion 24,s % Baumwollwaren 34,7 % Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. IV.

57

830

Die erzielten Umsätze seit Beginn der Aktion betragen: Herrenstoffe (inkl. Konfektion) 226,897 Meter für Fr. 6,330,375 Damenstoffe 127,842 ,, ,, ,, 1,334,731 Baumwollwaren 936,909 ,, ,, ,, 2,616,258 Der Verkauf der Herrenstoffe und -konfektion begann im Mai 1919, derjenige der Damenstoffe und Baumwollwaren im November des gleichen Jahres.

Die Bilanz des Geschäftsjahres 1920/21 schliesst mit einem kleinen Gewinn. Die Warenlager haben sich in sechs Monaten um zirka eine Million Franken verringert. Das Aktienkapital ist trotz der grossen Preisabschläge intakt geblieben. Doch wird auch dieses Jahr von einer Verzinsung des Kapitals abgesehen infolge des grossen Preissturzes und des Fehlens einer eigenen Verkaufsorganisation, welche mit Rücksicht auf den Detailhandel erst im Laufe des Geschäftsjahres geschaffen werden konnte.

Die ausserordentliche Generalversammlung der Aktionäre vom 11. September 1921 beschloss mit Mehrheit die Liquidation der Gesellschaft ab 1. Januar 1922.

2. Die Liquidatoren der ehemaligen S. S. S. haben der Bundesverwaltung das Archiv der S. 8. S., enthaltend sämtliche Akten derselben, übergeben. Ebenso erfolgte die Überweisung des Restbetrages aus der Liquidation der S. S. S. Der Betrag wurde vom Bundesrat gemäss Art. 18 der S. S. S.-Statuten wirtschaftlichen Organisationen überwiesen, wie dies auch bereits mit der Hauptsumme des Betriebsüberschusses geschehen ist. Zu diesem Restbetrag kam noch der Liquidationsüberschuss der Schweizerischen Treuhandstelle für Überwachung dos Warenverkehrs (S. T. S.) hinzu.

In den Statuten dieser Schwesterorganisation zur S. S. S. war der Bundesrat ebenfalls damit beauftragt worden, die Verteilung des Aktivsaldos vorzunehmen. Es erhielten Beiträge : Verband schweizerischer Konsumvereine Fr. 50,000, Schweizerischer Nationalpark Fr. 50,000, Fonds für eine eidgenössische Waldsamenklenganstalt Fr. 20,000, Hydrobiologische Kommission der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft Fr. 5000, Ornithologische Gesellschaft des Kantons Bern Fr. 10,000, Schweizerische Gesellschaft für kaufmännisches Bildungswesen Fr. 15,000, Fédération des Sociétés d'Etudes commerciales de la Suisse romande Fr. 6000y Schweizerischer Verband für Berufsberatung Fr. 15,000, Schweizerische Verkehrszentrale Fr. 20,000.

3. Die S c h w e i z e r i s c h e G e n o s s e n s c h a f t zur F ö r d e r u n g des A u s s e n h a n d e l s , an deren Stammkapital von,

831 Fr. 910,000 die Eidgenossenschaft mit Fr. 500,000 sich beteiligte, hat in ihrer Generalversammlung vom 6. Juli 1921 die Liquidation beschlossen. Die Vorläuferin dieses Institutes, die Schweizerische Genossenschaft für Warenaustausch, hatte auf rein privater Grundlage die Durchführung von Warenaustauschgeschäften mit den Oststaaten versucht. Die gemachten Erfahrungen zeigten jedoch, dass ein Warenaustausch auf breiterer Basis, wenn- er sich überhaupt, und speziell zwischen valutastarken und valutaschwachen Ländern, realisieren lässt, wohl im wesentlichen nur auf zwischenstaatlicher Grundlage denkbar ist.

Auf diesem Wege bemühte sich die mit Beteiligung der Eidgenossenschaft reorganisierte Unternehmung, die ,,Schweizerische Genossenschaft zur Förderung des Aussenhandelstt, ihren Zweck zu erreichen. Das Ziel eines reinen Warenaustausches erwies sich aber in der Folge als undurchführbar; dagegen hat die Genossenschaft in der Zeit ihrer Wirksamkeit doch der schweizerischen Volkswirtschaft Dienste geleistet durch Handelsvermittlung, Organisation und Führung von Warenzügen, Verwertung schweizerischer Guthaben im Ausland, Studium der ausländischen Konkurrenz und Aufklärung über die ausländischen Märkte. Da jedoch der Hauptzweck der Genossenschaft, nämlich der Warenaustausch nach den Oststaaten, für die Zukunft wenig Aussicht auf Erfolg bot und ein Weiterbetrieb mit wesentlichen Einbussen auch für den Bund verbunden gewesen wäre, erwies sich die Liquidation des Unternehmens als die gegebene Lösung.

4. Der A b b a u der N o t v e r o r d n u n g e n ist in der Berichtsperiode so weit gefördert worden, dass heute neben gewissen Bestimmungen organisatorischer Natur in der Hauptsache nur noch die Erlasse über die Arbeitslosenfürsorge in Kraft sind.

Es erfolgte die Aufhebung nachstehender Bundesratsbeschlüsse : 1. Bundesratsbeschluss vom 16. Juli 1918 betreffend die Gasversorgung des Landes; 2. Bundesratsbeschluss vom 17. Juli 1918 betreffend die Brennmaterialversorgung des Landes ; 3. Bundesratsbeschluss vom 9. Juli 1920 betreffend die Verwertung des aus den Abschlachtungen wegen Maul- und Klauenseuche herrührenden Fleisches; 4. Bundesratsbeschluss vom 1. Februar 1918 betreffend die Errichtung von Einigungsstellen ; 5. Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918 betreffend die Arbeitszeit in den Heimbetrieben der Seidenbandweberei ; 6. Bundesratsbeschluss vom 23. September betreffend den landund forstwirtschaftlichen Liegenschaftsverkehr.

832 Die Aufhebung der drei letzterwähnten Beschlüsse tritt immerhin erst auf Ende 1922 in Wirksamkeit, damit den Kantonen die erforderliche Zeit für die Aufhebung ihrer Vollziehungsverordnungen bzw. für eine allfällige Überleitung einzelner Bestimmungen derselben in die ordentliche kantonale Gesetzgebung zur Verfügung steht.

Der Bundesratsbeschluss vom 2. März 1917 betreffend die Festsetzung von Mindeststichpreisen und von Mindeststundenlöhnen in der Stickereiindustrie ist, soweit dadurch nicht die Handmaschinenstickerei betroffen wird, bis zum 15. November 1921 in seinen Wirkungen eingestellt worden. Diese Massnahme war erforderlich, weil sich die Arbeitgeber und -nehmer in der Stickereiindustrie über die Höhe der Stichpreise und Stundenlöhne nicht einigen konnten. Es wird sich während der Zeit der Einstellung jenes Beschlusses zeigen, ob sich die beteiligten Kreise über eine Neuordnung der Preise und Löhne zu verständigen vermögen.

Post- und Eisenbahndepartement.

Eisenbahnabteilung.

Durch Bundesratsbeschluss vom 19. Juli 1921 sind aufgehoben worden : 1. mit Wirkung vom 1. Januar 1922 an: Bundesratsbeschluss vom 18. Juli 1919 betreffend Herabsetzung der Gebühren für verspätete Rückgabe der Eisenbahngüterwagen (siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, Seite 625); 2. mit Wirkung vom 1. Juli 1922 an: Bundesratsbeschluss vom 7. Mai 1918 betreffend Gewährung von Erleichterungen für Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmungen mit Bezug auf die konzessionsmässigen Verpflichtungen (siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXIV, Seite 510).

Ernährungsamt.

Allgemeines. In Anpassung an die veränderten Verhältnisse wird die Liquidation der' Geschäfte des Ernährungsamtes und der damit im Zusammenhang stehenden, sich auf die ausserordentlichen Vollmachten stützenden Massnahmen programmgemäss fortgesetzt und nach Möglichkeit beschleunigt.

Die Einfuhrmonopole sind durch die völlige Freigabe der Einfuhr von Hafer und Haferprodukten auf 1. August, sowie von

833

Reis und Reiserzeugnissen auf 1. September 1921 weiter vermindert worden.

Das Schicksal des Einfuhrmonopols für Brotgetreide steht im engsten Zusammenhang mit der Frage der Sicherung der Brotversorgung des Landes durch Förderung der inländischen Getreideproduktion und die Unterhaltung von Getreidevorräten als eiserne Bestände. Nach dem Bundesratsbeschluss vom 2. Juli 1920 betreffend die Preise für inländisches Brotgetreide hat der Bund inländisches Brotgetreide der Ernten 1921 und 1922 noch zu den in diesem Beschlüsse festgesetzten Bedingungen zu übernehmen.

Auf Einladung des Ernährungsamtes tagte vom 9. bis 11. Mai in Bern eine ausserparlamentarische Kommission zur Besprechung von Massnahmen zur dauernden Sicherung der Brotversorgung. An den Verhandlungen beteiligten sich die an der Brotversorgung interessierten Fachverbände der Landwirtschaft, des Gewerbes, der Industrie und des Handels, sowie Vertretungen verschiedener Konsumentenverbände, die eidgenössische Ernährungskommission und eine Reihe von Persönlichkeiten, die schon früher zur Frage der Sicherung unserer Brotversorgung Stellung genommen hatten.

Als Verhandlungsbasis diente der vom Ernährungsamt vorgelegte Bericht und ein von ihm ausgearbeiteter Entwurf für ein Einfuhrmonopol des Bundes auf Brotgetreide und Mahlerzeugnisse aus solchem. Der Entwurf geht davon aus, dass die Anlage von Getreidevorräten und eine den natürlichen Verhältnissen angemessene Förderung des inländischen Getreidebaues als die wirksamsten und geeignetsten Mittel zur Sicherung unserer Brotversorgung zu betrachten seien. Die Durchführung dieser Aufgaben wäre einer eidgenössischen Getreideverwaltting zu übertragen, die das Einfuhrmonopol für Brotgetreide erhalten würde. Sie könnte nach den vorgesehenen Verfassungsbestimmungen als reines Staatsmonopol oder als gemischtwirtschaftliche Organisation eingerichtet werden und wäre nach dem Grundsatze der Selbsterhaltung zu organisieren.

Die Kommission hat, m Übereinstimmung mit den Darlegungen des Ernährungsamtes, die Notwendigkeit von dauernden Massnahmen zur vermehrten und bessern Sicherung unserer Brotversorgung bejaht. Gegen jegliche Art von Sicherungsmassnahmen hat sich nur ein Vertreter des Getreidehandels ausgesprochen. Über die geeignetsten Mittel, die zur Sicherung des Landes mit Brotgetreide anzuwenden sind,
gingen die Meinungen weit auseinander.

Das vom Ernährungsamt vorgeschlagene Einfuhrmonopol wurde namentlich aus Kreisen der Landwirtschaft und der Konsumenten befürwortet. Die landwirtschaftlichen Vertreter erblicken darin

834

ein geeignetes Mittel für die Abnahme des Iniandgetreides zu Preisen, die den Produktionskosten unter den dem Getreidebau günstigen Produktionsverhältnissen zu entsprechen hätten. Die regelmässige Abnahme und die zweckmässige Verwertung des Inlandgetreides erscheine als das wirksamste Mittel zur nachhaltigen Förderung des Getreidebaues, mit dem auch die Erhaltung des übrigen Ackerbaues (Kartoffel- und Gemüsebau) Hand in Hand gehen werde. Die Konsumentenvertreter betrachten das Einfuhrmonopol als das beste Mittel zur Sicherung der Brotversorgung und Ausschaltung der Spekulation. Die meisten Vertreter des Gewerbes, der Industrie und des Handels sprachen sich aus grundsätzlichen und beruflichen Erwägungen gegen ein Einfuhrmonopol aus.

Mehrere Konferenzteilnehmer machten eine Eeihe anderer Vorschläge, die zur Sicherung der Brotversorgung geeignet erscheinen, wie die Anlage grösserer Getreidevorräte durch den Bund, die Unterhaltung von Vorräten durch den Getreidehandel und die Müllereien.

Die Durchführung einzelner dieser Vorschläge würde die Konzessionierung des Handels bzw. der Müllerei und somit, wie das Einfuhrmonopol, eine Ergänzung der Bundesverfassung zur Folge haben.

Die Delegation des Verbandes schweizerischer Konsumvereine machte einen Vorschlag auf Einrichtung einer schweizerischen Getreidehandelsgesellschaft, an der sich neben der Eidgenossenschaft auch Kantone, Gemeinden, wirtschaftliche Organisationen und Private beteiligen könnten. Diese Gesellschaft ohne Monopolcharakter hätte die Sicherung der Brotversorgung gegen entsprechende Entschädigung oder Vorzugsrechte zu übernehmen und würde im übrigen den Getreidehandel im Wettbewerb mit dem freien Handel betreiben.

Diese Vorschläge sind seither von den sie befürwortenden Delegationen näher formuliert worden und werden zurzeit unter dem Vorsitz des Ernährungsamtes weiter beraten. Sobald die Vorarbeiten abgeschlossen sind, wird sich der Bundesrat mit der wichtigen Angelegenheit befassen und der Bundesversammlung berichten.

Anfangs Oktober 1921 hatte die Monopolverwaltung noch einen Z u c k e r v o r r a t von rund 4500 Wagen à 10 Tonnen. Dazu kommen die Produktion der Zuckerfabrik Aarberg aus der inländischen Eübenernte 1921 mit rund 400 Wagen und überdies etwa 600---800 Wagen Eaffinade aus umgearbeitetem Eohzucker, die nach getroffenen
Vereinbarungen von dieser Betriebsperiode noch durch die Monopolverwaltung zu übernehmen sind. Die Vorräte gehen infolge des verminderten Konsums langsamer zurück, als seinerzeit erwartet wurde, und dürften voraussichtlich vor Ablauf des nächsten Frühjahrs nicht erschöpft sein. Die Frage der endgültigen Liquidation des

835 Einfuhrmonopols für Zucker befindet sich im Zusammenhang mit einem bezüglichen Postulat des Ständerates vom Juni 1921 im Studium.

Das Stadium der Frage betreffend die Sicherung der Landesversorgung mit Benzin ist noch nicht zum Abschlüsse gekommen.

Indessen steht heute bereits fest, dass man auf ein dauerndes Einfuhrmonopol verzichten wird, so dass eine andere Lösung zur Sicherung einer Landesreserve gesucht werden muss. Die Aufhebung des Einfuhrmonopols für Petrol ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich gegen das Frühjahr 1922 hin erfolgen, nachdem die Periode des grössten Verbrauches vorbei ist.

In Anpassung an die allgemeine Marktlage hat die Monopolverwaltung in der Zeit vom 1. Mai bis 1. Oktober 1921 ihre Verkaufspreise per 100 kg wie folgt herabgesetzt : Weizen Fr. 8, Zucker Fr. 80 bis 50, je nach Sorte, Butter Fr. 80, Fleischkonserven Fr. 10--30, Benzin Fr. 29--39, je nach Qualität, Petrol Fr. 27, Kupfervitriol Fr. 30. Die übrigen Vorräte an Lebens- und Futtermitteln, wie Hafer, Mais. Eeis und Speiseöle, erfuhren ebenfalls der Marktlage entsprechende Preisreduktionen und konnten in der Berichtsperiode liquidiert werden.

Die Kosten der L e b e n s h a l t u n g hatten nach den Indexziffern des Verbandes schweizerischer Konsumvereine am 1. Oktober 1920 mit Fr. 2790. 53 ihren Höchststand erreicht. Seither sind sie wesentlich zurückgegangen und betrugen: am 1. Januar Fr. 2591. 70, am 1. April Fr. 2460. 28, am 1. Juli Fr. 2282.13, am 1. September 1921 Fr. 2202. 59.

Entsprechend den Erleichterungen der Lebenshaltung wurden auch die N o t s t a n d s - und H i l f s a k t i o n e n im Inlande und für Schweizer im Auslande allmählich eingeschränkt. In der Berichtsperiode konnten sie bis auf die Verbilligung der Konsummilch für Notstandsberechtigte eingestellt werden. Die Aufhebung dieser Massnahme seitens des Bundes ist auf 30. April 1922 in Aussicht genommen.

Die Zahl der Beamten und Angestellten des Ernährungsamtes, die im Februar 1919 mit 574 Personen den höchsten Stand erreicht hatte, ging am 1. Mai 1921 auf 222 und am 1. Oktober 1921 auf 171 Personen zurück. Davon befindet sich wiederum ein Teil in gekündeter Stellung.

Bureau für A u s f u h r . Durch gemeinsame Verfügungen des Volkswirtschaftsdepartementes und des Ernährungsamtes vom 25. Juni und vom September 1921 wurden weitere generelle Ausfuhrbewilligungen erteilt. Von den in den Geschäftskreis des Ernährungs-

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amtes fallenden Waren stehen im Zeitpunkte der Berichterstattung nur noch frische Milch, Weich- und Hartkäse, einschliesslich Kräuterkäse (Schabzieger), in Sendungen über l Kilo brutto, ferner Kühe, Binder und weibliches Jungvieh unter Ausfuhrverbot.

Der seit dem Januar 1917 durchgeführte "Versand von Lebensmitteln an Schweizer im Auslande konnte im Frühjahr 1921 gänzlich eingestellt und die hiermit beschäftigte Abteilung liquidiert werden.

Grössere Arbeiten verursachte dem Bureau für Ausfuhr vorübergehend die schon im letzten Bericht erwähnte Kontingentierung der Weineinfuhr, die gemäss Bundesratsbeschluss betreffend die Beschränkung der Weineinfuhr vom 8. April 1921 durchgeführt wurde. Mit Ausserkrafttreten des Beschlusses auf 30. Juni 1921 fiel die Beschränkung der Weineinfuhr wieder dahin.

Bureau für l a n d w i r t s c h a f t l i c h e P r o d u k t e . Seine Tätigkeit beschränkte sich in der Hauptsache auf die Liquidation der noch vorhandenen Warenvorräte: Kupfervitriol und Fleischkonserven.

Mit Ausnahme eines Postens K u p f e r v i t r i o l , der von deiCompagnie des produits eléctrochimiques S.-A. in Bex übernommen wurde, sind keine neuen Käufe gemacht worden. Die Übernahme dieses Postens war geboten, um der erwähnten Fabrik, die während des Krieges durch Aufnahme der Fabrikation Opfer gebracht und dem Lande gute Dienste geleistet hatte, die Möglichkeit zu geben, ihren Betrieb fortzuführen und allmählich auf andere Produkte umzustellen. Die Nachfrage nach Kupfervitriol ist auch im laufenden Sommer wieder weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, was einerseits auf die trockene Witterung und anderseits auf die Krisis in der Industrie, namentlich bei den Imprägnieranstalten, zurückzuführen ist. Die Verkaufspreise für Kupfervitriol sind wiederholt herabgesetzt und der allgemeinen Marktlage angepasst worden.

Der Vorrat des Bundes an Kupfervitriol beträgt auf 1. Oktober 1921 noch rund 750 Tonnen.

Die Nachfrage nach Fleischkonserven hat eine kleine Besserung erfahren, aber trotzdem wird die Liquidation noch geraume .Zeit in Anspruch nehmen. Auch hier sind die Abgabepreise, der allgemeinen Marktlage entsprechend, herabgesetzt worden.

A b t e i l u n g für Monopolwaren. Auf den 81. August 1921 konnte das von der aufgehobenen Zentralstelle für die auswärtigen Transporte (Fero) übernommene
T r a n s p o r t b u r e a u Genua endgültig liquidiert werden. Die Überwachung des Umschlages und andere Kontrollarbeiten, die man bei Massentransporten mit Vorteil nicht ausschliesslich den Transportunternehmern überlässt, werden nun-

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mehr gemäss getroffenen Abmachungen gegen billige Entschädigung von der schweizerischen Handelskammer in Genua besorgt.

Getreideversorgung. Für den Ankauf von Weizen waren wir auch in dieser Bericbtsperiode immer noch ganz überwiegend auf N o r d a m e r i k a angewiesen. Während der Übergangsmonate zur neuen Ernte waren die Weizenpreise ziemlich fest. In europäischen Häfen greifbare oder bald fällige Ware war gesucht und wurde dementsprechend teurer bezahlt. Im Terminhandel wurde Weizen neuer Ernte mit ansehnlicher Preisermässigung angeboten. Aber auch hier vermochten sich die Preise vorübergehend wieder zu festigen, als Folge der grossen Nachfrage und der stellenweise anscheinend hinter den Schätzungen zurückgebliebenen Ernteergebnisse. In U n g a r n konnten einige kleinere Partien Weizen neuer Ernte gekauft werden,, der qualitativ recht befriedigt. Über rumänischen und j u g o slawischen Weizen werden die Verhandlungen fortgesetzt. Ein grösserer Posten rumänischen Weizens aus der Ernte 1921 und 1922 wurde in Verbindung mit einem Kredit- und Warenaustauschgeschäft zwischen der rumänischen und der schweizerischen Eegierung gekauft.

In der Berichtsperiode wurde die Ü b e r n a h m e des inländischen Getreides der Ernte 1920 beendet. Es wurden abgeliefert : Weizen 9.592 Tonnen Eoggen 12.320 » Dinkel 3.845 » Mischel 2.067 » Total 27.824 Tonnen Hierfür bezahlte die Monopolverwaltung den Produzenten die garantierten Preise von Fr. 67 für Weizen, Fr. 62. 50 für Eoggen und Fr. 50 für Dinkel (Spelz, Korn) per 100 kg franko Abgangsstation, im Gesamtbetrage von Fr. 17,313,219.15 aus.

Im Laufe dieses Sommers waren die Vorbereitungen zur Übernahme der neuen inländischen Getreideernte zu treffen. Dabei schien es geboten, um auch auf diesem Gebiete das Bestreben nach möglichstem Abbau der kriegswirtschaftlichen Massnahmen zum Ausdrucke zu bringen, die Gemeindebehörden, die sich bisher mit der Übernahme zu befassen hatten, von dieser Arbeit zu entlasten.

Die landwirtschaftlichen Genossenschaften und Genossenschaftsverbände erklärten sich bereit, den Aufkauf des Inlandgetreides für den Bund zu besorgen, gegen Vergütung einer bescheidenen Kommission. Durch diese Änderung in der Organisation ist eine Vereinfachung und Verbilligung des Übernahmegeschäftes und eine

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dauernde geschäftliche Verbindung zwischen den Getreideproduzenten und den landwirtschaftlichen Genossenschaften zu erwarten, die der Oetreideproduktion förderlich sein dürfte. Nach den bisherigen Erfahrungen scheint sich diese neue Organisation zu bewähren. Angesichts der grossen Differenz zwischen den Ankaufspreisen für Inlandgetreide und dem Abgabepreise des Bundes dürften die Ablieferungen aus der Getreideernte 1921 voraussichtlich das 2--8 fache der letztjährigen Ablieferungen erreichen.

Nachdem schon am 16. Mai 1921 der Verkaufspreis des Weizens von Fr. 58 auf Fr." 57. 50 heruntergesetzt wurde, um es den Müllern zu ermöglichen, die Verkaufspreise für die Müllereiabfälle (Kleie, Ausmahleten, Futtermehl) der Marktlage anzupassen, erfolgte auf den 13. Juli ein weiterer Preisabschlag von Fr. 7. 50 pro 100 kg. Damit war der Verkaufspreis mit Fr. 50 per 100 kg Weizen franko Empfangsstation des Müllers wieder dem Weltmarktpreis angepasst. Diese Ermässigung des Weizenpreises brachte eine H e r a b s e t z u n g der Höchstpreise für Backmehl und Weissmehl um je Fr. 8 pro 100 kg und ausserdem eine weitere, der damaligen Marktlage entsprechende Ermässigung der Preise für Krüsch, Ausmahleten und Futtermehl. Hand in Hand mit dem Preisabschlag auf Mehl wurde auch der Gestaltung der Brotpreise volle Aufmerksamkeit geschenkt. Durch Umfrage bei den kantonalen Behörden, denen die Überwachung der Gestaltung des Brotpreises zukommt, und in mündlichen Besprechungen mit Vertretern der Müller- und Bäekerschaft konnte ein wertvolles Zahlenmaterial gesammelt werden, das über die Auswirkung des im April erfolgten ersten grössern Preisabschlages für Weizen auf die Brotpreise Aufschluss gab. Dieses Material wurde vom Ernährungsamt mit einem Kreisschreiben vom 19. Juli 1921 den kantonalen Eegierungen zur Kenntnis gebracht. Die Bäckerschaft war in den meisten Fällen ohne Zögern bestrebt, die -Brotpreise mit den neuen Mehlpreisen in Einklang zu bringen. Die zweimalige Herabsetzung der Getreidepreise vom April und Juli 1921 hatte durchschnittlich einen Brotpreisabschlag von 10 bis 14 Rappen pro Kilogramm zur Folge.

Am 25. Juli sind die Vorschriften über die Vermahlung von Hartweizen und die Herstellung vno Teigwaren, sowie die bezüglichen Höchstpreise aufgehoben worden. Der zur Verwendung gelangende Hartweizen wurde
entsprechend dem Weichweizen im Preise ermässigt, so dass auch die Teigwarenpreise um einige Rappen zurückgingen.

Die M a h l v o r s c h r i f t e n für Weichweizen erfuhren einstweilen noch keine grundsätzliche Änderung. Die Aufrechterhaltung

839 dieser Vorschriften erschien vorläufig geboten, damit der vorgenommene Preisabschlag auf Weizen durch entsprechende Festsetzung der Beschaffenheit und der Höchstpreise für Backmehl möglichst in vollem Masse auf die Verbilligung des Brotes übertragen werden konnte. Andernfalls wäre zu befürchten gewesen, dass der Preisabschlag in der Erzeugung eines weissern Mehles und in einer Vermehrung der Mehltypen mit insgesamt geringerer Ausbeute teilweise aufgegangen sein würde. Diese Stellungnahme ergab sich übereinstimmend aus den Beratungen in der eidgenössischen Ernährungskommission und mit einer Delegation der Müllerschaft.

In der Junisession 1921 hat der Ständerat folgendes Postulat aufgestellt: «Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob nicht die Vorschriften des Ernährungsamtes über die Vermahlung von Brotgetreide (Ausbeuteprozentsatz und Backmehltyp) aufzuheben seien.» .Diese Frage ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, vorläufig verneint worden. Entscheidend für diese Stellungnahme war namentlich der Umstand, dass die Mahlvorschriften auch die Grundlage bildeten für die Höchstpreisfestsetzung für Back- und Weissmehl. Die Aufhebung der Mahlvorschriften müsste naturgemäss auch das Fallenlassen der Höchstpreise für Mehl nach sich ziehen. Die Frage wird indessen weiterhin studiert, wobei, besonders im Interesse eines weitem Abbaues der kriegswirtschaftlichen Vorschriften, eine baldige Lösung im Sinne des ständerätlichen Postulates in Aussicht genommen ist.

Der Weizenverbrauch ist in stärkerm Zunehmen begriffen, als es am diese Jahreszeit bisher üblich war. Die Monate Juli, August und September 1921 weisen Verbrauchsziffern von durchschnittlich über 4000 Wagenladungen auf.

Zuckerversorgung. Der Weltzuckermarkt verzeichnete andauernd eine weichende Preistendenz bis in den Sommer hinein, in welchem Zeitpunkt er sich festigte; für prompte Ware zogen die Preise vorübergehend wieder an. Dazu trug namentlich der ungünstige Einfluss der grossen Trockenheit auf die Zuckerrübenkulturen bei. Seit Ende September sind die allgemeinen Marktpreise von neuem im Rückgänge begriffen.

Im Einkauf beschränkte sich die Monopolverwaltung auf Beschaffung von zirka 1000 Wagenladungen Javazucker und Eohzucker, die hauptsächlich zur Verarbeitung in der Zuckerfabrik Aarberg bestimmt sind. Ein Teil dieses Javazuckers gelangt direkt zur Abgabe an den Konsum, da die Vorräte der Monopolverwaltung in dieser Sorte vergriffen waren.

840

In Anpassung der Verkaufspreise an die Marktlage hat die Monopolverwaltung ihre Verkaufspreise auf Mitte Mai um 20 Bappen und auf Ende September 1921 um weitere 15 bis 80 Eappen pro Kilogramm, je nach Sorte, herabgesetzt. Bei Anlass der letzten Neuordnung der Preise sind die bisher für sämtliche Zuckersorten bestehenden Höchstpreise aufgehoben und auf Grundlage der neuen Preise ist nur noch für Kristallzucker ein Höchstpreis festgesetzt worden.

Reis. Neben geringen Mengen fertig bearbeitetem Speisereis sind von der Monopolverwaltung im laufenden Jahr noch einige hundert Wagenladungen enthülster Eohreis spanischer Provenienz eingeführt worden. Die Beschaffung von Eohreis war geboten, um die einheimischen Eeismühlen zu beschäftigen, wo die Verarbeitung auf Eechnung des Bundes erfolgte.

Die Nachfrage nach Eeis bewegte sich in normalen Eahmen, ungefähr der Vorkriegszeit entsprechend. Bei vorübergehend steigenden Preisen auf dem Weltmarkte konnten die Vorräte der Monopolverwaltung schlank abgesetzt werden und waren Mitte August liquidiert. Indessen wurden schon vom 21. Juli an, für Bohreis zur Verarbeitung in den Eeismühlen schon von Mitte Juni an, Einfuhrbewilligungen erteilt, im ganzen für 892 Wagenladungen. Die endgültige Aufhebung des Einfuhrmonopols erfolgte auf 1. September 1921.

F u t t e r m i t t e l . Die letzten Hafervorräte gelangten im Juli vollends zur Liquidation. Die andern Futtermittelvorräte waren schon früher erschöpft. Seit 1. August 1921 ist auch die Einfuhr von Hafer und Haferprodukten vollständig frei.

Benzin- und Petrolversorgung. Der Verbrauch an Benzin hat mit Eintritt des Frühjahrs wieder erheblich zugenommen, ohne jedoch den Umsatz der letzten Sommermonate zu erreichen. Die Frühjahrs- und Sommermonate 1921 verzeigen Umsatzziffern von durchschnittlich 270 Wagen à 10 Tonnen. Auf den Winter hin ist wieder mit einer Abnahme des Verbrauches zu rechnen. Neu beschafft wurden in der Berichtsperiode lediglich einige Spezialsorten, wie Leichtbenzin und Benzol, Ware, die nicht auf Lager gelegt, sondern jeweils unmittelbar dem Verbrauch zugeführt wurde. Die im letzten Bericht infolge der Absatzstockung als zu gross gemeldeten Vorräte an Benzin und Petrol sind nunmehr auf ein normales Mass zurückgegangen.

Auf dem Weltmarkte sind die Preise für Benzin und Petrol in neuerer Zeit wieder stark gesunken. In Anlehnung an diese Marktlage sind die Verkaufspreise der Monopolverwaltung am 17. Mai herunter-

841 gesetzt worden um Fr. 10 für Leichtbenzin, Fr. 9 für mittelschweres Benzin, Fr. 14 für Schwerbenzin und Fr. 12 für Petroleum per 100kg.

Ein weiterer Preisabschlag wurde vorgenommen auf 21. September von Fr. 20 auf Leichtbenzin und mittelschwerem Benzin, Fr. 25 auf Schwerbenzin und Fr. 15 auf Petroleum per 100 kg.

Durch den neuen Gebrauchszolltarif wurde der schweizerische Eingangszoll für Benzin auf 1. Juli 1921 erhöht auf Fr. 10 plus 20 % Tarazuschlag = Fr. 12 per 100 kg netto. Zu andern als motorischen Zwecken in der Industrie verwendetes Benzin bezahlt indessen nur einen Eingangszoll von Fr. l plus 20% Tarazuschlag = Fr. 1.20 per 100 kg netto. Für das vom 1. Juli an von der Industrie bezogene und nachweisbar zu andern als motorischen Zwecken verwendete Benzin wird die Zolldifferenz mit Fr. 10. 80 per 100 kg netto rückvergütet.

An die bevorstehende Liquidation des Benzin- und Petrolmonopols ist die Monopolverwaltung bereits in der Weise herangetreten, dass ein Teil des Wagenparks liquidiert wird. Die nur provisorisch in den Wagenpark der S.B.B, eingestellten Wagen fremden Ursprungs können jedoch zu annehmbaren Bedingungen nur in Tausch gegen Ware (Benzin) nach dem Auslande abgesetzt werden.

Milchversorgung. Wie im letzten Berichte mitgeteilt wurde, erfolgte auf 1. Mai 1921 für die Produzenten im allgemeinen ein Preisabschlag für in die Sammelstellen gelieferte Milch von 2 Kappen per kg. In den Landgemeinden bewirkte diese Herabsetzung des Produzentenpreises in der Begel auch einen, entsprechenden Abschlag des Ausmesspreises für Konsummilch. Für die grössern Konsumplätze, wo die Milch zum grossen Teil von aussen zugeführt werden muss, war ein Milchpreisabschlag jedoch in den meisten Fällen nicht möglich, weil die bisher für Sammel- und Transportkosten gewährten Bundesbeiträge mit 1. Mai wegfielen. Für die zu den Produktionsgebieten ungünstig gelegenen Städte Zürich, Basel, Winterthur, Schaffhausen und Chur hätte sich bei vollem Wegfall der Bundesbeiträge ein Preisaufschlag von l Bappen per Liter Konsummilch ergeben müssen. Die Frage ist aber dann im Einvernehmen mit den betreffenden kantonalen und kommunalen Behörden und den Milchproduzentenverbänden so gelöst worden, dass das Ernährungsamt für die in diesen Städten angemessene Milch noch einen Beitrag von l Bappen per Liter Milch
verabfolgt. Ein kleinerer Zuschuss an die Transportkosten eines Teils der Aushilfsmilch wurde auch für Genf notwendig. Die erforderlichen Beträge von Fr. 85--90,000 monatlich werden den Überschüssen aus der vom Ernährungsamt geleiteten Buttereinfuhr entnommen.

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Die Abrechnung über die für das Winterhalbjahr 1920/21 entrichteten Bundesbeiträge an die Sammel- und Transportkosten für Konsummilch ist nun bereinigt. Sie ergibt folgende Zahlen: Oktober 1920 Fr. 608,426.70 November 1920 » 527,525.-- Dezember 1920. . .

» 642,551. 25 Januar 1921 » 632,642.50 Februar 1921 » 568,068.45 März 1921 » 628,632.70 April 1921 » . 675,699. 9 0 Total Fr. 4,278,541. 50 Die Milchproduktion hat sich im laufenden Sommerhalbjahr aufsteigend entwickelt. Einzelne Gegenden, besonders die Westschweiz und der Jura sowie ein Teil der Ostschweiz, litten im Juni und Juli stark unter der Trockenheit. Die seither eingetretenen Begenfälle und die warme Herbstwitterung haben aber den Futterwuchs wieder sehr günstig beeinflusst, so dass sich die Milchproduktion bis in den Spätherbst hinein gut gehalten hat. Die qualitativ und quantitativ günstige Heuernte und die verhältnismässig billigen Kraftfuttermittel lassen auch im kommenden Winter eine befriedigende Milchproduktion erwarten. Ungünstig beeinöusst wird die Milchproduktion immer noch durch die schädigenden Nachwirkungen der Maul- und Klauenseuche, da ein grosser Prozentsatz der durchseuchten Kühe nicht milchergiebig ist und vorzeitig der Schlachtbank zugeführt werden muss.

. Zur Besprechung der Fragen, wie die Versorgung mit Milch und Milcherzeugnissen im nächsten Winterhalbjahr geordnet werden soll, wurden, wie dies auch früher geschehen ist, die Vertreter aller interessierten Wirtschaftsgruppen, der kantonalen Behörden und die Mitglieder der eidgenössischen Ernährungskommission zu einer gemeinsamen Aussprache auf den 26. September 1921 in den Ständeratssaal nach Bern einberufen. Das Ernährungsamt teilte an der Konferenz mit, dass es, wie auch der Bundesrat, eine freie Verständigung über die Milchversorgung zwischen den in Betracht kommenden Wirtschaftsgruppen sehr begrüssen würde. In diesem Falle könnten die noch bestehenden kriegswirtschaftlichen Verordnungen betreffend die Milchversorgung aufgehoben werden.

Die Vertreter der Produzenten wiesen darauf hin, dass angesichts des durch die Trockenheit bedingten Futterausfalles und besonders der ungünstigen Nachwirkungen der Maul- und Klauenseuche auf die Milchproduktion einzelne Produzentenkreise eine Erhöhung der

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Milchpreise auf 1. November angestrebt hätten. In Abwägung aller Verhältnisse werde man aber vermutlich dazu kommen, die Produzentenpreise allgemein auf der bisherigen Höhe zu belassen.

Die Produzenten verlangen kein neues Übereinkommen, werden aber dazu Hand bieten, wenn es gewünscht werde. Die Vertreter des Milchhandels erklärten, dass eine weitere Reduktion der derzeitigen Verschleisspanne ausgeschlossen sei. Die im Winterhalbjahr bedeutend höhern Zufuhrkosten der Milch für die grössern Konsumplätze könnten somit weder von den Milchproduzenten noch vom Milchhandel übernommen werden. Diese wären somit vom Bunde zu übernehmen oder auf die Konsumenten zu überwälzen.

Von Vertretern der Konsumenten und kantonaler Behörden wurde namentlich betont, dass angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrisis auf alle Fälle ein Milchpreisaufschlag vermieden werden müsse. Den Produzenten werde ans Herz gelegt, in Beachtung der Not, die im Lande herrsche und die sich auf den Winter hin noch verschärfen werde, möglichstes Entgegenkommen zu zeigen und soweit irgendwie möglich einen Milchpreisabschlag eintreten zu lassen. Abgesehen von den Preisen sei aber insbesondere wichtig, dass die Konsumenten mit Milch genügend versorgt werden. Bei einem Fallenlassen jeglicher Vereinbarung könnte, wie von verschiedenen Konferenzteilnehmern befürchtet werde, die ausreichende Milchversorgung der grössern Konsumplätze und des Landes überhaupt gefährdet werden.

Die Konferenzteilnehmer aus allen Kreisen und Gruppen, besonders aber die Konsumentenvertreter, waren fast ausnahmslos der Meinung, es möchte, trotz der Wünschbarkeit einer Aufhebung der noch bestehenden kriegswirtschaftlichen Massnahmen, der Abschluss eines neuen Übereinkommens über den Winter 1921/22 durch das Ernährungsamt zweckmässig sein.

Die vom Ernährungsamt seither geführten Verhandlungen haben in der Folge wieder zu einem neuen Übereinkommen über die Milchversorgung mit dem Zentralverband schweizerischer Milehproduzenten geführt. Darnach wird eine Eeduktion des Milchpreises zu Lasten der Produzenten von zirka % Rappen per kg eintreten. Durch diesen Preisabschlag sollen die im Winterhalbjahr grössern Zufuhrkosten der Konsummilch gedeckt, sowie auch der auf l. November eintretende Butterpreisabschlag ausgeglichen werden.

Eine Erhöhung des Ausmesspreises für
Konsummilch darf nirgends eintreten. An einzelnen Orten ist eine Herabsetzung des Ausmesspreises für Konsummilch in den Käsereien von l Rappen per Liter zu erwarten. Die übrigen Verhältnisse, einschliesslich die Ordnung

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der Ein- und Ausfuhr von Milch und Milcherzeugnissen, erfahren keine wesentliche Änderung. Im Zeitpunkte der Berichterstattung sind noch nicht alle Einzelheiten betreffend die Milchversorgung im Winterhalbjahr 1921/22 geordnet.

B u t t e r v e r s o r g u n g . Beim Abschluss des Übereinkommens ·des Ernährungsamtes mit dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten über die Milchversorgung vom 1. Mai bis 31. Oktober 1921 wurde eine Herabsetzung der Butterpreise um 80 Bappen per kg vereinbart. Es wurde dabei angenommen, dass die neuen Butterpreise ungefähr im Einklang stehen werden mit dem mittleren Weltmarktpreis während des Sommerhalbjahres. Die Butterpreise in den Bezugsländern sind dann aber im Mai und Juni stark gefallen, .so dass auf der Buttereinfuhr vom Ernährungsamt ein entsprechender Gewinn erzielt wird. Im Juli und August stiegen die Butterpreise in diesen Ländern wieder erheblich, um aber im September, entgegen jahrelangen Erfahrungen, vorübergehend neuerdings rückläufig zu werden. Vom Oktober bis Dezember wird aber von neuem mit einer Preissteigerung zu rechnen sein. Diese Preisschwankungen der Importbutter waren ohne Einfluss auf die Verkaufspreise des Ernährungsamtes im Inlande. Der erzielte Gewinn von rund 50 Kappen per kg Butter wird, wie weiter oben angegeben ist, teilweise zugunsten ·der Milchversorgung verwendet. Dem Einwände, dass durch die Vereinbarungen über die Milchversorgung die Butterpreise durch·schnittlich etwas über den Gestehungskosten der Importbutter festgesetzt seien, ist entgegenzuhalten, dass das Verhältnis seit Kriegsausbruch bis Ende 1919 umgekehrt war und dass die immer noch unter Ausfuhrverbot stehenden Schweizerkäse im Auslande auch heute noch um Fr. 100 bis Fr. 120 per 100 kg über dem Inlandpreise zu verwerten sind, den der einheimische Käseproduzent nach dem derzeitigen Milchpreise erhalten darf. Nach der neuen Vereinbarung über die Milchversorgung im Winterhalbjahr 1921/22 tritt auf 1. November 1921 ein weiterer Preisabschlag ein von 50 Kappen per kg Tafelbutter und 80 Rappen per kg Käsereibutter (Butter II. Qualität). Das Ernährungsamt hat folgende Mengen Importbutter geliefert: Januar Februar März .

April Mai Juni

.'

1919

1920

1921

kg

kg

kg

-- -- -- -- -- --

356,575 667,672 484,110 253,418 569,279 601,583 694,538 349,666 374,520 1,140,352 830,050 628,646

845 1919

1920

1921

kg kg kg Juli -- 526,342 430,949 August 1,162,032 839,818 780,140 September 1,070,489 944,839 -- Oktober 1,704,598 1,290,681 -- November .

256,057 1,008,757 Dezember 706,131 696,401 -- Käseversorgung. Abgesehen von der Eegelung der Ein- und Ausfuhr und einigen Kontrollbestimmungen bestehen keine kriegswirtschaftlichen Vorschriften mehr über die Käseversorgung. Das Ernährungsamt verlangt vom Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten bzw. von der Hand in Hand mit ihm arbeitenden Genossenschaft schweizerischer Käsehandelsfirmen unter allen Umständen für die" Inlandsversorgung genügende Käsevorräte. Die Überschüsse werden für den Export freigegeben. Änderungen der Käsepreise sind in der Berichtsperiode im Inlande nicht eingetreten.

Fürsorgeamt. Die Ausgaben für die Abgabe von Brot und Milch an Bedürftige vom 1. Januar bis 31. Mai 1921 haben betragen: Notstandsmilch: Zahl der Bezüger

Bund

Kosten für Kantone und Gemeinden

Januar zirka 126,000 Fr. 135,274. 38 Fr. 98,097. 59 Februar . . . . . » 116,000 » 129,855.69 » 93,758.32 März » 124,000 » 133,630.69 » 96,992.94 April » 55,000 » 56,986.18 » 45,580.47 Mai » 52,000 » 53,753.98 » 43,597.74 Juni » 51,000 » 51,098.68 » 40,975.14 Notstandsbrot: Januar zirka 135,000 Fr. 83,818.65 Fr. 60,411.70 Februar » 126,000 » 82,214.54 » 59,996.79 März » 134,000 » 85,491.24 » 62,258.04 April » 63,000 » 40,374.09 » 32,134.16 Mai » 58,351 » 37,181.27 » 27,208.04 Juni » 57,000 » 37,432.47 » 27,273.21 Der Bund leistete an die Verbilligung wie bis anhin 6. Happen für den Liter Milch und 9 Rappen für das kg Brot, was in der Hegel dem Einundeinhalbfachen der kantonalen und kommunalen Beiträge zusammen entspricht.

Durch Bundesratsbeschluss vom 27. Mai 1921 wurde die Abgabe von Brot zu ermässigtera Preise auf 30. Juni aufgehoben.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. IV.

58

846

Zu Anfang des Jahres wurde die Notstandsaktion noch in 9 Kantonen durchgeführt. Auf Ende März wurde sie in 3 Kantonen und auf Ende Juni in einem weitern Kanton eingestellt. Seither findet sie noch Anwendung in den Kantonen Baselstadt, St. Gallen, Wallis, Neuenburg und Genf.

Die H i l f s a k t i o n e n des Fürsorgeamtes für Schweizer im Auslande wurden in der Berichtsperiode endgültig eingestellt.

Vom Januar bis Juni 1921 wurden jeden Monat noch zirka 1200 Gratislebensmittelpakete an bedürftige Landsleute in Deutschland und Österreich geliefert. Seit Aufhebung des Paketversandes des Bureaus für Ausfuhr wurde die Herstellung und Spedition der kostenfreien Lebensmittelpakete durch ein Privatgeschäft besorgt. Auf Ende Juni 1921 ist diese Hilfsaktion endgültig eingestellt worden.

Die Versorgung mit Bedarfsartikeln kam ebenfalls zum Abschlüsse.

Die Zentralstelle in Basel, die sich mit der Spedition der Sendungen befasste, ist auf Ende Juni 1921 aufgehoben worden. Die zur bessern Durchführung der Fürsorgeaktionen für Schweizer in Österreich im Herbst 1919 errichtete Fürsorgestelle in Wien hat ihre Tätigkeit ebenfalls eingestellt und ist auf Ende Mai 1921 zurückgezogen worden.

B e r n , den 28. Oktober 1921. ' Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der

Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

XVII. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914, 3. April 1919 und 19. Oktober 1921 getroffenen Massnahmen. (Vom 28. Oktober 1921.)

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1921

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4

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44

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575

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

02.11.1921

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814-846

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