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Schweizerischen Bundesblatt VIII. Iahrg. Il.

Nr. 32.

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28. Iuni 1856.

B o t s c h a f t

des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung , betreffend die Gründung einer eidgenössischen Waffenfabrike.

(Vom 23. Juni 1856.)

Tit.

Mittels Zuschrift vom 13. Ehristmonat 1854 haben Sie dem Bundesrathe eine vom 7. und 8. gl. Mts. datirte Eingabe des Herrn Nationalxath Stockmar) zur Berichterstattung überwiesen, woriu derselbe deu von Jhnen erheblich erklärten Antrag stellt :.

,,Der Nationalrath möge, dem Prinzipe nach, di.. Gründung einer ,,eidg. Wafsenfabrike nach dem in der Eingabe erörterten gemischten ,,Systeme beschließen, und den Bundesrath mit der Abfassung eines ,,Projektes und der Darlegung der Ausführungsmittel beauftragen."

Nach Anhörung seiner Departement.. des Militärs uud der Finanzen .hat der Bundesrath die Ehre, Jhnen über den Gegenstand solgenden Bericht zu erstatten : Uebex die Errichtuug einer eidg. Wafsenfabrik hat sich der Bundesxath bereits in seiner Botschaft vom 20. Hornung 1854 (Bundesbl..tt vom gl. J. Bd. l, S. 595) ausgesprochen, uud Sie haben, hierauf ge-

stüzt, am 15. Juli 1854 beschlossen, von der Errichtung einer solchen Fabrik zu abstrahiren. Die Sachlage hat sich seither iu keiner Weise ver-

ändert, und so kann auch der Bundesrath uicht im Falle sei,. Jhn..n wesentlich etwas anderes als dazumal zu beantragen.

Eine eigene, dem Bunde gehörende Kanonengießerei, eine eigene Werkfiätte für Anfertigung von Kriegsfuhrwexken und Lederwerk wäre zunächst wünschbar, zumal solche größere Gegenstände, wie Geschüzröhren und Wagen ohne bedeutende Kosten nicht von weiter her bezogen werden könueu, und Privatwerkstätten manches zu wünschen übrig lassen.

) Siehe dieselbe auf Seite 129 hienach.

Bundesblatt. Jahrg. vIlI. Bd. II.

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126 Eben fo wäre auch eine eigene Gewehrfabrik wol wünschbar, obgleich hier ^ das fo eben erwähnte Motiv schon wegfällt, und man. sich leichter Gewehre. und blanke Waffen als schwere Geschüze aus dem Auslande und aus entfernten Fabriken verschaffen kann.

Allein .dieser bloßen Wünschbarkeit treten dann andere,. hauptsächlich finanzielle Rüksichten entgegen, wie ste theilweife schon in der erwähnten Botschaft vom 20. Hornung 1854 erörtert worden sind, und weiche auch jezt wieder als überwiegend hervorgehoben werden müssen.

Die Hindernisse , welche der Errichtung und dem erfolgreichen Betriebe ^ einer schweizerischen Gewehrfabrik entgegenstehen, sind vorzüglich das thenre .Feuerungsmaterial einerseits und andererseits der Mangel an Abfaz, nament^ lich der geringer ausfallenden Gewehre, deren es bei der Fabrikation immer iu ziemlicher Menge gibt. Hinsichtlich des .Feuerungsmaterials fehlen der Schweiz wohlfeile und gute Steinkohlen, während unsere Holzkohlen zu theuer sind. Der Absaz von Gewehren aber nach Außen würde verhindert, einmal durch die Zollgesezgebungen unserer Nachbarländer, und ferner durch deu.theuren Preis des Produktes und der Fracht. Man^kön.ite z. B. nicht mit Belgien konkurriren, dessen längst bestehende Fabriken nur noch ein vexhältnißmäßig geringes Kapital sür die Fabrikeinrichtu^gen zu. verzinsen haben, während dasselbe bei einer neu zu errichtenden Fabrike ungleich größer wäre; ferner liegt Belgien näher bei Seehäfen, in denen die schweren Waffen für fremde Welttheile verladen werden können, ohne ^daß, wie dieß beim Versenden aus der Schweiz geschehen müßte^ noch ^ bedeutende Landfrachten dazu kommen. Die Eisenbahnen kennen zwar ModisiNationen verursachen, wohlfeilexn Brennstoff und wohlfeilere ^Versendung bedingen; aber alles dieses kommt ausländischen, bereits b e s t e h e n d e n , uud somit mit geringerem Anlagekapital arbeitenden Fabriken auch .zu gut, und kann daher zu unsern Gunsten nichts ändern.

^ Versuche, in der Schweiz Gewehre mit Nuzen zu verfertigen, haben bis dahin imm^r fehlgeschlagen. Die Fabrik von Pont d'A.hle bei Pruntrut (Be1ie fontaine), wiewol der Zeitpunkt ihrer Errichtung. sehr günstig. war, weil die Kantone damals noch sehr viele Waffen anzuschaffen. hatten und die Holzpreise weit niedriger waren als jezt, konnte sich nicht halten. Zudem

waren die Fabrikate unbefriedigender O.ualität sowol bezüglich der Haltbarkeit

der Läufe, als der Genauigkeit der Maße der einzelnen Theile, der Bearbeitung der Bajonnette, Ladstöke, Schäfte .^., und doch kamen die Gewehre bedeutend höher zu stehen, als wenn man sie in besserer Qualität von auswärts, z. B. aus Belgien, bezogen hätte. Deßgleichen mußten Escher, W ^ ß u. K o m p . in Zürich, so wie R i e t e r u. K o m p . in Wintexthux die begonnene Gewehrfabrikation wieder einstellen, obschon man auch diesen die Gewehre theurer bezahlte, als solche in Belgien zu stehen gekommen wären.

Auch in den Nachbarländern will diese Fabrikation nicht ^überall gedeiheu. St. Blasien gieng nach großen Opfern wieder^ ein, .u^die

127 wüxttembergische Fabrik in O b e x n d o x f konnte lange Zeit (während des Friedens) nur mit vieler Noth bestehen.

. Diejenigen Regierungen , welche eigene Gewehrfabriken unterhalten, haben fämmtlich stehende Heere, wo der Abgang der Waffen und das Bedüxfniß umfassender Reparaturen weit größer .ft, als bei uns. Ueberall aber ist es Thatsache, daß die Preise der Waffen in Staatsfabriken gefertiget, höher sind als diejenigen der Privatfabriken, ungeachtet . bei de.....

erstern der Sold der beaufsichtigenden^ Offiziere, dex Unterhalt der Gebäude, großer Maschinen, Wasserwerke ...e. nicht einmal inbegriffeu ist.

Fragt man nun weiter, ob der Bedarf an Waffen in der Schweiz ein solcher sei , daß er den Auswand für Errichtung einer Waffenfabrik durch den Bund rechtfertigte , so muß diese Frage ^verneint werden.

Das Kontingent namentlich an Fl.nten und blanken Waffen ist bereits überall vollständig, und manche Kantone besizen weit mehr, als sie zu ihrer Bewaffnung bedürfen. Jn Folge dessen sind die jährlichen Anschaffunken der Kantone an Flinten viel geringer geworden. Von den fünf Kantonen , in denen der Verwalter des Kriegsmaterials voriges Jahr Jnspektionen zu ma.chen hatte., hat nach dessen Bericht kein einziger in jenem Jahre Flinten gekauft, und vier davon schon seit mehreren Jahren keinem auch von den übrigen Kantonen ist v^n vielen gewiß, daß sie außer einigen.

Stuzeru .und Pistolen keine Anschaffungen gemacht haben. Vom Standpunkt.des jährlichen Bedarf^ zur Ergänzung des Kontingents kann alf^ vou dem B.^dürfniß einer eigenen Gewehrfabrik gar n^cht die Rede fein.

Nun freilieh handelt es sich gegenwärtig darum, wenigstens eine Jäger.^npagnie per Bataillon, vielleicht beide, mit einer gezogenen Fiinte zu. .bewaffnen. Wird nur ^eine Kompagnie per Bataillon damit bewaffnet, so erfordert es für Auszug und Reserve zusammen 12,239 Gewehre, welche, zu Fr. 63 das Stück, Fr. .'^1,05^ kosten werden. Sollen aber beide Jägerkompagn^en neu bewaffnet werden, so würde es für 24,477 Stük einen Kostenbetrag von Fr. 1,542,051 erfordern. Allein aueh eine neue Anschaffung von solchem Belaug könnte noch keineswegs die Exrichtung einer eigenen Fabrik rechtfertigen , und wäre zum mindesten in keiner Weife geeignet , deren Fortbestehen für die Zukunft zu sichern. Ja selbst wenn man für sämmtliche Jnfanterie eine ganz neue Bewaffnung einführen wollte , in welchem Falle zu fabriziren wären :

^ ^

^ ^

für d^n Auszug Flinten . . . . . . 50,040 für die Reserve . . . . . . . . 23,390 ^ Total: 73,430

oder in runder ...^umme 74,000, wa... zu Fr. (..3 per Stük, ein.^n Kostenauswand von Fr. 4,662,000 erheischte, fo ware noch am Gedeihen einer Fabrik zu zweifeln, die bloß auf diesen Bedarf, u..d in der Folge sogar nur ..^uf dessen Ergänzung beschränkt war.... Nach durchgeführter Bewaffnung der Kontingente würde sicherlich die Arbeit stoken und die mit un.oerhältnißmäßigen Kosten errichtete Fabrik stände unthäthig ........

128 Es ist dann aber noch ein weiterer Punkt nicht zu übersehen. Di..^ Anschaffung der Waffen ist Sache d ex K a n t o n e . Es müßten sich somit^ die Kantone zum Ankaus ihrer Gewehre aus der zu grüudenden eidg.

Fabrik verstehen , wiewol dieselben ohne allen Zweifel theurer zu stehen kämen, als wenn sie von auswärts, z. B. aus belgischen Fabriken bezogen würden. Oder aber, es müßte sich die Eidgeuossenschäft zu einem bedeutenden Opfer entschließen, in dem Sinne, daß sie den Kantonen die Gewehre u n t e r dem Ankaufs^ xefp. Fabrikationspxeise liefexte. Z^ ersterem würden sich die Kantone kaum verstehen ; wenigstens sprechen die Vorgänge nicht dafür. Denn wie ist es dem im Jahr 1831 mit unsäglicher Mühe errichteten und hernach verdächtigten eidg. ^ Waffendepot exgangen.^ Nur wenige Kantone haben dasselbe benuzt, und nach ein paa^ Jahxen mußte der Rest mit großem Verluste verkauft werden. Welche Mühe hat es ferner nicht gekostet, bis die Kantone dasjenige O.uantnm Zündkapseln ans der eidg. Wexkstätte bezogen hatten, zu dessen Abnahme sie bei der Errichtung dieser Werkstätte von der Tagsazung verpflichtet wurden. Es gienge heute wol kaum besser, wenn je die Eidgenossenschaft ein.

Waffendepot zum Verkauf an die Kantone errichten, beziehungsweise in eigenex Fabrik Waffen für dieselben verfertigen wollte. ..... ^ ^ ^ Jst demnach eine eidg. Waffenfabrik auch allerdings wünschb.ar, so kann fie ^och keineswegs als unentbehrliches Bedürfniß bezeichnet werden, dem abzuhelfen der Bund pfiichtig wäre; und würde deren Errichtung und Betrieb bei ganz unsicherem Erfolge von dem Bunde unverhältnißmäßige Opfer erfordern , so kann es sich schließlich nur noch fxagen , ob und wie etwa in anderer Weise der Bund si..^ bei einem solchen in der

Schweiz sich gründenden Etablissemente betheiligen könnten

Abgesehen von der Frage ,. ob es in dex Stellung eines Staats liege, Privaten zur Errichtung eines Geschäftes zu ermuntern, dessen Gedeihen mehr als problematisch erscheint, kann doch die Möglichkeit gedacht werden, .daß die Spekulation sich mit dex Sache befassen dürste. Es könnte

dieß durch Bildung einer Aktiengesellschaft unter Betheiligung des Staats und in xein privater Stellung versucht werden.

Die Bildung einer Aktiengesellschast zur Gründung einer solchen Fabrik unter Betheiligung des Bundes gienge aber wol nicht , oder würde die Finanzen des leztern kaum weniger empfindlich berühxen , als die un^ mittelbare Errichtung eines eigenen Etablissements.

Die Erstellung einer Waffenfabxike nach .dem von Herrn S t o c k m a x beschriebenen gemischte^ System , nach welchem der Staat die Arbeitslokale hexstellte und die Aufseher bezahlte, ein Unternehmer aber das Geschäft betriebe, fcheint praktisch nicht empsehlen.^wexth und zu vielen Anständen.

Ehrend ; denn das Jnteresse des Staats, nur auf ganz ausgezeichnete Produkte hinzuwirken, und das Jnteresse des Unternehmers, einen gewissen. Gewinn aus dem Geschäft zu ziehen, sind zu entgegengesezter Natux, um auf die Dauer neben einander bestehen zu können ; eutwedex müßte di^

129 Staatsaufsicht manches Mittelmäßige durchschlüpfen lassen, oder dex Unteruehmer müßte in der uneigennüzigsten Weise fortwährend Opfer bringen, was wol kaum verlangt werden dürfte. ^ Sollte sich aber sonst durch Privatunternehmung eine Gewehrfabrike bilden, und wollte man von Bundes wegen ein solches Untexnehmen exmuthigen, so könnte dieses etwa in dex Weise geschehen, daß der Bundesrath.

mit den Kantonen in Verhandlung txäte , ob und zu welchem Preise fie ein gewisses Gewehrquantum jährlich vom Bunde beziehen wollten , und nach Maßgabe des Erfolges könnte dann mit einem Unternehmer ein Vertrag abgeschlossen .werden. Der Bund verpflichtete sich dem Unternehmer gegenüber , jährlich aus der Fabrike ein bestimmtes Ouantum Gewehre zu fixem Preise zu beziehen, und würde dieselben hinwieder an die Kantone zu einem ermäßigten Preise abgeben. Die Differenz im Preise fiele dex Bundeskasse zur Last, und bildete somit indirekte die Unterstüzung, welche der Bund jährlich einem solchen Unternehmen zu Theil werden ließe.

.Sollten sich Aussichten für die Errichtung einer derartigen Privatwerkstätte eröffnen und sollten Sie dannzumal. einen Versuch im leztbeschrienen Sinne für zwekmäßig erachten , so will der Bundesrath Jhre dieß-

fälligen Aufträge gewärtigen. Jm Uebrigen aber stellt er der.. Antrag :.

,,Es fei der Motion des Herrn S t o c k m a r keine weitere Folge zu geben , vielmehr von der eigenen Errichtung einer Gewehrsabrik, wie von der direkten Betheiligung bei der Errichtung einer .solchen durch Privaten.

zu abstrahlen. ^ Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichnetesten Hochachtung.

V e r n , den 23. Juni 1856.

Jm Namen des schweiz. Bundesrathes ,

Der Präsident: Stämpfli.

Der Kanzler : .Schieß.

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Antrag des Herrn Stockmar auf

Gründung einer eidgenössischen Waffenfabrike.

(Vom 7. u. 8. Dezember 1854.)

. Als die Eidgenossenschaft ihr Münzsystem schuf, gab man dex Hoffnung Raum , sie werde die neuen Geldstüke in der Schweiz verfertigen lassen ; lei.dex. aber trugen ökonomische Rüksichten den Sieg davon, und sie ließ sie, zum .Bedauern vieler Bürger, im Auslande schlagen. Zum Glük wird diesex Jrrthum verbessert werden und die Schweiz sieh bald im Befize einer nationalen Münzstätte befinden.

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Botschaft des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung , betreffend die Gründung einer eidgenössischen Waffenfabrike. (Vom 23. Juni 1856.)

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1856

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28.06.1856

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125-129

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