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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über ein zinsloses Darlehen des Bundes an die Organisation der Vereinigten Nationen für die Modernisierung des Palais des Nations in Genf (Vom 14. Mai 1957)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, eine Botschaft über ein zinsloses Darlehen des Bundes an die Organisation der Vereinigten Nationen zur Finanzierung der Modernisierungsarbeiten im Palais des Nations in Genf an Sie zu richten.

L

Schon im Jahre 1923 haben der Bund, der Kanton und die Stadt Genf dem damaligen Völkerbund den für die Erweiterung der Gebäulichkeiten dieser Organisation notwendigen Boden unentgeltlich überlassen, um ihre Niederlassung in Genf zu erleichtern. Als es sich darum handelte, das Palais des Nations zu erbauen, hatte der Bund dem Kanton Genf einen Beitrag ausgerichtet, damit er die von ihm eingegangenen Verpflichtungen, einen Teil der Bauarbeiten zu übernehmen, erfüllen konnte.

Nach der Auflösung des Völkerbundes im Jahre 1946 wurden die Funktionen, Obliegenheiten und Guthaben dieser Institution auf die Organisation der Vereinigten Nationen übertragen, welche das Palais des Nations gemäss einer Vereinbarung mit den Bundesbehörden (Convention de l'Ariana) zu Eigentum übernahm. Die Vereinigten Nationen richteten darin ihren europäischen Sitz ein. Später liessen sich noch folgende Organisationen im Palais des Nations nieder: Die Europäische Wirtschaftskommission, die Weltgesundheitsorganisation, das ständige zentrale Opiumkomitee, das Kontrollorgan für Betäubungs-

1254 mittel, der Hochkommissar der Vereinigten Nationen für die Flüchtlinge, das Bureau des Internationalen Zolltarif- und Handelsabkommens und kürzlich auch die Abteilung für Betäubungsmittel der Vereinigten Nationen. Die Schweiz gehört den meisten dieser Organisationen als Mitgliedstaat an: So arbeitet sie als beratendes Mitglied in der Europäischen Wirtschaftskommission und als Vollmitglied in der Weltgesundheitsorganisation mit; sie ist im ständigen zentralen Opiumkomitee und im Kontrollorgan der Betäubungsmittel vertreten und beteiligt sich an den Arbeiten des Hochkommissariats für Flüchtlinge.

II.

Das Palais des Nations, das vor bald 20 Jahren vollendet wurde, genügt den gegenwärtigen Bedürfnissen nicht mehr. Der allgemeine Plan und die Ausmasse waren auf die Bedürfnisse des damaligen Völkerbundes zugeschnitten. Seit dem letzten Krieg hat aber die internationale Zusammenarbeit einen neuen Aufschwung erfahren, und die Bedeutung der Organisation der Vereinigten Nationen ist ständig gewachsen. 1938 waren 750 Beamte und Angestellte im Gebäude des Völkerbundes tätig. Heute beträgt ihre Zahl annähernd das Doppelte.

Die in Genf jährlich abgehaltenen Konferenzen und Tagungen sind viel zahlreicher als vor dem Krieg und werden immer noch häufiger. Diese Stadt hat als Konferenzort der Organisation der Vereinigten Nationen tatsächlich erstrangige Bedeutung. Verschiedene Organe der Vereinigten Nationen, darunter der Wirtschafts- und Sozialrat, die Europäische Wirtschaftskommission und andere Kommissionen, ferner mehrere SpezialOrganisationen, insbesondere das Internationale Arbeitsamt und die Weltgesundheitsorganisation, versammeln sich häufig in den Sälen des Palais des Nations. Überdies war es Tagungsort bedeutender internationaler Konferenzen. Als Beispiel seien die Asien-Konferenz im Jahre 1954, die Konferenz der Begierungschefs der vier Grossmächte, die internationale Konferenz für die friedliche Verwendung der Atomenergie und die Konferenz der vier Aussenminister im Jahre 1955 erwähnt.

Die Zahl der Delegierten, Experten und Beobachter, die täglich den verschiedenen Sitzungen beiwohnen, wird auf 150-200 geschätzt. Sie hat in letzter Zeit zugenommen, seitdem kürzlich weitere Länder der Organisation der Vereinigten Nationen beigetreten sind.

Es hat sich unter diesen Umständen das Bedürfnis herausgestellt, über weitere Bäumlichkeiten verfügen zu können und die schon bestehenden Einrichtungen so rationell wie möglich zu gestalten. Die bis jetzt ausgeführten Umbauten und Verbesserungen haben sich als unzulänglich erwiesen. Während der Perioden intensiver Beanspruchung sieht sich der Europäische Sitz der Vereinigten Nationen vor beinahe unlösbare Probleme gestellt, wenn es sich darum handelt, den normalen Arbeitsablauf verschiedener gleichzeitig tagender Konferenzen sicherzustellen. Herr A.Pelt, Direktor des Europäischen Sitzes, hat sich gezwungen gesehen, die Aufmerksamkeit des Generalsekretärs der Vereinigten Nationen auf diese Situation zu lenken.

1255 III.

Der Generalsekretär hat daraufhin beschlossen, der Generalversammlung des Jahres 1956 einen Plan für die Modernisierung des Palais des Nations in Genf zu unterbreiten. Das Konsultativkomitee für administrative und Budgetfragen der Generalversammlung hatte sich schon vorher dazu zu äussern. Angesichts des .erhöhten Budgets für 1957 empfahl das Konsultativkomitee den Plan nur bedingt und verwies auf die Möglichkeit, ausserhalb der Organisation i der Vereinigten Nationen einen Kredit für die Finanzierung der Arbeiten aufzunehmen. Diese eher schwache Empfehlung gab Herrn Pelt zur Befürchtung Anlass, die Prüfung der Frage könnte zurückgestellt werden, und zwar um so mehr, als die internationale politische Lage für die Vereinigten Nationen im kommenden Jahr ein weiteres Anwachsen der finanziellen Lasten erwarten liess.

Die Mitgliedstaaten hätten unter diesen Umständen wahrscheinlich wenig Neigung gezeigt, ihre Zustimmung zu Ausgaben zu erteilen, die sie nicht unbedingt für vordringlich hielten.

Herr Pelt ersuchte deshalb das Eidgenössische Politische Departement um ein Darlehen, das es der Generalversammlung leichter machen würde, den Modernisierungsplan für das Palais des Nations anzunehmen.

Unter Vorbehalt Ihrer Zustimmung haben wir diesem Gesuch entsprochen und der Organisation der Vereinigten Nationen ein zinsloses Darlehen angeboten.

Das Konsultativkomitee für administrative und Budgetfragen wie auch die 5. Kommission der UNO waren auf Grund dieser Zusage in der Lage, das Programm des Generalsekretariates zu genehmigen. Schliesslich hat die Generalversammlung der Vereinigten Nationen den Plan in ihrer Sitzung vom 27. Februar 1957 gebilligt und den Generalsekretär ermächtigt, den Darlehensvorschlag des Bundes anzunehmen. , IV.

Der durch die Generalversammlung genehmigte Modernisierungsplan sieht vor, das Palais des Nations zu einem geräumigen und guteingerichteten Konferenzgebäude auszuweiten, dessen Unterhalt so einfach und billig wie möglich sein soll. Die Arbeiten sollen auf drei oder vier Jahre verteilt werden und voraussichtlich schon 1957 beginnen. Dabei sind verschiedene Verbesserungen als vordringlich erklärt worden. So sollen insbesondere der Versammlungssaal und verschiedene Konferenzzimmer vergrössert werden. Andere Eäumlichkeiten werden umgestaltet und mit Einrichtungen für Simultanübersetzungen ausgestattet. Bereits vorhandene Apparaturen sowie die Vervielfältigungsanlage sollen vervollkommnet werden. Da die Personenaufzüge den gegenwärtigen Bedürfnissen nicht mehr entsprechen, sollen sie durch leistungsfähigere und schnellere Einrichtungen ersetzt werden. Die Erfrischungsräume, die gegenwärtig nicht genügen, sollen besser eingerichtet werden. Ferner ist der Bau neuer, unbedingt benötigter Magazine, Lager und anderer Eäumlichkeiten vorgesehen. Schliesslich sind gewisse Erdarbeiten erforderlich.

1256 Der Kostenvoranschlag beläuft sich auf l 210 000 Dollars, d.h. ungefähr 5 200 000 Franken. Dank dem Darlehen des Bundes konnte der erforderliche Kredit in zehn gleiche Tranchen eingeteilt werden, die den Budgets der UNO für die zehn Fiskaljahre 1957-1966 belastet werden sollen (jede Jahrestranche beträgt somit 121 000 Dollars).

Das Darlehen des Bundes würde dazu dienen, den Unterschied zu begleichen, der während der Dauer der Bauarbeiten (3-4 Jahre) zwischen den durch die UNO ausgesetzten jährlichen Tranchen und den effektiven Ausgaben entstehen wird. Die drei ersten Jahrestranchen (1957-1959) werden zusammen mit dorn Darlehen des Bundes die Bauarbeiten finanzieren, während die sieben letzten Tranchen (1960-1966) der Bückzahlung des Bundesdarlehens dienen werden.

Das Darlehen wird jedenfalls unter dem Betrag von 4 Millionen Franken bleiben. Es würde zinslos gewährt und nach Beendigung der Bauarboiten in sechs oder sieben Jahrestranchen zurückbezahlt. Die Behörden von Kanton und Stadt Genf haben sich ihrerseits bereit erklärt, sich am Darlehen zur Hälfte zu beteiligen. Der Bund hätte infolgedessen höchstens 2 Millionen Franken zur Verfügung zu stellen.

Es ist wohl kaum notwendig darauf hinzuweisen, wie sehr unser Land daran interessiert ist, dass die UNO auf Schweizer Boden unter möglichst günstigen materiellen Bedingungen arbeiten kann. Unbestreitbar besitzt Genf als internationales Zentrum eine grosse Anziehungskraft und gehört ohne Zweifel zu den Städten, welche di e meisten internationalen Konferenzen beherbergen. Soll Genf seinen Eang behalten, so muss es über die modernsten Eäumlichkeiten und Einrichtungen verfügen. Die Eidgenossenschaft war im übrigen immer bestrebt, die Niederlassung internationaler Organisationen auf ihrem Gebiet zu begünstigen.

Die Bundesbehörden haben ihnen schon verschiedentlich finanzielle Beihilfen gewährt, um insbesondere die Unterbringung der administrativen Dienste zu ermöglichen. Es empfiehlt sich ganz besonders, dieses Entgegenkommen auch der Organisation der Vereinigten Nationen zu erweisen und ihr dadurch zu zeigen, welchen Wert wir darauf legen, dass sie einen Teil ihrer Verwaltung in der Schweiz belässt.

Gestützt auf diese Überlegungen beantragen wir Ihnen, den beiliegenden Entwurf eines Bundesbeschlusses gutzuheissen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident,
hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 14. Mai 1957.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Strettii Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1257 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

ein zinsloses Darlehen des Bundes an die Organisation der Vereinigten Nationen für die Modernisierung des Palais des Nations in Genf

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 14. Mai 1957, beschliesst:

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Art. l Der Organisation der Vereinigten Nationen wird unter hälftiger Beteiligung des Kantons Genf ein zinsloses Darlehen von höchstens 4 Millionen Franken gewährt, um ihr die Modernisierung des Palais des Nations in Genf zu ermöglichen. Dieses Darlehen ist durch jährliche gleiche Eaten innert sechs oder sieben Jahren nach Beendigung der Bauarbeiten zurückzuzahlen.

Art. 2 i Der vorliegende Beschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt sofort o in Kraft.

Der Bundesrat ist mit seinem Vollzug beauftragt.

Bundesblatt. 109. Jahrg. Bd. I.

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1957

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22.05.1957

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1253-1257

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