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Schweizerisches Bundesblatt.

VllI. Iahrg. .l.

Nr. 10.

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1. März 18.56.

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Mehrheit der nationalräthlichen Kommission im .JUraEisenbahnkonflikt.

(Vom 5. Februar 1856.)

Tit.

^

Unterm 23. November 1853 extheilte der Große Rath des Kantons Neuenburg der Jurabahngesellschaft eine Konzession. Den 29. November

1853 bewilligte ex eine zweite für die Vexxièxesbahn.

Diese beiden Konzessionen wurden von der hohen Bundesversammlung (die von Verrières am 6. und die für deu iudustxiellen Jura am 8. Fe-

bruar 1854). ratifizirt und genehmigt.

Der Artikel 1 der Konzession sür die Jurabahn lautet: ,,Der Große Rath des Kantens Neuenburg ermächtigt die Gesellschaft der Eisenbahn durch den industriellen Jura, und diese leztexe verpflichtet fich, als Bestandtheil genannter Bahn und in Verlängerung der Linie Befauçon-Brenets , eine Eisenbahn von .Les Brenets über Loele und La Chaux-de-Fonds in der Richtung nach Les Eon...erts, und von da durch das St. Jmmerthal in die Seelandebene zu bauen. ^ Der Art. 1 der Verrièresbahu-Konzesfion lautet..

,,Die Konzession, welche deu Gegenstand der .gegenwärtigen Uebereiu-

kunft bildet, umfaßt.

^

1) eine Eisenbahn vou der Schweizergränze bei Verrières nach Neuenburg und von Neuenburg nach la Thielle an der Gränze des Kantons Beru ; 2) eine Zweigbahn, welche gegen den . Kauton Waadt in der Nähe von Yverdon (Vaumarrus) ausmünden soll."

Die Konzession der Eisenbahn des industriellen Jura enthält eineu Artikel, welcher uns von großer Wichtigkeit in dem vorliegenden Streite zu feiu scheint; wir meinen den Art. 31, im 3. Alinea also lautend:.

Bundesblatt. Jahrg. VIII. Bd. 1l.

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194 .,.Jui Falle der Kouzeffiousertheilitng s-r eine Zweigbahn, zur Ver^ bindung ^des Seelandes über das Ruz- oder das Traverserthal mit der Linie durch deu industriellen Jura, foll der Gesellschaft für die Eifenbahu durch deu industriellen Iuxa, bei gleichen Bedingungen, stets der Vorzug vor andern Bewerbern zugefichext fein...

Jn Folge ..dieses Vorbehalts bewilligte dex Große Rath von Neuenburg unterm 23. November 1855 der Jura^Eisenbahngesellschaft eine neue Konzeffion, umfassend: ..1) eine Eisenbahn von La Ehaux-de-Fonds nach Neueuburg durch das Val-de-Ruz, d. i. die im Art. 31, drittes Lemma dex Konzession für die Eisenbahn durch den industriellen Jura , vom 23. November 1853, vorgesehene Zweigbahn; ,.2) die Verlängerung dieser Linie von Neuenburg an die Bernergxänze, sei es in der Richtung gegen L^anderon und Biel, oder in der Richtung gegen Murt.eu oder Laupen. Wenn die Gesellschaft die letztere. Richtung wählt, so kannte ihren Uebergangspunkt nicht bestimmen, bis fie die Gesellschaft dex Vexrièxesbahn veranlaßt hat, den Punkt au der Zihl zu bezeichnen, wo fie auf bernifches Gebiet überzugehen gedenkt. Jm Art. 2 der Konvention wird bestimmt, daß fich die Gesellschaft in keiner Foxm mit einer andern fufionireu darf, ohne Zustimmung des Großen Rathes. Eben so behält fich der Große Rath die Ratifikation der Uebereinkommen vor, welche die Gesellschaft mit deu Konzessionären dex Vexxièxeslinie für .die gemeinschaftliche Erbauung und den Betrieb derjenigen Bahnfixeren schließen möchte, die zu einer solchen Gemeinschaft geeignet find.

Schon vox Genehmigung ^.diefex letztern Konzession durch den neuenburgifchen Großen Rath richteten die Konzessionäre der Verriereslinie eine Bittschrift an denselben, worin ^ fie darlegten, daß diese Konzession, welche damals nur noch ein Gefetzespxojekt war, und welche heute .den Konflikt bildet, ihre Rechte beeinträchtige und daß fie dieselben wahxeu ruiissen.

Der Große Rath ^ von Neuenburg scheiut darauf wenig Rii^ficht geuommen zu^ haben; wenigstens ertheilte er den Verriexesbahnkonzeffionäxeu hiexauf keine Antwort.

Den 25. Novembex 1855 legte die Gesellschaft dex Verrieresbahu einen Protest beim Bundesrath gegen deu Art. 2 der letzten Konzession des neuenburgischen Großen Rathes ein.

Den 28. Novembex 1855 verlangte dagegen die Gesellschaft für die Eisenbahn durch den industriellen Jura die Geuehmigung die Konzesfiou vom 23. November 1855.

^ Hierauf beschloß dex Bundesrath untexm 7. Januar 1856, der. Bundesvexfammlung zu beantxagen :.

es möge dex Art. 1, Ziffer 2 dex Konzession, betreffend die Verlängexung der Linie Neuenburg au ^ die bernifche Gränze zur Zeit nicht ^euehmi^et wexdeu..

195 ^

Dieser Konflikt wurde unterm 25. Januax 1856 ^von dem hoheu

Stäudexathe behandelt, mit 28 gegen 9 Stimmen in obigem Sinne des

Bundesrathes entschieden und geneigt.

Der Nationalrath und Jhre bestellte Kommission wollte fich eben mit dem Gegenstand beschäftigen, als den 28. Januar die beiden Herreu Ständeräthe Humb ext und L a m b e l e t als Mandataren der Jurabahngesellschaft dem Bundesrathe eine Erklärung eingaben, dahiu lautend, daß.

fie auf^die z.weite Alternative der Verlängerung der ^Eisenbahn Ehaux-deFond-Neuen...urg an die bernifche Gränze verzichten, und den Art. 2 dahin ^ modifizieren ^ ^ daß fie die Konzession bloß noch von Neuenburg- Landexon au die bernerische Gränze in der Richtung nach Biel verlangen.

Diese Erklärung enthält den Vorbehalt, ^daß fie nur daun in diese Modifikation einwilligen., wenn die Konzession für die Verlängerung Neuenburg-Landexon durch die Bundesversammlung bewilligt .werde.

Mittelst Zuschrift v^29. Januar 1856^ der Verrièresbahudirektion

an den Bundesrath beharrt diese auf ihrem Protest und glaubt nicht, daß obige Modifikation. die mindeste Veränderung an diefem Konflikt bewirkt habe.

Diese neuen Dokumente veranlagen Jhre Kommission, . die Sache an den Ständerath zurückzuweisen, damit er erwäge und entscheide, ob die Deklaration der. Jurabahn .der Art sei, daß er fich ebenfalls zu einer Modifikation seines Beschlusses vo.m 25.. Januar bewogen fühle.

Den 1. Februar beschloß hierauf der Ständerath mit 24 gegen 14 ^Stimmen, daß ex bei seinem frühern Beschluß beharre.

Jn diefem Zustande ist der Konflikt wieder au Jhre Commissions zurückgekommen..

Allgemeine Bemerkungen nnd Erwägnngen.

Gestuft auf den erwähnten Thatbestand, gelaugt die Mehrheit Jhrer Kommission .nun zu folgenden Betrachtungen und Entschlüssen ... .

1). Da keinerlei Einwendungen in Bezug auf Art. 1 der Konzession vom 23. November 1855 gemacht werden, .demselben die Genehmigung zu ertheilen.

^ .

2). Was dagegen die Konzession, betreffend die Verlängerung (prolongen.ent) von Neuenbuxg bis au die bexnexische Gränze, sei es in der Richtung nach Thielle oder in .jener nach Landeron anbelangt, so betrachten wir selbige als^ so zu sagen i d e n t i s c h , und daher mit Berücksichtigung der ^ Vexxieres^Kouzessiou vom 29. Novembex 1853, in Verbindung mit dem Axt. 34 für unzulässig.

Jn einer .Distanz von eirea 11/^ Stunde^ ist das Terrain zwischeu Neuenburg und St. Blaise so zusammengedrängt, daß es bloß eine Breite von 300 à 600 Metex bei ganz abschüssigem Boden euthält, daher kaum zwei Eisenbahnen fich auf derselben frei bewegeu Junten.

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^ . ^ ^

19^ Von St. Blaise bis an die Bernexgränze (Thielle oder Landeron) beträgt die Distanz eirea eine Wegstunde. Tritt nun der Fall ein, daß die Verrièresbahn am äußersten Ende der Zihl , bei Landeron , den Uebexgang in das Bernergebiet sucheu und festsetzen .würde, wozu fie nach Art. 34 das Vorrecht besi^t, fo kämen auf dieser Strebe die beiden Bahnen in dem Zwischenxaume von weniger als einem Kilometer zusammen, deßhalb nicht ernstlich von zwei verschiedenen Bahnen und Ausmündur.geu die Rede sein kann, weil ohne den mindesten Zweifel beide Gesellschaften auf den gleichen Ausgangspunkt, Vereinigung und Verbindung mit der E e n t x a l b a h n , in de x. Richtung nach Biel, hinsteuern werden, wie die bereits gethanen Schritte dex beiden Konzessionäre es fattfam^ beweisen.

Es läßt sich serner nicht bestreiten, daß bei einer Konzession von zwei Bahnen, bei der kurzen Strebe Neuenburg-Landeron, oder an die Beruergränze, diese Bahnen die gleichen Ortschaften berühren, mehr oder weniger von den gleichen Personen benutzt, eine Menge Konflikte hervorrufen würden und sich sicherlich gegenseitig zu Grunde richten müßten.

Ob eine solche Maßregel im Jnteresse des schweizerischen Eisenbahnwesens und der Aktionäre, fo wie dex hohen Regierung des Kantons Neuenburg selbst liegt , müssen wir entschieden verneinen

und freimüthig mißbilligen, und geben Jhneu, Tit., ernstlich zu bedenken, ob es nicht ^höchst gefährlich wäre, ein solches wichtiges

Präeedenz in den Annalen der Eisenbahnkonzessionen aufzustellen..

Sicherlich würden sie es später bereuen, un^ die Folgen würden schwer auf unser Vaterlau... zurückfallen und seinen moralischen Kredit, seine bekannte Loyalität gefährden.

3) Weil die Regierung von Bern unterm 24. November 1852 der

Eentralbahn ein Privilegium für die Linie Bern-Biel in südlicher

Richtung ^ertheilt hat, so könnte der Fall eintreten, daß beide Gesellschaften in der Richtung nach Biel bauen, die Eentralverwaltung aber nur bei Landeron ausmünden wollte. Dabei käme die V e r r i è r e s b a h n in die Unmöglichkeit, nach dem Kanton Bern zu gelangen. Und wollte sie dann die Regierung dieses Kantons dazu zwingen, so würde dieselbe, nach Art. 17 des eidg. Eisenbahngesezes, erklären, ein zweiter Eingang in den Kanton Neuenburg liege nicht im Jnteresse dex Schweiz, oder eines bedeutenden Theils derselben. .

4) Betrachten wir den vorliegenden Konflikt auch von der Seite der

Gerechtigkeit und Billigkeit, so müssen wir uus gestehen, daß

selbige zu Gun^eu der V e r r i è r e s b a h n sprechen.

Dex industrielle Jura hatte zuerst eine Konzession nach LoeleEhaux^de-Fonds; er wollte durch das St. Jmmerthal nach B i e l , und nicht über Neuenbuxg und Landexon. Er hat nur sein Txaeé geändert, und will auch nach Neuenbuxg und Biel über

197 Landeron. D^ Regierung vou Neuenbuxg steht ihr mit drei Millioneu Franken Betherligung^ zur Seite, während ^fie der Verrièresbahu, die doch auch einen bedeutenden Theil des Kantons durchschneidet, und zu deren Gunsten Petitionen mit 6000 Unterschriften vorliegen, keinen Centimen gibt. Während die Regierung der Vexriéresbahn-

. . gefellschast die Konzession bloß für ^9 Jahre erthe.ilte, erhielt fie die vom Jura mit .är.dern günstigen Bedingungen,. bezüglich Personenund ^Waaxentaxen, aus ewige Zeiten.

.

.

5) Fassen wir endlich in.s Auge, daß das Zustandekommen und Gedeihen beidex Bahnen noch wesentlich von dem Umstande abhängt, ob und nach welcher Richtung ( S a l i n s - V e r r i e x e s oder Bes a n ç o n - l e s B x e u e t s ) die^ französische Bahn nach dem Kanton . Neueuburg äusmiinden wird, so ist es^ .im Jnteresse der Schweiz und . klug, die Verrieresbahn ^in ihren wohlerworbenen. Rechten zu schützen

^ ^und zu.x Zeit die doppelte. Konzession der Linie Neuenburg-Biel an die bernerische Gränze der Jurabahn^gesellschaft zu verweigern.

Unfer Antrag geht deßhalb .dahin , ^ ^ . ^ der hohe Nationalrath möge beschließen :

,, er trete bezüglich Axt. 2 der Konzession .vom 23. November 1855 au die Juxabahngesellschaft dem ^ständexäthlichen Beschlusse bei.^ ^Dagegen will eine Mindexheit von 2 Mitgliedern Jhxer Kommission die sämmtlichen Konzessionen zu Gunsten der Juxaba^hn genehmigen,^ und wir überlassen es denselben , Jhnen ihre Ansichten vorzutragen. .

B e r n , den 5. Februar

1856.

^Die^ Mitglieder der Mehrheit der Kommission .

Ed. Bl.osch.

A. .^. planta.

Wähler -Egli, Berichterstatter.

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Bericht der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission im Jura-Eisenbahnkonflikt.

(Vom 5. Februar 1856.)

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01.03.1856

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193-197

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