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Bundesblatt

73. Jahrgang.

Bern, den 16. März 1921.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme-unddPostbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 60 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli * Cie. in Bern.

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1381

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verbilligung von Kohlen und Torf.

(Vom 12. März 1921.)

I.

Wir haben in unsern Berichten an die Bundesversammlung seinerzeit dargelegt, aus welchen Gründen und auf welcher Grundlage die Schweizerische Kohlengenossenschaft in Basel geschaffen wurde. Sie war bestimmt, zufolge der nach dem Waffenstillstand eingetretenen Lage die Kohlenversorgung der Schweiz speziell durch Bezüge aus Frankreich, Belgien, England und Amerika zu decken. Es sei nur daran erinnert, dass speziell Frankreich und Belgien seinerzeit wünschten, dass die Abschlüsse mit einer staatlich-offiziellen oder doch mindestens offiziösen Stelle erfolgen können. In der Folge wurde die wichtigste Funktion der Kohlengenossenschaft die Organisation der Bezüge aus Amerika und England. Die Kohlengenossenschaft war und ist eine gemeinnützige Institution. Sie verfolgt keinen Erwerbszweck und soll keinen Gewinn erzielen. Sollte bei ihrer Liquidation sich ein Überschuss der Aktiven über die Passiven und das Genossenschaftskapital ergeben, so fiele ein solcher ohne weiteres dem Bunde zu.

Um der Genossenschaft, welche für die Kohlenversorgung des Landes verantwortlich war, ihre Tätigkeit überhaupt zu ermöglichen und ihr die nötigen grossen und nicht risikofreien Abschlüsse zu gestatten, übertrug ihr der Bund das alleinige Recht für die Einfuhr von Kohle. Es liegt auf der Hand, dass nur unter solchen Verhältnissen eine private Organisation, die zudem nur über ein bescheidenes Kapital von nominell 11 Millionen verfügte, wovon nur die Hälfte einbezahlt war, die ihr zugedachte Aufgabe übernehmen und die nötigen Abschlüsse treffen konnte.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. I.

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400

Die Kohlengenossenschaft hat durch ihr energisches Eingreifen seit ihrer Gründung, d. h. seit zwei Jahren, die Kohlenversorgung des Landes in durchaus befriedigender Weise gesichert.

Bei einer bilanzmässigen Verkehrsziffer von 6,2 Milliarden Franken hat die Kohlengenossenschaft vom 1. April 1919 bis Ende Dezember 1920 über 3,e Millionen Tonnen Kohlen, Koks und Briketts im Fakturawert von 621 Millionen Franken in die Schweiz eingeführt. Bei einem Gesamtbedarf, der vor dem Kriege auf über 250,000 t monatlich veranschlagt wurde und heute mit zirka 170,000 t geschätzt werden kann, gestalteten sich die von der Kohlengenossenschaft durchgeführten Importe wie folgt: BraunMonat

Saar

t

Ruhr kohlen, Beigten England Amerika Div.

Briketts t t 1,783 -- 1,524 1,530 -- 5,887 -- -- 16,009 -- 11,332 .-- 6,206 -- "

Dez. 1918 10,000 Jao. 1919 40,593 Febr. 1919 63,975 März 1919 54,864 April 1919 19,911 Mai 1919 34,036 Juni 1919 38,645 Juli 1919 30,482 19,491 Aug. 1919 11.860 26,479 Sept. 1919 11,695 30,942 Okt. 1919 7,945 38,503 Nov. 1919 17,262 14,962 Dez. 1919 17,496 15,420 Jan. 1920 24,026 10,854 Febr. 1920 23,624 7,512 März 1920 17,522 14,928 April 1920 11,919 15,493 Mai 1920 17,543 22,532 Juni 1920 25,812 18,085 Juli 1920 31,816 38,624 Aug. 1920 15,180 45,372 Sept. 1920 25,982 17,754 Okt. 1920 19,023 28,573 Nov. 1920 16,393 21,082 Dez. 1920 17,051 9,270

21,182 19,161 140 4,156 3,394 4,000 105 -- -- -- -- -- 8,181 22,148 13,810 11,988 14,344 ~

t

t

8,766 2,333 317 13,090 51,742 90,917 60,219 70,332 42,348 33,703 16,224 16,712 20,193 13,488 9,452 18,695 19,787 14,096 9,157 7,601 2,507 2,676 3,404 1,372 2,843

8,892 4,862 1,906 4,444 322 -_.

6,004 25,936 17,050 6,713 11,061 13,690 35,570 12,381 22,421 47,713 61,203 31,456 75,070 71,213 65,364 66,254 52,712 43,373 87,337

t -- -- -- --.

·-- -- 24,857 139,731 65,847 59,309 89,934 128,954 47,597 34,402 29,118 33,787 100,862 193,805 202,086 182,082 100,533 75.107 89,958 137,862

t 7,635 6,561 7,676 8,991 2,382 7,345 4,546 7,467 6,108 3,920 5,030 7,349 4,320 2,080 3,259 3,454 4,178 1,520 6,777 7,235 4,399 4,735 3,909 7,144 1,967

Total

t 37,066 55,873 75,604 87,276 90,366 145,511 116,209 199,748 262,125 153,501 142,228 163,303 225,953 110,531 100,670 131,430 146,367 188,010 328,706 366,756 3*7,052 233,804 194,716 193,666 256,330

II.

Die Kohlengenossenschaft, die am 17. März 1919 gegründet worden war, nahm ihre Tätigkeit am 1. April auf. Um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, musste sie sofort darnach trachten, sich erhebliche Mengen englischer und namentlich amerikanischer Kohlen zu sichern. Im Gegensatz zu den kontinentalen Lieferungen, bei welchen sich ihre Tätigkeit in der Hauptsache auf die Mit-

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Wirkung beim Abschluss staatlicher Wirtschaftsabkommen und deren Durchführung beschränkte, musste sie auf dem englischen und amerikanischen Markt direkt mit den einzelnen Bergwerken in Verbindung treten und mit ihnen privatrechtliche Lieferungsverträge abschlössen. Wie unsicher und gefahrvoll derartige Vereinbarungen mit ausländischen Privatkontrahenten in den damaligen Zeiten waren, liegt auf der Hand, und es konnte erfahrungsgemäss zur Zeit der Kohlenknappheit nie damit gerechnet werden, die auf dem Papier vereinbarten Mengen vollständig oder auch nur annähernd wirklich in unser Land zu bringen. Bine gewisse Überdeckung war deshalb, wollte man sich nicht der Gefahr plötzlicher grösster Knappheit aussetzen, notwendig.

Aus der obigen Zusammenstellung der Importziffern geht klar hervor, dass ohne die grossen Abschlüsse, welche die Kohlengenossenschaft in weitblickender und verantwortungsfreudiger Weise im Frühling 1919 in Amerika vorgenommen hatte, die Kohlenversorgung im Winter 1919/20 eine vollkommen ungenügende gewesen wäre. Ähnlich, ja schlimmer noch, sahen die Verhältnisse im Frühling 1920 aus: Deutschland und Belgien erklärten, nichts liefern zu können, Frankreich konnte auf Grund eines kurzfristigen Abkommens mit höchstens 15--20,000 t Saarkohlen monatlich in Rechnung gesetzt werden, und England war mit Rücksicht auf den damals schon drohenden Bergarbeiterstreik in der Erteilung von Ausfuhrbewilligungen ausserordentlich zurückhaltend. Zur Deckung ihres Bedarfsdefizites von monatlich mindestens 100,000 t war die Schweiz also ausschliesslich auf Amerika angewiesen, auf welches Land sieh naturgemäss die Anstrengungen aller .der kohlenhungrigen europäischen Länder konzentrierten, die Preise dadurch stark emportreibend. Mit dem Abschluss der Kaufverträge durfte nicht zugewartet werden, da einmal die Preise gegen den Herbst zu erfahrungsgemäss immer steigende Tendenz aufwiesen, da sodann die Transporte aus Amerika zwei bis vier Monate Zeit beanspruchten und da man endlich darnach trachten musste, während des Sommers schon gewisse Lager anzulegen, um von den schwierigeren Transportverhältnissen im Herbst und Winter (Wagenmangel, niedriger Rheinwasserstand etc.) möglichst unabhängig zu werden.

So hat denn die Kohlengenossenschaft durch einstimmig gefasste Beschlüsse ihrer Organe im Frühling 1920
mit amerikanischen Firmen bedeutende Lieferungsverträge zum damaligen Marktpreis von zirka 28 Dollars cif Rotterdam oder Antwerpen abgeschlossen. Die Lieferfristen wurden so vereinbart, dass die Mengen sukzessive bis spätestens 31. Dezember in den amerikanischen

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Häfen verschifft werden mussten. Als dann etwas später der englische Markt vorübergehend eine gewisse Erleichterung zeigte, wurden entsprechende Verträge auch über englische Kohlen abgeschlossen. Die getroffenen Vereinbarungen waren, unter Berücksichtigung einerseits der Lielerungsmöglichkeit der kontinentalen Gebiete, anderseits der zahlreichen Unsicherheitsfaktoren, kaum hinreichend, den schweizerischen Bedarf für den Winter 1920/21 auch nur annähernd sicherzustellen.

Die Verhältnisse auf dem Weltkohlenmarkte spitzten sich im Verlaufe des Sommers und gegen den Herbst hin sogar noch zu. So stieg beispielsweise der Preis für englische Kohlen, der im April noch 120 sh. betragen hatte, im September auf 160 sh.

per t ab englischem Hafen, und der Cif-Preis für amerikanische Kohlen betrug im September 1920 immer noch 28 Dollars. Auf dem gesamten Weltkohlenmarkte machte sich eben während des ganzen Sommers das Gespenst eines englischen Bergarbeiterstreiks und die Möglichkeit oder sogar Wahrscheinlichkeit von Solidaritätsaktionen bei den Arbeitern der andern Zechengebiete in starker Weise geltend. Alle Staaten seufzten unter Kohlennot, die Produktionsgebiete nicht ausgeschlossen. Es braucht nur an die Verhandlungen von Spa sowie daran erinnert zu werden, dass noch im Sommer der Eisenbahnbetrieb in den skandinavische» Staaten bedeutende Einschränkungen erlitt und dass man in Belgien von der Wiedereinführung der Kohlenkarte sprach. Die Situation wird auch dadurch treffend charakterisiert, dass von denjenigen Mengen, die die amerikanischen Lieferanten im ersten Halbjahr für die Kohlengenossenschaft vertragsmässig hätten verschifien sollen, nur etwa 20 °/o effektiv geliefert wurden.

Noch im September und Oktober wurde die Lage überall und von den ersten Autoritäten sehr pessimistisch beurteilt. Die schweizerischen Gaswerke haben z. B. noch im Herbst von der Kohlengenossenschaft grössere Lieferungen amerikanischer Kohlea verlangt, und es hat auch von anderer 'Seite nicht an harten Vorwürfen gefehlt, dass die Kohlengenossenschaft sich nicht bereits im Herbst 1920 in grossem Umfange für das Jahr 1921 eingedeckt hatte.

Die leitenden Organe der Kohlengenossenschaft haben nicht unterlassen, des öftern darauf hinzuweisen, dass sie wohl bereit seien, die Kohlenversorgung des Landes durch grosse und langfristige
Verträge nach Möglichkeit sicherzustellen, dass aber ia solchen Abmachungen im Falle einer, wenn auch ganz unwahrscheinlichen, so doch immerhin möglichen Preisbaisse gewaltige

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Risiken liegen, die sie aus eigener Kraft nicht tragen könnte.

Sie müsse deshalb sicher sein, in einem solchen Falle für die Dauer der Liquidation ihrer Engagements durch Aufrechthaltung des ausschliesslichen Importrechtes geschützt zu werden. Wir haben nicht gezögert, diese Auffassung zu bestätigen, da ja sonst die Genossenschaft die nötigen Ankäufe nicht hätte riskieren können.

Berücksichtigt man alle diese Momente aus den damaligen Verhältnissen heraus und zieht man ferner in Betracht, wie ausserordentlich unsicher die Kohlenversorgung speziell aus überseeischen Gebieten immer war -- ein einziger Streik der Berg- oder Transportarbeiter konnte, wie die Erfahrung gezeigt hat, die Zufuhren für Monate hinaus zum Stillstand bringen --, so erscheint das Vorgehen der ' Kohlengenossenschaft als durchaus berechtigt.

Wie oben dargetan, hielt die Spannung auf dem Weltkohlenmarkte noch im Oktober 1920 unvermindert an. Am 18. Oktober brach der lange gefürchtete englische Bergarbeiterstreik aus. Entgegen den überall gehegten Befürchtungen wurde die Arbeit aber schon nach wenigen Tagen wieder aufgenommen, und zwar gestützt auf ein Abkommen zwischen den Streikenden und der englischen Regierung, das in der Folge eine sehr beträchtliche Zunahme der englischen Kohlenproduktion bewirkte.

Vom Momente des Streikabbruches an trat nun eine ganz ausserordentliche, von keiner Seite erwartete Änderung auf dem Kohlenmarkte ein. Nicht nur wurden die gewaltigen Vorräte, die in England für den Streikfall seit vielen Monaten angelegt worden waren, plötzlich frei, sondern es machte in sämtlichen Produktions- und Absatzgebieten der grösste Pessimismus einem lebhaften Optimismus Platz. Einerseits wurden die von Regierungen und Spekulanten überall aufgehäuften Lager sofort zum Verkaufe angeboten und anderseits hielten die Käufer auf der ganzen Welt begreiflicherweise mit Ankäufen sehr zurück. Dazu kam in England und Amerika eine bedeutende Vermehrung der Produktion, in der ganzen Welt aber eine wirtschaftliche Krisis von einem Umfange und einer Intensität, wie sie wohl nie erlebt wurde, und die den Kohlenverbrauch der Industrie und indirekt auch der Bahnen sehr stark verminderte. Der ausserordentlich milde Winter in ganz Europa verminderte auch die Abnahmefähigkeit des Hausbrandes auf ein Minimum.

Das derartig gestiegene
Angebot in Verbindung mit der fast gleichzeitig zurückgegangenen Nachfrage führte zu dem ausserordentlichen Preissturz auf dem Kohlen- und auch Frachtenmarkt, wie er sich aus der folgenden Zusammenstellung ergibt:

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England

Monate September 1920 Oktober 1920 November 1920 Dezember 1920 Januar 1921

Preis Fracht . . 160 sh. 16 sh.

. . 150 ,, 25 ,, . . 120 ,, 18 ,, . . 100 ,, 14 ,, . .

60 ,, 7 ',,

Amerika

Preis 15,50 Doli.

15,5o ,, 12,oo ,, 8,50 ,, 7,oo ,,

Fracht 12,5o Doli.

10,5o ,, 8,00 ,, 5,00 ,, 4,5o ,,

Es war der Kohlengenossenschaft glücklicherweise gelungen, bei den ersten Anzeigen der Baisse in Amerika und auch in England einen nicht unerheblichen Teil ihrer Abschlüsse rückgängig zu machen. Bei andern Verträgen aber war dies nicht möglich, und es ist klar, dass die Lieferanten, die noch kurz vorher äusserst zurückhaltend gewesen waren, nun das äusserste daran setzten, die zu hohen Preisen verkauften Mengen in vollem Umfange abzuliefern. Die Kohlengenossenschaft ihrerseits Hess nichts unversucht, um ihre Abnahmeverpflichtungen auf ein Mindestmass zu beschränken, konnte aber selbstverständlich nicht verhindern, einen erheblichen Teil der Vertragsmengen abnehmen und zu hohen Preisen bezahlen zu müssen. Unglücklicherweise wurde der grösste Teil dieser Mengen, es handelte sich um Hunderttausende von Tonnen, auf dem Rhein von einem ganz aussergewöhnlichen niedrigen Wasserstand überrascht, woraus nicht nur eine Mehrauslage von Transport- und Umladekosten von über vier Millionen Franken entstand, sondern auch eine bedeutende Transportverzögerung resultierte. Statt im November und Dezember, wo der Absatz noch viel leichter möglich gewesen wäre, trafen diese Mengen mit zweimonatlicher Verspätung ein.

In der gleichen Zeit, in welcher die Lieferanten der Kohlengenossenschaft aus begreiflichen Gründen mit allen Mitteln auf Abnahme der alten Vertragsmengen drangen, machte sich auch in der Schweiz eine immer stärkere Absatzkrisis geltend. Insbesondere ging die Abnahmefähigkeit der Industrie, die in normalen Zeiten monatlich ca. 80,000 t beansprucht hatte, infolge der gerade zu dieser Zeit mit besonderer Schärfe einsetzenden Krisis, rapid zurück, so dass einer der grössten Abnehmer der Kohlengenossenschaft für diese fast vollkommen verloren ging. So konnten beispielsweise im Monat Januar an die industriellen Verbraucher nicht einmal 10,000 t abgegeben werden. Dazu kam, dass infolge der aussergewöhnlich milden Witterung auch für Hausbrandzwecke nur ein Bruchteil dessen benötigt wurde, was diese Verbraucherkategorie bei andern Witterungsverhältnissen beansprucht hätte.

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Die Wirkung dieser beiden Momente verschärfte sich noch dadurch, dass mit Rücksicht auf die bekanntgewordene starke Preissenkung auf dem Weltmarkte jeder Abnehmer mit Ankäufen möglichst zurückhielt.

Alle diese Umstände hatten selbstverständlich nicht vorausgesehen werden können, und es durfte damit bei der ganzen Versorgungspolitik nicht gerechnet werden. Dass die Kohlengenossenschaft bei der ihr gestellten Aufgabe ihre Abschlüsse niemals auf diejenigen Mengen beschränken durfte, die sie im Momente des Vertragsschlusses bereits wiederum fest weiterverkauft hatte, liegt auf der Hand.

m.

a Die Kohlengenossenscbaft ist durch die geschilderte Entwicklung der Verhältnisse in die gleiche Lage versetzt worden wie ähnliche Organisationen anderer Länder, die zur Deckung ihres Kohlenbedarfes stark auf überseeische Zufuhren angewiesen waren.

Sie verfügt über eine gewisse Menge Kohlen, die zu Preisen eingekauft und bezahlt werden mussten, welche heute stark übersetzt sind. Der Absatz für diese Mengen kann, soll nicht das Importmonopol viel länger, als dies gewünscht wird, aufrechterhalten werden, nur mit empfindlichen Verlusten erfolgen, mit Verlusten, die in andern Ländern in die Hunderte von Millionen gehen, während sie für die Schweiz verhältnismässig geringe Beträge ausmachen.

Mit Rücksicht darauf, dass sowohl die schweizerischen Bundesbahnen als auch der Verband schweizerischer Gaswerke beim Abschluss der in Betracht kommenden Verträge mitgewirkt und ihnen in jeder Beziehung zugestimmt hatten, wandte sich die Kohlengenossenschaft an diese beiden Grossverbraucher, um wenigstens einen Teil der überschüssigen Mengen unterzubringen.

Obschon diese beiden Verbrauchergruppen die Mitwirkung ihrer Vertreter beim Abschluss der Verträge anerkannten, konnten sie sich nicht entschliessen, ohne wesentliche Zugeständnisse den Wünschen der Kohlengenossenschaft nachzukommen. Nach längeren Verhandlungen kam schliesslich im Januar 1921 mit den Bundesbahnen ein Abkommen zustande, wonach sich diese zur Abnahme von total 350,000 t, d. h. über die von ihnen früher eingegangenen Verpflichtungen hinaus, zur Abnahme einer Mehrmenge von zirka 130,000 t bereit erklärten. Als Gegenleistung verpflichtete sich die Kohlengenossenschaft zur Bezahlung einer einmaligen Entschädigung von Fr. 1,570,000 für Anlage von Vorräten, sowie

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dazu, den Bundesbahnen ihren gesamten Liquidationsüberschuss, der damals auf -zirka Fr. 8,000,000 geschätzt und mit einem Minimum von Fr. 6,000,000 garantiert wurde, zu überlassen.

Endlich wurden den S. B. B. gewisse Zahlungsvergünstigungen zugesichert. Eine Vereinbarung mit dem Verband schweizerischer Gaswerke sichert die Abnahme weiterer 60,000 t. Mit dieser.

Menge sind allerdings die Gaswerke über ihre bei den Bestellungen vorausgesehenen Bezüge nicht hinausgegangen.

Nach Abzug dieser von den Bundesbahnen und den Gaswerken abzunehmenden Mengen bleibt der Kohlengenossenschaft auf 1. April ein unverkauftes Lager von rund 180,000 t, mit einem mittleren Einstandspreis von Fr. 170 per t franko Schweizergrenze, nämlich : 82,000 t englischer Kohlen, Einstandspreis . . . . Fr. 1^60 20,000 t ,, Briketts, ,, . . . .

,,170 40,000 t amerik. Kohlen, bilanzmässiger Einstandspreis ,, 190 30,000 t diverse Kohlen und Koks, in Basel lagernd, mittlerer Einstandspreis ,, 160 8,000 t Ruhrkoks, Einstandspreis ,, 204 Dieser Überschuss, es sei dies nochmals betont, entspricht höchstens einem Monats verbrauch. Wäre der Winter weniger mild gewesen und hätte die Industrie auch nur halbwegs ihre gewohnte Kohlenmenge in Anspruch genommen, so hätten die Ankäufe der Kohlengenossenschaft lange nicht ausgereicht, um die schweizerischen Bedürfnisse zu decken, und sie wäre dann auch nicht in den Fall gekommen, die schweizerischen Bundesbahnen oder die Gaswerke um die Mehrabnahme von Kohle anzugehen. Man kann die Kohlenmenge, die in die Schweiz importiert wurde, und die unter heutigen Verhältnissen überflüssig ist, selbst wenn man noch gewisse, bereits abgegebene Quantitäten in Betracht zieht, mit 12, allerhöchstens 15 °/o eines Jahresverbrauches einstellen. Dieses Verhältnis beweist deutlich, dass man der Kohlengenossenschaft nicht Vorwürfe machen kann, dass sie übertriebene und unüberlegte Ankäufe gemacht habe.

Nun fragt es sich aber, wie sich die Behörden angesichts der heutigen Lage verhalten, ob es richtiger sei, den Dingen ihren Lauf zu lassen oder von Staates wegen einzugreifen.

IV.

In seiner Sitzung vom 17. Januar 1921 hat der Verwaltungsrat der Kohlengenossenschaft in Aussicht genommen, dass die

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Tätigkeit der Kohlengenossenschaft mit dem 30. Juni aufhören und dass von dort weg der Kohlenimport wieder dem freien Handel überlassen werden solle. Allerdings hoffte man dannztimal, wie sich aus Besprechungen mit den leitenden Organen der Kohlengenossenschaft ergab, auf anderer Basis, nämlich ohne Zuschuss des Bundes liquidieren zu können. Man wollte den Kohlenpreis um ungefähr Fr. 60 pro Tonne reduzieren und anderseits auf der neu zugekauften Kohle einen gewissen Gewinn erzielen. Auf dieser Grundlage hoffte man die Vorräte der Genossenschaft abstossen zu können und einen Gesamtüberschuss von 6 Millionen Franken zu erzielen, der dann nach den oben erwähnten Abmachungen den schweizerischen Bundesbahnen zugekommen wäre. Die Verhältnisse haben sich aber seit jener Zeit, wie bereits dargelegt, viel ungünstiger gestaltet, als erwartet wurde.

Der Absatz stockte fast vollständig. Viele Industrien sind auf Monate hinaus mit Kohle versorgt; jedermann spart mit Brennmaterial, und wer kaufen musste, begnügte sich mit dem Aliernötigsten. So bleiben denn auf den 1. April der Kohlengenossenschaft noch bedeutend grössere Kohlenvorräte als sie vorausgesehen hatte. Anderseits aber fiel der Kohlenpreis noch weiter, und die Stimmen in unserem Lande werden stets lauter und zahlreicher, die verlangen, dass der freie Kohlenimport gestattet werde und dass die schweizerische Volkswirtschaft nicht mehr länger Preise für Brennmaterial bezahlen müsse, die 2--3mal höher seien als die Preise, zu denen heute Kohle erworben wecdea könne.

Darf auch der Einfluss einer Kohlenpreisreduktion auf die Kosten unserer nationalen Produktion nicht überschätzt werden, so ist es doch unbestreitbar, dass alle die, welche der Natur ihrer Betriebe entsprechend, keine oder ganz kleine Kohlenvorräte unterhalten, und alle diejenigen Unternehmungen, deren Vorräte in den nächsten Monaten oder Wochen zu Ende gehen, darauf halten, in Zukunft für Kohle keine mit den Weltmarktpreisen zu sehr diflferiende Ansätze bezahlen zu müssen. Wir haben denn auch aus den Kreisen des Handels- und Industrievereins, von einer ganzen Reihe von kantonalen Handelskammern und einzelnen Industriebranchen dringlichste Wünsche und Begehren erhalten, es möchte für einen beförderlichsten Abbau der Kohlenpreise gesorgt werden. Für manche Zweige spielt" ja entschieden der
Kohlenpreis eine erhebliche Rolle, bei andern trifft dies nicht zu.

Aber neben den praktischen Gesichtspunkten der billigeren Produktion spielt auch noch das moralische Moment eine Rolle. Industrie und Gewerbe wünschen tunlichst ihre Freiheit wieder zu

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bekommen, und ihre Rohstoffe so billig wie möglich zu erwerben.

Der Kohlenpreis spielt auch für die Kosten der Lebenshaltung eine erhebliche Rolle. Ist auch die Heizperiode jetzt vorüber, so ist doch die Kohle in der Lebensmittelindustrie ein wichtiger Hülfsstoff. Sein Preisrückgang wird auch eine Reduktion der Torfpreise im Gefolge haben. Das Baugewerbe wird in den Stand gestellt, billiger zu arbeiten. Ja schon das Gefühl, dass nun ein rolkswirtschaftlich so wichtiger Stoff wie die Kohle eine Preisreduktion auf ungefähr die Hälfte erleidet, dient der Sache des Preisabbaues und beweist, dass dieser effektiv einsetzt und auch möglich ist.

Oft wird uns eingewendet, dass hohe Kohlenpreise manche Betriebe erschweren und die Arbeitslosigkeit steigern. Ist dies auch nicht immer und nicht in dem Masse richtig, wie es geltend gemacht wird, so ist doch unbestreitbar, dass mit der Reduktion der Kohlenpreise offenbar ein "Grund oder auch doch oft ein Vorirand dahinfällt, Betriebe einzuschränken oder stillzulegen. Man muss sich allerdings nicht verhehlen, dass die Industrie vielfach noch Vorräte hat, die auf Monate reichen und dass also der Rückgang der Preise vielen Unternehmungen nicht zugute kommt.

Trotzdem glauben wir, dass der Staat mit dem guten Beispiele der Preisreduktion vorangehen solle und dass das allgemeine öffentliche Interesse an einem raschen Rückgang der Kohlenpreise auch ein grosses Opfer des Bundes rechtfertige. Durch die neuesten Beschlüsse der Bundesversammlung über Zollerhöhungen und Einfuhrbeschränkungen wurden wir in die Lage versetzt, unsere inländische Produktion auf dem schweizerischen Markte etwelchermassen zu schützen. Die Exportindustrien profitieren von diesen Massregoln nicht. Ihnen können wir am besten dienen mit einer Verbilligung der Produktion und deshalb legen sie an sich und auch um des Beispiels Willen einen grossen Wert darauf, dass der Kohlenpreis möglichst rasch zurückgehe. Schliesslich mögen auch noch die Interessen der schweizerischen Nebenbahnen und der Elektrizitätswerke, die nun öfters auf die Herstellung von Dampfkraft angewiesen sind, erwähnt werden.

Hält man sich vor Augen, dass heute gute Saarkohle zum Preise von Fr. 70 franko Schweizergrenze bezogen werden kann, so kann man es verstehen, dass eine weitere Aufrechterhaltung von Kohlenpreisen, die im
Grosshandel bis auf Fr. 200 gestiegen sind, berechtigtem Unwillen rufen und im Publikum nicht verstanden würde. Wir glauben also, dass es angemessen sei, Massregeln für einen raschen Preisabschlag der Kohle zu treffen.

409 Von manchen wurde als der gegebene Ausweg betrachtet, dass die Kohlengenossenschaft selbst, wie ein anderer Warenkäufer, die Folgen des Preisrückganges trage und die entsprechenden Verluste zu übernehmen habe. Gegenüber dieser Auffassung muss darauf hingewiesen werden, dass die Kohlengenossenschaft im ganzen nur über ein Kapital von etwas über 11 Millionen verfügt, das zur Hälfte vom Kohlenhandel, zur Hälfte von den Bundesbahnen, den Nebenbahnen, den Gaswerken und der Industrie aufgebracht wurde. Die Kapitalbeteiligung wurde seinerzeit aach Massgabe der Importe festgesetzt. Die Einzahlung des Kapitals erfolgte zur Hälfte. Es geht schon daraus hervor, dass die Kohlengenossenschaft gar nicht in der Lage wäre, einen bezüglichen Verlust zu tragen. Überdies ' fällt in Betracht, dass sie tatsächlich ein auf privatrechtlicher Grundlage geschaffenes Instrument der Staatsbehörde war, welchem die Durchführung der aus oben erwähnten Gründen notwendigen Kohlenimport-Mono'pols übertragen wurde. Es hiesse heute wider Treu und Glauben handeln, wollte man ganz. einfach durch Freigabe des Kohlenimportes die Kohlengenossenschaft zur Preisreduktion zwingen und ihr die entsprechenden Verluste zumuten. Diese Organisation hat die für die Landesversorgung notwendigen Verträge nur abgeschlossen und abschliessen können, weil ihr anderseits von den Staatsbehörden die Zusicherung gegeben wurde, dass sie bis zu ihrer Liquidation mit dem Importmonopol ausgestattet sei. Ohne eine solche Zusicherung hätte der Staat selbst den Kohlenimport übernehmen müssen ; er zog es aber vor, diese Aufgabe einer anpassungsfähigen und nach rein geschäftlichen Grundsätzen geleiteten Privatorganisation zu überlassen. Zudem träfe ein Verlust annähernd zur Hälfte durch die Bundesbahnen den Bund, die schon hart mitgenommenen Nebenbahnen und die Gaswerke. Was die Kohlenhändler betrifft, so soll ihnen ein Opfer zugemutet werden ; es soll aber logischerweise darin bestehen, dass sie vom Tag der Preisreduktion an, ihre noch vorrätige Kohle den neuen Ansätzen entsprechend billiger zu verkaufen haben.

Eine andere Kombination, die die Liquidation erlaubt hätte, wäre die strikte Aufrechthaltung des Kohlenmonopols bis zur vollständigen Liquidation aller der Kohlengenossenschaft gehörenden Vorräte. Eine solche Operation würde mit Rücksicht auf den
gegenwärtigen kleinen Kohlenverbrauch über den 30. Juni hinaus, ja wahrscheinlich bis gegen Ende des Jahres dauern. Die Genossenschaft müsste natürlich auf den Sorten, auf denen sie keinen Vorrat hat, neue Quantitäten zukaufen. Diese Lösung

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scheint uns durch die oben bereits für die Kohlenverbilligung ins Feld geführten Gründe widerlegt zu sein.

Es bliebe als weitere Möglichkeit der Ausweg, dass der Bund gewisse Zuschüsse machen würde, um auf den 1. April schon eine gewisse Verbilligung der Kohle zu ermöglichen, dass aber im übrigen die Genossenschaft weiter, beispielsweise bis Ende des Jahres, die Kohleneinführ besorgen würde. Sicherlich hätte' eine solche Lösung vieles für sich, allein sie würde in Beziehung auf die Reduktion der Produktionskosten und der Preise der Lebenshaltung nicht den gewünschten Effekt erzielen und würde auch dem von der öffentlichen Meinung vielfach vertretenen Wunsche nicht entsprechen, der auf eine möglichst rasche Aufhebung des Importmonopols und auf Freigabe des Handels hinzielt.

So haben wir uns also entschlossen, die Freiheit des Kohlenhandels auf den 1. Juli wieder einzuführen, anderseits aber der Kohlengenossenschaft zu ermöglichen, schon vorher durch intensive Preisabschläge den nunmehrigen Verhältnissen des Weltmarktes in weitgehendem Masse Rechnung zu tragen. Dabei sehen wir vor, dass durch Zuschüsse des Bundes die der Genossenschaft am 1. April verbleibenden Kohlenvorräte, die, wie oben angeführt, pro Tonne durchschnittlich Fr. 170 kosten, um Fr. 70 verbilligt werden sollen. Auf ein Quantum von 180,000 Tonnen gerechnet ergibt sich die Notwendigkeit eines Zuschusses von 12,e Millionen Franken.

Die Genossenschaft würde hierdurch in den Stand gesetzt, ihre Kohle vom 1. April an durchschnittlich zu Fr. 100 zu verkaufen, während der jetzige Abgabepreis durchschnittlich Fr. 180 bis 190 war. Dabei hat es die Meinung, dass gewisse Qualitäten, wie z. B. Koks, über Fr. 100 kosten würden, während andere Sorten billiger zu stehen kämen. Mit Rücksicht auf die derzeitigen Verhältnisse nimmt die Kohlengenossenschaft an, dass sie in den Monaten April, Mai und Juni zu einem Preise von ca.

Fr. 100 nicht mehr als im ganzen 60,000 Tonnen verkaufen könne, da jedermann mit Rücksicht auf weitere Abschläge zurückhaltend ist und auf weitere Abschläge wartet. Die Genossenschaft wird aber in der Lage sein, noch einen Kaufsabschluss auf 30,000 Tonnen englischer Kohle ohne ein höheres-Opfer, als der Zuschuss es bedeutet, rückgängig zu machen, so dass ihr effektiv auf den 1. Juli noch 90,000 Tonnen Kohlen verbleiben würden. Auf jenes Datum sollte nun nach unserer Ansicht der freie Handel in Kohlen eingeführt werden und ein tieferer Welt-

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marktpreis allen Bezugern zugute kommen. Wir sind nicht in der Lage, vorauszusehen, welches der Kohlenpreis in jenem Moment sein wird. Betrüge er durchschnittlich Fr. 70, so wäre ein weiterer Zuschuss von 2,7 Millionen erforderlich und überhaupt für je weitere Fr. 10 Preisreduktion pro Tonne ein Betrag von 900,000 Franken. Wir werden also höchst wahrscheinlich mit einem Zuschuss von wenigstens ca. 3 Millionen rechnen müssen. Manche fassen einen intensiveren Preisrückgang als einen solchen auf bis Fr. 70 ins Auge, allein es ist natürlich auch möglich, dass, je nach dem Stande der Versorgung deiIndustrie in den drei Monaten, bis zum 30. Juni, grössere Quantitäten als 60,000 Tonnen verkauft werden können. Schliesslich ist auch damit zu rechnen, dass zufolge des Beschlusses der Bundesversammlung die ganze Aktion wohl erst am 15. April in Kraft treten kann.

Immerhin muss die Möglichkeit ins Auge gefasst werden, dass für diese zweite Verhilligung ein Betrag bis auf 5 Millionen Franken nötig werden kann, und der Bundesrat muss jedenfalls über diese Summe verfügen können. Der Kohlengenossenschaft würde also im ganzen ein Betrag von gegen 18 Millionen zur Verfügung gestellt werden.

Wir erwähnten oben den Vertragsabschluss mit den schweizerischen Bundesbahnen, welche in entgegenkommender Weise 130,000 Tonnen Kohle mehr abgenommen haben, als sie verpflichtet waren. Nach Massgabe jenes Abkommens käme jene Kohle pro Tonne auf zirka Fr. 147 zu stehen. Dabei ist jedoch Torausgesetzt, dass neben einer Entschädigung von 1,57 Millionen für Anlage von Vorräten ein weiterer Gesamtrabatt von 6 Millionen aus den Überschüssen der Kohlengenossenschaft gewährt werde. Infolge der veränderten Verhältnisse ist nun die Kohlengenossenschaft auch nicht mehr in der Lage, einen Überschuss von 6 Millionen Franken zu erzielen. Der gesamte Überschuss des Verkaufspreises über den Ankaufspreis belauft sich per Ende Dezember 1920 auf zirka 41/« Millionen, was bei einer Gesamtsumme für Kohlenankäufe von 621 Millionen die gewiss bescheidene Proportion von kaum 3/4 °/o ausmacht. Es kann nun aber wohl nicht die Rede sein, dass die Bundesbahnen, die soust schon durch die Übernahmen vuu uor Kuliieugeuotsseuschaft -- allein, es muss gesagt werden, auch durch eigene Ankäufe -- auf lange Zeit hinaus mit teuren Kohlen versehen sind, noch weiter
in Mitleidenschaft gezogen werden sollen. Wir betrachten es als durchaus natürlich, dass der Bund den Bundesbahnen von vorneherein den fehlenden Teil des Rabattes von 6 Millionen, den

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die Kohlengenossenschaft ihnen zugesagt hat, vergütet. Dieser Antrag bedarf wohl keiner weitern Begründung. Wir gehen aber noch weiter: Die schwierige Lage der schweizerischen Bundesbahnen ist Ihnen bekannt. Der Bundesrat glaubt, dass es der Billigkeit entspreche, wenn er den Bundesbahnen einen weitern Zuschuss an ihre Kohlenübernahme leistet, den wir, mit Fr. 20 per Tonne veranschlagt, auf 2,6 Millionen Franken beziffern. Es mag dabei noch erwähnt werden, dass die Bundesbahnen bei Abschluss ihres Vertrages noch mit einem Gesamtüberschuss der Kohlengenossenscbaft bis auf 8 Millionen rechneten, der ihnen nach getroffener Abmachung voll zugefallen wäre.

Unter solchen Verhältnissen beläuft sich der Gesamtzuschuss des Bundes für die Kohlenverbilligung auf die mutmassliche Summe von : a. Abschreibung der vorhandenen Kohlenmenge 180,000 Tonnen von Fr. 170 auf Fr. 100 12,6 Millionen b. Abschreibung der am 30. Juni wahrscheinlich vorhandenen Menge von 90,00.0 Tonnen auf den Weltmarktpreis 5 ,, c. Zuschuss an die Kohlengenossenschaft für die schweizerischen Bundesbahnen . . . .

1,6 ,, (Ausfall auf der Summe von 6 Millionen) Dazu käme dann noch eine weitere Zuwenwendung an die Bundesbahnen (s. oben) 2,o ,, Total 21,7 Millionen Dabei besteht die Möglichkeit, dass der Posten 6, je nach dem dannzumaligen Kohlenpreis, sich etwas reduziert.

Selbstverständlich werden wir an die Kohlengenossenschaft nur die Beträge ausbezahlen, die nötig sind, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Wir werden aber anderseits, auch wenn sich eine kleinere Differenz ergeben sollte, etwas höher zu gehen haben, indem es unseres Erachtens eine Pflicht der Loyalität ist, dass den Genossenschaftern das Kapital mit einem 6 °/o igen Zins zurückvergütet wird, weil, wie wir ausführten, die Genossenschaft eine öffentliche Funktion versehen hat. Ebenso muss uns natürlich die Möglichkeit zustehen, wenn dies rationell erscheint, die Vorräte der Kohlengenossenschaft auch im Laufe der Monate April bis Juni eventuell etwas billiger als vorgesehen zu liquidieren, wenn sich eine solche Liquidation vollziehen kann und wenn dadurch der Kohlengenossenschaft ermöglicht wird, mit kleinen Vorräten in die am 1. Juli beginnende Periode einzutreten.

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V.

Durch die an sich sicherlich sehr begrüssenswerte Verbilligungsaktion für Kohle werden die schweizerischen Gaswerke, deren Lage sonst schon keine rosige ist, erheblich getroffen.

Zwar sei festgestellt, dass keineswegs der ganze Ausfall, den sie an ihren grossen, fast für ein Jahr reichenden Vorräten erleiden, durch unsere Vorlage verursacht wird. Diese hat nur zur Folge, dass für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni wegen der starken Kohlenverbilligung ein intensiverer Abschlag auf Gaskoks und vielleicht auch auf den Nebenprodukten der Gasfabrikation eintritt, als dies bei einem bescheidenen Abschlag der Fall wäre.

Es würde wohl der Billigkeit entsprechen, dass der Bund den Gaswerken den durch seine direkte Intervention entstehenden Ausfall ersetzt. Wir haben ihn im Hinblick auf die grossen Schwierigkeiten des Absatzes des Gaskoks mit einer Million veranschlagt. Andere Berechnungen sind höher und kommen auf das Doppelte. Sie gehen aber zu weit. Die Gaswerke haben inzwischen, ohne uns zu verständigen, wie es scheint bereits eine starke Preisreduktion auf Koks eintreten lassen, bevor ein definitiver Entscheid durch die Bundesversammlung gefallen ist. Eine rechtliche Verantwortlichkeit des Bundes gegenüber den Gaswerken kann nicht in Frage kommen. Wir ziehen aber bei der Lösung der Frage über Bemessung der Zuwendung an die Gaswerke das grosse öffentliche Interesse in Betracht, welches daran besteht, dass die Gaswerke, meist kommunale Unternehmungen, nicht erdrückt werden, und welches verlangt, einen Gasabschlag so rasch wie möglich eintreten zu lassen. Wir tragen ferner dem Umstände Rechnung, dass auch die Gaswerke, wie so viele andere Käufer, von der Absicht geleitet, die Landesversorgung sicherzustellen, neben den Quantitäten, die sie von der Kohlengenossenschaft bezogenj sich noch mit weitern erheblichen Quantitäten englischer Kohle zu hohen Preisen belastet haben. Sie haben auch durch einen jüngsten Vertragsabschluss von der Kohlengenossenschaft noch 60,000 t Kohle zu Fr. 190 die Tonne übernommen, allerdings ohne damit ihre vorgesehenen Bezüge zu überschreiten.

Wir halten es für billig, dass diesen Verhältnissen Rechnung getragen werde. Durch eine allzu starke Verzögerung des Gaspreisabschlages wird der Gaskonsum reduziert und die Werke geraten dadurch in eine noch schlimmere Situation. Leisten
wir ihnen einen Zuschuss, der auf sie zu verteilen wäre, so schaffen wir immerhin eine erhebliche Erleichterung. Auch die Organe der Kohlengenossenschaft anerkennen die schwierige Lage, der

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Gaswerke und haben uns aus allgemeinen Erwägungen deren Berücksichtigung empfohlen. Wir glauben, dass ein Gesamtzusehuss an die Gaswerke im Betrage von vier Millionen Franken angemessen sei. Dieses Opfer rechtfertigt sich aus den gleichen und ähnlichen Erwägungen wie die Verbilligungsaktion für Kohle überhaupt.

Der Gesamtverlust, den die Gaswerke durch den Ankauf teurer Kohle, aber nicht nur von Seiten der Kohlengenossenschaft, sondern auch weiterer Mengen erleiden, darf wohl auf 15--20 Millionen veranschlagt werden, ohne dass ihnen aber deswegen mit Recht ein Vorwurf gemacht werden könnte. Sie befinden sich eben in der gleichen Lage wie andere Kohlenkonsumenten im In- und Auslande.

VI.

Die Verbilligung der Kohle wird natürlich auch ihre Rückwirkung haben auf die Preise der übrigen Brennmaterialien, insbesondere auch des Torfes. Der Bund hat seinerzeit die Torfausbeutung lebhaft empfohlen und durch die Gründung der Torfgenosseaschaft unterstützt. Vor einiger Zeit sollen bei den Produzenten zirka 100,000 t Torf vorhanden gewesen sein, die indessen zu den Einstandspreisen nicht verwertet werden können. "Wir halten dafür, dass auch hier der Bund ein gewisses Opfer bringen sollte und dass er insbesondere für eine Verbilligung von Torf I. Qualität, der sich noch bei den Produzenten befindet, Hand bieten dürfte.

Soviel wir beurteilen können, handelt es sich um ein Quantum von zirka 60,000 t, das in Betracht kommen könnte. Voraussetzung einer Verbilligung durch den Bund muss natürlich auch ein entsprechendes Opfer der Torfeigentümer sein. Bei einer Verbilligung von Fr. 15--20 pro Tonne, die wiederum für weite Kreise eine Verbilligung eines beliebten Brennmaterials bedeutet, ergäbe sich für den Hund ein Opfer von l,2 Millionen Franken.

Diese Summe wäre durch die Organe des Departementes des Innern in angemessener Weise in Verteilung zu bringen..

VII.

Für einmal besteht der Bundesralsbeschluss über die Brennmaterialversorgung noch in Kraft. Wir gedenken, ihn auf d«n 30. Juni aufzuheben. Für die Übergangszeit werden wir beim Grossharidel für die entsprechende Preisreduktion sorgen. Die Kantone bleibeo ermächtigt, bis 30. Juni Vorschriften über dea Kleinve-rkauf von Kohle aufzustellen. Wir werden sie einladen, die Kleinverkaul'spreise beim Händler entsprechend der von der

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Kohlengenossenschaft getroffenen Preisreduktion sofort vorzuschreiben, so dass also die Kohlenhändler bei Inkrafttreten des Beschlusses an ihren am Lager befindlichen Kohlen eine entsprechende Verbilligung vorzunehmen hätten und das Publikum sofort des Vorteils der Preisreduktion teilhaftig wird.

Ein früherer Hinfall der Vorschriften über die Kohlenpreise könnte nur dann in Betracht kommen, wenn es gelänge, die Kohlen Vorräte der Genossenschaft wesentlich vor dem 1. Juli zu liquidieren und die Freiheit des Importes schon früher einzuführen.

VIII.

Nach Massgabe dieser Darlegungen bedürfen wir von Ihnen eines Kredites von rund 27 Millionen Franken. Wir sind uns bewusst, damit von Ihnen eine sehr hohe Summe zu fordern.

Wir würden es nicht wagen, hätten Sie uns nicht jüngstens in die Lage versetzt, durch Zollerhöhungen eine ganze Reihe von Industrien zu schützen und die Einnahmen des Bundes zu verstärken. Wir betrachten es aber als eine wichtige Aufgabe, den Preisabbau praktisch zu fördern, und glauben, man dürfe im Interesse der Verbilligung der Lebenshaltung auch grosse Opfer nicht scheuen. Wir beschleunigen mit unsern Anträgen den Abbau der kriegswirtschaftlichen Dienste und empfehlen Ihnen die Annahme des beigedruckten Bundesbeschlusses.

B e r n , den 12. März 1921.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

Bundesblatt. 73. Jahrg. Bd. I.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Verbilligung von Kohle und Torf.

Die Bundesversammlung d e r s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e a sc h a f t , nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 12. März 1921, b e sc h li ess t: Art. 1. Dem Bundesrat werden folgende Kredite eröffnet: a. neunzehn Millionen zweihunderttausend Franken für die Leistung von Zuschüssen an die schweizerische Kohlengenossenschaft zum Zwecke der Reduktion der Kohlenpreisc ; b. zwei Millionen Sechshunderttausend Franken Zuwendung an die schweizerischen Bundesbahnen zur weitern Verbilligung der durch diese von der Kohlengenossenschaft freiwillig bezogenen Kohlenmenge ; c. vier Millionen Franken Zuwendung an die schweizerischen Gaswerke zur Verbilligung der von diesen angelegten Kohlenvorräten ; d. eine Million zweihunderttausend Franken zur Verbilligung der Torfvorräte.

Der Bundesrat wird über die Verwendung dieser Kredite das Nötige bestimmen.

Art. 2. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft. Der Bundesrat ist mit seinem Vollzug beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verbilligung von Kohlen und Torf. (Vom 12. März 1921.)

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Jahr

1921

Année Anno Band

1

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11

Cahier Numero Geschäftsnummer

1381

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.03.1921

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399-416

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