258 Bei denjenigen Strafprozessen, welche wegen Verlegung des Bundesstrafgesezes vom 4. Hornung 1853 (eidg. Gesezsammlung Bd. 111, S. 404) .nach Art. 74 desselben eingeleitet und von kantonalen Gerichten behandelt werden, hat, im Falle der Veruxtheiluug , der Angeklagte, und im Falle dex .Zahlungsunfähigkeit od.r der Freisprechung des Angeklagten, die Bundeskasse die Prozeßkosten, nach Maßgabe der Geseze des betreffenden Kantons, zu tragen.

Art.

16.

Dieses Gesez, wodurch das provisorische Reglement vom

31. Mai 1850 (eidg. Gesezsammlung Bd. 11, S. 30) aufgehoben wird, tritt sofort in Kraft.

Der Bundesrath ist mit der Vollziehung desselben beauftragt.

Also den beiden gefezgebenden Räthen der Eidgenossenschaft vorzulegen beschlossen ,

Bern, den 12. März 1856.

Jm Namen des schweiz. Bundesrathes, Der Präsident:. Stämpfli.

Der Kanzler: Schiess.

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B

e

r

i ch t

des

Bundesrathes an den schweiz. Ständerath über die Rechtsverhältnisse der Jsraeliten.

(Vom 26. März 1856.)

Tit.

Jm Jahr 1849 erhob sich ein Konflikt zwischen den Regierungen von Luzern und Aargau, weil aargauifche Jsxaeliten .vom Marktbesuche in Luzern ausgeschlossen wurden. Der Bundesrath faßte die Schlußuahme :.

,,Es habe die Regierung des h. Standes Luzern den aargauischen ,,Jsraeliteu den Zutritt zu den Märkten ihres Kantons zu gestatten, ,,vorausgesezt, daß dieselben sich den auch für die Einheimischen gel,.tenden Gesezen und Verordnungen unterziehen...

259 Gegen diesen Beschluß wurde xekuxxirt; und nachdem die vereinigte h. Bundesversammlung sich dafür ausgesprochen, daß zur Beurtheilung dieser Streitfrage die Bundesbehörden kompetent seien, haben die beideu

gesezgebenden Räthe am 6. und 11. Juli 1850 beschlossen: ^

,,Es fei die Beschwerde des h. Standes Luzexn gegen deu Be,,fchluß des Bundesrathes vom 4. September 1849, betreffend Zu,,lassung aargauischer Juden auf luzernischen Märkten, nach Lage der ,,Sache und unvräjudizirlich allfälligex künftiger Entscheidung hin,,fichtlich der Verhältnisse dex Juden, abgewiesen.^

J... Jahr 1851 erließ der Große Rath von Luzern ein Gesez, worin unter Anderm den Jsraeliten untersagt wurde, die Jahrmärkte oder Jahrmessen mit Kramwaaren zu besuchen; doch gab dieses Gesez dem Regierungsrathe die Besugniß, ausnahmsweise, wenn es im Jnteresse des Landes liege, einzelnen Jsraeliten diesen Besuch zu bewilligen. Aus eine vom ^h. Stande Aargau neuerdings hiegegen erhobene Beschwerde haben wir, konsequent mit unsexm frühern Befchlnsse vom 4. September 1849, und gestüzt auf Art. 29 der Bundesverfassung , unsere Genehmigung versagt.

Jm Oktober 1854 erhob die aarganifche Regierung eine weitere Beschwerde gegen ejn zürcherisches Gesez vom 23. Dezember 1852 über den Markt -^ und Hausirverkehr, und insbesondere gegen die ^. 1 und .^ dieses Gesezes. Jm ^. 1 werden die Schweizerbürgex zum Marktverkehr zugelassen ohne Entrichtung einer weitern Gebühr, als der von den Lokalbehörden festgesezten Stand ^ oder Plazgelder, während die nicht im Kanton niedergelassenen Juden, gleich wie nicht niedergelassene Ausländer aus Staaten, die keine Reziprozität gewähren, eines Marktpatentes bedürfen. Jm .^. 6 wird den Juden der Haufirhandel untersagt. .

Nachdem die Regierung

von ^Zürich in

einer einläßlichen

Eingabe

vom 2^.. November 1854 das .fragliche Gesez vertheidigte, schloß sie mit dem Gesuch um Abweisung der Beschwerde, Folgendes : .

und

bemerkte sodann noch

,,Sollte wider Verhoffen die Beschwerde der Regierung des ,,h. Standes Aargau für begründet erachtet werden, so stellen wir ,,dann eventuell das ehrerbietige Begehren, daß es dem Bundesrathe

,,gefallen möchte, diese Frage für die ganze Schweiz in gleichmäßiger

,,Art zu erledigen, und so wie alle andern Kantone, so namentlich ,,auch den h. Stand Aargau selbst anzuhalten, die sachbezügliche ,,Gesezgebung mit den Vorschriften der Bundesverfassung in Einklang ,,zu bringen. Der Kanton Zürich ist nicht so engherzig, fich einer ,,allgemeinen Maßregel zu Gunsten der Juden widersezen zu wollen, ,,wenn die Behörden der Eidgenossenschaft solches füx zwekmäßig ex,,achten. Dagegen glaubt er sich dagegen verwahren zu sollen, daß ,,ihm die Kosten und Lasten vereinzelter Emanzipationsverfuche allein ,,überbürdet werden.^

260 Sofort nach diefex Eingabe, nämlich im Dezember 1854, trat die ^. Bundesversammlung zusammen, und es wurde im h. Ständerath eine Motion gestellt, dahin lautend ..

,,Der Bundesrath wird eingeladen, Bericht über die gegenwärtig ,.in den einzelnen Kantonen bestehenden Beschränkungen der Rechte ,,der Juden zu erstatten und damit gleichzeitig Anträge zu verbinden, ,,ob und in wie weit derartige Beschränkungen, als mit der Bundes,,verfassung im Widerspruch stehend, aufzuheben feien .^ Der h. Ständerath beschloß . Es sei dieser Gegenstand dem Bundesrathe ohne weitexe Direktion in dem Sinne zur Berichterstattung zu überweisen, daß es ihm frei stehe, eine einfache Begutachtung abzugeben.

Bei dieser Sachlage glaubten wix vor der Hand nicht auf die Befchwexde Aargau's gegen Zürich eintreten, sondern Jhnen vorerst den verlangten allgemeinen Bericht erstatten zu solleu. Wir erließen daherkam 4. Mai 1855 an sämmtliche Kantvnsregierungen folgendes Kreisschreiben : ,,Jn Folge eines Beschlusses des schweizerischen Ständerathes, vo..u 13. Dezember 1854, und entstandener Konflikte zwischen einzelnen Kantonen, in Betreff der Rechte der Jsraeliten, finden wir uns zu folgenden Anfragen veranlaßt ..

a. Bestehen im dortigen Kantone noch besondere Geseze, Verordnungen oder Beschlüsse über die Rechtsverhältnisse der Jsraeliten in Kraft ^ Wenn ja, so ersuchen wir Sie um gefällige Mittheilung derselben.

h. Sind, abgesehen von Gesezen, Verordnungen und Beschlüssen, in d e r P r a x i s die Jsxaeliten im dortigen Kantone, im Vergleiche zu den Angehörigen christlicher Konfessionen, irgend welchen Beschränknngen unterworfen .^ Wenn ja, worin bestehen diese Beschränkungen, z. B. in Beziehung aufBürgerrechtserwerb, Niederlassung, Aufenthalt, Liegenschaftserwerb, Ge.werbs-, Handels- und Marktbetrieb ..

Wird ein Unterschied gemacht zwischen schweizer .scheu und fremden Jsraeliten^ Wenn j.. , worin besteht dieser Unterschied .^ ^. Hat der dortige Kanton eigene Bürger, die dem israelitischen Glauben angehören, sei es in ganzen Gemeinden, oder einzeln eingebürgerte Personen .^ Wenn ja, werden diese den schweizerischen und ausländischen Jsxaeiiten in allen Beziehungen gleich gehalten, oder. worin bestehen die Abweichungen .^ Werden die eigenen israelitischen Angehörigen namentlich zur Aus^

übung des politischen Stimmrechtes und zur Ausübung des Markt-

und Handelsverkehrs zugelassen.^ Aus deu eingegangenen Berichten ergibt sich im Allgemeinen , da^ eingebürgerte Jsraeliten fich nur in den Kantonen A a x g a u , Bern und

261 Genf befinden. Jru ersten Kanton find bekanntlich zwei israelitische Gemeinden, im zweiten eine geringe Anzahl von Personen, und im dritten eine einzige Familie. Jn den meisten Kantonen scheinen nicht einmal Gesuche um Einbürgerung vorgekommen zu sein, weßhalb besondere gesezliche Bestimmungen hiexübex größtenteils sehlen. Wir können hierüber, nämlich über den Erwerb des Bürgerrechts, um so eher weggehen, als mit Ausnahme des Axt. 43 der Buudesvexsassung, dex die Entlassung aus dem fremden Staatsverbande verlangt, keine Beschränkung dex kantor.alen Gesezgebung auch hinsichtlich dex Bürgexrechtsvexleihung an Angehöxige dex chxistlichen Konfessionen vorhanden ist.

Uebex die Rechtsverhältnisse dex Jsraeliten, sei es als Bürger oder Niedergelassene odex Aufenthalter, exwähnen wix nur das Wesentliche aus den sämmtlichen Berichten der Kantonsregierungen; doch glauben wix auch alles dasjenige, was sich aus den Erwerb und die Bedingungen dex Riedexlassung bezieht, weglassen und lediglich ans die Akten verweiseu zu dürfen, weil es den Kantonen frei steht, Jsraeliten die Niederlassung zu bewilligen odex zu verweigern, und weil es sich somit uicht darum haudelu kanu, in dieser Hinficht von Bundes wegen irgend welche Maßregeln zu exgxeifen.

^ Jm Judeu:

Kanton Zurich gelten folgende Ausnahmsgefeze

gegen di.^

1.. Die niedergelassenen Juden düxfeu Darleihensgeschäfte auf Pfänder und den Trödelhandel uicht betreiben.

2.

3.

Die nicht im .Kanton uiedexgelassenen Juden bedürfen zum Besuch der Märkte eiues Marktpatentes.

Allen Juden ohne Ausnahme ist^ verboten, Haufixhaudel und Handel mit Rindvieh zu treiben , und Weinlagex im Kanton zu halten ^ auch ist ihnen der .Erwerb ^von Liegenschaften und Pfandurkundeu aller. Art untersagt.

.

Es wird kein Unterschied gemacht zwischen s c h w e i z e r i s c h e n und f r e m d e n Jsxaeliten.

Jm Kanton B e x n bestehen keine besonderu Geseze, Verordnungen odex Beschlüsse übex die Rechtsvexhältnisse dex Juden. Auch in dex Praxis werden sie keinen besondern Beschränkungen unterworfen, in so fern fie eben entweder als Ausländer odex als Schweizerbürger nicht christlicher Konfession, auf welche wegen dieser Eigenschaft gewisse Bestimmungen dex Bundesverfassung übex Gewexbs- und Niederlassungsverhältnisse freilich keine Anwendung finden, nach den allgemeinen Gesezen und Verordnungen übex die Fxemden behandelt wexden. Die wenigen eingebürgexten Jsxaeliten stehen nach konstitutionellen Grundsäzen den übrigen Staatsbürgern gleich ; fie wexden zum^Markt- und Handelsverkehr zugelassen, und eben s^ ist nicht bekannt, daß ihnen die Ausübung des politischen Stimmrecht.^ vexwehxt worden wäre.

262 Jm . fen, mau zum

L u z e x n gestattet in der Praxis den Juden meist den Aufenthalt.

Marktverkehx sind sie gesezlich den nämlichen Bestimmungen unterwoxwie die Kantonsbürger; aber für Gewexbs - und Marktpatente läßt fie gewöhnlich das Maximum der gefezlich erlaubten Taxen bezahlen ; Militärdienste find sie noch nie angehalten woxden ; nach der Ver-

fassung (^. 27) haben sie kein politisches Stimm- und Wahlrecht.

U r i hat keine besondern Geseze .über die Juden, außer daß die Polizeiveroxdnung den nicht s c h w e i z e r i s c h e n Juden den Haufirhandel uux mit optischen Waaren und das Feilhalten an Märkten gar nicht gestattet.

Jn S ch w y z besteht nur die Ausnahmsbestimmung, daß den Juden der Haufirhandel und Hausirgewexb gänzlich verboten ist.

N i d w a l d e n hat das nämliche Verbot bezüglich des Haufirens; doch dürfen ausnahmsweise Verkaufspa.tente für optische Gläser, und Zahnärzten die Bewilligung zur Ausübuug ihres Berufes ertheilt werden. Der Marktbesuch ist allen Juden gestattet.

Obwalden hat keine befondern Geseze oder Verordnungen.

Jn .Betreff des Hausir- und Marktverkehrs werden die Jsraeliten wie Angehörige anderer Konsessionen behandelt, Schweizer und Fremde mit dem Unterschiede, daß leztere bei Lösung von Haufir- und Marktpatenten und solchen für Handelsreisende den doppelten Betrag der für die Schweizerbüxgex bestimmten Gebühr zu bezahlen haben, was abex bei sämmtlicheu Angehörigen fremder Staaten (Verträge vorbehalten) der Fall ist.

Jn G lax u s besteht nur die gesezliche Beschränkung, daß an nicht schweizerische Jsraeliten keine Hausirpatente ertheilt wexdeu sollen. Es

waltet jedoch die Absicht ob, diese Beschränkung hinsichtlich der Jsraeliten aus solchen Staaten , mit denen besondere Verträge bestehen , fallen zu lassen.

Z u g läßt die Jsraeliten zur Ausübung des Markt- und HandelsVerkehrs zu , wie die SchweizerbürgerchristlicherKonfession , und hat auch sonst keine Ausnahmsgeseze.^ Freiburg^s neue Gesezgebung enthält keine besondern Bestimmun^gen über die Juden. Die Praxis beschränkt fie im Aufenthalt, im dauernven Betrieb einer Jndustrie und im freien Erwerb von Grundeigentum.

.Fällt ihnen aber solcher durch zwangsweise Expropriation, z. B. bei .Konkursen anheim, so machen die Gerichte keinen Unterschied ; ^uch ist den Juden der Marktverkehr gestattet. Schweizerische und fremde Juden wer-

^en überhaupt gleich gehalten.

*) Es wird hier, wie überall, abstrahirt von den Gesezen über Niederlassung und Erwerb des Bürgerrechts, weil die Kantone hier hinsichtlich der Juden ganz freie Hand haben.

263 Jn S o l o t h u r n besteht hinsichtlich des Gewexbs-, Handels- und Marktbetriebs eine Verordnung v. J. 1823, welche verbietet, den Jsraeliten Haufirpatente zu ertheilen. Der übrige Theil der Verordnung ist nicht mehr in Kraft. Der Erwerb von Liegenschaften ist den Juden nur in so weit erschwert, als dex Besiz von solchen ohne Niederlassung weniger vortheilhaft wäre. Zwischen schweizerischen und fremden Jsxaeliten wird kein Unterschied gemacht.

B a s e l - S t a d t hat keine Ausnahmsgeseze über die Juden; auch find die niedergelassenen Juden (alle Elsässer, eirea 130 Seelen) im Vergleich zu den Angehörigen christlicher Konfession keinen Beschränkungen unterworfen. Ein Unterschied zwischen schweizerischen und fremden Jsraeliten besteht nicht.

Jn Basel - L a n d s c h a f t besteht ein Gesez über die Rechtsverhältnisse der Juden. Nach demselben ist ihnen die Betreibung eines Handels, Gewerbs oder Berufes untersagt, so wie das Hausixen ; dagegen ist ihnen gestattet, ^an den ordentlichen Jahr- und Nachmärkten ihre Waaren (Lebwaaxen inbegriffen) seil zu bieten. Temporärer Aufenthalt hängt von einer

polizeilichen Bewilligung ab. Weitere Beschränkungen , die bisdahin im Eivil- und Konkursrecht aufgestellt waren, wurden aufgehoben. Zur Ausiibung des politischen Stimmrechts werden die Jsraeliten nicht zugelassen ; ein Unterschied zwischen schweizerischen und fremden besteht nicht.

S c h a f f h a u s e n hat ebenfalls ein^ Spezialgesez über den Handelsverkehr der Juden ohne Rükficht aus ihre Herkunft. Dieses Gesez enthält im Wesentlichen folgende Bestimmungen. .

1) Den Juden ist verboten, Liegenschaften anzukaufen oder sich haushäblich niederzulassen.

2) Die Oxtsbehörden dürfen ihnen nur einen Aufenthalt von 8 Tagen bewilligen; ein längerer Aufenthalt erfordert die Zustimmung dex Kantonspolizei.

3) Das Haufiren mit Hornvieh ist gänzlich ^untersagt, und dieser Handel nur. auf öffentlichen Märkten oder im Stalle des Verkäufers ge-

^

stattet.

4) Wenn ein Einwohner in Folge eines Handels einem Juden etwas schuldig bleibt, so ist die Forderung nur dann gültig, wenn darüber in Gegenwart des Präsidenten der Gemeinde, in welcher dex Schulduex wohnt, und eines Verwandten des Schuldners verhandelt, eine Urkunde ausgesezt und von den Betheiligten und dem Beamten unterzeichnet, so. wie von leztexm besiegelt ist.

5) Jedes Geldanleihen eines Juden au einen Einwohner ist gerichtlich

ungültig, wenn das Geld nicht in Gegenwart des Gemeindspräfi-

denten und eines Verwandten des Schuldners baar ausbezahlt, daruber Urkunde . ausgestellt und diese in ein Protokoll eingetragen wird. Wenn übrigens aus solchen Rechtsgeschästen, die den erwähnten Bedingungen (4 und 5) nicht entsprechen, der Knntonsangehöxige

^

264 fich bereichern würde, so kann das Gericht den Jsraeliten mit der Bereicherungsklage zulassen.

6) Ein höherer Zins als 5 .^ darf nicht gefordert, und eben so wenig Zins von Zins berechnet wexden.

7) Wechsel oder Anweisungen, von einem Kantonsangehörigen zu Gunsten eines Juden ausgestellt, bedürfen der oberwähnten Formalitäten

(4 und 5).

8) Schnldtitel können au Juden nur mit Bewilligung des Schuldners,

die duxch den Gemeindspräfidenten zu konstatiren ist, verkauft oder hinterlegt werden.

^) Wenn ein Jude durch gerichtliche Verweisung auf seine Untexpfande Eigentümer von Liegenschaften wird, so muß er diese binnen Jahresfrist wieder verkaufen.

A p p e n z e l l A. Rh. untersagt den Juden alles Haussren durch eine ^Polizeiverordnung ; in dex Praxis werden fie ohne Anstand zum Besuch der Jahrmärkte zugelassen. Ein Unterschied ^zwischen schweizerischen und fremden. Juden besteht nicht.

Jn Appenzell J. R h. besteht keinerlei Verordnung übex die Juden. Jn Markt- und Haudelsangelegenheiten wexden schweizerische und fremde Jsraeliten gleich den Angehörigen christlicher Konfessionen gehalten.

St. Gallen hat eine Polizeiverordnung vom Jahr 1818 über den Aufenthalt und Verkehr der Juden. Nach derselben ertheilt die Polizei^ behörde, auf genügende Ausweisschriften hin, Aufenthaltsbewil.igungen bis aus höchstens drei Monate; diese genügen für das Einkaufsgeschäft. Wollen sich aber die Jsraeliten auch mit Tauschhandel und Verkauf von Waaren befassen, fo bedürfen sie eines Gewexbpatents, das ebenfalls für höchstens drei Monate ausgestellt. wird und wofür eine Gewerbssteuer zu entrichter..

ist. Ohne besondere Bewilligung bleibt den Juden verboten, Magazine oder Zimmer zu Waarenlagexn zu miethen oder in Privathä.^exn zu herbergen ; sie sind an die Tavernen-Wirthshäuser gebunden. Diejenigen , welche das Gewerbspatent nicht haben, bedürfen einer befondern Bewilli-

gung zum Feilbieten auf Märkten.

Nach dex Praxis find die Jsraeliten ohne Unterschied dex Herkunft vom Ankauf der Liegenschaften, von dex Betreibung dex durch die Niederlassung bedingten Gewerbe , so wie vom Hausixen ausgeschlossen. Hingegen können die Gemeinden den Jsraeliten nebst ihren Familien den Aufenthalt gestatten ; auch find fie auf den Mäxkteu zugelassen und betreiben alle Handelsgeschäfte, Kauf und Verkauf unbeschränkt.

G r a u b ü n d e u . s Markt- und Haufirgefez bestimmt, daß den nicht schweizerischen Juden der Aufenthalt zur Betreibung ixgend welchen Handels untersagt sei, und daß ihnen kein Handelspatent ertheilt wexden soll.

Den schweizerischen Juden wird in der Praxis der Markt- und Hausirhandel gestattet. Es find keine Fälle vorgekommen, wo Jsraeliten fich um An.^

26^ ^auf von Liegenschaften, Bürgerxechtsexwexb odex Niederlassung beworben hätten; es herrscht jedoch die Tendenz, nicht mehr zu gestatten, als was ^ach dortseitigex Auffassung der Bundesverfassung gestattet wuxde.

A a x g a u . Ju Folge dex Einführung des neuen Eivilgesezes wurden.

.mehrfache Beschränkungen der frühern Spezialgeseze aufgehoben. Die den Gemeindekoxporationen in L e u g n a u und O b e x e n d i n g e u angehörenden Juden wexden als h e i m a t h h ö x i g e K a n t o n s b ü r g e r und Schweizerbüxger betrachtet und behandelt, als solche mit besondexn Heimathscheinen ^(als Angehörige der aargauischen Judenkorporationen) versehen. und zur persönlichen Militärpflicht angehalten. Einzig find fie noch nicht im Befize .eines vollen Ortsbürgerrechts im Sinn christlicher Baugenossenschaften, ^vas nach dem Berichte der aargauifchen Regierung als nothwendige Konsequenz mit sich bringt, daß sie außer dem Kreise ihrer eigenen Korporationsgemeiuden ein politisches Stimmrecht bis jezt nicht ausüben, und daß der ^. 74 des Eivilgefezes auf sie Anwendung findet, welcher vorschreibt, daß Kantonsangehörige , welche kein^ spezielles Ortsbürgerrecht im Kanton hesizen, einer besondexn Bewilligung der Regiexnng zur Verheirathung bedürfen. Jn Ausübung des Gewerbe , Handels- ^und Marktverkehrs find die aargauischen Juden den eigenen und den Schweizerbürgexn chxistlicher Konfession ganz gleich gehalten. ^ Dagegen hängt die Bewilligung zum Aufenthalt der aaxgauifchen Juden in andern Gemeinden des Kantons, als Lengnau und O b e x e n d i n g e n , von dex Regierung ab und fie kann immer nur aus eine beschränkte Zeitfrist von höchstens zwei Jahren ertheilt werden. Ueber die Verwaltung^ des besondern Gemeindewesens dex beiden Judenkorporationeu, so wie ihr Schul- und Handwerkswesen, verweist die Regierung auf das dießfällige Gesez vom 11. Juni 1824 (Gesezsamml. I1I, S. 498). Jn diesem Geseze finden . wir solgende Beschränkungen , die dem gemeinen Rechte des Kautons kaum entsprechen: ^. 6. U.u Zutxitt zu den jüdischen Gemeindeversammlungen zu haben, ^ wird außer den übxi^en Requisiten ein Vermögen von 600 Fxanken (a. W.) erfordert. .^. 12 und 14.. Die Regierung ernennt den ersten Gemeindsvorsteher aus freier Wahl und die übrigen vier ..auf einen gutächtlichen Doppelvorschlag der Gemeinde. ^. 18. Der
Gemeindschreiber bedarf ebenfalls der Bestätigung der Regierung. Möglicherweise sind darin noch andere Abweichungen vorhanden, deren Erkennung eine genaue Vergleichung mit den aargauischeu Gemeinde-, Schul- und Gewerbegesezen u. s. w. erfordern würde.

Was schließlich die kantonsfremden Jsraeliten betrifft, so ist ihneu die bleibende Niederlassung untersagt, und ihr vorübergehender Ausenthalt auf die beiden Judengemeinden beschränkt, so wie an gewisse Fristen und .Bewilligungen. Schweizerischen Jsraeliten aus andern Kantonen wird

dagegen rüksichtlich des Handels- und Marktvexkehxs die durch Art. 29

dex Bundesverfassung gewährleistete Gleichbehandlung mit den eigeneu Kantonsangehörigen ^u Th^i.

T h u r g a u verbietet den Hausixhändel der Jsraeliten im Allgemeinen^.

doch werden ausnahmsweise israelitischen Schwe^exbürgexn Hanfirpatente

266 ertheilt. Der Maxktbesuch zum Warenverkauf ist dagegen den Juden, gleich andern Fremden, mit Vorbehalt der Patenteinlösung unbedingt gestattet.

. Jm T essin bestehen keine Geseze oder Beroxdnuugen, welche fich ausnahmsweise auf die Juden beziehen oder besondere Beschränkungen derselben enthalten. .

Auch W a ad t hat keine Ausnahmsgeseze für die Juden; fie können fich im Kanton niederlassen, Handel treiben, Jmmobilien kaufen, H^potheken besizen u. s. w. , alles nach Maßgabe der allgemeinen Geseze. Es besteht unter ihnen der einzige Unterschied, daß fremde Juden aus Staaten, mit denen keine Niederlassungsverträge vorhanden sind, eine höhere Gebühr bezahlen müssen , was übrigens auch in Bezug auf die Fremden christlicher Konfession Geltung hat.

Jn W al lis gestattet das Niederlassungsgesez nux den Anhängern christlicher Konfession den Erwerb von Liegenschaften. Jm Uebrigen bestehen keine Ausnahmsgeseze im Handel und Marktverkehx, so wie überhaupt; auch findet kein Unterschied zwischen schweizerischen und fremden Juden statt.

Jn N e u e n b u r g bedürfen die Jsraeliten dex Bewilligung des Großen Rathes zum Ankauf von Grundeigentum. Es besteht im Uebrigen kein Unterschied zwischen schweizerischen und fremden Juden. Obwol die in Neuenbuxg wohnhaften Juden nicht zur Ausübung der politischen Rechte zugelassen werden, so stimmen sie doch in Gemeindesachen und können selbst zu Gemeindeämtern gewählt werden.. Jm Handel und Marktverkehx geuießen fie die nämlichen Rechte, wie die Einheimischen.

G e n f kennt weder in Gesezen und Verordnungen, noch in der P.raxis eine ausnahmsweise Behandlung der Juden im Vergleich mit den Augehörigen christlicher Konfession. Eben so wenig macht man einen andern Unterschied zwischen schweizerischen und fremden Jsraeliten, als den, der zwischen Schweizerbürgern und Fremden christlicher Konfession besteht.

Die eingebürgerten Jsraeliteu find in allen Beziehungen den übrigen Bürgern

gleich gestellt.

Dieses find in allgemeinen Zügen die gesezlichen Bestimmungen über die Verhältnisse der ^ Jsraeliten in den Kantonen.^ Es kann nun nicht in unserer Aufgabe liegen, diese Angelegenheit vom Standpunkt dex Gesez-

gebungspolitik zu untersuchen und zu prüfen, ob es zwekmäßig sei, durch

Verbote des Ankauss von Liegenschaften, durch Beschränkung der Niederlassung, des Ausenthalts und mehrfache^ Gewerbsbetxeibungeu den Jsraeliteu die Landwixthschast, Handwerke und größere industrielle Unternehmungen fast unmöglich zu machen. Unfex Standpunkt ist nur dex b u n d e s s t a a t s rechtliche, und wir haben es daher lediglich mit der Frage zu thun, ob und wie weit die gegen die Jsraeliteu bestehenden Ausnahmsgeseze mit der

267 Bundesverfassung im Einklang s^h.^ ^ ^ ^ ^^^ ^ behauptet ^urde, den Kantonen di^ ^ ^ unbeschränkte Souveranetat ^u^ ub.^x den schweizerischen Jsxaeliten üb.^lass.^ h^ .^f... ^......^ ^.^ wurde bei den früher obgew^t^ .)lnst^ud^ ^f ^ ^ ^ .^..^^ verfassung gestüzt, also lautend.

,,Sämmtliche Kanton..sindverpflichte ^ Schw^rbü^ ch^ ^l1cher K o n f e s s i o n in der Gefez^bung s.^w^ ^ .^ g^.^ich.^ ,,Verfahren den Bürgern d^ .^.^.^ .^.^ ^ ^ ^.^..

.^an .and es da^. ^^^^ ^. Behandlung d^ K^nflikt^ zwifch^ A a r g a u und L u z ^ r u ^ d^ Marktverk.^hr ^ aarg^uisch^ ^.d.^ ^1cht notwendig, in einl^ßlich^ ^ ^ ^^ ^^ ^^^^^ ^.^

weite und über da^ Verh.^ltuiß d^s^ ^..^^^ ^^ .Bundesver.assuug auszuspr^^u^

^.^ ^^ ^.^ ^

w^ ^ ^^ .^..^^ ^^..^^ ^

wendung dies^ ^^^^ ^^ ^ ^.^ ^^.^^ ..^^ . ^^^ ^

weil dle Beschränkung d^ M^kt^.^ g^^^b^ .^^ ^^^^^ ^^t durch eln fo^l^ches G e fez angeordnet .^. ^^.^ d^f^ Umständen tonnte d.e Entstehung u^^ Anstände natürlich uicht ^ushl.^ib^^ uud wi^ haben.oben erw.^h^ d^ ^ .^^ ^. ^^ .^ ^^ ^^^..

^.^ .^^ ^^^ ^d^holte Beschwerden A a r g a u ' s an den .^ag getreten sind. .^^ ^^ veranlaßt duxch di^ B^fchw^.^^ s.^ w^ ^^^ ^^ ^^^^ ^^ diefe^ Angelegenheit in ihrer Ge^^^ ^^ ^^^^ .^^^ ^^ ^ ^^ nun .vor allem auf ^ ^^..^^ d^ ^^^ ^ ^ Bundesverfassung eingetreten

^ ^^ ^^ ^^ Artikel wirklich den Sinn, daß di^ K^nt^ d^m ^ ^^ ^^^

^^^^^ ^ schweizerischen Jsraeliten auf

d ^ ^ ^ G^^g^bung Gutfindendes zu ^rfü^ f^ ^.^^f ^^ ^k^

^ ^ l^t^snchnng, sondern der Bund h^t ^ch s^

^ ^ ^^^^. ^^ ^^^ ^ ^^ d^ese ^^^ ^ d^ ^ ^ ^ ^^^ ^ud glauben uns, aus unserm frühern Berichte vom

29.

Nov^

^^

^^^

^^^

^.^

^

^ .

.

^

^^^ ^^ ^^ d^ sch^i^xischeu Jsraeliten von jeder

Gleichstellung mit and^u ^chw^i^^ au^^fchloss^ ^. .^^ ^.^

Kantone ^ jeden. (^bi^ ^.. ^s^^^^ ^ ^^ ^^.. ^^^^ deln durfen, so gibt ^ f^ ^.^^ ^^ ^ ^^^.^^^. ^ke1ne Bundesverfassung^ ^ ^^ ^..^^^ ^^ ^.^ ^^^ thaten , ^welche der Bund d^ .^chw^.^^^ ^^^^ ^^ ^^ baume in der Schweiz ^ ^^^... ^^ ^^ Judenzoll können

d1e Kantone wieder einfüh^. .^^ ^^ ^ J^r^i^u des Bürg^ xechts verlustig ^-^ . ^ ^ ^^ ^ Petitionsrecht, keine Preßfreche^, k^in Vereiu^cht. ^ ^^.. ^ ^^ ^.^ .^^^^ doppel und dreifach s^ ^ ^^ ^^^ ^ ^ Ehristen; man tanu ße v.^r Ausnahu.^.^ ^^ ^ ^ ^^^^^ ^-^u mrt dem Tode bestrafeu^ w^.. ..^ ^^^. ^ .^^^. ^^^ ^.^ uud noch viel mehr f^lgt ^.^ ^.. Ju^^^t^.. ^^ ^..^ ^ ^ir haben dagegen di^ Ueberzeugung ^ d^ ^^ von ferne die Jdee BundesbI^t. ^h^^ ^^^ .^^ ^ .^

268 ^

obwaltete, die schweizerischen Jsraeliten unbedingt der Kautonalgewalt zu unterwerfen , sondern vielmehr dieselben der Regel nach andern Schweizerbüxgern gleich zu stellen, jedoch unter gewissen, durch die Verfassung zu bezeichnenden Beschränkungen.

b. Nach dem Gesagten kann daher der Art. 48 nur eine Axt dieser Beschränkungen enthalten, und diese ist auch nach der Stellung dieses Artikels und seiner Entstehungsgeschichte leicht herauszufinden. Die^ Entwürfe der Bundesverfassung enthielten in diesem Artikel gar keine Beschränkung der Jsraeliten. Bei der ersten Berathung in der Tagsazung wurde mit Beziehung auf das Gebiet des Eivilrechts ein beschränkender Antrag gestellt, der aber in kleiner Minderheit blieb.

^ Erst bei der zweiten Beratung nahm die Redaktion den beschränkenden Zusaz ,,christlicher K o n f e s s i o n . . auf, mit der ausdrükiichen Begründung, daß die Jsraeliten in manchen Kartonen in gewissen Eivilrechten, namentlich im Erwerb von Liegenschaften und H^pothekeu, beschränkt seien., der Zusaz enthalte .also eine logische Konsequenz des Art. 41 über das Niederlassungsrecht , welch' lezteres hierdurch gerade eine praktische Bedeutung finde. Es ist daher klar, daß mau die Beschränkung nur auf das Eivilxecht beziehen wollte, namentlich in so weit dasselbe mit dem Niederlassungsrecht im Zusammenhang steht, und daß man weit davon entfernt war, die JsraeUten im ganzen Gebiete der Gesezgebung dem Willen der Kantone zu überlassen und sie besonders im interkantonalen Verkehr anders zu stellen.

c. Wenn der Art. 48 die allgemeine Bedeutung hätte , daß die Kan^ tone hinsichtlich der Jsraeliten eine ganz freie Stellung haben, so wäre es schwer zu begreisen und jedenfalls sehr unlogisch gewesen,

dieselben im Art. 41 (Niederlassungsrecht) und im Art. 44 (konfes^

sionelle Verhältnisse) noch besouders zu beschränken , indem alle möglichen Beschränkungen aus Art. 48 folgen würden.

d. Aus dem Gesagteu geht also hervor, daß die schweizerischen Jsraeliter nur da beschränkt werden dürseu, wo die Bundesverfassung es zuläßt, und daß dieselben daher bei allen andern Grundrechten, wobei du leztere eine Unterscheidung nicht macht, den übrigen Schweizern gleich^ gestellt find. Dieses ist nun besonders auch der Fall beim Art. 2..^ der das Prinzip des freien Verkehrs aufstellt, dabei den Kantoner

polizeiliche Verfügungen vorbehält, jedoch mit dex ausdrüklichen Ex.

kläxung, daß diese Verfügungen die Kantonsbürger und die Schweb zerbürgex anderer Kantone gleich behandeln müssen.

Diesen in unserm frühexn Bexichte angesührten Gründen haben wi noch beizufügen, daß nicht angenommen werden kann^, man habe in Axt. 48, im Widerspruch mit vielen andern Artikeln, den Jsraeliten ein R..lhe speziell bezeichneter Grundrechte, welche die Verfassung al ..er. Schwer zexbürgern ohne Unterschied dex Konfession zusichert, wledex nehmen wollen Jst en.e gesezliche Bestimmung einex doppelten Auslegung fähig , so mu^

269 tnau diejenige vorziehen, durch welche fie ganz oder möglichst viel mit den übrigen .Bestimmungen des Gesezes in Einklang gebracht wird. .Es .l.äßt fich nun nicht läuguen, daß ein Widerspruch immerhin noch ubxig bleibt; allein dieser geht in seinen Konsequenzen unendlich weiter, wenn .man die Jnterpretation annimmt, welche wir für unrichtig halten. Nach Art. 4 der Bundesverfassung nämlich find alle Schweizer vor dem Geseze gleich.. Offenbar wird diese allgemeine und unbedingte Gleichheit durch

.Art. 48 für die Jsraeliten beschränkt ; allein daraus folgt keinerlei logische ^Notwendigkeit, diese Beschränkung nicht nur auf die Geseze zu beziehen,

sondern fie auf die konstitutionellen Grundrechte des Schweizervolkes auszudehuen, und zwar um fo weniger, als natürlich bei Abfassung des Art. 48 der Gedanke vorschweben mußte, daß die kantonalen Geseze, welchen man hinsichtlich der Jsraeliten freien Spielraum gab, fich immer.^ ^i... wieder innerhalb der Schranken der Bundesverfassung^ bewegen miisseu.

^Diese unsere Auffassung des Axt.. 48 wurde von der Kommission de^ Ständeraths und der Mehrheit der Kommission des Nationalraths im

Sommer 1850 gebilligt; die Minderheit der lezteru stellte keine entgegen.^

^esezte Theorie auf, sondern machte mit Riiksicht auf die d a m a l i g e

Sachlage die Anficht geltend, es fei weder nothwendig noch zwekmaßig,

sich uber den Sinn des Art. 48 auszusprechen, indem man die Gesezge^ hungen iibex die Jsraeliten nicht kenne, und somit die Tragweite eine..

allfälligeu Entscheidung nicht zu beurtheilen vermöge. Wir habeu im Eingang gesehen, daß die h. Bundesversammlung sodann, ans die leztere ^Anschauungsweise eingehend, die Beschwerde Luzerns gegen unfern .Be.^

schluß zwar abwies, jedoch unpräjudizirlich allfälliger künftiger Entscheid

^ung über die Rechtsverhältnisse der Juden.

Wenn wir nun zu der Ansicht gekommen find, es sei die im Art. 4^ erwähnte Autonomie der Kantone keine absolute, sondern eine beschränkte, kommen wir natürlich auf die Frage, wo die Gränzen der Beschränkungen liegen und wie weit die Kantone in exzeptionellen Gesezesbestimmungen übe^ die Jsraeliten gehen können. Jn der bisherigen Ausführung habeu wi^ bereits auf den entscheidenden Gesichtspunkt hingewiesen, und wir fasse..

unsere Anficht in den Saz zusammen. Nach Art. 48 find die kantonale..

^esezgebungen über die Verhältnisse der Jsraeliten unabhängig, in so w ei dadurch nicht Rechte angetastet werden, welche durch die Bundesverfassung .allen Schweizern ohne Unterschied der Konfefsion zugefichert sind. E^ .bleibt nun noch ^brig, diese Rechte zu bezeichnen und dann einen ver ^gleichenden Blik auf die kantonalen Gesezgebungen zu werfen, um z...

beurtheilen , ob und in welchen .Richtungen sie mit dem aufgestellten Grund saze im Widerspxuche seien.

Wir finden jene auf alle Schweizerbiixgex anzuwendenden Garantie..

.in folgenden Axtikeln der Bundesverfassung^ Art. 29 (freier Verkehr) 42.

63, 64, 84, 97 (politische Stimm- und Wahlfähigkeit), 43 ^(Garant...

gegen Verlust des Bürgerrechts), 45 (Preßfreiheit), 46 (Vexeinsxecht) .

47 (Petitiousrecht), 53 (verfassungsmäßiger Gerichtsstand), 54 (Befchräu-

270 kung des Strafxechts bei politischen Verbrechen). Nun bleiben die Artikel 43, 45, 46, 47, 53 und 54 ganz unbexuhxt von sämmtlichen kantonaleu Ausnahmsgesezeu , und es ist auch nicht zu vexmuthen, daß man je au hierauf bezügliche Beschränkungen dex Jsxaeliten in den Kantonen denke..

werde. Hinwieder sehen wix eine Reihe von Ausnahmsgesezen , die mit keinem der obigen Artikel im Widerspruch stehen und die also kraft des Axt. 48 fortbestehen dürfen. Dahin gehören die Beschränkungen in Exwerbung des Bürgexxechts, der Niederlassung, des Grundeigentums, welches im Art. 29 gewiß nicht untex K a u s m a u n s w a a x e n begriffen ist, in Darleihens- und Wechfelgeschäften mit oder ohne Hypotheken, in der Form der Schuldurkunden , in Heirathsbewilligungen und in konfessionellen Vexhältnissen. Man sieht, es ist noch ein sehr großes Feld von Beschxänkungen vorhanden, welche gegen schweizerische Jsraeliten angewendet werden können , und der Schuz , welchen die Bundesverfassung gegen einzelne, wirklich bestehende Ausnahmsgeseze denselben gewähren kann , reduzirt fich auf Weniges im Verhältniß zu den vielen und zum Theil sehr tief eingreifenden Beschränkungen, denen fie nach Art. 41, 44 und 48 unter^ worfen bleiben dürfen. Alles , was Stoff zu Anständen bietet , xeduzixi

sich nämlich auf die Axtikel 29 und 42, und wir haben dahex schließlich

noch näher auf dieselben einzugehen.

Der Art. 29 stellt den Gxundsaz des freien Verkehrs von Kantor zu Kanton auf, und zwar für Lebensmittel, Vieh und Ka.^smannswaaxen.

Landes- und Gewexbsexzeugnisse jeder Art. Die Kantone dürfen polizei^ liche Verordnungen erlassen, sollen aber die Kantonsbürgex und die Schweizer bürger anderer Kantone gleich behandeln. Wir haben in den srühern Be.

richten und im gegenwärtigen die allgemeinen Gründe angeführt, waxun wir glauben, daß auch die schweizerischen Jsraeliten untex dex Rechtswohl that dieses Vexfassungsprinzips stehen. Vergleichen wir nun damit di kantonalen Geseze, so finden wir in einem Theile derselben zweierlei Be schränkungen dex Jsraeliten , nämlich : 1) Jm Marktverke.hr. Die Ausschließung der Jsraeliten von Marktvexkehx ist zwar nirgends grundsäzlich und allgemein vorhanden allein sie bedürfen an den einen Orten Bewilligungen (Patente) die als solche verweigert werden können, was auf Maxktbesuche christlicher Konfession nicht angewendet wird; an and ..xn Orten habe sie höhere Taxen zu bezahlen. Diese Verordnungen find aber offen bar nicht polizeilicher Natur, sondern Vorsorgen gegen Konkurrer und streiten daher gegen das Prinzip des Vexfassr.ngsartikels. Die^ Verfügungen find al^o von einem doppelten Standpunkte unzulässig einmal weil es keine polizeilichen Verfügungen sind und sodann, weil s nur gegen israelitische Schweizerbüxgex angewendet werden (Axt. 29, d^ Wix fügen nur noch bei, daß auch die fxühexn Kommissionen d.

gesezgebenden Räthe dieser Auffassung beigetreten sind.

2) Jm H a u s i x v e x k e h x . Diese Beschränkung greift schon weiter eir ^ weil in mehreren Kantoneu dieser Handel den Jsraeliten absolut pe^

271 boten ist, und in andern theilweise. Nach unserer Ansicht sprechen die nämlichen Gründe gegen diese Verfügungen wie beim Marktperkehr. Der Hausirhandel bedarf allerdings, wie kein anderer, polizeilicher Verordnungen, und er wird um so mehr beschränkt werdeu .können, je besser die Kommunikatiousmittel werden und j.e mehr au allen einzelneu Orten für alle Bedürfnisse des Lebens durch Verkaufsmagazine oder Kramladen gesorgt ist. Es läßt fich gegen wirkliche Polizeivorschristen durchaus nichts einwenden, so z. B. gegen die Bestimmung , daß der ^Hauslrhandel nur mit gewissen Waaren betrieben wex^en dürfe, die einen unbedeutenden Werth haben und dexen Beschaffenheit leicht von Jedermann. beurtheilt werden kann.

Dagegen kann man es eben so wenig , wie beim Marktverkehx , als ^olizeimaßregel betrachten, eine Klasse von Schweizexbürgexn einfach von dieser Verkehrsaxt auszuschließen oder ihr schwerere Bedingungen aufzulegen. Wir glauben daher, daß auch den Jsraeliten der Haufixhandel unter den für Kantonsbürgex geltenden polizeilichen Beschränkungen gestattet werden müsse, sobald man den Grundfaz aufstellt, daß der Art. 29 auf die Jsxaeliten anzuwenden fei. Das Gesagte gilt natürlich vom freien Kauf und Verkauf überhaupt, fo weit derselbe nicht mittels der^ Niederlassung oder eines dauernden Aufenthalts betrieben werden will.

Was nun noch die politischen Rechte betrifft, fo ist der Art. 42 der

.Bundesverfassung maßgebend, dem ..fich als natürliche Konsequenz die Art. 63, 64, 84 und 97 anschließen. Da die Ausübung dieser Rechte von der Niederlassung abhängt, so versteht fich von selbst, daß die Kautone die Jsraeliten davon ausschließen können, indem sie ihnen die Niederlassung verweigern. Wenn fie aber die leztere gestatten, so müssen fie ihneu ^ie politischen Rechte gewähren, welche sie im Heimathkanton beanspruchen können. Wir haben gesehen, daß nur drei Kantone Jsraeliteu mit Büxgerrecht haben, nämlich Aargau, Bern und Geus. Jn den beiden leztern wird ihnen die Ausübung der politischen Rechte gar nicht bean^standet; dagegen sind sie im A a x g a u .davon ausgeschlossen. Die Frage, ob den israelitischen Schweizerbürgern die politischen Rechte zustehen, hat also keine Bedeutung für die Niederlassungskantone, sondern nur für die ^eimathkantone , oder eigentlich nur für Aargau. Wie bereits erwähnt, sind die aargauischen Jsraeliten dort vom politischen Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen, weil fie nicht im Besize eines vollen Ortsbürgerrechts ^m Sinn christlicher Bürgergen ossenschaften seien, was als Konsequenz mit sich bringe, daß sie außer dem Kreise ihrer eigenen Korporationsgemeindeu ^in politisches Stimmrecht nicht ausüben können. Ob fie dieses aber inner.halb diesem Kreise ausüben, wird nicht gesagt. Jn dem einen, wie im andern .Falle vermögen wir weder die Richtigkeit dex Prämisse, noch der Schlußfolgerung einzusehen. Warum sollen fie nicht volle Ortsbürge.. fein, wie die .Bürger anderer Gemeinden^ -- Ein innerer Rechtsgrund, eiu recht.licher Unterschied in den Beziehungen der dortigen Jsraeliten zu ihreu

27^ Doxfschasteri gegenüber den Beziehungen anderer aärgauischex Bürger zu.

i^rer Heimath dürfte fich schwerlich auffinden lasseu. ..^ie Jsraeliteu find^ in den aargauischen Ortschaften Obereudingeu und L e ugna u heimathBerechtigt und dürfen nicht von da weggewiesen werden; fie haben Geweinde-, Kixchen- und Schulgütex und eine Gemeindeoxganisation , fie^ stelle^ Heimathscheine aus und werden als Kantonsbüxgex anerkannt. Sie.

find daher unzweifelhaft Ortsbiirger dieser Gemeinden, welchen Namen man ihnen beilegen mag. Ob die Organisation der leztern mehr unter hoheitliche Aufficht gestellt sei, und mehr Beschränkungen habe, als die andern Gemeinden, kann wol am Begriffe des Bürgerrechts nichts ändern.

Daher find die aaxgauischen Jsraeliteu schon nach ^. 36 .der Kantonsve..fassung stimmfähig. Abgesehen hievon, scheint uns aber der bundesstaatsrechtliche Standpunkt entscheidend. Der Axt. 42 dex Bundesverfassung, o^hne^ zwischen mehr oder mindexvollen Oxtsbürgexrecht^n zu entscheiden .

sagt . ..Jed.'x Kantonsbürgex ist Schweizerbüxger und übt als solcher feine politischen Rechne aus.^ Ueberdieß bestimmt dex Art. 17 des Gesezes über die .Heimathlosen, daß allen Schweizexbüxgern , welche zwax ein Kantonsaber kein Ortsbürgerrecht haben, wie z. B. den ewigen Einfassen, Landsässen u. s. w., das leztexe vexschafft werden soll, und zwar ohne Beschränknng der politischen Rechte. Gleichwie daher Aaxgau verlangt, daß.

der Art. 29 über freien Vexkehx auf seine Jsraeliten angewendet werde, w^eil darin ein Unterschied der Konsessionen nicht ermähnt sei, so muß aus demselben Grunde auch der Axt. 42 über Ausübung dex politischen Rechte auf dieselben Anwendung findeu.

Wix fassen ^ahex unsere Ansicht in folgende Säze zusammen : 1) Nach Art. 48 dex Bundesverfassung find die kantonalen Gesezgebuu.^ geu übex die Jsxaeliten unabhängig, in so weit dadurch uicht Rechte angetastet werden, welche durch die Bundesverfassung allen Schweizern ohne Unterschied der Konfession zugesichert sind.

2) Mit Rükficht auf die gegenwärtig bestehenden Ausnahmsgeseze folgt

daraus, daß die Axt. 29 und 42 auf die Jsxaeliteu anzuwenden find, in der Meinung, daß denselben, gleich wie andern ^ Schweizerbürgern, das Recht des freien Kaufs und Verkaufs dex im Art. 2.^ bezeichneten .Gegenstände zustehe, und daß fie auch zux Ausübung der politischen Rechte befugt feien.

Jn sofern die h. Bundesversammlung diesen Ansichten beitritt, so durfte es genügen, den Bundesrath zu beauftragen, der Bundesverfassung.

^ diesem Sinne Vollziehung zu verschaffen.

Schließlich benuzen wir diesen Anlaß, Sie. Tit., unserer vollkommen^ sten Hochachtung zu vexsichexn.

Bern, ^en 26. März 1856.

Jm Namen des schweiz. Bundesrathes.^ Dex Präsident. ^tämpsli.

Dex Kanzler:. schieß.

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Bericht des Bundesrathes an den schweiz. Ständerath über die Rechtsverhältnisse der Israeliten. (Vom 26. März 1856.)

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